Bunyan, John - Der unfruchtbare Feigenbaum

Bunyan, John - Der unfruchtbare Feigenbaum

Sondern ermahnet euch selbst alle Tage, so lang es heute heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde durch Betrug der Sünde.
Hebräer 3, 13

Lieber Leser!

Jetzt schreibe ich dir über den unfruchtbaren Feigenbaum oder wie es dem unfruchtbaren Bekenner, der jetzt noch im Weinberge Gottes steht, einst ergehen wird.

Welcher Art dein Zustand ist, weiß ich nicht, aber unser Gleichnis sagt dir, dass jeder ausgehauen werden muss, der das Land hindert.

Ein Bekenner, welcher das Land hindert, ist nicht nur ein Gegenstand des Zornes Gottes, ein Stein des Anstoßes für die Welt und ein Schandfleck für den Gottesdienst, sondern auch der Mörder seiner eigenen Seele. Wenngleich seine Höhe in den Himmel reicht, und sein Haupt an die Wolken rühret, so wird er doch zuletzt umkommen, dass, die ihn sahen, werden sagen: Wo ist er (Hiob 20, 6-7)?

Sie achten für Wollust das zeitliche Wohlleben (2. Petrus 2, 13-14). Doch wo sollen sie bleiben und was sollen sie beginnen, wenn die Axt ihnen an die Wurzel gelegt wird?

Ein Baum, dessen Frucht verdorrt, heißt ein unfruchtbarer Baum, zweimal erstorben und ausgewurzelt (Judas 1, 12).

O du, der du das Land hinderst! Gott erwartet Frucht von dir. Bald wird er kommen, um Frucht auf dir zu suchen. Deshalb ermahne ich alle Bekenner, zu erkennen und zu beachten: Der unfruchtbare Feigenbaum im Weinberge und der Brombeerstrauch im Walde sind beide für das Feuer bereitet. - Das äußerliche Bekenntnis ist kein Deckmantel, der dich vor Gottes Augen verbergen könnte, auch wird dein Bekenntnis die Rache fordernden Drohungen seiner Gerechtigkeit nicht abschwächen, sondern Gott wird befehlen, dass man dich eiligst abhaue.

Die Kirche und ein Bekenntnis sind der beste Ort für das Gedeihen des Aufrichtigen, der allerverderblichste Boden aber für die, welche das Land hindern. Diesen muss vielmehr, als Unheiligen, der Zugang zum Berge Gottes gewehrt, ja, sie müssen über die Mauer des Weinbergs geworfen werden, damit sie verdorren und dann gesammelt werden zum Verbrennen. Es wäre ihnen besser, dass sie den Weg der Gerechtigkeit nie erkannt hätten (2. Petrus 2, 21). Zwar würden sie ohne Erkenntnis des rechten Weges gleichfalls verdammt; doch ist es besser zur Hölle gehen ohne, als mit oder unter einem Bekenntnis; denn diese werden desto schwerere Verdammnis empfangen (Lukas 20, 47).

Wenn du ein Bekenner bist, so lies mit Zittern, bist du es nicht, so lies auch du mit Zittern; denn so der Gerechte kaum erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erscheinen (1. Petrus 4, 18)? Du, der du das Land hinderst, hüte dich vor der Axt; unfruchtbarer Feigenbaum, hüte dich vor dem Feuer.

Doch ich will euch nicht länger von dem Büchlein selbst abhalten. Der Herr Jesus Christus, der Weingärtner, behüte und versorge dich, er umgrabe und bedünge dich, auf dass du Frucht bringest und dem Gerichte entrinnen mögest, wenn der Herr des Weinberges mit seiner Axt kommt, um Frucht zu suchen oder das Urteil der Verdammnis auszusprechen über den unfruchtbaren Feigenbaum. Der aber, welcher das Land hindert, wird gesammelt und ins Feuer geworfen.

Die Gnade sei mit allen, die lieb haben unsern Herrn Jesus Christus unverrückt. Amen.

John Bunyan

Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge; und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht.
Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum und finde sie nicht; haue ihn aus, was hindert er das Land?
Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn.
Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen; wo nicht, so haue ihn danach aus.

Lukas 13, 6-9

Zu Anfang dieses Kapitels lesen wir, wie einige aus den Juden zu dem Herrn Jesus kamen, um ihm die Grausamkeiten des Pontius Pilatus zu verkünden, wie dieser nämlich das Blut der Galiläer samt ihrem Opfer vermischt habe. Das war eine heidnische und ganz unerhörte Tat, denn darin zeigte er seinen Hass nicht allein gegen die jüdische Nation, sondern auch gegen ihren Gottesdienst, folglich auch gegen ihren Gott. Es war eine Tat, sage ich, welche nicht allein heidnisch, sondern auch ganz unerhört war; und doch lehrt der Herr Jesus darüber die Juden, dass, sofern sie sich nicht bekehrten, sie alle auch also umkommen würden, nämlich durch die Hand und Gewalt des römischen Reiches. Er sagt, sie würden ebenso wenig diesem Schlage ausweichen können, wie die achtzehn, auf welche der Turm von Siloah fiel und tötete sie (Lukas 19, 42-44).

Die Erfüllung dieser Weissagung ist wegen der Härte und Unbußfertigkeit ihres Herzens über sie gekommen zur Zeit des Titus, des Sohnes des Vespasian, ungefähr vierzig Jahre nach Christi Tod. Da wurden die Juden und ihre Stadt von allen Seiten belagert und zu ihrem Entsetzen elendiglich verwüstet. Gott hatte sie mit dem Schwert, mit Hunger, mit Pestilenz und Blut heimgesucht wegen ihres Wütens gegen den Sohn seiner Liebe; darum ist der Zorn endlich über sie gekommen (1. Thessalonicher 2, 16).

Um nun ihren alten und törichten Ausflüchten , welche sie jederzeit gegen solche Weissagungen und Androhungen von Gerichten bereit hatten, zuvorzukommen, stellt der Herr Jesus ihnen dies Gleichnis vor Augen und bedeutet ihnen in demselben nachdrücklich, dass ihr Geschrei: „Wir sind des Herrn Tempel, Kinder Abrahams und Glieder der wahren Kirche Gottes“, ihnen nicht im mindesten werde helfen können. Es ist, als ob der Herr hätte sagen wollen: Ihr gedenkt vielleicht, euch gegen diese meine Weissagung von eurer gänzlichen und unvermeidlichen Verwüstung dadurch zu sichern, dass ihr euch auf die äußeren Vorrechte des Volkes Israel stützt; doch dies alles wird euch im Stich lassen. Denn: Ein Mann hatte einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf, und fand sie nicht. Dies ist der Fall bei euch: Das jüdische Volk ist Gottes Weinberg, dass weiß ich, und ich weiß auch, dass ihr die Feigenbäume seid; doch euch mangelt gerade das Wichtigste, nämlich die Frucht. Er hat seinen Weinberg mit Bäumen bepflanzt, in der Hoffnung auf Frucht, aber die Frucht fehlt an euch, die Frucht, wegen welcher er vor allem diesen Weinberg gepflanzt hat; was bleibt ihm denn nun anders übrig, als dass er in seiner Gerechtigkeit den Befehl erteile, euch auszuhauen, als solche, die dem Lande hinderlich sind, damit er sich einen andern Baum pflanze? Und er sagte zu dem Weingärtner: Siehe, ich komme nun drei Jahre lang alle Jahre und suche Frucht auf diesem Feigenbaume und finde sie nicht; haue ihn aus, was hindert er das Land? Dies muss also euer Ende sein, obwohl ihr im Garten Gottes steht; wegen der Unfruchtbarkeit eures Herzens und Lebens müsst ihr ausgehauen, entwurzelt und aus dem Weinberge hinausgeworfen werden.

Beim Lesen der Gleichnisse müssen zwei Dinge beachtet und erwogen werden: zunächst das Bild, welches gebraucht wird, und sodann die Lehren und Wahrheiten, welche unter den Bildern verborgen liegen.

Die Bilder dieser Parabel sind ein Mann, ein Weinberg, ein Feigenbaum, ein Weingärtner, drei Jahre, Umgraben und Bedüngen. Die unter diesen Bildern verborgenen Lehren und Wahrheiten dienen dazu, anzuzeigen, wie es einem unfruchtbaren Bekenner ergehen wird; denn

  • unter dem Manne im Gleichnis wird verstanden Gott, der Vater (Lukas 15, 11);
  • unter dem Weinberge - seine Kirche (Jesaja 5, 7); unter dem Feigenbaum - ein Bekenner; unter dem Weingärtner - der Herr Jesus;
  • unter der Unfruchtbarkeit des Feigenbaumes - die Unfruchtbarkeit eines Bekenners;
  • unter den drei Jahren - die Langmut Gottes, mit welcher eine Zeitlang der unfruchtbare Bekenner getragen wird;
  • unter dem Befehl, der Weingärtner soll ihn aushauen - der Befehl des gerechten Gottes gegen den unfruchtbaren Bekenner;
  • unter dem Bilde des fürbittenden Weingärtners wird uns gezeigt, wie der Herr Jesus ins Mittel tritt und die Axt seines Vaters ergreift, um die Ausführung des Gerichtes an dem unfruchtbaren Feigenbaum, wenigstens für jetzt, zu hindern;
  • unter dem Verlangen des Weingärtners, einen Versuch machen zu dürfen, ob er nicht den Feigenbaum fruchtbar machen könnte, wird angezeigt, wie sehr es ihn schmerzt, dass ein unfruchtbarer Feigenbaum unfruchtbar bleiben und verloren gehen sollte;
  • unter seinem Umgraben und Bedüngen wird verstanden die Bereitwilligkeit, Gnadenmittel bei dem unfruchtbaren Bekenner anzuwenden, um zu sehen, ob er möglicherweise fruchtbar werde.

Die Worte: „wenn der Feigenbaum noch unfruchtbar bleiben sollte“, zeigen, dass selbst nach aller Bemühung Christi Jesu doch noch einige Bekenner sein werden, die unfruchtbar bleiben.

Durch die Erklärung des Weingärtners, ihn bei bleibender Unfruchtbarkeit auszuhauen, wird endlich die gewisse, unvermeidliche und ewige Verdammnis solcher Bekenner ausgesprochen.

Doch wir werden diese Parabel versweise betrachten, und alle besonderen Teile derselben, wenn auch in Kürze, erwägen.

Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge.

Dieser Mann, sage ich, stellt uns, wie oft im Neuen Testament, Gott den Vater vor. Man beachte hierbei, dass es keine neue Sache ist, dass man in der Kirche Gottes unfruchtbare Bäume oder Bekenner findet, wie man auch hier einen unfruchtbaren Baum, einen unfruchtbaren Feigenbaum im Weinberge findet. Die Frucht wird nicht so leicht und bald gezeugt, wie man wohl ein äußeres Bekenntnis annehmen kann. Leicht ist es freilich, sich in einen Schein zu hüllen, in dem sich das Fleisch gefällt, bei dem man zum Nächsten sagen kann: wärmet euch und sättigt euch (Jakobus 2, 16). Dies und manches andere ist nicht schwer; aber fruchtbar sein und gute Früchte tragen kann nicht jeder Baum, ja nicht einmal jeder Feigenbaum, der gepflanzt ist in Gottes Weinberg. Die Worte Johannes 15, 2: Alle Reben an mir, welche keine Frucht bringen, wird er wegnehmen, beweisen dies. Es gibt Reben in Christo, in Christi verborgenem Leibe, welcher ist seine Kirche oder sein Weinberg, die keine Frucht tragen, weshalb auch die Hand Gottes bereit ist, sie wegzunehmen. Warum habe ich erwartet, dass er gute Trauben bringen sollte, und er hat schlechte Trauben (Herlinge) gebracht (Jesaja 5, 4)? Solche Frucht war Gott nicht angenehm. So auch Hosea 10, 1: Israel ist ein wuchernder Weinstock; seine Frucht ist eben auch also; er ist ohne Frucht vor Gott. Dies alles, und noch manches andere, ist ein Beleg dafür, dass Gottes Kirche unnützerweise besetzt werden kann von unfruchtbaren Feigenbäumen oder Bekennern.

Es hatte einer einen Feigenbaum

Wenngleich sich in der Kirche Gottes unfruchtbare und dürre Bäume finden, so sind diese doch äußerlich den andern Bäumen gleich, der Text sagt nämlich: „einen Feigenbaum“, nicht etwa eine Eiche oder einen Weidenbaum, nicht einen Dom- oder Brombeerstrauch, sondern einen Feigenbaum. Und sie werden zu dir kommen in die Versammlung und vor dir sitzen als mein Volk (Hesekiel 33, 31). Wiewohl sie mich täglich suchen und wollen meine Wege wissen, als ein Volk, das Gerechtigkeit schon getan und das Recht ihres Gottes nicht verlassen hätte. Sie fordern mich zum Recht und wollen mit ihrem Gott rechten (Jesaja 58, 2). Und dennoch waren sie nur unfruchtbare und unnütze Bekenner. Judas war auch einer von den Zwölfen, ein Jünger, ein Apostel, ein Prediger, ja ein solcher, dass keiner der elf Jünger Misstrauen gegen ihn hegte, sondern sie alle ihn über sich selbst erhoben, indem sie alle riefen: Bin ich es? Bin ich es? (Markus 14, 19). Keiner unter ihnen, so weit man liest, hatte den Judas im Verdacht, aber in Christi Augen war er dennoch der unfruchtbare Feigenbaum, ein Teufel (Johannes 6, 70), ein unfruchtbarer Bekenner. So gingen auch die törichten Jungfrauen aus mit den andern, mit Lampen und Licht; waren auch wie die übrigen erwacht, hatten sogar die Vermessenheit, als das Geschrei zur Mitternacht geschah, mit den andern auszugehen dem Bräutigam entgegen; denn sie meinten, sie würden ebenso gut wie die andern das Angesicht Christi schauen und seinen Blick ertragen können, wenn er sitzen würde auf dem Throne des Gerichts. Aber dennoch waren sie nur törichte, unfruchtbare Feigenbäume und fruchtlose Bekenner. Viele werden an jenem Tage sagen: „Herr! Herr! dies und jenes haben wir getan“, und werden von vielen wunderbaren Werken sprechen, doch siehe, er findet nichts an ihnen als Früchte der Ungerechtigkeit; sie sind vor ihm ganz dürre und unfruchtbare Bekenner (Matthäus 7, 22-23).

Einen Feigenbaum, der war gepflanzt

Dies Wort „gepflanzt“ besagt sehr viel. Es setzt voraus, dass der Feigenbaum aus seinem natürlichen Boden, von der Stelle, da er zuvor wuchs, herausgenommen ist; einer, der den Ruf gehört und erwacht zu sein schien. Aber noch mehr, dass er durch eine starke Hand aus der Natur in die Gnade, und von der Sünde und dem Sündendienst zur Gottseligkeit gebracht ist. Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholt, und hast vertrieben die Heiden und denselben gepflanzt (Psalm 80, 9).

Einige Reben dieses Weinstockes waren unfruchtbare Bekenner. Man muss daher annehmen, dass dieser Bekenner, der nichtsdestoweniger unfruchtbar bleibt, äußerlich und nach dem Urteil der Kirche auf die wahre Weise in letztere hineingebracht ist, nämlich durch ein Sünden- und Glaubensbekenntnis, und durch einen Schein von Buße und Bekehrung, wie sich die falschen Brüder unvermutet einschleichen. AIles dies ist in dem Wort „gepflanzt“ ausgesprochen. Ja, noch mehr; dass nämlich die Kirche mit ihnen zufrieden ist, und indem sie dieselben gleich den andern für aufrichtig hält, zulässt, dass sie in dem Garten bleiben. Doch vor Gott sind sie gnadenlose, dürre und unfruchtbare Bekenner. Es ist deshalb etwas anderes, in der Kirche zu sein, als von der Kirche zu sein und dem Königreiche anzugehören, welches behalten ist den Heiligen, die in Wahrheit solche sind. Oder wird er, obschon er gepflanzt ist, gedeihen? Wird er nicht, wenn der Ostwind über ihn kommt, ganz vertrocknen? Auf dem Platz seines Gewächses wird er vertrocknen (Hesekiel 17, 10).

Der war gepflanzt in seinem Weinberg

In seinem Weinberg. Heuchler fürchten sich nicht, vor Gott in Zion zu erscheinen. Diese Worte zeigen uns eine unerhörte Art von Vermessenheit und verhärteter Frechheit. Denn welche Vermessenheit kann größer, welches Unternehmen ruchloser sein, als dass ein unbegnadigter Mensch, dem die wahre Erkenntnis Gottes fehlt, sich in solchem Zustande in die Kirche Gottes drängt? Oder wenn solch ein Mensch den Namen Gottes bekennt und begehrt, dass dieser Name über ihm angerufen werde? Denn wer Jesus Christus bekennt, der hat sich gehüllt in den Namen Gottes. Der wird nun, so unfruchtbar er auch vor Gott und Menschen ist, dafür gehalten, dass er mit Gott umgehe; für einen Menschen, der von Gott erkannt ist und für den Gott einstehen wird. Alles dies gibt er durch sein Bekenntnis öffentlich aus vor allen, bei denen er als Bekenner gilt. Menschen, die rein natürlich sind, ich meine solche, die die Teufelskunst solcher Heuchelei nicht gelernt haben, zittern davor, dies zu tun. Von den andern aber durfte sich niemand zu ihnen tun, denn das Volk hielt groß von ihnen (Apostelgeschichte 5, 13). Weil dies Gott so sehr missfällt, so sagt er auch Jesaja 52, 1: O Jerusalem, du heilige Stadt, in dich soll fortan kein Unbeschnittener mehr eingehen. Und Kapitel 1, 12 spricht er: Wenn ihr hereinkommt, vor meinem Angesicht zu erscheinen, wer fordert solches von euren Händen, dass ihr auf meinen Vorhof tretet? - Sie haben deshalb auch diesen Hochmut von keinem in dieser sichtbaren Welt gelernt, sondern allein von dem Satan. Denn allein er und diese seine Jünger haben die Frechheit, sich in der Gemeine vor Gott hinzustellen. Das Unkraut sind die Kinder des Bösen (Matthäus 13, 38). Aber das Unkraut, nämlich die Heuchler, die Kinder des Satans und Otterngezüchte können der höllischen Verdammnis nicht entfliehen.

Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberge

Er sagte nicht: „er pflanzte einen Feigenbaum“, sondern, „der Baum war gepflanzt“, oder „er fand einen Feigenbaum darin gepflanzt“. - Der große Gott will den unfruchtbaren Feigenbaum oder Bekenner nicht als sein Werk anerkennen, oder als einen Baum, den er in den Weinberg sollte gebracht haben; der Text sagt nur, dass er einen Baum darin hatte. Dies stimmt mit dem überein, was man Matthäus 15, 13 liest: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, sollen ausgereutet werden. Hier handelt es sich auch um Pflanzen in dem Weinberge, welche Gott nicht als von seiner Pflanzung kommend erkennen wird; auch scheint dies anzudeuten, dass solcher viele in seinem Weinberge sind. Denn: jede Pflanze, oder alle solche Pflanzen und Bekenner, die sich ohne Gott und seine Gnade in die Versammlung der Heiligen, in die Bekenntnisse ihres Gottesdienstes eingedrängt haben, alle diese sollen ausgereutet werden. Vgl. Matthäus 22, 11-12: Und als der König hineingegangen war, um die Gäste zu besehen, sah er allda einen Menschen, der hatte kein hoch-zeitliches Kleid an. Und sprach zu ihm: Freund, wie bist du hereingekommen und hast kein hochzeitliches Kleid an? - Das ist einer, der so listig und schlau war, dass er alle Gäste betrog; er kam und blieb in der Kirche, bis der König selbst kam, um die anwesenden Gäste zu besehen. Aber seine List half ihm nicht, sie vermochte die Augen des Königs nicht zu täuschen, noch das Urteil des Gerechten zu wenden. „Freund, wie bist du hereingekommen?“ Diese Worte mussten ihn endlich verstummen machen. Der König deckte seine wahre Gestalt auf vor allen Gästen, so dass er öffentlich verworfen wurde. „Wie bist du hereingekommen?“ Mein Vater hat dich nicht hereingebracht, auch ich oder mein Geist nicht; du bist keine Pflanze meines himmlischen Vaters. „Wie bist du denn hereingekommen?“ Wer nicht eingeht durch die Tür in den Schafstall, sondern anderwärts einsteigt, ist ein Dieb und ein Mörder (Johannes 10, 1). Dieses Wort ist wohl zu verstehen und verdient unsere ganze Beachtung; durch die Tür ist jener nicht eingegangen und doch ist er in der Kirche. Er ist durchs Fenster eingestiegen und eingebrochen; er hat einige Erkenntnis und einiges Licht von der Herrlichkeit des Evangeliums unsers Herrn Jesu Christi in seinen Kopf aufgenommen, und so hat der stolze und elende Mensch sich vermessentlich unter die Kinder gedrängt. Wie aber nimmt dies der König auf? Was sagt er von solchem Menschen? Dieser, sagt er, ist ein Dieb und ein Mörder. Hieran sehen wir denn auch, dass nicht alle anerkannt werden als Pflanzen Gottes, die in seiner Kirche sind oder das Bekenntnis seines Namens angenommen haben.

