Bunyan, John - Die überschwängliche Gnade - IX. Kapitel. Sein Beruf zum christlichen Predigtamte.
1654-1665.
Weil ich jetzt von meiner Erfahrung rede, so will ich hier ein paar Worte von meinem Predigtamte einschalten und auch von den Wegen Gottes mit mir in diesem Werke. Nachdem ich etwa fünf oder sechs Jahre erweckt gewesen, und dann auch befähigt worden war, einzusehen, beides, wie nöthig wir unsern Herrn Jesum Christum haben und von welchem hohen Werthe Er für uns ist; als es mir auch möglich gemacht worden war, Ihm meine Seele anzuvertrauen: da erkannten einige Heilige, die unter uns hinsichtlich ihres Urtheils und heiligen Lebens als die fähigsten angesehen wurden, daß Gott mich würdig erachtet habe, etwas von Seinem Willen in Seinem heiligen und segensreichen Worte zu erkennen, und Mittheilungsgabe gegeben, um zur Erbauung für Andere auszudrücken, was ich erkannte. Darum ersuchten sie mich und zwar sehr ernstlich, daß ich willig sein möchte und es unternehmen, ihnen in einer der Versammlungen bisweilen ein Wort der Ermahnung zu sagen. Anfangs verwirrte und beschämte dieser Gedanke. meinen Geist, da sie aber ferner in mich drangen und mich baten, erfüllte ich ihre Bitte und diente ihnen zweimal in Versammlungen, doch nur in Privat-Versammlungen und mit viel Schwachheit und Gebrechlichkeit mit meiner Gabe. Darnach bezeugten sie feierlich, als vor dem Angesicht des großen Gottes, daß sie von meinem Vortrage sowohl ergriffen als getröstet worden seien, und dankten der Vater der Barmherzigkeit für die Gnade, die mir gegeben war.
Wenn nun später manchmal Einige von ihnen hinaus auf's Land gingen, um zu lehren, wünschten sie, daß ich mit ihnen ginge, obgleich ich noch keinen öffentlichen Gebrauch von meiner Gabe machte, noch zu machen mich getraute - sondern nur auf eine verborgene Weise; wenn ich aber dennoch mit den frommen Leuten in jenen Orten zusammen traf, sagte ich ihnen auch bisweilen ein Wort der Ermahnung, welches sie, ebenso wie die andern, mit Freuden über die Barmherzigkeit Gottes gegen mich aufnahmen und bekannten, daß sie dadurch erbaut worden wären.
Also, um kurz zu sein, ich wurde endlich, dem weiteren Verlangen der Gemeine gemäß, mit feierlichem Gebet und Fasten zu einem ordnungsmäßigeren und öffentlichen Dienste am Worte besonders berufen und bestimmt, nicht nur bei und unter den Gläubigen das Evangelium zu verkündigen, sondern es auch denen vorzutragen, die den Glauben an dasselbe noch nicht empfangen hatten. Um diese Zeit wurde ich mich auch eines heimlichen Verlangens darnach in meinem Herzen deutlich bewußt; aber, Gott sei gelobt! - es war nicht ein Verlangen nach eitler Ehre. Denn um diese Zeit mußte ich von den feurigen Pfeilen des Teufels sehr schwer in Hinsicht meiner Aussichten für die Ewigkeit leiden; aber dennoch konnte ich nicht ohne meine Gabe zu üben, zufrieden sein, wozu ich denn auch sehr ermuntert wurde, nicht nur durch das Verlangen der Frommen, sondern auch durch den Ausspruch Pauli an die Corinther: „Ich ermahne euch aber, liebe Brüder: ihr kennet das Haus Stephanä, daß sie sind die Erstlinge in Achaja, und haben sich selbst verordnet zum Dienst den Heiligen; auf daß ihr solchen unterthan seid, und allen, die mitwirken und arbeiten.“ 1 Cor. 16,15-16. Aus diesem Texte ersah ich, daß der heilige Geist niemals beabsichtigte, daß Menschen, die Gaben und Fähigkeiten haben, dieselben in die Erde vergraben sollen, sondern daß Er solche vielmehr zum Gebrauch ihrer Gabe anregt und reizt; und daß Er denjenigen es wirklich befahl, welche dazu willig und bereit waren. „Sie haben sich selbst verordnet zum Dienst den Heiligen.“ Diese Stelle bewegte sich in jenen Tagen beständig in meinem Gemüthe, mich in diesem meinem Werke Gottes zu ermuthigen und zu stärken. Ich bin auch durch andere Schriftstellen ermuthigt worden, und durch die Beispiele der Frommen, die sich sowohl in der Schrift, als auch in der Geschichte der Gemeinde Christi finden. Ap. Gesch. 8,4. Kap. 18,24-25. 1 Petri 4,10. Röm. 12,6.
Darum ging ich, obgleich in mir selbst der Unwürdigste von allen Heiligen, dennoch an's Werk (wenn auch beim Blick auf meine eigene Schwachheit mit viel Furcht und Zittern) und predigte nach meiner Gabe und dem Maße meines Glaubens, das segensreiche Evangelium, das Gott mir im heiligen Worte der Wahrheit geoffenbart hatte. Als die Leute auf dem Lande das erfuhren, kamen sie zu Hunderten, und zwar aus allen Gegenden, wenn auch mit verschiedenen Absichten. Und ich dankte Gott, daß er mir ein wenig Barmherzigkeit und Mitleiden mit ihren Seelen schenkte, wodurch ich angetrieben wurde, mit großem Fleiß und Ernst zu ringen, um solche Worte zu finden, die, wenn Gott sie segnen wollte, ihre Gewissen ergreifen und erwecken möchten. In dieser Hinsicht hatte der gute Herr auch Acht auf das Verlangen Seines Knechtes; denn ich hatte noch nicht lange gepredigt, so wurden Einige gerührt, und durch die Erkenntniß der Größe ihrer Sünden, so wie durch das Gefühl ihres Bedürfnisses nach Jesu Christo, sehr darnieder geschlagen in ihrem Gemüthe.
