Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (197).

Nr. 197 (C. R. – 907)

Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (197).

Saunier (vgl. 30 u. 31), jetzt Pfarrer in einer waadtländischen Gemeinde, wünschte aus uns unbekannten Gründen seine Stelle mit Louis Treppereau, Pfarrer in Celigny, zu vertauschen. Viret bat Calvin dazu die Erlaubnis bei seinen Kollegen zu erwirken.

Angelegenheiten der Genfer Pfarrer.

In Sauniers Sache habe ich getan, soviel mich erstlich meine Pflicht, dann aber auch der Takt tun ließ. Da unter den Brüdern keiner war, dem nicht alles, was wir Saunier früher vorgeworfen haben, in den Sinn kam, schien es mir gut, dem gleich entgegenzutreten. Damit meine Rede mehr Gewicht habe, las ich auch deinen Brief vor. Ich schloss mit den Worten: „Weil ich es für das einzige Mittel ansehe, durch das verhindert werden kann, dass ein Bruder, der bisher eifrig im Weinberg des Herrn gearbeitet und sich durch nicht zu verachtende Tüchtigkeit ausgezeichnet hat, für die Zukunft seiner nützlichen Wirksamkeit beraubt wird, missfällt mir die Versetzung, die er sich wünscht, nicht.“ Denn von mehreren Übeln, die ich fürchte, ist das das Geringste. In der Verhandlung musste ich die Reden vieler unterbrechen, um sie irgendwie zu milderer Meinungsäußerung zu bringen. Aber sie waren zu fest in ihrer Überzeugung, als dass sie sich hätten herumbringen lassen. Ja, ich wills nicht verschweigen, manches sprach gegen Saunier. Er gab als notwendigen Grund den Tod seines Schwiegervaters an. Dagegen wandten die Brüder ein, sie wüssten schon seit mehr als einem Jahr, dass dieser Sorgenstein von Saunier weggewälzt sei. Andere sagten, er finde nur deshalb keine Verwalter oder Pächter, weil er zu viel verlange. Fast alle meinten, er suche nicht bloß Erleichterung seiner Lage, sondern Profit, wonach er immer gieriger werde. Als ich eine zweite Rundfrage über die Meinung eines jeden abnahm, sagte ich gegen meine Gewohnheit zuerst, weshalb ich nichtsdestoweniger Saunier zulasse. Nur zwei stimmten mir zu, des Gallars und Bourgoing; zehn blieben bei ihrer vorgefassten Meinung. So hat er eine abschlägige Antwort bekommen. Ja, man nötigt mich trotz meines heftigen Widerstrebens, seiner Pfarrklasse die Antwort zu schreiben; allerdings eher lobend für Saunier, als mit irgendeinem Tadel. Nicht wenig Bedeutung hatte der Grund, dass man Louis den beiden Gemeinden, in die er versetzt worden wäre, durchaus nicht für gewachsen hielt. Darin hat mir Saunier Unrecht getan, dass er bei einigen prahlte, ich hätte ihm versprochen, die Sache werde keine Schwierigkeit haben. Ferron hat mir nämlich zugeflüstert, Saunier habe sich selbst so gerühmt, weil ich die Sache auf mich genommen habe. Du bist mir Zeuge, dass das falsch ist. Denn wie sollte ich den Brüdern ihr Recht und ihre freie Entscheidung rauben? Doch das ist nebensächlich, tröste du Saunier, wenn er zu dir kommt. Lebwohl immer wieder, samt deiner Frau und deinen Angehörigen. Der Herr behüte Euch mit seinem Geist. Amen. Grüße die Brüder und deine Frau angelegentlich, auch Frau du Tailly und die andern Freunde.

Genf, 16. Mai 1547.
Dein
Johannes Calvin.

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