Er hatte einen Feigenbaum in seinem Weinberge, einen Menschen ohne hochzeitliches Kleid im Hochzeitssaal, einen Dieb in seinem Hause. Anderwärts sind diese eingestiegen, denn es gibt außer dem Eingang durch die Tür noch verschiedene Wege, um in Gottes Kirche und zum Bekenntnis seines Namens zu kommen. Hierhin gehört:

  1. Der Weg der Lügen und der Heuchelei: Durch diese Öffnung kamen die Gibeoniter hinein (Josua 9, 3, ff.).
  2. Manchmal lassen sich die Wächter, veranlasst durch ihre fleischlichen Freunde oder aus andern Gründen, Falschheit und Untreue zu Schulden kommen. Durch dieses Loch kroch Tobias, der Feind Gottes, hinein (Nehemia 13, 4-9).
  3. Zuweilen herrscht große Versäumnis und viel zu wenig Umsicht in der ganzen Kirche, und durch dies Pförtchen wurden die Unbeschnittenen (Hesekiel 44, 7-9) hineingelassen.
  4. Manchmal auch, wenn in der Kirche noch so vorsichtig verfahren wird, empfangen einige doch so viel Hilfe vom Teufel, dass sie hineinschlüpfen, und alle von ihnen betrogen werden. Das ist jene Klasse von Dieben, über welche Paulus klagt und die er nennt eingedrungene falsche Brüder, die neben eingeschlichen seien (Galater 2, 3-4) und über welche er laut klagt, wenn er spricht V. 4: es sind etliche Menschen neben eingeschlichen. - Eingeschlichen? Wie, waren sie denn so demütig? - Sie hatten eine selbsterwählte Demut und verschonten des Leibes nicht, das doch keinerlei Wert hat (Kolosser 2, 23). O, welchen Schein der Selbstverleugnung geben sich diese schleichenden, kriechenden Geschöpfe nicht, die, wenn man sie erkennt, für Gräuel in Israel müssen gehalten werden (3. Mose 11, 43-44).

Doch in einem großen Hause, sagt der Apostel, sind nicht allein goldene und silberne, sondern auch hölzerne und irdene Gefäße, einige zu Ehren, andere zu Unehren (2. Timotheus 2, 20). In diesen Worten scheint der Apostel es zuzugeben, dass es solcher unfruchtbaren Feigenbäume oder Bekenner in Gottes Hause, wie allezeit so stets geben werde, selbst dann, wenn alle ihr möglichstes getan haben werden, gerade so, wie in einem großen Hause einige Gefäße sind zu Ehren und andere zu Unehren, hölzerne und irdene, goldene und silberne. Folglich müssen denn auch hölzerne und irdene Bekenner sein in Gottes Weinberge. Zwar will mich es dünken, als sei schon das Wort: „einige zu Unehren“, ein beißendes Wort, und was man Römer 9, 21-22 von Gefäßen zu Unehren liest, ist schrecklich; aber das vorliegende Wort scheint jenes noch zu überbieten. jenes spricht nur von den Verworfenen im Allgemeinen, allein dieses von einer besonderen Klasse derselben. Römer 9 spricht von ihrer Verhärtung auf dem gewöhnlichen Wege; allein hier heißt es, dass sie sollen in die Kirche ein schleichen dürfen, wo sie sich selbst müssen zubereiten für ihren Ort (Apostelgeschichte 1, 25), für den Ort, der für dieses Geschlecht ausschließlich bereitet ist; wie denn auch der Herr Jesus einmal zu den Pharisäern sagte: Diese werden schwerer Urteil empfangen (Lukas 20, 47). Unfruchtbarer Feigenbaum, unfruchtbarer Bekenner! Hörst du alle diese Worte wohl? Hast du es beachtet, dass dieser Feigenbaum von Gott nicht als der seinige erkannt, sondern bezeichnet wird als einer, der nicht zu seinen Pflanzen gehört, nicht von ihm in den Hochzeitssaal gebracht ist? Siehst du nicht, dass du ein Dieb und ein Mörder genannt wirst, der, statt zur Tür einzugehen, über die Mauer gestiegen oder anderwärts eingeschlichen ist? Hörst du nicht, dass es im Hause Gottes hölzerne und irdene Gefäße geben wird, und dass dieselben an keinem Orte schneller und völliger für die Hölle zubereitet werden, als in Gottes Haus, Kirche oder Weinberg? Unfruchtbarer Feigenbaum! Unfruchtbarer Christ! Muss dir dies nicht in den Ohren gellen?

Und er kam und suchte Frucht darauf

Wenn jemand ein Bekenntnis angenommen und sich in die Kirche oder das Haus Gottes eingedrängt hat, so lautet die Frage nun nicht mehr: hat er Leben? ist der rechte Grund in ihm gelegt?, sondern: hat er Frucht? Er kam und suchte Frucht darauf! Es handelt sich nun nicht mehr darum, ob Gott, ob der Teufel oder dein eigenes ruhmsüchtiges Herz dich in den Weinberg gebracht haben, sondern die Frage lautet nur: Hast du Frucht? Bringst du Gott Früchte? Denn: es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt (2. Timotheus 2, 19). Der Apostel sagt nicht: Ein jeder, der in der Gnade stehe, oder der den Geist Gottes hat, sondern: ein jeder, der den Namen Christi nennt, trete ab von der Ungerechtigkeit. Warum befassen sich die Menschen mit Gottesdienst, warum nennen sie sich nach dem Namen Christi Jesu, wenn ihnen Gottes Gnade nicht geschenkt ist, wenn ihnen der Geist Christi fehlt? Gott erwartet Frucht von ihnen, was tun sie sonst im Weinberge? Sie müssen darinnen arbeiten, oder sie müssen hinaus. Mein Sohn, gehe hin und arbeite heute in meinem Weinberge (Matthäus 21, 28). Dass ihm die Gnade und der Geist fehlt, wird Gott nicht abhalten, Frucht zu suchen. Und er kam und suchte Frucht darauf Der Herr sucht das, was solch ein Mensch zu haben scheint. Denn wer in Gottes Haus und Weinberg steht, beteuert es sich selbst, bekennt es andern und will, dass alle Menschen unbedingt es glauben sollen, dass in ihm ein himmlischer Grund sei. Warum sollte denn Gott nicht kommen, Frucht zu suchen?

Denen aber, die für gottesfürchtige Christen gehalten sein wollen, ohne dass es ihnen Gewissenssache ist, ihm Früchte zu bringen, solchen sagt Gott: So gehet hin und diene ein jeglicher seinen Götzen; aber meinen heiligen Namen lasst hinfort ungeschändet mit euren Opfern und Götzen (Hesekiel 20, 39). Unfruchtbarer Feigenbaum! hörst du? Gott erwartet und fordert Frucht; ja, Gott wird bald kommen, um Frucht auf dir zu suchen. Unfruchtbarer Feigenbaum! Du musst entweder Frucht tragen oder den Weinberg verlassen, und auch dann wird dein Los ein unaussprechlich elendes sein; ja, lass mich hinzufügen: wenn du weder Frucht tragen, noch den Weinberg verlassen willst, so wird Gott seinen Namen aus deinem Munde nehmen, weil er gesagt hat: Siehe, ich schwöre bei meinem großen Namen, dass mein Name nicht mehr soll durch eines Menschen Mund aus Juda genannt werden (Jeremia 44, 26). Er will Frucht haben. Und weiter sage ich: ob du schon keines von beiden tun willst, so wird Gottes Gerechtigkeit sie dennoch suchen, und eitel wird es dann sein, zu denken, dies sei Härte; denn er wird schneiden, wo er nicht gesät hat, und sammeln, wo er nicht Bestreuet hat (Matthäus 25, 24-26). Hörst du dies wohl, unfruchtbarer Feigenbaum? Wie, sagst du, ohne zu fragen, ob ich Gnade habe oder nicht? Ja, weil du ein Bekenntnis hast.

Und er kam und suchte Frucht darauf

Die Kirche und ein Bekenntnis sind keine Stätten, da die Ungerechten sich mit ihren Sünden verbergen könnten, vor Gott. Von Alters her meinten manche, weil sie rufen könnten: des Herrn Tempel, des Herrn Tempel sind wir, so hätten sie deswegen Freiheit, ihre Gräuel zu verüben, wie ja auch in diesen Tagen manche ihre Gräuel treiben. Denn wer, sagen sie, hat ein Recht an die Kreatur, wenn nicht die Christen, die Bekenner, die Glieder der Kirche. Hierauf gestützt lassen sie ihren Lüsten und Neigungen zu Hochmut, Ehrfurcht, Schwelgerei und dergleichen vollen Zügel schießen, weiden sich ohne Furcht (Judas 12), wecken ihre Begierden, indem sie sich besudeln mit den Moden der Zeit, da sie einhergehen mit erhobenem Haupte, nacktem Busen, fein gekräuseltem Brustschmucke, unsittlichen Gebärden, in prächtigen Kleidern mit Gold und Perlen köstlich geziert. Ihr Leben will ich hier nicht untersuchen, nicht ihr Betragen in ihren Häusern, in ihren Winkeln und verborgenen Höhlen; doch steht es fest, dass Menschen, die also gesinnt sind, die von solchen Geistesrichtungen und Neigungen beherrscht werden, nur kahle Zweige haben, Zweige, die der Frucht entbehren, die doch Gott erwartet und suchen wird. Unfruchtbarer Feigenbaum! Weder dein Bekenntnis, noch der Herr des Weinberges geben dir die Freiheit, solche Gomorra-Trauben zu tragen, auch wird weder der Weingarten noch dein Eindringen unter Gottes Bäume dich vor seinen Augen verbergen können. Viele freilich gebrauchen den Gottesdienst und Christum als Deckmantel, um sich so in ihren Gottlosigkeiten vor den Menschen zu verbergen, allein Gott sieht ihr Herz, auf dem Fuße folgt er ihnen nach, er achtet auf alle ihre Wege; und wenn dann ihre fluchwürdige Ungerechtigkeit offenbar wird, so wird er sie schlagen mit Verhärtung des Herzens und sie gänzlich verlassen, oder er wird sie noch aufwecken, dass sie Frucht bringen. Nach Frucht sieht er; Frucht sucht er; Frucht erwartet er. Unfruchtbarer Feigenbaum! hörst du es nicht?

Aber wie? Willst du denn vor Gottes Angesicht kommen, um zu sündigen? Willst du vor ihn kommen, um die Sünden zu verbergen? O Mensch! Die Kirche ist Gottes Garten, und Christus Jesus ist der Apostel und Hohepriester, den wir bekennen (Hebräer 3, 1). Willst du denn in das Haus treten, das nach seinem Namen genannt ist? In die Stätte des Heiligtums seiner Ehre (Psalm 26, 8), wo seine Augen und sein Herz alle Tage sind (1. Könige 9, 3)? Willst du dahin kommen, um zu sündigen, um die Sünden zu verbergen und zu bemänteln? Sein Gewächs ist wie ein Lustgarten von Granatäpfeln, mit edlen Früchten, Cypern mit Narden (Hohelied 4, 13-15), und jeder Gang durch seinen Garten hat den Zweck, zu sehen nach den grünen Früchten der Täler, zu sehen, ob der Weinstock blüht und die Granatäpfel ausschlagen (Hohelied 6, 10). Ja, er kam und suchte Frucht auf diesem Feigenbaum. Die Kirche ist Gottes Freudenstätte; da begehrt er Tag und Nacht zu sein; da sucht er Frucht, Frucht an allen Bäumen, die im Garten stehen. Sei deshalb versichert, unfruchtbarer Baum, dass seine Wege bloß und entdeckt sein werden vor den Augen des Herrn. Ein schwarzes Schaf ist bald bemerkt, selbst unter vielen andern, es wird gesehen, sobald man nur die Augen aufschlägt, seine eigene Farbe verrät es. Deshalb sage ich, dass die Kirche und ein Bekenntnis keine Stätten sind, wo die Ungerechten sich verbergen könnten vor Gott, der da kommt, Frucht zu suchen. Mein Weingarten, den ich habe, sagt er, ist vor meinem Angesicht (Hohelied 8, 12).

Und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht

Unfruchtbarer Feigenbaum, höre doch! Die beständige Unfruchtbarkeit ist ein schreckliches Zeichen dafür, dass du ein entsetzliches Ende nehmen wirst, wie der Schluss dieses Gleichnisses ausweist. - Und fand sie nicht. Er fand keine, d. h. keine, die Gott gefiel. Denn wenn gesagt wird: er kam und suchte Frucht darauf, dann wird solche Frucht gemeint, die Gott wohlgefällig ist (Hebräer 11, 6), die angenehm ist vor ihm (Hebräer 6, 7), Früchte, die gut und angenehm sind. Ach, nicht jede Frucht wird hier bestehen; böse Früchte werden nicht für Früchte gerechnet. Ein jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird ausgehauen und ins Feuer geworfen (Matthäus 3, 10). Es gibt verschiedene Früchte, die nicht gut sind, so gibt es:

  1. manche Frucht unter den Bekennern, die da verdorrt, und nie zur Reife kommt; und eine Frucht, die im Aufwachsen verkümmert und nicht zur Reife gelangt, wird nicht für Frucht gerechnet. Diese Frucht findet man bei solchen Bekennern, die viele schöne Ansätze und Blüten haben, die viele schöne Versuche zur Änderung und Besserung des Lebens machen. Sie fangen an zu beten, Vorsätze zu fassen und ihre Sünden zu töten durch Werke der Gerechtigkeit; allein dabei bleiben sie stehen und bringen keine Früchte zur Vollkommenheit; ihre Frucht ist verdorrt, verkümmert und verschrumpft, und ist in Wahrheit keine Frucht.
  2. Manche schnell wachsende Frucht gleicht dem Grase auf den Dächern (Psalm 129, 6), oder schießt auf allzu üppigern Grunde auf, ja schießt sehr schnell und gewaltig auf, viel versprechend und mit hohen Halmen, wird aber endlich doch ohne Mark und Kern erfunden. Diese Frucht findet sich bei solchen Bekennern, die schnell aufgewacht, überzeugt und über ihren Zustand bewegt sind, so dass sie die ganze Familie, das Schiff oder den Ort, da sie wohnen, in Aufregung bringen. Eine Zeitlang rufen sie sehr kläglich, heftig und jämmerlich, und dennoch ist das alles nur Laune, nur Folge einer inneren Beklommenheit und eines inneren Kampfes; sie bringen keine Frucht in Geduld. Dies sind die frühreifen Früchte, welche einer abfallenden Blume gleich sein werden (Jesaja 28, 4).
  3. Wieder eine andere Frucht ist böse und schlecht von Geschmack (Jeremia 24, 2), und bleibt es, so lange sie auch wachsen möge; die Wurzel ist verdorrt und kann den Zweigen nicht zur Genüge Saft zuführen, dass die Frucht reifen könne. Das ist die Frucht solcher Bekenner, deren Herzen entfremdet sind von der Gemeinschaft der Heiligen, deren Frucht aus ihnen selbst grünt und wächst, aus ihrer Kunst, ihren Gaben, ihren Verstandskräften, ihren natürlichen und sittlichen Grundsätzen. Diese werden, ob sie schon Frucht tragen, dennoch ledige Weinstöcke genannt, Weinstöcke, die für Gott keine Frucht tragen. Ephraim ist geschlagen, ihre Wurzel ist verdorret, dass sie keine Frucht mehr bringen können. Und ob sie gebären würden, will ich doch die liebe Frucht ihres Leibes töten (Hosea 9, 16).
  4. Eine andere Frucht ist wild (Jesaja 5, 4). Warum hat er schlechte Trauben (Herlinge) gebracht, da ich erwartete, dass er gute Trauben brächte? Merke hier, dass, gleich wie es Bäume und Kräuter gibt, die gut, edel und in Wahrheit dem Weingärtner angenehm sind, es so auch solche gibt, die ihnen zwar gleichen, aber dennoch wild sind, solche, die nicht echt, sondern unedel sind. Da gibt es gute Trauben und wilde Trauben, einen edlen und einen wilden Weinstock, edle und wilde Rosen, edle und wilde Blumen, edle Äpfel und wilde Äpfel. Die Frucht der wilden Gewächse aber wird, so sehr sie auch den Kindern als Spielzeug gefällt, dennoch von nüchternen und verständigen Leuten wenig oder nichts geachtet. Auch die Welt herbergt eine Klasse von Bekennern, die trotz ihres Bekenntnisses wilder Natur sind, ja, solche Bekenner, die nie vom wilden Ölbaum abgeschnitten und in den guten Ölbaum gepfropft worden sind. Diese nun können nichts anderes, als wilde Ölfrüchte tragen, Gott aber können sie keine Früchte bringen. Zu ihnen gehören alle die, welche leichtfertig ein Bekenntnis angenommen haben und in die Kirche eingeschlichen sind, ohne eine neue Geburt und ohne die neue Natur.
  5. Endlich gibt es auch eine unzeitige Frucht, gleichwie ein Feigenbaum seine unreifen oder unzeitigen Feigen abwirft (Offenbarung 6, 13); Frucht, die unzeitig ist und darum Gott nicht gefällt. - Hier gibt es nun wieder zwei Klassen von Bekennern, deren Frucht als unzeitig zu bezeichnen ist:
    • solche, die zu früh Frucht bringen und
    • solche, die zu spät Frucht bringen.

Die, welche zu früh Frucht bringen, sind solche, welche zur Stunde das Wort aufnehmen mit Freuden, und unverzüglich, ehe sie nach unten Wurzel schlagen, aufwärts schießen. Weil sie aber keine Wurzel haben, so werden sie entkräftet und sterben elendiglich ohne Frucht, wenn die Sonne aufgeht. Zu diesen Bekennern gehören die leichtsinnigen und unbesonnenen Menschen, die da denken, dass dem Evangelium nichts als Friede folge, und die darum sogleich hoch erfreut sind, über die gute Botschaft, ohne auf Widerwärtigkeiten gefasst zu sein; darum sie denn, wenn das Böse kommt, entwaffnet und also außer Stande sind, zu widerstehen, so dass sie ersterben und verdorren müssen, ohne Frucht zu bringen. Das aber in das Steinigte gesät ist, der ist es, wenn jemand das Wort höret und dasselbige alsbald aufnimmt mit Freuden, aber er hat nicht Wurzel in ihm, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt um des Worts willen, so ärgert er sich alsbald (Matthäus 13, 20-21). Und Jesaja 28, 4 wird geredet von der abfallenden Blume ihrer (Ephraims) lieblichen Herrlichkeit, welche sein wird gleich wie die frühreife Frucht vor dem Sommer. Dies ist eine unzeitige Frucht.

Auch diejenigen bringen unzeitige Frucht, welche zu spät kommen, welche warten, bis die Zeit vorbei ist. Gott will seine Frucht haben zu seiner Zeit; er will sie nur von solchen Landleuten annehmen, die ihm die Frucht zu rechter Zeit geben werden (Matthäus 21, 41). Das Versäumen der Zeit ist sehr gefährlich, wie auch das Warten, bis die Türe geschlossen ist (Matthäus 25, 10-11). Viele kommen nicht eher, als bis die Wogen des Zornes Gottes so hoch gestiegen sind, dass sie dieselben nicht mehr durchwaten können. Esaus „hernach“ ist schrecklich. Wisset aber, dass er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ist; denn er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte (Hebräer 12, 17). So brachten auch die Kinder Israels Gott die Früchte des Gehorsams zu spät. Ihr „siehe, hier sind wir“ (4. Mose 14, 40-42) kam zu spät; ebenso auch ihr „wir wollen hinaufziehen“, denn der Herr hatte bereits zuvor geschworen, dass sie das Land nicht sehen sollten. Diese alle bringen unzeitige Frucht (Matthäus 25, 10 u. 27, 3; Hebräer 12, 17; Lukas 43, 25-27). Das beklagenswerte Unglück eines Verworfenen ist, dass er alles zu spät tut, zu spät sein Gebrechen fühlt, zu spät einsieht, dass er außer der Gnade steht, zu spät traurig wird über seine Sünden; er sucht die Bekehrung, die Gnade und die Herrlichkeit zu spät. So siehst du also 1. dass die Frucht, welche im Aufwachsen verkümmert und also verdorret und nicht zur Reife kommt, keine Frucht ist; 2. dass die Frucht, welche schnell zunimmt gleich dem Grase oder den Halmen auf den Dächern, auch verdorrt, ehe sie reift, und also keine Frucht ist; 3. dass die Frucht, welche böse ist und schlecht von Geschmack, keine Frucht ist; 4. dass die Frucht, welche wild oder stinkend ist, keine Frucht ist; und 5. dass die Frucht, welche unzeitig, d. h. zu früh oder zu spät und nicht zur rechten Zeit kommt, keine Frucht ist.

