Calvin, Jean - An Mykonius in Basel (195)

Nr. 195 (C. R. – 901)

Calvin, Jean - An Mykonius in Basel (195)

Vgl. 190. Valerand Poulain hatte Fräulein von Wilerzy in Basel vor Gericht gezogen.

Richtigstellung von Behauptungen Poulains.

Ich war sehr verwundert, als ich hörte, der Prozess, den Valerand gegen Fräulein von Wilerzy angestrengt habe, sei noch bei Euch anhängig. Ich hätte nie gedacht, dass man in Basel solch langwierigem Verfahren Raum gebe. Ich wage es zwar nicht und wünschte es auch nicht, in der mir nicht genügend bekannten Sache ein Urteil zu fällen; aber soviel ich von zuverlässigen Zeugen höre, ist die Sache nicht so verworren, dass sie nicht rasch abgewickelt werden könnte. Um Valerand selbst tut es mir leid, denn von dem hatte ich früher etwas Gutes erwartet. Doch, offen gestanden, es ist eigentlich gekommen, wie ich gefürchtet; denn er hat auch schon früher guten und vernünftigen Leuten allerlei Anzeichen seines Leichtsinns gegeben. Darin freilich sehen wir uns alle getäuscht, dass er jetzt wie ein ganz schamloser Mensch sich so dem Gespött preisgibt, dass er ein Mädchen, das wahrhaftig solche Schmach nicht verdient hat, in schlechten Ruf bringt mit sich selbst. Was erreicht er damit, als dass er selbst als ein Mensch ohne Schamgefühl sich lächerlich macht? Ich sage das nicht etwa, damit du ihn mahnen sollst, weil ich nicht zweifle, dass du schon jedes Mittel versucht hast, und weil ich bei der Frechheit seines Charakters auch gar nicht die Hoffnung hege, dass Ermahnungen etwas nützen könnten. Gewiss wünschte ich ja auch, er möchte zu seiner früheren Gesinnung zurückgebracht werden, aber ich habe es bereits an einem Brief erfahren, dass man an einen Tauben hinredet, wenn man ihm etwas Vernünftiges raten will. Ich habe ihn ruhig und in aller Bescheidenheit zurechtgewiesen. Er antwortete, als ob er von mir entsetzlich beleidigt worden wäre. Dass er in seiner Antwort eine solche Wut, ja eine so ungeordnete Geistesverfassung an den Tag legte, verzeihe ich ihm gern. Aber dass er kein Bedenken trug, soviel ich höre, vor Eurem erlauchten Rat sich zu rühmen, mein Brief sei eine Verteidigung seiner Sache, das ist eine Unwahrheit, die ich nicht hinnehmen darf. Da er ja alles ausschwatzt, sehe ich nicht ein, was die Richter so lange aufhält. Er bringt Zeugen vor. Er hat ja aber doch kürzlich an Farel geschrieben, die Sache sei in Gottes Gegenwart, aber ohne menschliche Zeugen, abgemacht worden. Durch eine lange Reihe von Kleinigkeiten macht er die Sache verwickelt. Weshalb, wenn nicht, um den Richtern Sand in die Augen zu streuen? Sie sind zu geduldig mit ihm, wenn sie zugeben, dass er so seinen Spott mit ihnen treibt. Ich halte es für deine Pflicht, dem Mädchen, das du so bösartig gequält siehst, mit deinem Urteil zu Hilfe zu kommen, und damit zugleich dafür zu sorgen, dass der Frechheit dieses unverschämten Menschen Einhalt getan wird. Da es aber auch in meinem eigenen Interesse liegt, dass die Verleumdung, die er mir angetan hat, zunichte gemacht wird, so bitte ich dich, den Richtern und dem Rat zu melden, dass es reinweg erlogen ist, was er von meinem Briefe prahlt. Ich möchte nicht für so leichtsinnig gelten, als ob ich in einer so bösen und gemeinen Sache den Verteidiger machte. Ich habe von ihm vier Briefe erhalten in dieser Sache, Schimpfbriefe, voll hitziger Redensarten. Er hat von mir nur einen, in dem seine Tat maßvoll verurteilt wird. Unverschämt handelt er also, wenn er sich auszureden sucht mit meinem Namen. Kommt es anders heraus [als ich sage], so weigere ich mich nicht, die Schmach auf mich zu nehmen. Glaube nicht, dass es Ehrgeiz sei, wenn ich um meinen Ruf besorgt bin. Wo bliebe die Achtung vor unserm Amt, wenn ein solcher Verdacht auf uns sitzen bliebe? Denn ich zweifle nicht, dass er auch anderer Leute Namen missbraucht hat. Du tust also etwas, was ganz deiner ernsten Amtstreue entspricht und durchaus nicht etwa deiner Pflicht als Pfarrer nicht anstünde, wenn du dich bei den Richtern gegen die Frechheit dieses Menschen ins Zeug legst, damit sie sie durch ihren Machtspruch etwas im Zaum halten.

Lebwohl, hochverehrter Bruder im Herrn und hochberühmter Mann. Der Herr leite dich stets samt deinen Kollegen und segne Euer Amt. Allen Freunden und deiner Frau viele Grüße.

Genf, 1. Mai 1547.
Dein
Johannes Calvin.

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