Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (108).

Nr. 108 (C. R. – 530)

Calvin, Jean - An Viret in Lausanne (108).

Sebastian Castellio, Rektor des College de la Rive, hätte gern zur Verbesserung seiner Stellung ein Pfarramt angenommen. Aus den in diesem und im folgenden Brief erwähnten dogmatischen Gründen glaubte Calvin, ihm das nicht geben zu können, und so sah sich Castellio genötigt, Genf zu verlassen. Pierre Raymond, der Calvin beschimpfte, war Lehrer am College. Der Abt von St. Victor ist Francois Bonnivard, der berühmte Freiheitsheld von Genf, der, obwohl recht bejahrt, die Mutter des Syndic Corne heiratete.

Vom Wegzug Castellios und der Heirat Bonnivards.

Sebastian ist mit einem Schreiben von uns zu Euch abgereist. Hätte er doch selbst besser für sich gesorgt, oder gäbe es nur für uns irgendeine Weise, ohne Nachteil für die Kirche für ihn zu sorgen! Seine bisherige Stellung in Genf blieb durchaus gleich; aber er weigerte sich, darin zu bleiben, wenn er nicht eine Gehaltserhöhung bekomme. Das konnte er aber beim Rat nicht erreichen. Mir schien es besser, die Ursache, weshalb er nicht zum Dienst am Wort zugelassen werden konnte, [vor dem Rat] zu verschweigen, oder doch nur anzudeuten, es liege ein Hindernis vor; dabei aber allem falschen Verdacht entgegenzutreten, um ihm seinen Ruf unangefochten zu erhalten. Mein Plan zielte dahin, ihn zu schonen. Ich hätte das gerne getan, obschon ich deswegen angefeindet worden wäre, wenn er selbst es zugelassen hätte. Auf sein Verlangen wurde die Sache aber doch im Rat, jedoch ohne Zank, behandelt. Er tut mir sehr leid, umso mehr, da ich fürchte, er wird auch dort, wohin er will, nicht finden, was er wünscht. Sorgt Ihr für ihn, so gut Ihr könnt. Wie er über mich urteilt, darum kümmere ich mich gar nicht. Raymond hat auch neulich, als ich abwesend war, mich mit den furchtbarsten Schimpfreden heruntergerissen. Ich brauche dir nicht mit einem Bericht davon lästig zu fallen. Nur soviel: hier in Genf ist niemand so frech, auch nur halb soviel zu wagen. Aber ich ertrage alles und bin still darüber; nur im Kreise der Brüder habe ich geklagt, dass es Leute gäbe, die von mir nicht gerade höflich dächten und sprächen. Doch weg mit diesen Dingen! Du weißt wohl, dass der Abt von St. Victor und die Mutter des Syndic Corne durch ihre Heirat uns Stoff zu vielen Schmerzen gegeben haben. Lebwohl, lieber Bruder. Grüße Celio, Ribit, deine Familie und alle anderen Freunde. Der Herr behüte dich und sie.

11. Februar.
Dein
Johannes Calvin.

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