Und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht

Nichts erfreut und befriedigt den Herrn mehr, als Frucht. Da nun die Zeit der Früchte sich näherte, sandte er seine Diener zu den Landleuten, um seine Früchte zu empfangen (Matthäus 24, 34). Fragt man nun: welche Früchte erwartet Gott? so antworte ich: der Herr erwartet gute Früchte. Ein jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen (Matthäus 7, 19). Bevor nun die Frucht gut sein kann, muss zuerst der Baum gut sein; denn die gute Frucht macht keinen guten Baum, aber jeder gute Baum bringt gute Früchte. Liest man auch Trauben von den Dornen oder Feigen von den Disteln (Matthäus 7, 16-17)? Ein Mensch muss erst gut sein, sonst kann er nicht gute Früchte bringen. Ihm muss zuvor die Gerechtigkeit zugerechnet werden, in der er vor Gott stehen kann als ein vom Fluch des Gesetzes Erlöster. Es müssen seiner Seele zuvor die Anfänge des neuen Lebens eingeflößt sein, wie sollte er sonst gute Früchte bringen können? Darum werden des Christen Früchte genannt Früchte des Geistes (Galater 5, 22), wie auch Früchte der Gerechtigkeit, die durch Jesum Christum geschehen (in euch), zur Ehre und zum Lobe Gottes (Philipper 1, 11). Werden sie aber Früchte des Geistes genannt, so muss zuvor der Geist da sein, und sollen sie Früchte der Gerechtigkeit heißen, so muss sich vorher die Gerechtigkeit finden. Doch ich werde hierüber noch einige wenige Worte reden.

1. Gott erwartet Frucht, die der Bekehrung würdig ist und ihr entspricht, denn du gibst heuchlerisch vor, bekehrt zu sein. Jeder Mensch, der ein Bekenntnis hat und in den Weinberg eingedrungen ist, gibt die Bekehrung vor; darum erwartet Gott auch, dass die Früchte der Bekehrung folgen. Bringt rechtschaffene Früchte der Buße (Matthäus 3, 8), d.h. Früchte, die mit deinem Bekenntnis von der Bekehrung übereinstimmen. Unfruchtbarer Feigenbaum! Weil du ein Bekenner bist und im Weinberge stehst, darum stehst du vor dem Herrn als ein Baum des Gartens, und darum erwartet er Frucht von dir so gut, wie von den andern Bäumen des Weinberges, Früchte, die da beweisen, dass du in Herz und Leben deinem Bekenntnis entsprichst. Durch dieses hast du ausgesagt: ich fühle das Verderben der Sünde. Führe denn einen Wandel, welcher beweist, dass du wirklich durchdrungen bist von der Erkenntnis deines sündlichen Verderbens. Durch dein Bekenntnis hast du gesagt: ich bin betrübt über meine Sünden. Führe denn auch ein Leben, in welchem diese Traurigkeit sich offenbart. Du hast mit deinem Bekenntnis gesagt: ich bin tief bekümmert und beschämt wegen meiner Sünden (Psalm 38, 19). Lass denn dein Leben es beweisen, dass du bekümmert und beschämt bist deiner Sünden wegen (Jeremia 31, 19). Durch deine Bekenntnisse hast du bezeugt und gesagt: ich habe mich bekehret und bin feind geworden allem Schein des Bösen (1. Thessalonicher 5, 22). Aber ach, beweist dein Leben und Wandel wohl, dass du es in Wahrheit bist? Siehe zu, unfruchtbarer Feigenbaum, dass dein Leben nicht dein Bekenntnis Lügen straft. Ja, ich sage dir nochmals: siehe doch zu; denn Gott selbst wird einmal kommen, um Frucht zu suchen. Und er kam und suchte Frucht. Es gibt manche Bekenner, welche vor den Menschen völlige Heilige sind, wenn sie sich außer dem Hause befinden; aber zu Hause sind sie Teufel und Ottern. Heilige im Bekenntnis, Teufel im Wandel; Heilige in ihren Worten, aber Sünder in Herz und Leben. Mögen diese 'auch die Bekehrung vorgeben, die Früchte, ja die Früchte, die derselben würdig sind, fehlen ihnen.

Ist es wohl denkbar, unfruchtbarer Feigenbaum, dass diejenigen, die sich so schmücken, jemals sollten Leid getragen haben über ihren Hochmut, dass diejenigen, die der Welt nachjagen, sollten Reue gehabt haben über ihre Habgier; oder dass diejenigen, welche mit wollüstigen Augen einhergehen, jemals sollten Reue gehabt haben über ihre fleischlichen Lüste? Wo ist die Frucht ihrer Bekehrung und Reue? Offenbaren sie nicht vielmehr Reue über ihr Bekenntnis? Wenigstens ihre Früchte scheinen dies zu bezeugen. Ihr Hochmut beweist, dass sie ihre Demut bereuen; ihr Geiz zeigt, dass sie es bereuen und müde geworden sind, auf den Herrn zu vertrauen; und deine wollüstigen Gebärden, zeigen sie nicht, dass du dich von der Keuschheit abgewandt hast? Wo ist denn deine Frucht, unfruchtbarer Feigenbaum? Die Bekehrung ist nicht allein Reue und Leid über die Sünde, sondern eine Abkehr von der Sünde zu Gott. Sie wird Hebräer 6, 1 genannt eine Bekehrung von den toten Werken. Hast du die göttliche Traurigkeit, die da wirkt zur Seligkeit eine Reue, die niemand gereut? Worin bezeugst du denn deine Demut, deine Rechtfertigung, deinen Widerwillen gegen die Sünde, deine Furcht vor der Übertretung, dein Verlangen, vor Gott zu wandeln, dein Eifern vor der Welt für seines Namens Ehre? Und wie, verdammst du in deinem Herzen jeden Gedanken an Ungehorsam (2. Korinther 7, 11)? Wo ist, frage ich, die Frucht deiner Bekehrung? Wo ist dein Fasten und Beten, dein Wachen gegen die Reste der verderbten Natur? Wo ist das Hassen deiner selbst? Wo deine Scham vor Gott wegen der sich noch findenden Sünden? Wo ist deine herzliche Liebe zu dem Namen Gottes und seinen Wegen? Wo ist deine Selbstverleugnung und das „Sich genügen lassen“? Wie zeigst du vor den Menschen die Wahrheit deiner Bekehrung zu Gott? Hast du der Heimlichkeit der Schande abgesagt und gehst du nicht mit Schalkheit um? Und kannst du dich selbst wohl beweisen gegen aller Menschen Gewissen vor Gott (2. Korinther 4, 2)?

2. Gott erwartet Früchte, welche dem Glauben, den du bekennst, entsprechen. Ein Bekenner, der in Gottes Weinberg gekommen ist, gibt vor, dass er den allerheiligsten Glauben, den Glauben der Auserkorenen Gottes habe. Aber ach! wo sind deine Früchte, unfruchtbarer Feigenbaum? Paulus dankte seinem Gott durch Jesum Christ über alle Römer, dass man von ihrem Glauben in aller Welt sage (Römer 1, 8), so wie auch dafür, dass der Glaube der Thessalonicher sehr wuchs (2. Thessalonicher 1, 3). Du bekennst, deinen Teil zu haben in einer andern Welt. Hast du diese Welt denn verlassen? Du bekennst, an Christum zu glauben. Ist er denn die Freude und ras Leben deiner Seele? Welche Ähnlichkeit hast du denn mit seinem Schmerz und seinen Leiden? Welche Wirkung haben sein Seufzen und seine Tränen, sein Bluten und Sterben in dir hervorgerufen? Trägst du das Sterben des Herrn Jesu an deinem Leibe? Und ist das Leben Christi an deinem sterblichen Fleische geoffenbart? Unfruchtbarer Feigenbaum, zeige mir deinen Glauben aus deinen Werken (Jakobus 2, 18). Erzeige mit deinem guten Wandel deine Werke in der Sanftmut und Weisheit (Jakobus 3, 13). Welche Frucht hast du? Welchen Grad der Heiligung hast du erreicht? Denn der Glaube reinigt das Herz (Apostelgeschichte 15, 9). Welche Liebe hast du zu dem Herrn Jesus? Denn der Glaube ist durch die Liebe tätig (Galater 5, 6).

3. Gott erwartet Früchte nach der Gnadenzeit, welche du durchlebst und nach dem Regen, der auf dich fällt. Vielleicht bist du in eine gute Gegend gepflanzt, bei großen Wassern, damit du Äste hervorbringen und auch Früchte tragen sollest, auf dass du zu einem herrlichen Weinstock werdest. Sollte er dann nicht kommen, Frucht zu suchen? Ja, Frucht, welche dem entspricht, was an dich gewandt ist? Unfruchtbarer Feigenbaum! Gott erwartet Frucht von dir, und er wird dieselbe auch finden müssen, soll er anders dich jemals segnen. Denn die Erde, die den Regen trinkt, der oft über sie kommt, und bequemes Kraut trägt denen, die sie bauen, empfängt Segen von Gott. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluch nahe, welche man zuletzt verbrennet (Hebräer 6, 7-8). Unfruchtbare Seele! Wie manchen kräftigen Gnadenregen hast du empfangen, wie manchmal ist des Himmels Tau auf dich gefallen! Wie oft haben nicht die silberhellen Ströme der Gottesstadt deine Wurzeln bespült, damit du fähig werden möchtest, Frucht zu bringen! Die Platz-regen, Güsse und Tropfen, welche auf deine Äste gefallen sind, sollen alle von dir gefordert werden; und werden nicht diese dann wider dich zeugen, dass du mit Recht verdienst, verbrannt zu werden? O, unfruchtbarer Bekenner! Der Gott des Himmels erwartet Früchte von dir, wie sie mit deinem Bekenntnis vom Evangelium übereinstimmen, und das Evangelium begreift in sich die Vergebung der Sünden, das Himmelreich und das ewige Leben. Doch was haben deine Bekenntnisse von dem Glauben an diese Dinge gewirkt in deinem Herzen und Leben? Hast du dich selbst dem Herrn übergeben? Wagst du es, alles, was du hast, um seines Namens Willen in dieser Welt dahin zu geben? Wandelst du wie einer, der teuer, nämlich mit dem kostbaren Blute Christi, erkauft ist?

4. Gott erwartet solche Früchte, die ihm dienlich und angenehm sind; Früchte, die zur Verherrlichung seines Namens beitragen. Gottes Bäume sind Bäume der Gerechtigkeit, Pflanzen des Herrn, zum Preise (Jesaja 61, 3). Und darum müssen es Früchte sein, die nach dem Himmel schmecken; ja, es muss sich eine Fülle solcher Früchte finden, denn darin, sagt Christus, wird mein Vater geehrt, dass ihr viele Frucht bringet (Johannes 15, 8); Früchte allerlei Art, alte und neue, denn die Frucht des Geistes ist allerlei Gütigkeit, Gerechtigkeit und Wahrheit (Epheser 5, 9); Früchte vor der Welt, Früchte vor den Heiligen, Früchte vor Gott und Früchte vor den Engeln.

O meine Brüder! Wie müsste es doch mit uns stehen, die wir mit unserer Hand geschrieben haben: „wir sind des Herrn“, und uns genannt haben mit dem Namen Israel. Dieser wird sagen: ich bin des Herrn; und jener wird genannt werden mit dem Namen Jakobs; und dieser wird sich mit seiner Hand dem Herrn zuschreiben und mit dem Namen Israel genannt werden (Jesaja 44, 5). O, unfruchtbarer Feigenbaum! Hast du mit deiner Hand dich dem Herrn verschrieben? Hast du dich genannt mit dem Namen Jakobs, und wirst du genannt mit dem Namen Israel? Dies alles gibst du vor, du, der du in den Weinberg gekommen und gestellt bist unter die Bäume des Gartens Gottes; und darum erwartet Gott solche Früchte, die ihm angenehm und seines Namens würdig sind; gleichwie der Apostel ermahnt: wandelt würdiglich dem Herrn (Philipper 1, 11), d. i. also, dass wir überall zeigen, dass seine Gegenwart bei uns, seine Furcht in uns ist und dass seine Majestät und Hoheit unsere Taten leitet. Unter Früchten, die seiner würdig sind, versteht man solch ein abhängiges Verhältnis zu ihm, solch ein Vertrauen auf sein Wort, solch ein Wandeln in seiner Gegenwart, solch ein Zutrauen zu ihm in allen Sachen und solch eine Freude in seinem Genusse, dass es sich klar zeigt, wie seine Furcht in meinem Herzen ist, wie meine Seele ruht in dem Willen Gottes, wie Leib und Seele, mein äußerlicher Stand, ja mein Alles von seiner Schickung sich abhängig weiß. Früchte, die seiner würdig sind, bestehen darin, dass man ihm dankt für Jesus Christus, wie auch für sein teures Wort, für seine freie Gnade, und dafür, dass er sich selbst in Christus Jesus der Seele offenbart und ihr ein Verlangen gegeben hat nach einer andern Welt. Früchte, seiner würdig, sind: Mildtätigkeit gegen die armen Heiligen und die arme Welt; ein Leben, welches in Wort und Tat zum Vorbild dienen kann; ein geduldiges und stilles Ertragen alles dessen, was der Herr uns zu senden für gut befindet, bis der vollkommene Gotteswille von uns getan und ausgerichtet sei. Das aber auf dem guten Lande sind, die das Wort hören und behalten in einem feinen guten Herzen und bringen Frucht in Geduld (Lukas 8, 15). Das heißt Gott Früchte tragen, dass wir unsere Frucht haben zur Heiligung, das Ende aber das ewige Leben (Römer 6, 22; Römer 14, 8).

5. Gott erwartet Früchte, wie sie seinem Weinberge geziemen. Mein Lieber, sagt Gott, hat einen Weinberg an einem fetten Ort (Jesaja 5,1). Zum Zeugnis dient die Frucht, die er zu allen Zeiten gebracht hat. Sehet an, die allerunfruchtbarsten Bäume, die jemals in der Wüste dieser Welt gestanden haben, wie haben diese Gott nicht Früchte gebracht, sobald sie von dem himmlischen Gärtner in diesen Weinberg gepflanzt worden sind! Abel hat Gott ein größeres Opfer gebracht als Kain (Hebräer 11,4). Enoch wandelte mit Gott 300 Jahre (1. Mose 5, 22). Noah hat durch seinen Glauben die Welt verdammt und hat ererbet die Gerechtigkeit, die durch den Glauben kommt (Hebräer 11, 7). Durch den Glauben ward gehorsam Abraham, da er berufen ward, auszugehen in das Land, das er ererben sollte; und ging aus und wusste nicht, wo er hinkäme (V. 8). Mose verließ ein Königreich, und fürchtete nicht des Königs Grimm, aus Liebe zu Gott und Christus (V. 26-27). Und was soll ich sagen von denen, die sich haben lassen zerschlagen und keine Erlösung angenommen, auf .dass sie eine bessere Auferstehung erlangten. Andere aber haben Spott und Geiseln erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sie sind gesteinigt, zersägt, gefoltert, durchs Schwert getötet; sie sind umhergegangen in Schafpelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal und mit Ungemach (V. 35-37), Petrus verließ Vater, Schiff und Netze (Matthäus 4, 18-19), Paulus wandte sich ab von den Füßen Gamaliels. Viele, die da Äcker oder Häuser hatten, verkauften solche, und brachten das Geld des verkauften Gutes, und legten es zu der Apostel Füßen (Apostelgeschichte 4, 34-35); andere brachten ihre Bücher zusammen und verbrannten sie, obgleich sie fünfzigtausend Drachmen wert waren (Apostelgeschichte 19, 19). Auch könnte ich hier noch anführen, wie viele zu allen Zeiten sich selbst und ihr alles willig dem hoch gelobten Namen des Herrn Jesu aufgeopfert haben und gepeinigt, durch Hunger getötet, erhängt, verbrannt, ertränkt, in Stücke zerrissen und durch tausend andere Martern umgebracht worden sind. Unfruchtbarer Feigenbaum! Gottes Weinberg war stets ein fruchtbarer Ort, - was tust du darin? Was trägst du? Gott erwartet eine der Erde des Weinbergs entsprechende Frucht.

6. Die Frucht, welche Gott erwartet, soll auch zu der Pflege und Bearbeitung selbst passen. Der Weinberg ist Gottes Ackerwerk, und er hat ihn gebaut. Ich bin der Weinstock, sagt Christus, und mein Vater der Weingärtner (Johannes 15, 1). Gottes Ackerwerk und Gottes Gebäude seid ihr (1. Korinther 3, 9). Diesen Weinberg umzäunt der Herr, er säubert ihn von Steinen; er hat in seiner Mitte einen Turm gebaut und darinnen eine Kelter ausgegraben. Und all dies Arbeiten, dies Beschützen, dies Beseitigen aller Hindernisse, dies völlige Reinigen, dies alles, damit Frucht komme. Unfruchtbarer Feigenbaum! Welche Frucht hast du? Hast du Frucht, welche der Sorgfalt, der Bewahrung, der Weisheit, der Geduld und der Arbeit Gottes entspricht? Die Frucht des Weinbergs ist des Weingärtners Ruhm oder Schande. Ich ging vorüber, sagt Salomo, an dem Acker eines Faulen, und an dem Acker des Narren. Und siehe, da wuchsen eitel Nesseln darauf, und stand voll Disteln, und seine Steinmauer war eingefallen (Sprüche 24, 30-31). Unfruchtbarer Feigenbaum! Wenn die Menschen einst die Sorge, Mühe und Arbeit Gottes an seiner Kirche beurteilen sollten nach den Früchten, die du gebracht hast, müssten sie nicht sagen, er wäre träge, sorglos und ohne die geringste Umsicht? 0, wie sind doch deine Disteln und Dornen, dein unfruchtbares Herz und Leben dazu angetan, die Augen seiner Herrlichkeit immerdar zum Zorn zu reizen, wie dienen sie zur Schande seiner herrlichen Gnade! Unfruchtbarer Feigenbaum! Hast du dies alles wohl gehört? Ich will nur eins noch hinzufügen: Es wird nicht gefragt, was du selber von dir denkst, noch was das ganze Volk Gottes von dir denkt, sondern nur, wie du erfunden wirst an jenem Tage, wenn Gott deine Äste untersuchen wird. Als in Sodom die Zahl der Gerechten sollte untersucht werden, wollte Gott in diesem Stücke seinem treuen Knechte Abraham nicht vertrauen, sondern blieb bei seinem Vorsatz, ihre Zahl selbst zu untersuchen und sooft Abraham Fürbitte tat, antwortete der Herr jedes Mal: wenn ich fünfzig, vierzig, dreißig, zwanzig oder gar nur zehn finde, so will ich den Ort nicht verderben (1. Mose 18, 26 ff.). Unfruchtbarer Feigenbaum! Was sagst du hierzu? Gott wird ausgehen, dich zu besehen; er selbst wird nach deiner Frucht suchen.

Und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum und finde sie nicht. Haue ihn aus, was hindert er das Land?

Diese Worte geben an, was es zur Folge hatte, dass Gott die Äste des unfruchtbaren Feigenbaums untersuchte; er suchte Frucht darauf, und fand sie nicht, keine, die ihm gefiel oder die gut und angenehm war. Darum klagt er solchen Mangel zuerst dem Weingärtner und ruft, er möge doch kommen, den Baum zu besehen; dann aber bezeigt er seine Unzufriedenheit, indem er darauf dringt, der Baum soll weggenommen und ausgehauen werden, damit er das Land nicht hindere. Merke hier, dass ein unfruchtbarer Feigenbaum der Gegenstand des Missfallens Gottes ist; er kann einen unfruchtbaren Bekenner nicht ertragen.

Da sprach er zu dem Weingärtner: siehe!

