Calvin, Jean - An Professor Melchior Volmar in Tübingen.

Nr. 175 (C. R. – 814)

Calvin, Jean - An Professor Melchior Volmar in Tübingen.

Melchior Volmar von Rottweil war in Bourges Calvins Lehrer im Griechischen gewesen. 1535 wurde er nach langem Aufenthalt in Frankreich als Professor der Rechtswissenschaft nach Tübingen berufen; Calvin widmete ihm seinen Kommentar zum 2. Korintherbrief mit folgender Dedikation.

Dank an den einstigen Lehrer.

Wenn du mich nicht nur der Trägheit, sondern sogar der Unhöflichkeit anklagst, weil ich so lange schon nicht mehr an dich geschrieben hatte, so muss ich gestehen, dass ich eigentlich gar keinen Entschuldigungsgrund habe. Denn wenn ich auch vorbringe, wir seien soweit voneinander entfernt, und ich habe seit fünf Jahren niemand zur Hand gehabt, der nach Tübingen reiste, so wäre das zwar ganz wahr, doch wie ich selbst zugebe, eine allzu schwache Ausrede. Deshalb schien mir nichts besser, als dir dafür einen Ersatz zu bieten, der gut macht, was ich bisher an dir gefehlt habe, und mich so mit einem Male von aller Schuld befreit. Sieh, da hast du also einen Kommentar zum zweiten Brief Pauli an die Korinther, den ich mit möglichstem Eifer ausgearbeitet habe. Denn ich zweifle bei deiner Einsicht gar nicht daran, dass dir das als ausreichender Ersatz gelten wird. Freilich, auch andere und wichtigere Gründe bewegen mich, dir das Werk zu widmen. Erstlich die Erinnerung an die Freundschaft, die mich erst ja nur ein klein wenig mit dir verband, bis du sie so treu pflegtest und mehrtest, an die große Bereitwilligkeit, mit der du dich selbst und jeden Dienst mir widmetest, wenn du Gelegenheit fandest, zum Beweis deiner Liebe zu mir, an den Eifer, mit dem du mir deine Hilfe zu meiner weitern Ausbildung anbotest, wovon Gebrauch zu machen mich nur ein Ruf abhielt, dem ich damals Gehorsam schuldig war. Aber nichts lebt stärker in mir, als die Erinnerung an jene erste Zeit, als ich, vom Vater geschickt, Zivilrecht zu studieren, auf dein Betreiben und in deiner Lehre neben dem Studium der Gesetze Griechisch trieb, das du damals, darob hoch gerühmt, lehrtest. An dir lags auch nicht, dass ich nicht weiter darin kam. Du hättest dich, freundlich wie du bist, nicht geweigert, hilfreiche Hand zu bieten bis ans Ziel der Laufbahn, wenn mich nicht fast von Beginn des Wettlaufs der Tod meines Vaters abgerufen hätte. Dafür bin ich dir aber nicht wenig Dank schuldig, dass ich wenigstens in den Elementen des Griechischen von dir unterwiesen worden bin, denn das hat mir später viel geholfen. So konnte ich mir selbst nicht anders genug tun, als dass ich dir so eine Art Denkmal meiner Dankbarkeit auch für die Nachwelt errichtete, durch das zugleich dir ein wenig von der Frucht deiner Mühe wieder zuströmt. Lebwohl.

Genf, 1. August 1546.

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