Da, nach diesem Ärgernis; da, nachdem er Früchte gesucht und nicht gefunden hatte. Das Wörtchen „da“ drückt einen innerlichen Unwillen aus; wie er denn auch bei dergleichen Ärgernissen an einer andern Stelle spricht: sondern dann wird des Herrn Zorn und Eifer rauchen über solchen Mann, und werden sich auf ihn legen alle Flüche, die in diesem Buche geschrieben sind. Und der Herr wird seinen Namen austilgen unter dem Himmel (5. Mose 29, 18-20). Dieses „da“ deutet darauf hin, dass er nun fest darüber entschlossen sei, was er mit diesem Feigenbaume beginnen sollte. Da sprach er zu dem Weingärtner, d. i. zu dem Herrn Jesus: siehe; das will so viel sagen, als: „komme herbei, hier ist ein Feigenbaum in meinem Weinberge, hier ist ein Bekenner in meiner Kirche, der ist unfruchtbar und trägt keine Frucht.“ Man merke hieraus, was auch immer ein unfruchtbarer Bekenner hier auf Erden von sich selbst denken mag, dass der Herr im Himmel dennoch wider ihn zeugt und ausruft: Wohlan, ich will euch zeigen, was ich meinem Weinberge tun will. Sein Zaun soll weggenommen werden, dass er verwüstet werde, und seine Wand soll zerrissen werden, dass er zertreten werde (Jesaja 5, 5).

Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht

Merke hier, drei Jahre. Gott ruft aus, seine Geduld sei missbraucht und seine Langmut nicht geachtet; siehe, diese drei Jahre lang habe ich gewartet und getragen; während dieser drei Jahre habe ich meinen Zorn zurückgehalten. Darum habe ich meine Hand ausgestreckt wider dich, dass ich dich verderben will; ich bin des Erbarmens müde (Jeremia 15, 6). Drei Jahre; seht, wie Gott der ganzen Zeit gedenkt, . welche ein unfruchtbarer Feigenbaum oder ein unfruchtbarer Bekenner in dieser Welt missbraucht hat; wie er auch zu Israel sprach: Vierzig Jahre habe ich Geduld gehabt mit diesem Geschlecht (Psalm 95, 10). Drei Jahre, drei Zeiten. Merke hier! Gott zählt die Zeiten auf, die du missbraucht hast; denn diese drei Jahre bedeuten ebenso viele Zeitabschnitte. „Da nun die Erntezeit nahte“, d. i. die Zeit, in welcher die Früchte beginnen zu reifen, oder in welcher man erwarten durfte, dass sie reif seien.

Unfruchtbarer Feigenbaum! Es sind dir Gnadenzeiten, Bußpredigten, Belehrungen, Drangsale, Züchtigungen, Barmherzigkeit und was nicht sonst zu Teil geworden, und dennoch bist du nicht fruchtbar gewesen. Du bist erweckt, gedemütigt, bedroht und erquickt worden, und trotz alledem bist du unfruchtbar geblieben. Nun wohl, Gott selbst hat drei Jahre dich in seiner Schule gehabt; er gedenkt jeder Gnadenzeit, jeder Predigt, jeder Belehrung, jeder Züchtigung, jeder empfangenen Erkenntnis, jeder Barmherzigkeit, jedes erwecklichen Vorbildes, jeder Einladung und auch aller der Stunden, in welchen du ihn zum Zorn gereizt hast, - alles dessen gedenkt er, wie er vor Zeiten schon von Israel sagte: Die mich nun zehnmal versucht, und meiner Stimme nicht gehorchet haben (4. Mose 14, 22); und Hosea 7, 4: aber bald sollen ihre Taten sie umringen; denn sie stehen vor meinem Angesichte. Er sucht die Frucht jeder Gnadenzeit, welche du erlebt hast; er will nicht, dass eine Predigt, noch eine seiner Belehrungen, Züchtigungen und Gerichte, noch ein Beweis seiner Barmherzigkeit soll verloren sein oder für nutzlos gehalten werden. Gott will, dass ihm vergolten werde, wie er gegeben hat (2. Chronik 32, 25). Er hat nichts ohne Grund getan, was es auch sein möge, aber darum erwartet er auch Frucht. So siehe denn zu, unfruchtbarer Feigenbaum!

Ich komme nun drei Jahre und suche Frucht

Merke hier, dass das Wort „suchen“ ein genaues Untersuchen bedeutet; denn wenn jemand an einem Baume Frucht sucht, so geht er um denselben herum, nach hinten und nach vorne, er sucht bald auf diesem, bald auf jenem Zweige, er neigt sich zu den innersten und niedrigsten Zweigen, dass er, wenn möglich, Frucht finde. Unfruchtbarer Feigenbaum! Gott wird alle deine Äste besichtigen; er wird deine Bettfrüchte, deine Mitternachtsfrüchte, die Früchte deiner geheimen Kammern, deiner Familie und deines Wandels in Augenschein nehmen, ob sich vielleicht einige darunter finden, welche seines Namens würdig sind. Denn er sieht, was das Haus Israel in der Finsternis tut (Hesekiel 8, 12). Auch ist alles bloß und entdeckt vor den Augen dessen, von dem wir reden (Hebräer 4, 13).

Siehe, ich komme nun drei Jahre und suche Frucht auf diesem Feigenbaum

Ich sagte vorhin, Gott gedenke der Gnadenzeiten und Gelegenheiten, welche der unfruchtbare Bekenner mit gottlosem Herzen missbraucht hat. Weil nun Gott den Feigenbaum hervorhebt, wenn er sagt „dieser Feigenbaum“, so gibt er dadurch zu verstehen, dass ein unfruchtbarer Bekenner vor allen andern ein beständiger Abscheu in Gottes Augen ist. Dieser Feigenbaum, dieser Mann Chanja (Jeremia 22, 28). Dies Volk ehret mich mit seinen Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir (Jesaja. 29, 13). Gott weiß und kennt unter all den Tausenden in Israel die unfruchtbaren Bekenner. Sein Los fällt auf das Haupt eines Achan, ob schon er unter sechsmal hundert tausend Mann verborgen war. Und da er sein Haus herzu brachte, einen Mann nach dem andern ward getroffen Achan, der Sohn Charmi, des Sohnes Sabdi, des Sohnes Serah, aus dem Stamme Juda (Josua 7, 18). Dieser ist der Achan, ist der Feigenbaum, ist der unfruchtbare Bekenner.

Und finde sie nicht

Wenn jemand hundert Bäume in seinem Weinberg hat und kommt dann zur rechten Jahreszeit, um zu sehen, wie die Bäume blühen, so geht er auf und ab und besieht sie genau, wie sie mit Früchten behangen sind. Aber siehe, er findet einen, an welchem er nichts findet als Blätter. Vor diesem bleibt er stehen, betrachtet ihn wiederholt, um und um, oben und unten; wenn er aber nach allem Suchen nur Blätter findet, so überlegt er, wie er diesen Baum im nächsten Jahre wieder erkennen möge, merkt sich, was neben ihm steht, oder wie weit er von der Hecke entfernt ist; und wenn sich nichts findet, das ihm als Kennzeichen dienen könnte, dann nimmt er seine Hacke und gibt ihm hiermit ein verborgenes Zeichen, indem er sagt: Da, du unfruchtbarer Feigenbaum, du hast diese Zeit, so gelegen sie war, unnütz durchgebracht. Gleichwohl haut er ihn nicht aus, sondern denkt: ich will es noch ein Jahr ansehen, vielleicht habe ich es nicht gut getroffen. So kommt er dann im nächsten Jahre, um zu sehen, ob er jetzt Frucht trägt; doch er findet ihn ebenso wie vordem, nämlich unfruchtbar; er durchsucht ihn, aber er findet keine Frucht. Jetzt kommen ihm andere Gedanken. Wie, denkt er, im verflossenen Jahre nicht getroffen, und nun wieder nicht? Die Unfruchtbarkeit liegt. sicherlich nicht in der Witterung, sondern in dem Baume selbst. Aber dennoch will ich ihn auch dieses Jahr noch verschonen, nur will ich ihm ein zweites Zeichen geben. Und vielleicht zeichnet er ihn jetzt mit einem Brandmal, denn sein Zorn fängt an sich zu erheben. Darauf kommt er zum dritten Mal. Aber auch im dritten Jahre ist es, wie im ersten und zweiten: er findet keine Frucht, der Baum nimmt nur unnütz das Land ein. Was muss denn nun mit diesem Feigenbaum geschehen? Der Herr Zebaoth wird die Äste mit Macht verhauen, ja die Zweige solche Bekenner mit Eisen (Jesaja 10, 33. 34). Ich bin nun drei Jahre gekommen und habe Frucht gesucht, spricht der Herr, und finde sie nicht; er hat nun drei Jahre die Erde vergeblich eingenommen; haue ihn aus. Gebot auf Gebot, Mahnung auf Mahnung habe ich ihm Jahr auf Jahr, drei Jahre hindurch, erteilt, doch ist keine Frucht zu finden. Bringt mir die Axt her; ich bin gewiss, dies ist der Feigenbaum, ich kenne ihn vom ersten Jahre an. Damals erkannte ich ihn an der Unfruchtbarkeit, jetzt ist wiederum Unfruchtbarkeit sein Zeichen. Macht ihn fertig zum Verbrennen. Es ist schön die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringet, wird ausgehauen und in das Feuer geworfen (Matthäus 3, 10).

Merkt wohl darauf, meine Brüder! Gottes Herz kann sich nicht freuen über einen unfruchtbaren Feigenbaum. Ihr wisst es ja selbst aus eigener Erfahrung, wie ihr einen unnützen, hinderlichen Baum nicht mit Lust und Wohlgefallen in eurem Garten sehen könnt. Ja, wenn ihr nur im Vorbeigehen ihn anseht oder an ihn denkt, so sprecht ihr schon bei euch: bald werde ich dich wohl aushauen zum Verbrennen. Vergeblich würde es auch sein, euch überreden zu wollen, mit dem unfruchtbaren Baum nachsichtiger zu sein, und wenn man es wirklich versuchte, so würde eure beständige Antwort sein: er bringt mir keinen Nutzen; er hindert das Land und ist ganz unnütz; es kann ein anderer an seine Stelle gepflanzt werden.

Haue ihn ab

Wenn die gottesfürchtigen Juden den Herrn baten, dass er das rebellische Israel doch nicht möchte aus dem Weinberge stoßen (Jeremia 14, 7 ff.), was antwortete ihnen dann der Herr? Und wenn gleich Mose und Samuel vor mir ständen, so habe ich doch kein Herz zu diesem Volk; treibe sie weg von meinem Angesicht und lass sie hinfahren (Jeremia 15, 1). Welch ein unerschütterlicher Entschluss! Mose und Samuel konnten fast alles durch das Gebet von Gott erlangen. Wie oft hat nicht Mose die Gerichte Gottes durch das Gebet abgewandt, selbst von Pharao? Wie oft hat er nicht Israel in der Wüste vor dem Zorn und Grimme Gottes durch das Gebet behalten? - Und er sprach, er wollte sie vertilgen, wo nicht Mose, sein Auserwählter, vor seinem Angesicht im Riss gestanden hätte, seinen Grimm abzuwenden, dass er sie nicht gar verderbte (Psalm 106, 23). Auch Samuel war hierin besonders bevorzugt. Nur eins, um zu zeigen, in welch hohem Maße dies der Fall war. Als Israel sich so schwer verging, einen König zu begehren und den Herrn verlassen zu wollen, da bat er den Herrn, und der Herr schonte ihrer und vergab ihnen (1. Samuel 12). Aber Mose und Samuel können keinen unfruchtbaren Feigenbaum retten. O nein! Und wenn gleich Mose und Samuel vor mir ständen, weinend, bittend und flehend, so sollten sie dennoch mein Herz nicht können zu diesem Volke neigen.

Haue ihn aus

„Aber Herr, es ist ein Feigenbaum! Wäre es ein Dorn-, ein Brombeerstrauch oder eine Distel, so wäre es nicht der Rede wert, aber es ist ein Feigenbaum oder ein Weinstock.“ Nun gut, hört, was der Herr hierauf antwortet: Du Menschenkind, sagt er, was ist das Holz vom Weinstock vor anderen Holz? Oder eine Rebe vor anderem Holz im Walde? Nimmt man es auch, um etwas daraus zu machen? Oder macht man auch einen Nagel daraus, daran man etwas hängen möge (Hesekiel 15, 2-3)? Wenn die Bäume, welche gesetzt oder gepflanzt sind, um Frucht zu bringen, keine Früchte tragen, dann ist zwischen ihnen und den Bäumen des Waldes kein Unterschied; noch weniger sind sie besser als diese, vielmehr würden die Bäume des Waldes den Vorzug haben, da sie noch zum Bauen zu verwenden sind. Wenn aber ein Feigenbaum oder Weinstock keine guten Früchte trägt, so ist er zu nichts nütze, denn dass er ausgehauen und bewahret werde zum Verbrennen, wie auch der Prophet fortfährt: Siehe, man wirft es in das Feuer, dass es verzehret wird (wenn es zum Fruchttragen nicht taugt, so taugt es doch noch für das Feuer), dass das Feuer seine beiden Enden verzehret, und sein Mittelstes verbrennet. Ja, aber diese Feigenbäume oder Weinstöcke waren Kirchenglieder oder Einwohner Jerusalems. - So hört, was Gott auf solche Einreden antwortet (Hesekiel 15, 6-7): Darum, so spricht der Herr Herr: gleich wie das Holz des Weinstocks ist unter dem Holz des Waldes, welches ich dem Feuer übergebe, dass es verzehret werde, so will ich die Einwohner Jerusalems auch dahingeben. Denn ich will mein Angesicht wider sie setzen; wenn sie einem Feuer entronnen sind, soll ein anderes sie fressen.

Wenn jemand an seinem Garten rechte Freude hat und sich ein fruchtbarer Sprössling oder hoffnungsvolle Knospe darin findet, so wird er dieses Pflänzchen sehr wert halten; verdorrt und erstirbt es aber und hindert es das Land, so wird er es weiter nicht in seinem Garten dulden wollen. Gärten und Weingärten sind Stätten, in welchen man Früchte sucht, Früchte, wie sie der Natur der Pflanzen entsprechen. Nimm an, du hättest in deinem Garten einen solchen abgestorbenen Sprössling, wie ich ihn oben beschrieben habe, würdest du denselben wohl in deinem Garten stehen lassen? Gewiss nicht; vielmehr würdest du sagen: weg, weg mit dem! Um die Blütezeit kommt einer in seinen Garten, übersieht erst alles flüchtig, und beginnt sodann, das Unkraut, die Nesseln auszuziehen, die Steine wegzuschaffen und die Wege zu reinigen. Ist dies geschehen, so besieht er seine Pflanzen und Sprösslinge, ob sie Leben haben und gedeihen. Kommt er aber zu einer Pflanze, die erstorben und tot ist, so dass sie zu jedem Wachstum unfähig ist, so reißt er sie aus und wirft sie mit Verachtung auf den Düngerhaufen; er achtet ihrer nicht mehr, als der Nessel und des andern Unkrautes oder des Staubes, den er von den Wegen zusammengefegt hat. Ja, wenn jemand ihn sähe und sagte: Warum tust du das? so würde er antworten: Diese Pflanze ist erstorben, sie ist tot an der Wurzel. Wenn ich sie stehen ließe, so würde sie doch nur das Land hindern. Alle fremden Pflanzen (auch die erstorbenen) sollen nur ein (zusammengeworfener) Haufe sein in den Tagen des Elends und der großen Schmerzen (Jesaja 17, 10-11).

Haue ihn aus

Man kann auf zweierlei Weise ausgehauen werden, zu-nächst dadurch, dass man aus dem Weinberge gestoßen wird; sodann, wenn man aus der Welt gerissen wird.

I. Wenn man aus dem Weinberge gestoßen wird. Dies geschieht auch auf zweierlei Art, entweder durch die unmittelbare Hand Gottes oder von der Kirche, durch die kräftige Handhabung der Macht, welche Christus derselben zum Züchtigen anvertraut und vermacht hat. Der Herr, sage ich zunächst, schneidet einen unfruchtbaren Feigenbaum unmittelbar durch seine Hand ab. Er schlägt ihn an seinen Wurzeln, vertilgt seine Zweige durch Feuer und nimmt ihn so aus der Mitte der Seinen fort. Einen jeglichen Reben, sagt Christus, der an mir nicht Frucht bringet, wird er wegnehmen (Johannes 15, 2). Er wird ihn wegnehmen aus der Gemeinde, wegnehmen von den Gottseligen. Zwei Wege schlägt Gott ein, wenn er einen unfruchtbaren Bekenner von seinen Kindern wegnimmt; zuweilen durch kräftige Irrtümer, und zwar diejenigen, welche die Seele verführen durch verdammliche Lehren und vom Glauben und von der Gottseligkeit ableiten. Diese erwählen auch ihre Wege, sagt Gott, und ihre Seele hat Gefallen an ihren Gräueln. Darum will ich auch den Lohn ihrer Taten wählen, und was sie scheuen, will ich über sie kommen lassen (Jesaja 66, 3-4). Ich will sie schlagen, spricht der Herr, mit Blindheit und Verhärtung des Herzens; ich will auch zu-lassen, dass der Versucher sie versuche und seine höllischen Pläne wider sie ausführe. Darum wird ihnen Gott senden kräftige Irrtümer, dass sie glauben müssen den Lügen. Auf dass gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern haben Lust gehabt an der Ungerechtigkeit (2. Thessalonicher 2, 11-12).

Bisweilen nimmt aber Gott auch einen unfruchtbaren Bekenner weg durch offenbare Gottlosigkeit. Da ist z. B. einer, der das Bekenntnis des hochwürdigen Namens Jesu Christi angenommen hat; doch dies sein Bekenntnis benutzt er nur zum Deckmantel seiner Sünden; er dient heimlich der Gottlosigkeit. Er ist ein Fresser, ein Säufer, ein Geiziger oder ein Unreiner. Halt, spricht der Herr, ich will diesem Bekenner die Zügel schießen lassen, ich will ihn seinen unlauteren Bewegungen, seinen viehischen Lüsten und Begierden übergeben; er soll durch gottlose Gesellschaft gefangen werden. Wenn sie nun abweichen auf ihre krummen Wege, wird der Herr sie wegtreiben mit den Übeltätern (Psalm 125, 5). Das ist Gottes unmittelbare Hand, es ist der Herr selbst, der nun solch einen Menschen richtet. Unfruchtbarer Feigenbaum! Höre doch zu! Du bist durch ein Bekenntnis in die Gemeinde eingedrungen, hast dich zu den Gottseligen gesellt, als eine Schande für das heilige und herrliche Evangelium. Doch bist du zu-gleich so arglistig, dass du, den Söhnen Zerujas gleich, der Gemeinde zu hart bist; sie weiß nicht, was sie mit dir beginnen soll, darum wird der Herr selbst mit dir handeln. Ein jeder Mensch, welcher von mir weicht, und seine Götzen in seinem Herzen aufrichtet, und ob dem Ärgernis seiner Abgötterei hält, und zum Propheten kommt, dass er vor ihm mich frage: so bin ich der Herr; ihm soll durch mich geantwortet werden. Und ich will mein Angesicht wider denselben setzen, dass er soll wüste und zum Zeichen und Sprichwort werden; und will ihn ausrotten aus meinem Volk, dass ihr erfahren sollt, ich sei der Herr (Hesekiel 14, 7-8).

II. Gott haut zuweilen auch den unfruchtbaren Feigenbaum aus durch die Kirche, wenn dieselbe die Macht gebraucht, welche Christus ihr für alle Zeit zum Züchtigen gegeben hat. So ist Matthäus 18, 15-17; 1. Korinther 5, 13 und 1. Timotheus 1, 20 zu verstehen. Doch will ich hierauf vorläufig nicht weiter eingehen. Auf welche Weise nun auch der Herr mit dir handelt, unfruchtbarer Feigenbaum, es sei unmittelbar durch seine eigene Hand, oder durch seine Kirche, es läuft auf dasselbe hinaus. Denn wenn eine baldige Bekehrung diesem Gericht nicht zuvorkommt, so ist solcher Seelen Ende die Verdammnis. Sie werden geschlagen und verdorren, und werden gesammelt durch Gottes Feinde, und ihr Ende, wenn sie in das Feuer geworfen sind, muss sein: Verbrennen. Welche aber Dornen und Disteln trägt, die ist untüchtig und dem Fluch nahe, welche man zuletzt verbrennt (Hebräer 6, 8).

Zuweilen schneidet Gott jemanden ab, indem er ihn von der Welt nimmt. So wurden Nadab und Abihu durch ihn abgeschnitten und ausgehauen. Da fuhr ein Feuer aus vom Herrn und verzehrte sie (3. Mose 10, 2). So haute er Korah, Dathan und Abiram aus, als er die Erde unter ihnen zerriss, und sie lebendig hinunterfuhren in die Hölle (4. Mose 16, 31-33). So schnitt er Saul ab, als er ihn dahingab, dass er in sein eigenes Schwert fiel (1. Samuel 31, 4). So schnitt er Ananias und dessen Weib Saphira ab, als er sie ließ tot zur Erde sinken mitten in der Gemeinde (Apostelgeschichte. 5, 5-10). Ich könnte hier noch sprechen von Absalom, Ahitophel und Judas, welche alle drei erhenkt wurden. Der erste durch. Gottes rächende Hand, die beiden andern von ihm dahingegeben, dass sie ihre eigenen Henker sein mussten. Diese alle waren unfruchtbare und unnütze Feigenbäume, an welchen Gott kein Wohlgefallen hatte, weshalb er auch gebot, dieselben auszuhauen. Darum sagt der Psalmist: Ehe denn eure Dornen reif werden am Dornstrauch, wird er ihn lebendig, wie in brennendem Zorn, wegreißen (Psalm 58, 10). Unfruchtbarer Feigenbaum, hörst du dies wohl? Gott fordert schon sein Schwert, seine Axt und spricht: bringe sie her, hier ist ein unfruchtbarer Bekenner; haue ihn aus, was hindert er das Land?

Was hindert er das Land?

Des Herrn Unwille wider den unfruchtbaren Feigenbaum hat diese Worte geredet. Er hindert das Land; der Heilige Geist straft nicht allein und nimmt Anstoß an seiner Unfruchtbarkeit, nein, auch weil er das Land hindert, muss er ausgehauen werden. Wie gewaltig muss er Gottes Zorn reizen, weil er stets und so viel er konnte, sich vor den Augen des Herrn zu verbergen gesucht hatte, wenn dieser in seinem Weinberge arbeitete. Hatte er doch auch des Herrn Langmut, schonende Liebe und Geduld drei Jahre verachtet und missbraucht; hatte er doch seine Arbeit, seine Mühe, seine Sorge, seine Vorsehung, sein Beschirmen und Bewahren missbraucht. Alles dies war ja auch an ihm geschehen, denn Gott umzäunt und ummauert seinen Weinberg von allen Seiten. Siehe, du unfruchtbarer Feigenbaum! Alles dies hast du missbraucht; du, der du das Land hinderst. Er befeuchtet seinen Weinberg immerdar, er behütet ihn Tag und Nacht, du aber hast dies alles missbraucht. Doch nicht so allein hast du Gottes Missfallen gereizt; höre noch weitere Gründe seines Unwillens:

  1. Wer das Land hindert, der ist dem Gottesdienst, den-Wegen Gottes, seinem Volk und seinem Worte eine Schmach und eine Schande. Alles erwartet von den Bäumen, die in Gottes Garten stehen, daß sie fruchtbar seien. Gott erwartet Frucht, die Kirche erwartet sie, ja selbst die Welt erwartet, daß die Bekenner fruchtbar seien in allen guten Werken. Sie erwartet, dass die Bekenner besser seien, als sie ist; du aber täuschest die Erwartungen aller, du unfruchtbarer Feigenbaum! ja, hast du nicht im Gegenteil die Gottlosen ihre Wege gelehrt? Hast du sie nicht durch dein Beispiel gelehrt, noch gottloser zu werden, als sie vordem waren? Doch dies nur nebenbei. Unfruchtbarer Feigenbaum, du hast andere in ihren Erwartungen getäuscht, nun musst du dich selbst getäuscht sehen. Haue ihn aus, was hindert er das Land?
  2. Wenn ein Baum das Land hindert, so nimmt er den Platz ein, welchen ein besserer Baum nutzen könnte. Er besitzt dessen Stelle und ist, so lange er da steht, Hindernis eines fruchtbaren Baumes; darum muss er ausgehauen werden. Unfruchtbarer Feigenbaum! Hörst du wohl? Weil die Juden als unfruchtbare Bäume in dem Weingarten standen, darum sprach der Herr: Das Reich Gottes wird von euch genommen und den Heiden gegeben werden, die seine Früchte bringen (Matthäus 21, 43). Um ihrer Unfruchtbarkeit willen wurden sie abgehauen, und ein fruchtbareres Volk wurde an ihre Stelle gesetzt. So sprach auch Samuel zu einem unfruchtbaren Saul: Der Herr hat das Königreich Israel heute von dir gerissen und deinem Nächsten gegeben, der besser ist, denn du (1. Samuel 15, 28). Der unnütze Knecht (Matthäus 25, 30) muss hinaus gestoßen werden. O unfruchtbarer Feigenbaum! Wie manche bereitwillige, hoffnungsvolle und eifrige Seele hast du durch dein unfruchtbares, nutzloses Leben vom Weinberge Gottes ferngehalten? Um deinetwillen haben sie sich an dem Gottesdienst geärgert, durch dich ist in ihnen die Liebe zu ihrer eigenen Seligkeit unterdrückt. Du hast auch mitgeholfen, andere zu verhärten, und kleine, schwäche Anfänge zu zerstören und auszulöschen. Selbst willst du nicht in das Reich Gottes eingehen und hinderst auch andere, die hinein wollen; du sollst nicht immerdar das Land hindern, noch der Seligkeit anderer im Wege stehen: Du sollst ausgehauen und ein anderer an deine Stelle gepflanzt werden.
  3. Wer das Land hindert, der beraubt andere Bäume des Saftes und der Nahrung. Wäre er ausgehauen, so würden die anderen um so fruchtbarer sein. Er zieht die Kraft der Erde an sich, die Kraft, welche die Blüten und Früchte der andern nur umso schöner und kraftvoller machen würde. Ein einziger Bube verderbet viel Gutes (Prediger 9, 18).
  4. Wer das Land hindert, ist wie eine Wespe im Bienenkorb, die den Honig verzehrt, während dieser doch die arbeitenden Bienen nähren soll. Er ist wie ein Dieb an der Kerze, der das Fett in sich saugt, aber kein Licht gibt. Er ist ein unschmackhaftes Salz, das zu nichts nütze ist, denn dass man es wegwerfe. Darum, unfruchtbarer Feigenbaum, hüte dich!

Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn. Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen, wo nicht, so haue ihn darnach aus

Dies sind die Worte des Weingärtners, welcher, wie oben gesagt, der Herr Jesus ist, denn Er hat für die Übeltäter gebetet (Jesaja 53, 12). Er bittet den gerechten Gott, der bis dahin Geduld geübt, er möge dem unfruchtbaren, das Land hindernden Feigenbaum noch etwas Zeit geben und ihm noch ein wenig Langmut erzeigen. Sechs Stücke sind in dieser Bitte besonders zu beachten:

  1. Dass sie um Aufschub der Gerechtigkeit fleht: Herr, lass ihn noch usw.
  2. Eine Zeit wird festgestellt, während welcher versucht werden soll, ob ein unfruchtbarer Feigenbaum durch Anwendung verschiedener Mittel gesund werden könne: Herr, lass ihn noch dies Jahr.
  3. Die Mittel, solches zu erreichen, werden genannt: bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn.
  4. Sodann wird die Möglichkeit ausgesprochen, dass nach aller Mühe Gottes Hoffnungen in Erfüllung gehen könnten: wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.
  5. Die Möglichkeit, dass der unfruchtbare Feigenbaum nach aller Mühe, welche Christus an ihn wenden will, noch unfruchtbar sein könne: wo nicht usw.
  6. Endlich spricht sich der feste Entschluss aus, ihn, wenn er bei alledem unfruchtbar bleiben sollte, auszuhauen. Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen, wo nicht, so haue ihn darnach aus.

Doch ich werde nach meiner früheren Weise näher in die einzelnen Teile eingehen.

Herr, lass ihn noch dies Jahr

Wahrlich, das ist eine erstaunenswerte Gnade, dass dem Herrn Jesus an einem unfruchtbaren Feigenbaum noch etwas gelegen ist, dass er hinzutritt, um den Schlag von ihm abzuwehren. Freilich, er wehrt den Schlag nur für eine Zeitlang ab, aber was verpflichtet ihn überhaupt zur Abwehr desselben? Warum brachte er nicht vielmehr selbst die Axt herzu, um das Urteil zu vollziehen? Warum haute er selbst ihn nicht aus? Unfruchtbarer Feigenbaum! Ein Glück ist es für dich, dass ein Jesus zur rechten Hand Gottes sitzet, ein Jesus, der solch unaussprechliches Erbarmen hat, dass er selbst mit einem unfruchtbaren Feigenbaum Mitleiden hat. Sonst würde Gottes Gerechtigkeit dich nicht so lange, wie du es getan hast, das Land haben hindern lassen. So war es auch mit Israel, als es wider Gott gesündigt hatte; der Herr würde es sofort vertilgt haben, wenn nicht Moses sich ins Mittel gelegt hätte. Und nun lass mich (sprach der Herr zu ihm), dass mein Zorn über sie ergrimme und sie auffresse; so will ich dich zum großen Volke machen. Mose aber flehte vor dem Herrn, seinem Gott… Also gereute den Herrn das Übel (2. Mose 32, 10-14).

Unfruchtbarer Feigenbaum, hast du gehört? Wer weiß, wie manchmal schon die Hand der göttlichen Gerechtigkeit wider dich erhoben war, wie viel Jahre du schon ausgehauen wärest, wenn nicht der Herr Jesus jedes Mal seines Vaters Axt ergriffen und aufgehalten hätte! Lass mich ihm den Schlag geben, ihn aushauen, was hindert er das Land? Vernimmst du es noch nicht, unfruchtbarer Feigenbaum? Willst du noch fortfahren, ihn zu reizen? Du hast die Menschen müde gemacht und Gottes Gerechtigkeit verhöhnt, willst du auch meinen Gott müde machen (Jesaja 7, 13)?

Herr, lass ihn noch dies Jahr

Herr, habe noch ein wenig länger Geduld. Lass uns doch keine Seele verlieren, ohne alle Mittel versucht zu haben. Ich will einmal sehen, ob ich ihn nicht kann fruchtbar machen. Ich will nicht um langes Leben für ihn bitten, wenn er noch unfruchtbar bleibt und deinen Zorn reizt. Ich bitte um seiner unsterblichen Seele willen, Herr, lass ihn nur noch dies Jahr. Noch dies Jahr. Wenn es mir gelingt, ihm nur etwas Gutes zu erzeigen, so wird es bald sein. Du sollst in deiner Geduld nicht zu sehr ermüdet werden. Nur noch ein Jahr, dann nicht mehr. Unfruchtbarer Feigenbaum, hörst du nicht das Ringen um dein Leben zwischen dem Weingärtner und dem Herrn? „Haue ihn aus“, spricht der eine; „Herr, schone seiner“, ruft der andere. „Er hindert das Land“, sagt Gott, der Vater; „o, nur noch ein Jahr länger“, bittet der Sohn. Lass ihn nur noch dies Jahr!

Bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn

In diesen Worten nennt der Herr Jesus zwei Dinge als Ursachen der Unfruchtbarkeit des Feigenbaumes, und zu-gleich gibt er zwei Heilmittel an. Als erste Ursache der Unfruchtbarkeit deutet er an, dass die Erde sich zu fest angelegt habe: „Herr, der Feigenbaum wird von der Erde zu fest umschlossen“, als zweite, dass ihm erwärmende und kräftigende Nahrungsmittel fehlen. Hierauf gibt er als die beiden Heilmittel dieser Übel an: Das Lockern und Lösen der Erde: er will um ihn graben, und will sodann dieselbe mit Dünger versehen. Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn. Ich befürchte, er ist noch zu sehr von der Erde gebunden; die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichtums (Matthäus 13, 22) liegen diesem Bekenner zu sehr auf den Wurzeln und am Herzen. Die Liebe zu den Schätzen und Freuden dieser Welt, das Trachten nach vergänglicher Ehre ersticken das Wort, dass es unfruchtbar bleibt. Denn alles, was in der Welt ist (nämlich des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben), ist nicht vom Vater, sondern von der Welt (1. Johannes 2, 16). Wie kann denn jemand, dessen Herz durch diese Dinge gefesselt ist, Gott Frucht bringen? Sieh einmal, unfruchtbarer Feigenbaum, wie dir der Herr Jesus in diesen Worten aufdeckt, warum deine Seele unfruchtbar geblieben ist. Die Dinge dieser Welt umlagern dein Herz zu sehr; die Erde und was in ihr ist, haben deine Wurzeln zu hart gefesselt; deine Seele ist von der Erde gebunden, sie ist im tiefen Schlamm gefesselt. So jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters (1. Johannes 2, 15).

Wie solltest du denn fruchtbar sein in dem Weingarten? Dies hielt in Judas die Frucht zurück, dies hinderte ihn, die Armen treulich zu versorgen (Johannes 12, 6), dies hinderte in Demas die Frucht der Selbstverleugnung (2. Timotheus 4, 10), dies unterdrückte auch in Ananias und Saphira, seinem Weibe, die köstliche Frucht der Aufrichtigkeit und Wahrheit (Apostelgeschichte 5, 5-10). Was soll ich mehr sagen? Törichte und schädliche Lüste sind es, welche versenken die Menschen in das Verderben und Verdammnis. Denn der Geiz ist eine Wurzel alles Übels. Wie kann denn gute Frucht reifen aus einer Wurzel alles Übels? Welches hat etliche gelüstet und sind vom Glauben irregegangen und machen ihnen selbst viele Schmerzen (1. Timotheus 6, 9-10). Eine üble Wurzel ist es, ja eine Wurzel alles Übels. Und wie kann denn ein Bekenner, der solch eine Wurzel hat, Gott Frucht bringen? Wie kann er gute Frucht bringen, wenn seine Seele von irdischen Dingen also umlagert ist. Wenn sie in den Begierden, Freuden und Eitelkeiten dieser Welt verstrickt ist?

Bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn

Herr, ich will seine Wurzeln lösen und die Erde umgraben, seine Wurzeln will ich bloßlegen, meine Hand soll über ihm sein, schlagen will ich ihn mit Krankheiten, will seine Hoffnungen fehlschlagen lassen, ich will ihn sehen lassen in eine finstere, schreckliche Zukunft. Ich will um ihn graben, bis er zittert und bebt und zu fallen glaubt. Dann wird er, wenn je, nach Festigkeit trachten.

So handelt der Herr Jesus manchmal mit einem unfruchtbaren Bekenner. Er gräbt um ihn, schlägt ihn an sein Herz, an seine Begierden, seine Freuden, seine teuersten Hoffnungen, ja, an seine eigene verfinsterte Weisheit. So gräbt er. um ihn. Dies ist der Weg, auf dem er diese böse Erde von seinen Wurzeln löst und entfernt. Unfruchtbarer Feigenbaum, bedenke, welche Sorge, welche Liebe, welche Mühe und Arbeit! Siehe, welch einen Weg der Herr Jesus, der Weingärtner, mit dir einzuschlagen sucht, ob es nicht möglich sei, dich noch fruchtbar zu machen.

Bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn

Gleich wie die Erde der Fruchtbarkeit hinderlich ist, wenn sie die Wurzeln zu fest umschließt, so kann es auch dem Gedeihen im Wege stehen, wenn die geeigneten Nahrungsmittel nicht angewandt werden. Dies spricht der Weingärtner klar aus, wenn er sagt: Bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn. Ich will ihn fruchtbar zu machen suchen durch ein kräftiges, wärmeres Wort. Ich will ihm Hirten geben nach meinem Herzen, ich will ihn bedüngen. Wie du weißt, enthält der Dünger wärmere, fettere, nahrhaftere Stoffe, als dies meistens bei der Erde der Fall ist. Ich will sein Herz zu erweichen suchen. Die Gnadenmittel sollen fruchtbar und gut sein. Ich will ihn besuchen in herzerweckenden, herzerwärmenden süßen Empfindungen. Warmen Dünger will ich um seine Wurzeln legen; durch meinen Geist will ich mit ihm ringen, ihm von den himmlischen Gaben und den Kräften der zukünftigen Welt zu schmecken geben. Aus Mangel am nötigen Düngen soll er nicht verloren gehen. Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn.

Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen

Wenn ich durch all meine Arbeit diesen Feigenbaum fruchtbar machen kann, so will ich meine Zeit, meine Arbeit, meine Mittel für wohl angewandt achten, und auch du, mein Gott, sollst daran dein Wohlgefallen haben. Denn du bist ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und von großer Güte, und lassest dich des Übels reuen, welches du einem Volke gedroht hast (Jona 4, 2). Diese Worte zeigen uns, dass, wenn ein unfruchtbarer Feigenbaum oder Bekenner Gott endlich doch noch Früchte trägt, es ihm dennoch wohl gehen soll. Solch einer armen Seele soll es sicherlich wohl gehen. Seine frühere Unfruchtbarkeit, sein früheres Gottversuchen, sein Missbrauch der Geduld und Langmut Gottes, seine Versäumnis von Jahr zu Jahr - alles soll ihm vergeben werden. Ja, Gott der Vater und unser Herr Jesus Christus werden alles übersehen und vergessen und endlich zu dir sagen: Wohl, du getreuer Knecht. Und wenn ich zum Gottlosen spreche: er soll des Todes sterben, und er wandelt dann nach dem Wort des Lebens, so dass er kein Böses tut, so soll er gewisslich leben und nicht sterben (Hesekiel 33, 14-15).

Unfruchtbarer Feigenbaum! Die Axt ist dir an die Wurzeln gelegt; der Herr Jesus bittet Gott, deiner zu schonen. Hat er um dich gegraben? Hat er Dünger um deine Wurzeln gelegt? Jetzt bist du bis zum Äußersten gekommen. Wenn du nun gut wirst, wenn du nun das heilsame nährende Evangelium an dich ziehst und Gott Frucht bringst, dann ist es gut. Wenn aber nicht, dann ist dein Ende das Feuer. Frucht muss gebracht werden, unfruchtbarer Feigenbaum, oder Verbrennen ist dein Los. Wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.

Wo nicht

Durch dies Wörtchen wo nicht, wenn nicht, gibt uns der Herr Jesus zu verstehen, dass es in der Welt ein Geschlecht von Bekennern gibt, welches unheilbar ist, welches nicht will und nicht kann bekehrt werden, welches durchaus keinen Segen durch die Gnadenmittel erlangen will und kann; ein Geschlecht, das wohl das (äußere) Bekenntnis behalten, aber keine Frucht bringen will; ein Geschlecht, das Gottes Geduld und Zeit, Gottes Drohungen und Bitten, Gerichte und Gnadenerweisungen hinnimmt, und nach alledem dennoch unfruchtbar bleibt. 0, welche todbringende, verzweifelte Gottlosigkeit steckt in deinem Herzen! Hörst du wohl, unfruchtbarer Bekenner? Noch zögert der Herr Jesus, noch wartet er, ob du endlich noch gut werden wirst, oder ob er vergeblich gearbeitet habe und sein Umgraben und Bedüngen verlorene Mühe sei. Und ich habe ihr Zeit gegeben, dass sie sollte Buße tun für ihre Hurerei; und sie tut nicht Buße (Offenbarung 2, 21). Ich habe um ihn gegraben und gedüngt, ich habe ihm Zeit gelassen und Mittel gereicht, aber vergebens habe ich gearbeitet, unnütz und vergeblich habe ich meine Kraft angewandt. Hörst du, unfruchtbarer Feigenbaum? Noch steht es in Frage, ob es mit deiner Seele sich noch endlich zum Guten wenden wird oder nicht.

Wo nicht

Wie nichts das Gemüt des Menschen mehr kränkt, als wenn alle seine Liebe und Wohltat verachtet wird, so kränkt auch den Herrn Jesus nichts mehr, als wenn der Sünder seine Gnadenmittel unbeachtet lässt. „Wenn er unter meinem Evangelium unfruchtbar und dürre bleibt, wenn er meine Gnade unwirksam macht, wenn er nach meinem Umgraben, Bedängen und Harren noch unfruchtbar bleibt, so will ich dich nicht mehr hindern, ihn auszuhauen.“ Die Anwendung aller Mittel des Evangeliums ist für einen unfruchtbaren Bekenner das letzte Heilmittel. Wenn das Evangelium und die Gnade nichts vermögen, so ist auch nichts mehr zu hoffen, so haue ihn nur aus : so haue ihn darnach aus. Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten, und steinigest, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt. Siehe, euer Haus soll euch wüste gelassen werden (Matthäus 23, 37-38). Vorher hatte schon der Herr Jesus der strafenden Gerechtigkeit des Vaters gewehrt, weil es ihn trieb, noch einige Mittel an dem unfruchtbaren Feigenbaum zu versuchen, nun aber muss sein mitleidsvolles Herz betrübt sein, wenn er sieht, dass der Baum abgehauen werden muss. Und als er nahe hinzukam, sah er die Stadt an, und weinte über sie, und sprach: Wenn du es wüsstest, so würdest du auch bedenken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet. Aber nun ist es vor deinen Augen verborgen (Lukas 19, 41-42).

So haue ihn darnach aus

Wenn Christus dich übergibt, so ist kein Fürsprecher, kein Mittler, kein Opfer mehr für die Sünden. Alles ist weggenommen, nur nicht das Verdammungsurteil, nur nicht die Axt, nur nicht das schreckliche Warten des Gerichts und des brennenden Feuers, das die Widerwärtigkeiten verzehren wird (Hebräer 10, 26-28). Unfruchtbarer Feigenbaum, hüte dich, dass nicht diese letzten Worte an dir in Erfüllung gehen; denn diese Worte bedeuten eine Dahingabe, ein Ausstoßen eines Verworfenen. So haue ihn darnach aus. Das ist, als ob Christus sagte: Vater, ich habe flehentlich gebeten, diesem unfruchtbaren Bekenner noch ein wenig Zeit zu gönnen. Ich flehte, dass ich um ihn graben und ihn bedüngen könnte. Nun aber, Vater, ist die Zeit verstrichen, das Jahr ist vorbei, der Sommer zu Ende, und keine Frucht ist gekommen. Ich habe alle Mittel angewandt: mit meinem Evangelium habe ich ihn umgraben, den fetten und 'nährenden Dünger meines Evangeliums habe ich um ihn gelegt, aber alles ist vergeblich gewesen. Vater, ich übergebe diesen Bekenner wiederum an dich. Ich bin nun mit ihm fertig, ich bin zu Ende mit meinem Bitten und Arbeiten. Ich will deiner Axt nicht länger wehren; nimm ihn jetzt in die Hand deiner Gerechtigkeit, bringe ihn in dein Gericht und handle mit ihm nach deinem Gesetz. Ich werde nie mehr für ihn bitten. So haue ihn darnach ab. - Wehe ihnen, wenn ich von ihnen gewichen bin (Hosea 9, 12). Solch ein Bekenner ist nun wirklich bloßgestellt, vor Gott, vor dem Satan, vor der Sünde, dem Gesetz, dem Tode, dem Gerichte, der Hölle, den Qualen eines bösen Gewissens, er ist bloßgestellt vor den Qualen des Wurms, der nicht stirbt, dem Feuer, welches nicht verlischt. Sehet zu, dass ihr euch des nicht weigert, der da redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die sich weigerten, da er auf Erden redete, viel weniger wir, so wir uns des weigern, der vom Himmel redet (Hebräer 12, 25).

Beschluss

Überblicken wir nun in Kürze dieses Gleichnis, so treten uns folgende zwei allgemeine Wahrheiten entgegen.

  1. Wenn die göttliche Gerechtigkeit ausruft: ich mag mit diesem unfruchtbaren Bekenner nicht länger Geduld haben, so tritt der Herr Jesus noch dazwischen, und bittet noch um ein wenig längere Geduld für solchen Bekenner, damit er ihn, wo möglich, noch fruchtbar mache. Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedänge ihn, wenn er Frucht bringt, so lass ihn stehen.
  2. Es gibt einige Bekenner, deren Gnadentag endigen wird mit einem „haue ihn aus“, mit einem Gericht, wenn Christus seine Gnadenmittel zu ihrer Seligkeit vergeblich angewandt hat.

Die erste dieser Wahrheiten will ich hier übergehen und nicht weiter berühren; über die zweite jedoch will ich noch ein wenig reden, nämlich darüber, dass es einige Bekenner gibt, deren Gnadentag endigen wird mit einem : „haue ihn aus“, mit einem Gericht, wenn Christus seine Gnadenmittel zu ihrer Seligkeit vergeblich angewandt hat.

Dies beweist uns der Apostel Hebräer 3, wenn er uns sagt, dass (nach vierzigjähriger Geduld und Bemühung ihnen Gutes zu erweisen durch die zu ihrem Heile eingesetzten Gnadenmittel), dass nach alle dem der Juden Los war, abgehauen und wegen ihres beharrlichen Unglaubens vom Gelobten Lande ausgeschlossen zu werden. Und wir sehen, dass sie nicht haben können hineinkommen, um des Unglaubens willen (V. 19). Darum ich entrüstet ward über dies Geschlecht, und sprach: Immerdar irren sie mit dem Herzen und wissen meine Wege nicht; dass ich auch schwur in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe nicht kommen (V. 10-11). Als wollte er sagen: Mein Wille war es, dass sie sollten eingehen, denn dazu habe ich sie aus Ägypten gebracht, sie durch das Rote Meer geleitet und sie unterwiesen in der Wüste. Aber meine Werke und Lehren haben sie nicht beachtet, darum habe ich geschworen, ja, geschworen habe ich es in meinem Zorn, sie sollen zu meiner Ruhe nicht kommen. Hier ist ein Aushauen durch ein Gericht. So auch Hebräer 4, 3: So habe ich denn geschworen in meinem Zorn, sie sollten zu meiner Ruhe nicht eingehen, obgleich die Werke von Anbeginn der Welt gemacht waren. Hier (Hebräer 4, 3) wie dort (Hebräer 3, 11) heißt es: Sie sollen nicht zu meiner Ruhe kommen. Und wenn er sagt: obgleich die Werke von Anbeginn der Welt gemacht waren, so weist er darauf hin, dass wie zahlreich und unvergänglich auch die Vorbereitungen seien, die er zur Seligkeit der Sünder getroffen hat, dass dennoch der Gott reizende, Gott versuchende und unfruchtbare Bekenner ohne Anteil daran sei; ja, ohne Anteil, obgleich die Werke von Anbeginn der Welt gemacht waren. Und Juda sagt: Ich will euch aber erinnern an das, was ihr einmal wisset: dass der Herr, da er dem Volk aus Ägypten half, wiederum, die da nicht glaubten, umbrachte. Und die Engel, die ihr Fürstentum nicht behielten, sondern verließen ihre Behausung, hat er behalten zum Gericht des großen Tages, mit ewigen Banden in Finsternis (Judas 1, 5-6). Hier haben wir ein kräftiges Beispiel; ein Beispiel von Menschen und von Engeln: von Menschen, die, aus Ägyptenland erlöst, auf der Reise waren nach Kanaan, dem Vorbilde des Himmels, und von Engeln, die geschaffen und gesetzt waren im Himmel in große Pracht und Herrschaft; trotzdem sind beide ausgehauen, weil sie Gott in ihrer Stellung keine Frucht brachten. Die Menschen sind von Gott (wie der Grundtext sagt) verderbt; die Engel hat er zum Gericht des großen Tages mit ewigen Banden der Finsternis bewahrt. Bei der Betrachtung dieses Gegenstandes will ich über das Aushauen oder das Urteil, welches hier gefällt wird, sprechen, insofern es sich um das direkte Eingreifen der Hand Gottes handelt und um seinen Machtruf, der dem Bleiben des Sünders in dieser Welt ein Ende macht. Nicht aber will ich reden von dem Aushauen, als einer Handlung der Kirche. Vorab muss man nun bei diesem Aushauen feststellen, dass es nicht stattfinden kann, bevor die Gnadenzeit des Feigenbaumes abgelaufen ist. Doch muss dabei festgehalten werden, dass es wirklich, wie gesagt, einige Bekenner gibt, deren Gnadentag endigt mit dem Worte: Haue ihn aus, und dass es in unsern Textesworten heißt: Haue ihn darnach aus. Darnach, d. h. nach aller meiner Mühe und Anstrengung, ihn fruchtbar zu machen, nachdem ich ihn verlassen und dahingegeben und beschlossen habe, keinen Tag, Gelegenheit noch Mittel der Gnade an ihn zu wenden, so haue ihn darnach aus. Überdies geht das Verlassen dem Abhauen des Feigenbaumes vorher, und die Vollstreckung des Urteilspruchs folgt nicht immer sofort dem Augenblicke, in welchem dasselbe ausgesprochen wird; denn darnach, d. h. zu einer bestimmten, passenden Zeit wird er ausgehauen. So heißt es hier im Text. Der Beschluss: „er soll verloren gehen“, beruht darauf, dass er während des ganzen, letzten Jahres unfruchtbar geblieben ist, wie auch darauf, dass alle an ihn gewandte Mühe und Arbeit zur Besserung ohne Erfolg blieb. Aber die Zeit des Aushauens ist noch nicht da. Dies liegt in dem Worte: darnach. So haue ihn darnach ab. Damit ich nun nach der Ordnung verfahre, so muss ich folgende zwei Sätze zu Grunde legen:

  1. Der Tag der Gnade endigt bei einigen Menschen, ehe Gott sie aus dieser Welt nimmt.
  2. Der Tod oder das Aushauen solcher Menschen wird schrecklich sein. Denn das Wort: haue ihn aus, wenn es im weitesten Sinne genommen wird (wie es denn auch hier verstanden werden muss), bezeichnet nicht allein Gottes Zorn gegen jemandes Leben in dieser Welt, sondern seinen Zorn wider ihn nach Seele und Leib und heißt soviel als: Haue ihn aus von allen Vorrechten und Wohltaten der Gnade, die sowohl in dieser, wie auch in der zukünftigen Welt genossen werden.

I. Der Tag der Gnade endigt bei einigen Menschen, ehe Gott sie aus dieser Welt nimmt

Dies will ich an einigen Beispielen zeigen und dann zum zweiten Satz übergehen.

Das erste Beispiel, welches ich hier anführen will, ist Kain. Kain war ein Bekenner; er brachte Opfer (1. Mose 4, 3); er war ein Diener Gottes, ja der erste, von welchem wir nach dem Falle lesen. Aber seine Trauben waren stinkend und wild; seine Werke waren böse (1. Mose 4, 2-8). Was er ausübte, tat er nicht aus wahrhaft evangelischen Beweggründen, darum sah der Herr sein Werk nicht an. Hierauf entbrannte er gegen seinen Bruder; seine Züge entstellten sich; er erhob sich wider ihn, nahm die Gelegenheit wahr und erschlug ihn. An dem Tage nun, an welchem er diese Tat vollbrachte, wurde der Himmel für ihn verschlossen, wie ihm dies auch, als Gott ihn nach dem Blute Abels fragte, mit Schmerz und Angst offenbar wurde. Und nun, verflucht seist du (sprach Gott zu ihm) auf der Erde, die ihren Mund hat aufgetan, um deines Bruders Blut von deinen Händen zu empfangen. Kain aber sprach zu dem Herrn: Meine Sünde ist größer, denn dass sie mir vergeben werden möge. Siehe, du treibest mich heute aus dem Lande, und muss mich vor deinem Angesichte verbergen, und muss unstet und flüchtig sein auf Erden. So wird mir es gehen, dass mich totschlage, wer mich findet (1. Mose 4, 11. 13. 14).

Nun bist du verflucht, spricht Gott. Du hast mich heute vertrieben, sagte Kain, und muss mich vor deinem Aasgesichte verbergen; ich kann nie wieder auf dich Hoffnung setzen, keine Gunst noch Gnade ferner von dir empfangen. So endigte Kains Gnadentag, und mit dem Herzen Gottes wurde auch der Himmel für ihn zugeschlossen; doch lebte er noch eine lange Zeit (V. 15 ff.). Der Tag des Aushauens war für ihn noch nicht gekommen. Er lebte nach dieser Zeit noch, um ein Weib zu nehmen (V. 17), eine verfluchte Nachkommenschaft zu zeugen, eine Stadt zu bauen und was sonst noch alles zu tun. Und dies konnte nicht in kurzer Zeit alles geschehen, sondern Kain kann nach Ablauf seiner Gnadenzeit noch mehrere hundert Jahre gelebt haben.

Das zweite Beispiel ist Ismael (1. Mose 17, 25-26). Er war ein Bekenner, in dem Hause Abrahams erzogen und in seinem dreizehnten Jahre beschnitten, aber er war ein Sohn der Magd (1. Mose 16, 12). Er brachte keine gute Frucht; er war ein wilder, wüster Bekenner, denn ungeachtet all seiner Gottesdienste und Bekenntnisse spottete er doch über die, welche besser waren, denn er selbst. Zur Zeit, da sein Bruder Isaak entwöhnt wurde, machte Abraham ein Mahl und freute sich vor dem Herrn, weil er ihm den verheißenen Sohn geschenkt hatte. Hierüber verspottete IsmaeI sie, ihren Sohn und ihre gottgefällige Freude. Da kam der Geist Gottes über Sara, und sie sprach zu Abraham: Treibe diese Magd aus mit ihrem Sohne; denn dieser Magd Sohn soll nicht erben mit meinem Sohne Isaak (1. Mose 21, 9-10). Paulus sieht in diesem Ausstoßen nicht allein ein Ausstoß en aus dem Hausgesinde Abrahams, sondern viel mehr ein Ausschließen von allen Gütern, welche den Heiligen im Himmel zuteil werden (Galater 4, 22-31). Auch Mose gibt uns hiervon einen beachtenswerten Beweis, wenn er sagt, dass Ismael starb: und er ward gesammelt zu seinem Volk (1. Mose 25, 17); zu seinem Volk von mütterlicher Seite, denn er wird angesehen, als aus ihr stammend; er was der Sohn der Hagar, der Sohn der Magd. Nun war aber seine Mutter eine Ägypterin (1. Mose 21, 9), so dass er, trotz seines Bekenntnisses, nach ihrem Tode gesammelt wurde an den Ort, dahin auch Pharao und sein Heer nach ihrem Tode im Roten Meer gesammelt waren. Diese waren sein Volk, er war aus ihnen, sowohl seiner Geburt, wie seiner inneren Beschaffenheit nach, denn er war ein Verfolger, gleich wie sie. Aber wann endigte nun bei diesem Menschen der Tag der Gnade? Merket, und ich will solches sagen: Ismael war dreizehn Jahre alt, als er beschnitten wurde; Abraham zählte damals neunundneunzig Jahre (1. Mose 17, 23-26). Im darauf folgenden Jahre wurde Isaak geboren, als Ismael vierzehn Jahre alt war. Als Isaak nun entwöhnt wurde, nachdem er etwa vier Jahre gesäugt war, musste für Ismael nach dieser Berechnung der Tag der Gnade ungefähr mit seinem acht-zehnten Jahr das Ende erreicht haben (1. Mose 25, 12 ff.). Denn an dem Tage, da er spottete, hieß es: Treibe ihn aus. Dieses Ausstoßen wird nun von dem Apostel so erklärt, wie wir oben andeuteten. Hüte dich denn, du junger, unfruchtbarer Bekenner. - Nach jener Zeit lebte Ismael in großer Sorglosigkeit und in Ehre unter den Menschen hundertneunundzwanzig Jahre hindurch; auch zeugte er zwölf Fürsten (1. Mose 25, 16), nachdem der Tag der Gnade für ihn vorbei war.

Das dritte Beispiel ist Esau (1. Mose 25, 27). Esau war auch ein Bekenner, er war dem Isaak geboren und nach dem Gesetz beschnitten; aber er war ein mutwilliger Bekenner, ein Jäger und Ackersmann, gebunden von seinen Begierden, welche er mehr liebte, denn sein Geburtsrecht. So kommt er eines Tages müde von der Jagd heim und verkauft seine Erstgeburt an Jakob, seinen Bruder. In jenen Zeiten aber gehörte der Erstgeburt die Verheißung und der Segen; ja, beides war so aneinander gebunden, dass eins ohne das andere nicht sein konnte. Darum ist die Warnung des Apostels hier von großem Gewicht, dass nicht jemand sei ein Hurer oder ein Gottloser wie Esau, der um einer Speise willen seine Erstgeburt verkaufte. Wisset aber, dass er hernach, da er den Segen ererben wollte, verworfen ist; denn er fand keinen Raum zur Buße, wiewohl er sie mit Tränen suchte (Hebräer 12, 16-17). Das Ende des Gnadentages für Esau muss demnach von dem Augenblicke an gerechnet werden, da er seine Erstgeburt verkaufte; denn so stellt es der Apostel fest: dass nicht jemand sei wie Esau, der seine Erstgeburt verkaufte, denn die Segensverheißungen gehen zugleich mit fort. Esau verkaufte aber lange vor seinem Tode seine Erstgeburt, denn Jakob war nach dieser Zeit noch zwanzig Jahre bei Laban (1. Mose 31, 41), und als er von da zurückkehrte, zog sein Bruder Esau ihm entgegen (1. Mose 32, 6). Als ferner Jakob einige Zeit bei seinem Vater gewohnt hatte, wurde dieser von Esau und Jakob begraben (1. Mose 35, 29), so dass er noch vierzig, ja wohl achtzig Jahre gelebt haben kann, nachdem er seine Erstgeburt verkauft und sich selbst der Gnade Gottes beraubt hatte.

Bei diesen drei Bekennern will ich noch folgende drei Stücke hervorheben.

  1. Kain war dem Zorn ergeben; Ismael war ein spottender und Esau ein dem Wohlleben ergebener Bekenner, und dies sind drei Kennzeichen eines unfruchtbaren Bekenners. Denn wer da zornig ist, spotten kann oder seinen Lüsten folgt, kann Gott keine Früchte tragen.
  2. Für diese Bekenner endigte der Tag der Gnade, als sie eine schwere Sünde begingen: Kains Tag, als er seinen Bruder Abel erschlug, Ismaels Tag, als er Isaak verspottete, und Esaus Tag, als er aus Liebe zu seinen Begierden seine Erstgeburt verkaufte und verachtete. O unfruchtbarer Bekenner, hüte dich! In einer halben Viertelstunde kannst du eine Sünde begehen, von deren schrecklichen Folgen du möglicherweise in Ewigkeit nicht befreit werden wirst.
  3. Wenngleich der Tag der Gnade vorbei war, haben diese drei äußerlich in bessern Umständen gelebt, denn je zuvor. Kain war später Herr über eine Stadt (1. Mose 4, 17), Ismael war Vater von zwölf Fürsten (1. Mose 25, 16), und Esau sprach später zu seinem Bruder: Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was du hast (1. Mose 33, 9). Ein gemächliches, friedsames und glückliches Leben in äußeren Dingen, ist für einen unfruchtbaren Bekenner kein Beweis der Gunst Gottes, sondern für ihn viel eher seines Zornes, weil er dadurch fähig wird, sich selbst den Zorn (wie einen Schatz) zu häufen, auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes (Römer 2, 5).

Dies möge denn genügen zum Beweis der ersten Wahrheit, nämlich dafür, dass der Tag der Gnade mit einigen Menschen endigt, ehe Gott sie von dieser Welt nimmt.

Höret nun auch einige Merkmale, die uns erkennen lassen, ob für einen unfruchtbaren Bekenner die Gnadenzeit schon vorbei oder dem Ende nahe ist, und wisset vorab, dass alle, welche Gott und den Gnadenmitteln, welche sie zu fruchtbaren Bäumen umgestalten sollten, widerstanden haben, in dieser Gefahr stehen. Dies ist ja auch unzweifelhaft der Inhalt des Gleichnisses; denn der Feigenbaum, von welchem hier geredet wird, ist mit mancherlei Gaben gesegnet gewesen; ihm war Zeit gegönnt, diese Nahrung in sich aufzunehmen; aber dem allem, ja allem, was der Landmann und der Weingärtner an ihn gewandt hat, hat er beharrlich widerstrebt.

Doch ich will fünf besondere Kennzeichen noch anführen.

Erstes Kennzeichen

  1. Der Tag der Gnade scheint beendet zu sein, wenn ein Bekenner Gottes Langmut verachtet und erschöpft hat; dann ist er in Gefahr, denn er höhnt Gott und zwingt ihn zu dem Befehl: Haue ihn aus. Es gibt etliche Menschen welche in die Kirche eingeschlichen sind, welche ein Bekenntnis angenommen haben, und niemand weiß wie. Sie sind gerade wie jener Feigenbaum, durch die Hände eines andern, nicht durch die Hände Gottes, in den Weinberg gebracht worden; dort bleiben sie dann ohne Leben, ohne Gnade, sorglos und mit einem bösen Gewissen vor Gott. Vielleicht sind sie hineingekommen des Brots, des Geschäfts, des guten Namens wegen oder um sich hervorzutun; vielleicht auch um die Mahnung und die Angst eines erwachten und unruhigen Gewissens zu dämpfen und zu stillen. Haben sie diesen ihren Zweck erreicht, so sind sie, wie die Sünder in Zion, gelassen und ganz zufrieden, und sagen mit Agag (1. Samuel 15, 32): Wahrlich, die Bitterkeit des Todes ist verschwunden, nun bin ich ruhig, nun werde ich wohl selig werden und zum Himmel wandern. So bringen sie denn in dieser eitlen Einbildung ein, zwei, ja drei Jahre zu, und bedenken nicht, dass der Herr von jeder Gnadenzeit, von jeder Einwirkung des Evangeliums Frucht suchen wird. Ach, Sünder! Unfruchtbarer Feigenbaum! Bis jetzt hast du nur einen elenden Anfang gemacht. Gott kommt um Frucht zu suchen, und wenn er dich findet, wird er sprechen: Welch ein Feigenbaum ist dies? Er hat während dieses Jahres in meinem Weinberg gestanden und mir keine Frucht gebracht. Ich will ihm zurufen: Bekenner! Unfruchtbarer Feigenbaum! Werde fruchtbar; ich erwarte Frucht; ich muss Frucht haben; besinne dich wohl und nimm dir dies zu Herzen! Wenn ein Bekenner dann solche Worte hört, so bleibt er ein wenig stehen. Doch - es sind ja nur Worte, es ist noch keine Züchtigung, und darum denkt er auch von Stund an nicht mehr über dieselben nach. Kommt der Herr nun im nächsten Jahre in seinen Weinberg, so findet er ihn, wie er ihn verließ, unfruchtbar, als ein Hindernis für das Land. Da klagt denn der Herr wiederum und spricht: Zwei Jahre sind es nun schon, und noch zeigt sich keine Frucht. Dennoch, um meines Namens willen will ich meinen Zorn noch länger zurückhalten, und um meines Ruhmes willen will ich mich dir zu gut enthalten, dass du nicht ausgerottet werdest (Jesaja 48, 9). Ich will noch warten, dass ich ihm gnädig sei (Jesaja 30, 18). Doch alles dies hilft nicht, nicht den geringsten Eindruck macht es auf den unfruchtbaren Feigenbaum. Ei was, spricht er, das ist keine Drohung; Gott ist barmherzig, er wird seinen Zorn hinausschieben; er wartet, damit er gnädig sein könne; ich bin noch nicht bange! O wie hindern die gottlosen, in den Weinberg eingeschlichenen Menschen unseren Gott in der Ausübung seiner Gnade! Sucht Gott nun im dritten Jahre abermals Frucht, so findet er noch immer einen unfruchtbaren Feigenbaum. Da ruft er dann wieder: O Weingärtner, komm her! Hier ist ein Feigenbaum in meinem Weinberg, der hat nun schon drei Jahre mich in meinen Erwartungen getäuscht; vergebens habe ich auf Frucht gehofft; haue ihn aus! Meine Geduld ist erschöpft, ich kann ihn hier nicht länger dulden.
  2. Nun beginnt er, den Feigenbaum mit seinen Drohungen zu erschüttern und fordert seine Axt. Die Axt aber ist der Tod, und ihm befiehlt er, den Feigenbaum zu fällen. Er rüttelt an dem Sünder, wirft ihn auf das Krankenbett und spricht zum Tode: Greife ihn an; er hat meine Langmut und Geduld verachtet und nicht bedacht, dass sie ihn zur Buße und deren Früchten leiten sollten. Tod, wirf diesen Feigenbaum in das Feuer, bringe ihn in die Hölle! So kommt denn der Tod mit grimmigem Gesicht in das Gemach bis zum Lager, ihm nach die Hölle, und beide sehen unverwandt dem armen Bekenner in das Auge; ja, sie beginnen gar, Hand an ihn zu legen. Der eine schlägt seinen Körper mit Leiden, mit Kopf-, Brust- und Seitenschmerzen, mit Beengung, Ohnmachten, Zittern in den Gliedern und Gelenken, mit Beklemmungen und alledem, woraus man auf unheilbare Krankheit schließt. Während nun so der Tod den Körper peinigt, greift die Hölle Gemüt und Gewissen an und quält das arme Geschöpf durch die feurigen Funken, welche sie in das Gewissen wirft, um Angst und Zittern vor der ewigen Verdammnis zu entzünden. Da fängt er dann an, sich zu besinnen und zu Gott um Gnade zu schreien. Ach, ruft er, Herr, schone mich! Herr, schone mich! Nein, spricht der Herr. Drei Jahre hast du mich gereizt; wie oft hast du meine Erwartungen getäuscht, wie manche Gelegenheit zur Bekehrung hast du unbenutzt vorübergehen lassen, wie manche Predigten und andere Segnungen hat meine Langmut dir geschenkt? Doch alles vergebens. Tod, fasse ihn an! O guter Gott, spricht der Sünder, schone mich nur noch diesmal; lass mich nur noch einmal wieder aufkommen. Wohl ist es wahr, ich bin ein unfruchtbarer Bekenner; ich habe unnütz in deinem Weinberge gestanden. Aber ach, ich bitte dich, schone mich nur noch einmal, so will ich mich bessern. Fort, fort! erwidert der Herr, das wirst du doch nie tun; seit drei Jahren habe ich dich schon beobachtet, du bist ganz unnütz. Wenn ich dich wieder gesund mache, wirst du schlimmer werden, denn je zuvor. - Dieses ganze Gespräch wird angesichts des Todes geführt. Der Sünder aber ruft wieder und wieder: Herr, versuche es nur noch diesmal; lass mich diesmal wieder aufkommen, und dann siehe, ob ich mich nicht bessern werde. Aber, spricht der Herr, gelobst du mir denn, dich zu bessern? Ja, ja, Herr! dazu verpflichte ich mich; es soll nimmer wieder so arg mit mir werden wie zuvor; nein, ich will mich völlig bessern. Nun wohl, sagt der Herr, Tod, lass diesen Bekenner diesmal noch frei. Ich will ihm noch eine kleine Probezeit vergönnen; er hat gelobt, ja, sich heilig verpflichtet, er wolle seine Wege ändern. Vielleicht bleibt er seines Gelübdes eingedenk. Gelübde verpflichten den Menschen; vielleicht zittert er davor, sie zu brechen. Stehe denn auf von deinem Lager. So spricht der Herr und legt seine Axt nieder. Da ist denn der arme Mensch sehr dankbar, er lobt und preist den Herrn, und tut, als komme es ihm von Herzen, ja er fordert auch andere auf zum Danken. Dann steht er auf, als sei er in Wahrheit eine neue Kreatur geworden. Hat er aber seine Kleider angezogen, sein Bett verlassen, seine Werkstatt aufgesucht, um zu sehen, wie die Sachen stehen, so bekommt er schon andere Gedanken und spricht zu seinen Leuten: Was habt ihr zuwege gebracht? Wie liegt doch alIes durcheinander? Ach, wie weit bin ich doch zurückgeblieben! Man kann bald sehen, wenn man nur kurze Zeit nicht bei der Hand ist, dass ihr weder Weisheit noch Verstand habt, die Dinge in rechter Weise zu handhaben. - Anstatt nun seine übrige Zeit für den Herrn zu verwenden, verdoppelt er seinen Eifer im Nachjagen der Welt. Man muss nichts verloren gehen lassen, sagt er; wir müssen in“schicklicher Weise für die Zukunft sorgen. So werden die Angst des Todes, die Qualen der Hölle, die Versprechen und Gelübde, welche Gott geleistet wurden, ganz vergessen, und weil nicht bald geschieht ein Urteil über die bösen Werke, dadurch wird das Herz dieses Menschen voll, Böses zu tun (Prediger 8, 11).
  3. Ist dies alles dann fruchtlos, so nimmt Gott abermals die Axt in die Hand und sendet den Tod, der ihm Weib, Kind und Vieh nimmt. Ich tötete eure junge Mannschaft durch das Schwert und ließ eure Pferde gefangen wegführen (Amos 4, 10). Ich will ihn schlagen, ihm widerstehen, ihm seine Hoffnungen zerstören, ihn zu Boden werfen und mich setzen wider alles, daran er die Hand legt. Darüber fängt der arme, unfruchtbare Bekenner wieder an zu bitten und ruft: Herr, ich habe gesündigt; schone mich noch einmal, ich bitte dich. O, nimm doch nicht weg die Lust meiner Augen; schone meine Kinder; segne das Werk meiner Hände, so will ich mich bessern. Nein, spricht Gott, das letzte Mal hast du mich belogen, jetzt kann ich dir auch hierin nicht mehr trauen. Und so wirft er denn Weib, Kind und Güter in das Grab, und geht wiederum an seinen Ort, bis dieser Bekenner aufrichtig seine Schuld erkennt (Hosea 5, 15). Dies macht den armen Menschen sehr niedergeschlagen; er zerreißt seine Kleider und beginnt, über die gebrochenen Gelübde nachzusinnen. Er bereut, er betet, er geht wie Ahab eine Zeitlang jämmerlich einher (1. Könige 21, 27) und überdenkt, wie die gerechte Hand Gottes über ihn gekommen. Und nun erneut er sein Gelübde und spricht: Herr, versuche es nur noch diesmal; nimm deine Hand von mir, und du sollst es sehen. Der ist schon weit abgewichen, der nicht wiederkehren kann. - Nun wohl, der Herr schont ihn abermals, und senkt nochmals die Axt. Er rettete sie oftmals; aber sie erzürnten ihn mit ihrem Vornehmen und wurden verzehrt um ihrer Missetat willen (Psalm 106, 43). Nun scheinen sie wieder dankbar und entschlossen zu sein, wahrhaftig gottselig zu werden. Sie beten, sie lesen, sie verkehren mit den Gottesfürchtigen, und scheinen so eine Zeitlang Ernst zu machen - doch am Ende vergessen sie wieder alles. Ihre Begierden beginnen sie zu stacheln, lockende Versuchungen treten an sie heran, und so neigen sie sich zu ihren krummen Wegen: Wenn er sie erwürgte, suchten sie ihn, und kehrten sich frühe zu Gott, und heuchelten ihm mit ihrem Munde und logen ihm mit ihrer Zunge (Psalm 78, 34. 36).
  4. Dennoch lässt der Herr diesen Bekenner nicht, nur nimmt er wieder seine Axt zur Hand. Er nimmt ihn in eine Zucht, die sein Herz besser durchforscht, die ihm das Unterste nach oben kehrt, eine Zucht, die für ihn ist, was Elia dem Ahab war, indem er ihm begegnete in allen seinen Gräueln. Nun wird die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt. Noch mehr, nicht nur das böse Herz wird in dieser Zucht erforscht, nein, es werden auch die goldenen Strahlen des herrlichen Evangeliums dem Sünder vor Augen geführt; Christus Jesus wird ihm leuchtend vorgestellt; die Gnade wird ihm auf das Lieblichste aufgedeckt, und alle Verheißungen werden ausgegossen wie ein Salböl und geben ihren Duft. Aber ach! Noch immer zeigt der Baum keine Frucht. Denn während sein Herz durchforscht wird, streitet er dagegen; während die herrliche Gnade des Evangeliums sich ihm enthüllt, wird er übermütig und treibt dieselbe auf Mutwillen (Judas V. 4); er sammelt einige Brocken derselben und schmeckt so das gütige Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt, und trinkt den Regen, der oft über ihn kommt (Hebräer 6, 5. 7), aber er bringt kein edles Kraut noch Frucht dem, dessen Evangelium es ist; viel weniger wandelt er im Gesetz des Herrn, des Gottes Israels, von ganzem Herzen (2. Könige 10, 31). Denn er denkt, es bestehe die Herrlichkeit des Evangeliums in Worten und äußerem Schein, der Gehorsam gegen dasselbe im Spekulieren, und gute Werke in guten Worten. Er meint, wenn er von solchen Dingen schön sprechen könne, so sei er Gott angenehm. Er glaubt, das Reich Gottes bestehe allein in Worten, und nicht in Kraft. Darum ist denn auch das vierte Mittel kraftlos bei ihm.
  5. Nun aber wird die Axt höher erhoben, denn Gott ist nun ernstlich willens, den Sünder zu fällen, doch ehe er ihm den entscheidenden Schlag versetzt, will er schließlich noch ein Mittel versuchen. Ist auch dieses wirkungslos, so muss er fallen. Dieses letzte Mittel nun ist, dass er mit solchem Bekenner durch seinen Geist kämpft und streitet. So kommt denn der Geist des Herrn zu ihm, jedoch nicht, um. ewig mit ihm zu streiten (1. Mose 6, 3); für eine Zeitlang tut er es. Er weckt ihn auf und überführt ihn; er ruft ihm seine vorigen Sünden ins Gedächtnis zurück, die Gerichte Gottes, die Untreue gegen seine früheren Versprechungen und Gelübde, den Missbrauch der vergangenen Tage. Er führt ihm überzeugende, anspornende Sprüche vor, liebliche Verheißungen, schreckliche Gerichte, die Kürze der Gnadenfrist, und sagt ihm, dass noch Hoffnung für ihn sei, wenn er nur kommen wolle. Der Herr zeigt ihm ferner die Gewissheit des Todes und des zukünftigen Gerichts. So streitet und kämpft er mit dem Sünder. Aber siehe, hier liegt der Grund des Übels: der Mensch streitet auch. Der Geist überführt, aber der Mensch macht sich taub gegen Gott; der Geist ruft: kehre dich zu meiner Zucht und lebe, aber der Mensch kehrt ihm den Rücken; der Geist heißt ihn aufmerken, auf welchem Wege er geht, aber der Mensch schließt das Auge davor zu; der Geist wendet Gewalt an, aber der Mensch streitet und widersteht ihm, er schmähet den Geist der Gnade (Hebräer 10, 29). Doch zum zweiten Male redet der Geist mit ihm und hält ihm das Wort von der Notwendigkeit einer neuen Geburt vor, aber der Sünder erwidert: Nein, ich will mit den Fremden buhlen und ihnen nachlaufen (Jeremia 2, 25). Darüber erhebt sich der Grimm Gottes. Nun verlässt er seinen Ort und ist erschrecklich; nun schwört er in seinem Zorn, dass er nicht soll zu seiner Ruhe eingehen (Psalm 95, 11). Ich habe über dir meine Langmut geoffenbart, und dennoch hast du dich nicht zu mir bekehrt. Ich habe dich geschlagen an deinem eigenen Leibe, an deinen Blutsverwandten und an deiner Habe, und dennoch hast du dich nicht zu mir bekehrt, spricht der Herr (Arnos 4, 6-12). Deine Unreinigkeit ist so verhärtet, dass, ob ich dich gleich gerne reinigen wollte, dennoch du nicht willst dich reinigen lassen von deiner Unreinigkeit. Darum kannst du hinfort nicht wieder rein werden, bis mein Grimm sich an dir gekühlt habe (Hesekiel 24, 13).

Zweites Kennzeichen

Ein Bekenner ist beinahe, wo nicht ganz, außer aller Gnade, wenn Gott ihn dahingibt und fahren lässt, d. h. wenn er ihn alles ungehindert tun lässt, ihm nicht beisteht, weder in den Werken der Heiligung, noch in Bedrängnissen und sonstigen Nöten. Ephraim hat sich zu den Götzen gesellet; so lass ihn hinfahren (Hosea 4, 17). Wehe ihnen, wenn ich von ihnen bin gewichen (Hosea 9, 12). Ich will Lachen in eurem Unfall, und eurer spotten, wenn da kommt, das ihr fürchtet (Sprüche 1, 24-30). Unfruchtbarer Feigenbaum! Du bist vorher umgraben und bedüngt; Gottes Spaten ist an deinen Wurzeln gewesen; der Dünger des Evangeliums ist dir nahe gebracht worden; der Herr hat mit dir gestritten; er hat dich überführt und aufgeweckt; er ließ dich sehen und schmecken, dass du ausrufen musstest: O, welche Seligkeit! Er ist dir in seinem Worte freundlich begegnet; dein Herz wurde geschmolzen; dein Geist beugte sich; deine Seele zitterte und du hast etwas gefühlt von der Kraft des Evangeliums. Aber du hast gesündigt; du hast seine heiligen Augen erzürnt; deine Ungerechtigkeit ist offenbar geworden und musst verworfen werden. Nun hat vielleicht Gott dich verlassen, dich dahingegeben und dich fahren lassen. Früher warst du empfindlicher; dein Gewissen zitterte vor der Versuchung zu Sünden, denn du warst durch die Erkenntnis des Herrn und Heilandes Jesu Christi dem Unflat der Welt entflohen (2. Petrus 2, 20-22). Aber was du ausgespieen, dem du früher entflohen warst, dasselbe leckst du jetzt wieder auf, und in dem Kot, von welchem du vorher gewaschen schienst, wälzest du dich jetzt aufs neue. Doch - hiervon genauer. An drei Zeichen erkennt man, dass ein Mensch von Gott dahingegeben ist:

  1. Wenn ihm Freiheit gegeben wird zum Sündigen, oder seinen Lüsten die Zügel schießen gelassen werden und er an diese überlassen wird. Und gleichwie sie nicht geachtet haben, dass sie Gott erkennten, hat sie Gott auch dahin gegeben in verkehrten Sinn, zu tun, das nicht taugt; voll alles Ungerechten (Römer 1, 28-29). Wenn du jemanden siehst, der zuvor die Erkenntnis Gottes und Ehrfurcht vor seiner Majestät hatte; ich sage, wenn du solch einen siehst, mutwillig in seinen Sünden (2. Petrus 2, 13), die Gnade unsers Gottes auf Mutwillen treiben und nach seinen eigenen gottlosen Begierden wandeln; über solchen Menschen ist das Urteil von lange her nicht säumig, und seine Verdammnis schläft nicht (2. Petrus 2, 3). Hörst du dies wohl, unfruchtbarer Feigenbaum? Entsetzlich ist es anzusehen, wie solche, welche zuvor Kinder des Lichts zu sein und sich zu bereiten schienen zum ewigen Leben, um ihres Herzens Härtigkeit willen, durch das gerechte Gericht Gottes dahingegeben sind, ruchlos zu werden, sich der Unzucht zu ergeben und allerlei Unreinigkeit zu treiben (Epheser 4, 19). Solcher gab es in den ersten Zeiten des Evangeliums eine große Zahl, über welche Petrus, Judas und Johannes das schwere Gericht Gottes ausgesprochen haben: Petrus und Judas stellen sie auf eine Stufe mit den gefallenen Engeln (2. Petrus 2, 2-8), und Johannes gebietet, für solche nicht zu beten (1. Johannes 5, 16), weil sie gleiches überkommen ist wie den gefallenen Engeln. Diese behielten nicht ihr Fürstentum, sondern verließen ihre Behausung. Darum hat Gott sie auch behalten zum Gericht des großen Tages mit ewigen Banden in Finsternis (Judas 1, 6-7). Unfruchtbarer Feigenbaum, vernimmst du wohl? Solche sind
    1. außer aller Gnade;
    2. außer allen Verheißungen;
    3. außer aller Hoffnung auf Bekehrung. Sie haben
    4. keinen Fürsprecher, noch irgendwelchen Anteil an dem Schlachtopfer für die Sünden.
    5. Für solche ist nichts übrig geblieben, denn ein schreckliches Warten des Gerichts, und darum sind dies
    6. die eigentlichen Flüchtigen, welche von Gott, von Christo, von der Gnade und von allen Verheißungen verlassen, ohne alle Hoffnung umherirren, hin und her rennen wie ihr Bundesgenosse Satan, bis es zum Sterben kommt, oder bis sie in einen Kampf ziehen und umkommen.
  2. Wenn er aber auch ruhig unter dem Gehör des Wortes gelassen wird, und dasselbe hin und wieder in sein Ohr dringt, so hat er doch keine Freude, keinen Geschmack an den Gnadenmitteln, keine Herzensbewegungen, kein Mitleiden mit sich selbst noch Liebe zu seiner eigenen Seligkeit. Wohin sie nur sehen, allenthalben erblicken sie solche Wirkungen des Wortes an andern: Beweise von Buße, Liebe zu Gott und zu Christo; aber sie beugen ihren Rücken allezeit (Römer 11, 10). Gott hat ihnen gegeben einen Geist des tiefen Schlafs, Augen, dass sie nicht sehen und Ohren, dass sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag. (Römer 11, 8). Und wie sie gewandelt haben zu der heiligen Stätte, so kommen sie von dannen zurück, und werden vergessen in der Stadt, in welcher sie also getan haben (Prediger 8, 10). Nur den einen Schadenholen sie sich, dass sie nach ihrem verstockten und unbußfertigen Herzen sich selbst den Zorn häufen, auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes (Römer 2, 5). So hüte dich denn, unfruchtbarer Bekenner.
  3. Wird er nach der gewöhnlichen Weise der Menschen heimgesucht mit Krankheit, Not oder sonst einem Elend, so erscheint kein Gott, keine heiligende Hand des Herrn, keine Barmherzigkeit gesellt sich zu der Trübsal: doch wird er krank und wird wieder gesund wie das Vieh. Oder er ist in Angst wie Saul, welcher, in Krieg mit den Philistern verwickelt, sich von Gott verlassen wusste (1. Samuel 28, 4-6). Da nun die Philister sich versammelten, und kamen und lagerten sich zu Sunem, versammelte Saul auch das ganze Israel und lagerten sich zu Gilboa. Da aber Saul der Philister Heer sah, fürchtete er sich, und sein Herz verzagte sehr. Und er ratfragte den Herrn; aber der Herr antwortete ihm nicht, weder durch Träume noch durchs Licht, noch durch die Propheten. Der Herr antwortete ihm nicht mehr, er war mit ihm fertig; er hatte ihn verlassen und verworfen und ihn lassen stehen und fallen in seinen Sünden. Doch hiervon mehr zum Schluss dieser Betrachtung. Solche Menschen mögen nun tun, was sie wollen, sie mögen laufen von Gefühl zu Gefühl, von Begriff zu Begriff und von Sekte zu Sekte - nirgends können sie zum ruhigen Haltmachen kommen; sie sind an ihre eigene Unbeständigkeit übergeben. Sie haben keine Gnade, die ihr Herz erquicken könnte, und obschon einige von ihnen sich dieser Freiheit gerühmt haben, so werden sie doch von Judas genannt: irrige Sterne, welchen behalten ist das Dunkel der Finsternis in Ewigkeit (Judas 1, 13). Sie sind, wie vorhin gesagt, dahingegeben, um unstet auf der Erde umherzuirren, um allenthalben hinzurennen, ohne irgendwo bleiben zu können, bis sie hingehen an ihren Ort (Apostelgeschichte 1, 25) mit Kain und Judas, welche gleich waren wie sie.

Drittes Kennzeichen

Ein Bekenner steht außer der Gnade, wenn sein Herz so verhärtet, so versteinert und undurchdringlich ist, dass nichts hineindringen kann. Unfruchtbarer Feigenbaum, beachte dies. Ein hartes und unbußfertiges Herz ist ein Fluch Gottes. Ein Herz, welches sich nicht bekehren kann, ist schlimmer als alle sonstigen Plagen zusammen. Darum sagte Gott von Pharao, als er drohte ihn der Macht seines Zornes zu übergeben: Denn ich will diesmal alle meine Plagen in dein Herz senden (2. Mose 9, 14). Gott sendet manchen, welche unter dem Mantel der Frömmigkeit schwer gesündigt haben, dies Zeichen seines Zornes; ihnen wird die Macht, sich zu bekehren, geweigert; ihre Herzen werden gebunden, so dass sie unmöglich sich bekehren können, und lebten sie gleich tausend Jahre. Es ist unmöglich, solche, wo sie abfallen, wiederum zu erneuern zur Buße, als welche ihnen selbst wiederum den Sohn Gottes kreuzigen und öffentlich zum Spott machen (Hebräer 6, 4-6). Diese Verhärtung des Herzens ist ein Gericht Gottes, ein Hindernis, welches Gott der Herr diesen Sündern in den Weg legt, dass sie nicht selig werden. Dies war der Schluss der Klage Spieras: Ich kann nicht; o, ich kann nun nicht mehr! Dieser Bekenner sieht, was er begangen hat, was ihm hätte helfen können und was aus ihm werden wird, und dennoch kann er sich nicht bekehren. Vorher zuckte er mit den Schultern und verschloss seine Augen. So wurde er von Gott verlassen, und so bleibt er stehen bis heute. Unveränderlich, wie auch das Weib Lots, da es in eine Salzsäule verwandelt wurde (1. Mose 19, 26), das noch stehen blieb, den Blick über die Achseln zurückgewandt, mit denn Angesichte nach Sodom gekehrt. Wie das Gericht sie erfasste, so wurde sie fest gebannt und als Zeichen des göttlichen Zornes für kommende Geschlechter hingestellt. Man liest von etlichen Menschen, dass in ihr Gewissen ein Mal eingebrannt sei. Ihr Gewissen ist gänzlich gefühllos, wie denn stets der Teil eines Menschen, der gänzlich verbrannt ist, ohne irgendwelches Gefühl ist. Sie haben Brandmal in ihrem Gewissen. (1. Timotheus 4, 2). Das Gewissen ist der Teil, welcher, soll jemals etwas Gutes gewirkt werden, erfasst und erreicht werden muss durch Empfindung, durch Zittern und Zerknirschung. Um solch Gewissen aber steht es schlimmer, als um das Gewissen derer, welche noch in Sünden schlafen. Denn ein in festem Schlafe liegendes Gewissen kann noch kräftig erweckt und dann bewahrt werden, das Gewissen aber, welches zugebrannt und ausgedörrt ist, wie ausgebrannte Asche, kann niemals in dieser Welt ein Gefühl von Buße haben. Unfruchtbarer Feigenbaum, merke doch auf! Entsetzlich ist die Verhärtung, die durch Gottes Gericht erfolgt ist. Es besteht ein Unterschied zwischen der Verhärtung, welche allen Menschen eigen ist, und der, welche einigen Menschen widerfährt, als ein besonderes Gottesgericht. Wohl kann jede Verhärtung des Herzens im gewissen Sinne ein Gericht genannt werden, doch gibt es eine Verhärtung, die sich nur bei denen findet, welche verloren gehen; sie ist ein Gericht zur Strafe für den Missbrauch des empfangenen Lichtes, eine Vergeltung ihres Abfalles.

Diese besondere Verhärtung durch ein Gottesgericht unterscheidet sich von jener allgemeinen in folgendem:

  1. Es ist eine Verhärtung, welche nach einer reichen Mitteilung von Licht erfolgt, und zwar wegen schwerer Sünden, welche wider dieses Licht und wider die durch dasselbe geschenkte Gnade begangen sind. Es ist eine Verhärtung, wie sie bei Pharao erfolgte, nachdem der Herr vor seinen Augen jene Wunderwerke getan hatte; es ist solch eine Verhärtung, wie sie den Heiden widerfuhr, indem ihre Herzen verfinstert, und sie dahingegeben wurden in verkehrten Sinn (Römer 1, 21-23). Diese Verhärtung ist dieselbe, vor welcher der Apostel warnt (Hebräer 3, 7-8), eine Verhärtung, welche hervorgerufen wird durch ein ungläubiges Herz, durch das Abweichen von dem lebendigen Gott; eine Verhärtung, herbeigeführt durch Betrug der Sünde (Hebräer 3, 12-13), wie in der Verbitterung, am Tage der Versuchung, in der Wüste; darum Gott auch schwor in seinem Zorn, dass sie sollten zu seiner Ruhe nicht kommen (Hebräer 3, 8-11). Diese Art der Verhärtung brach auch über Kain, Ismael und Esau herein, nachdem sie jene schweren Sünden begangen hatten.
  2. Es ist der stärkste Grad der Verhärtung, weshalb es auch von solchen Menschen heißt, sie seien härter, denn ein Fels (Jeremia 5, 3), und ein Demant (Sacharja 7, 12), d. h. härter denn ein Kieselstein, so hart, dass nichts hineindringen kann.
  3. Es ist eine Verhärtung, welche ein großer, göttlicher Zorn über jemanden bringt, damit seine Seele so fest gebunden werde, dass ihr die Bekehrung unmöglich wird.
  4. Darum ist es auch eine unheilbare Verhärtung, an welcher man sterben und verloren gehen muss. Unfruchtbarer Bekenner, nimm dies doch zu Herzen.

Viertes Kennzeichen

Ein Bekenner ist ganz aus der Gnade gefallen, wenn er sein Herz verhärtet wider den Inhalt des göttlichen Wortes. Wer hätte sich wider ihn verhärtet und hätte Frieden gehabt (Hiob 9, 4)? In solchem Zustande setzt sich unser Geist wider Gott (Hiob 15, 13). Gleich als wenn jemand nach einem Zeugnis vom Herrn Jesu und von der Lehre der Wahrheit und der Gottseligkeit sich erkühnt, Sündenwege zu wandeln, und sich selbst vorzureden, er werde nichtsdestoweniger Leben und Seligkeit erlangen. Unfruchtbarer Bekenner, merke doch auf! 5. Mose 29, 18 steht ein Wort, welches auf eine Wurzel deutet, die da Galle und Wermut trägt, auf eine Wurzel, welche vor Gott ein Gräuel ist, ja, die von seiner Seele gehasst wird; denn solche Leute segnen sich in ihrem Herzen und sprechen: ich werde Frieden haben, obschon ich wandele, wie es mein Herz dünket; auf dass der Trunkene mit dem Durstigen dahinfahre (V. 19). Diese Herzensstellung steht gerade dem Worte Gottes entgegen, ja geht sogar gegen die Natur Gottes selbst an, weshalb auch V. 20 folgt: Da wird der Herr dem nicht gnädig sein, sondern dann wird sein Zorn und Eifer rauchen über solchen Mann und werden sich auf ihn legen alle Flüche, die in diesem Buche geschrieben sind. Und der Herr wird seinen Namen austilgen unter dem Himmel. Ja, es kann nicht fehlen, solch ein Mann muss kräftiglich verderbt werden; denn so sagt der Text weiter V. 21: Und der Herr wird ihn absondern zum Unglück aus allen Stämmen Israels, laut aller Flüche des Bundes, der in dem Buch dieses Gesetzes geschrieben ist. Er wird ihn absondern zum Unglück. Er wird ihn übergeben und ihn seinem eigenen Herzen überlassen. Er wird ihn absondern auf diese oder jene Art, doch wird sie ihm sicherlich zu hart werden. So handelte der Herr mit Ahab, einem Manne, der sich verkauft hatte, Böses zu tun (1. Könige 21, 25). Und der Herr sprach: Wer will Ahab überreden, dass er hinaufziehe und falle zu Ramoth in Gilead? Und einer sagte dies, der andere das. Da ging ein Geist heraus und trat vor das Angesicht des Herrn und sprach: Ich will ihn überreden. Der Herr sprach zu ihm: Womit? Er sprach: Ich will ausgehen und will ein falscher Geist sein in aller seiner Propheten Munde. Er sprach: Du sollst ihn überreden und sollst es ausrichten; gehe aus und tue also (1. Könige 22, 20-22). Du sollst es ausrichten, tue nach deinem Willen; ich gebe ihn in deine Hand; gehe aus und tue also. In diesen Gerichten bietet der Herr alles auf, diejenigen, welche ihn so lange gereizt haben, zu führen, wie er es will. Sie sind es, deren Verderben er beschließt und ausführt nach seinem Rat. Ich will erwählen den Lohn ihrer. Taten, und was sie scheuen, will ich über sie kommen lassen (Jesaja 66, 4). Ich will ihre Taten oder die Ausgeburten ihres gottlosen Herzens erwählen, und will machen, dass sie dieselben umarmen und an ihnen ihre Lust haben. Doch wer sind die, mit welchen so verfahren werden soll? Es sind solche Bekenner, von denen gesagt wird: Diese erwählen auch ihre Wege, und ihre Seele hat Gefallen an ihren Gräueln (Jesaja 66, 3). Dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, dass sie selig würden, darum wird ihnen Gott kräftige Irrtümer senden, dass sie glauben der Lüge (2. Thessalonicher 2, 10-11). Gott wird sie ihnen senden; dies ist ein schweres Wort; ja, Gott wird ihnen kräftige Irrtümer senden; ein schweres Wort ist dies; Irrtümer, die sie verführen werden, den Lügen zu glauben. Und warum wird er dieses tun? Auf dass gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glauben, sondern haben Lust an der Ungerechtigkeit (V. 12). Nichts erregt mehr den Zorn des Herrn,. als wenn jemand Gelübde ablegt, sobald Gott droht, und dann sich leichtsinnig einbildet, er werde wohl selig, ob er gleich gottloser lebt als vorher. Solches Menschen Seele steht in einer Abkehr von der Wahrheit Gottes, und darum ist es kein Wunder, wenn auch Gottes Herz sich von ihm abwendet. Er hat einen Weg gefunden zum Schaffen seiner Seligkeit, welcher den Wegen Gottes zuwider ist; wie darf es uns denn wundern, wenn Gott mit ihm den Weg zur Verdammnis einschlägt! Und weil solch ein Rebell zu dem Schluss gekommen ist: Ich werde Frieden haben, so will Gott einmal versuchen, wessen Wort bestehen wird, sein Wort oder das Wort dieses Rebellen.

Fünftes Kennzeichen

Für einen Menschen ist der Tag der Gnade vorbei, wenn er über dieselbe spottet und innerlich gegen sie tobt, ja, wenn er einen Hass wider Gott hat, wenn er sich unter Verachtung der Boten Gottes heimlich vornimmt, seinen eigenen Weg festzuhalten. Wenn jemand das Gesetz Moses bricht, der muss sterben ohne Barmherzigkeit. Wie viel, meint ihr, ärgere Strafe wird der verdienen, der den Sohn Gottes mit Füßen tritt (Hebräer 10, 28-29)? Wider solche Verächter tritt Gott selbst auf und hat ihnen vorher verkündigt, dass sie nicht glauben sollen, sondern müssen vergehen und verderben. Sehet, ihr Verächter, und verwundert euch und werdet zunichte; denn ich tue ein Werk zu euren Zeiten, welches ihr nicht glauben sollt, so es euch jemand erzählen wird (Apostelgeschichte 13, 41; Habakuk 1, 5). Bis jetzt haben wir nur von dem unfruchtbaren Feigenbaum oder Bekenner geredet und einige Zeichen beigefügt, an welchen man ihn erkennen kann, so wie auch die Kennzeichen eines Menschen angegeben, der nicht fruchtbar werden kann oder will, sondern elendiglich umkommen muss. Nun sind wir bei der Vollziehung des Urteilsspruches angelangt, und ich will auch hierüber einige Worte sagen. So haue ihn darnach aus, Christus übergibt diesen unfruchtbaren Feigenbaum endlich der Gerechtigkeit Gottes; er verlässt ihn und überliefert ihn, weil er unnütz ist, zum Verbrennen.

II. Der Tod, oder das Aushauen eines unfruchtbaren Bekenners wird schrecklich sein

Haue ihn aus

Auf zwei Dinge haben wir hier zu achten:

  1. auf den, welcher das Urteil ausführen wird, nämlich auf den großen, erschrecklichen und ewigen Gott. In obigen Worten wird uns deutlich zu verstehen gegeben, wie bereits gesagt ist, dass Christus, der Mittler, durch welchen allein die Seligkeit kommt, und durch den allein die Vollstreckung des Urteils hinausgeschoben worden, nunmehr die Seele aufgegeben hat. Er legt kein Wort mehr für sie ein, versucht nicht das geringste Gnadenmittel mehr zur Besserung, sondern überliefert sie nun ganz dem schrecklichen Los, zu fallen in die Hände des lebendigen Gottes (Hebräer 10, 31).
  2. haben wir zu achten auf das Mittel, durch welches das Urteil vollzogen wird, nämlich auf den Tod, welcher hier mit einer Axt verglichen wird. Wie nun ein Baum nicht mit einem Schlage fällt, so folgt auch hier ein Schlag dem andern, bis die Zahl voll ist, die zu seinem Falle nötig ist; denn wenn die Zeit des Aushauens gekommen ist, so ist es auch sein Los, völlig ausgehauen zu werden. So haue ihn darnach aus. Der Tod, sage ich, ist die Axt, welche Gott manchmal gebraucht, um einen unfruchtbaren Feigenbaum aus dem Weinberge, aus seiner Kirche und zugleich auch aus der Welt herauszureißen. Diese Axt aber ist nun scharf geschliffen und wird mit scharfer Schneide in die Wurzeln dieses unfruchtbaren Feigenbaumes hineingetrieben. Sie ist geschärft durch die Sünden, durch das Gesetz und durch ein bloßes Gewohnheitsbekenntnis; darum muss sie auch tief einschneiden, nicht allein in das natürliche Leben, sondern auch in Herz und Gewissen dieses Bekenners. Der Tod ist der Sünde Sold (Römer 6, 23), und der Stachel des Todes ist die Sünde (1. Korinther 15, 56). Darum kommt auch der Tod zu ihm nicht, wie zu den Heiligen, besiegt und ohne Stachel, sondern mit geöffnetem Rachen, in seiner vollen Kraft. Ja, seine Erstgeburt, nämlich seine Schuld, wird die Riegel seiner Hütte verzehren, und ihn treiben zu dem König der Schrecken (Hiob 18, 13-14).

Doch ich will noch in einigen Worten vorführen, wie der Tod dieses Bekenners ist.

  1. Jetzt auf seinem Lager wird er durch seine Unfruchtbarkeit und durch all die Legionen seiner Missetaten belagert; denn: den Gottlosen wird seine Missetat fangen, und er wird mit dem Strick seiner Sünde gehalten werden (Sprüche 5, 22).
  2. Dann wird ihm, zum Grauen und Entsetzen seines Gewissens, eine schreckliche Erkenntnis von Gott geschenkt: Er wird solches über ihn führen, und wird seiner nicht schonen; es wird ihm alles aus seinen Händen entfliehen (Hiob 27, 22).
  3. Das finstere Tor, durch welches er wandern muss, wird ihm Grauen einflößen, denn es sollen Schrecknisse sein auf dem Wege (Prediger 12, 5). Ja, Schrecken wird ihn überfallen, wenn er aufgesperrt sieht den gähnenden Rachen des Todes, wenn er die Türe zur Finsternis des Todes geöffnet sieht, um ihm aus dieser Welt den Durchgang zu geben. Nun ruft er aus: Wer wird mir an diesem finstern Orte begegnen? Wie kann ich durch diesen dunklen Vorhang in die andere Welt hinübergehen?
  4. Nun wird wegen des schuldbeladenen, zitternden Gewissens sein Leben vor ihm schweben, Nacht und Tag wird er sich fürchten und seines Lebens nicht sicher sein. Des Morgens wird er sagen: Ach, dass es Abend wäre! Und des Abends wird er sprechen: Ach, dass es Morgen wäre! vor Furcht seines Herzens, die ihn schrecken wird, und vor dem, dass er mit seinen Augen sehen wird (5. Mose 28, 66-67).
  5. Nun wird auch sein Mangel wider ihn aufstehen, ja ihn übereilen, wie ein gewappneter Mann (Sprüche 6, 11). Ein schreckliches Lager für solche, welche im Herzen ohne Gnade und im Leben unfruchtbar sind. Dieser Mangel wird ihm beständig in die Ohren rufen: es fehlt die neue Geburt, es fehlt ein neues Herz und ein neuer Geist, es fehlt der Glaube, die Furcht Gottes und ein gottseliger Wandel; man hat dich in einer Waage gewogen und zu leicht gefunden (Daniel 5, 27).
  6. Es finden sich auch ein die Gesellen des Todes, die Hölle, die Teufel und die endlosen Qualen, die seiner harren in den ewigen Flammen eines verzehrenden Feuers. Wenn Gott sich aufmachten wird wider das Volk, wird er es anfallen mit Scharen (Habakuk 3, 16). Wie wird aber dieser Mensch sterben? Wird sein Herz nun bestehen, oder werden seine Hände stark sein (Hesekiel 22, 14)?

Gott, Christus und alle Barmherzigkeit haben ihn jetzt verlassen; seine Sünden wider das Licht, wider die Gnade und die Langmut Gottes sind wider ihn aufgetreten; seine Hoffnung, sein Vertrauen sterben mit ihm, und sein Gewissen zittert und bebt in seinem Leibe immerfort.

Der Tod arbeitet nun wirklich an ihm, ihn auszuhauen, Rinde und Herz, Leib und Seele reißt er voneinander. Zwar seufzt und stöhnt er, aber der Tod achtet es nicht; er ist geängstet, erschreckt und niedergeschlagen; er seufzt, schwitzt und bebt, aber den Tod stört das nicht.

Nun wird er mit fürchterlichen Gedanken erfüllt; Eigenschaften Gottes, die dem Sünder schrecklich sind, erschrecken auch ihn. Jetzt hat er Zeit zu bedenken, was der Verlust des Himmels und was die Qualen der Hölle bedeuten; jetzt wird er erschreckt, er mag sehen, wohin er will.

Jetzt möchte er wohl leben, aber unerreichbar ist das Leben für ihn; jetzt möchte er wohl leben, wenn auch nur bettlägerig und hinsiechend, doch es ist ihm nicht vergönnt. Der, welcher ihn aushaut, schüttelt ihn, wie der Holzhauer einen schwankenden Baum, bald biegt er ihn hier-, bald dorthin; dann bricht endlich eine Wurzel, es springt eine Herzader.

Könnte jetzt die Seele vernichtet werden! 0, wie glücklich würde sie sich schätzen! Aber sie sieht, dies kann nicht geschehen. Nun ist sie in großer Bedrängnis; im Leibe bleiben kann sie nicht, ihn zu verlassen wagt sie nicht. - Dann schwindet das Leben, das Blut steht still in den Adern, der Lunge fehlt die Kraft, Luft zu schöpfen, und so verlässt endlich die abgemattete Seele den Körper, um von den Teufeln, die darauf nur gewartet haben, in Empfang genommen zu werden. Die Freunde tragen für den Leichnam Sorge, hüllen ihn in ein Tuch und legen ihn in den Sarg. Die Seele aber ist außer ihrem Bereich, sie ist niedergestiegen in die Kammern des Todes.

Ich beabsichtigte anfangs, meine Betrachtungen hierüber noch weiter auszudehnen, doch will ich nicht weiter gehen. Gott, welcher die Menschen lehret, was gut ist, der segne dies kurze und schlichte Wort an euern Herzen, die ihr noch steht als Bekenner im Lande der Lebendigen, unter den Bäumen seines Weinberges. Amen.

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