Anfangs konnte ich zwar nicht glauben, daß Gott durch mich zum Herzen eines Menschen reden würde; indem ich mich zu unwürdig dazu achtete; allein die, welche also ergriffen waren, pflegten mich zu lieben, und eine besondere Achtung vor mir zu haben; und obgleich ich es ablehnte, daß sie durch mich erweckt seien, bekannten sie doch alle und bestätigten es vor den Heiligen Gottes. Sie lobten auch Gott um meinetwillen ich elender Mensch, der ich bin! und nannten mich Gottes Werkzeug, das ihnen den Weg des Heils gezeigt. Darum, als ich sah, wie sie in ihren Worten und Werken so beständig waren, wie sie in ihren Herzen so ernstlich nach der Erkenntniß Jesu Christi trachteten, und wie sie sich freuten, daß Gott mich zu ihnen gesandt habe: da fing ich an zu schließen, daß es sich doch so verhalten möchte, und Gott einen so Thörichten, wie mich, in Seinem Werke anerkannt habe. Dazu kam das Wort Gottes mit viel süßer Erquickung in mein Herz: „Der Segen des, der verderben sollte, kam über mich; und ich machte das Herz der Witwe vor Freuden jubeln.“ Hiob 29,13. Darüber freute ich mich. Ja, die Thränen derer, die Gott durch meine Predigt erweckte, waren mir zum Troste und zur Erquickung; denn ich gedachte an diese Worte: „Wer ist, der mich fröhlich mache, ohne, der von mir betrübet wird?“ 2 Cor. 2,2. Und wiederum: „Bin ich nicht Andern ein Apostel, so bin ich's doch euch, denn das Siegel meines Apostelamtes seid ihr in dem Herrn.“ 1 Cor. 9,2. Diese Tröstungen waren mir ebenfalls ein Beweis, daß Gott mich zu Seinem Werke berufen habe, und mir darin beistehe.
Bei meiner Verkündigung des Wortes habe ich dies Eine besonders beobachtet, nämlich, daß der Herr mich leitete, da anzufangen, wo Sein Wort mit dem Sünder anfängt, d. i. alles Fleisch zu verurtheilen, und offen zu bezeugen, daß der Fluch Gottes durch's Gesetz um der Sünde willen auf allen Menschen liegt, die in diese Welt kommen. Diesen Theil meiner Arbeit erfüllte ich mit tiefem Gefühl; denn die Schrecken des Gesetzes und die Schuld meiner Uebertretungen lagen schwer auf meinem Gewissen. Ich predigte, was ich fühlte, was ich schmerzlich fühlte, ja, worunter meine arme Seele außerordentlich seufzte. Ich war in der That wie Einer, der von den Todten zu ihnen gesandt wurde. Wie Einer in Ketten ging ich, um den Gebundenen zu predigen; und trug das Feuer in meinem Gewissen, vor welchem ich Andere warnte. Ich kann mit Wahrheit und ohne Verstellung sagen, daß wenn ich ging, um zu predigen, so ging ich voller Schuldgefühl und Schrecken, selbst bis zur Kanzelthür, und da erst wurde mir die Last abgenommen, so daß ich so lange im Gemüthe frei war, bis ich mein Amt ausgerichtet hatte; dann aber war ich sogleich wieder, ehe ich noch die Kanzeltreppe hinunter kommen konnte, so übel dran wie zuvor. Dennoch trug Gott mich vorwärts; aber sicherlich mit einer starken Hand, denn weder Schuldgefühl noch Hölle konnten mich von meinem Werk abhalten.
So fuhr ich etwa zwei Jahre lang fort, gegen die Sünden der Menschen und ihren schrecklichen Zustand wegen derselben laut zu zeugen. Darnach kam der Herr mit einem ziemlich festen Frieden und Trost durch Christum in meine Seele; denn Er gab mir viele süße Offenbarungen Seiner segensreichen Gnade durch Ihn. Darum veränderte ich nun auch meine Predigtweise, denn ich predigte immer, was ich erkannte und fühlte. Jetzt bestrebte ich mich sehr, Jesum Christum in allen Seinen Aemtern und Beziehungen, und die Segnungen durch ihn für die Welt, zu verkündigen. Ich bemühte mich nun, all' die falschen Stützen und Krücken den Menschen aufzudecken, sie zu verurtheilen und wegzunehmen, auf die sich die Welt lehnet, und mit denen sie fällt und ins Verderben stürzt. Bei diesen Gegenständen blieb ich so lange, wie bei den andern.
Nach diesem offenbarte mir Gott etwas von dem Geheimniß der Vereinigung mit Christo, darum offenbarte und erklärte ich meinen Zuhörern auch dasselbe. Und nachdem ich in Zeit von fünf Jahren durch diese drei Hauptpunkte des Wortes Gottes hindurch gegangen war, wurde ich, meines Predigens wegen, gefangen genommen und eingekerkert; wo ich mehr als zweimal so lange lag, um die Wahrheit durch Leiden zu bestätigen, als ich sie vorher durch die Predigt nach der Schrift bezeugt hatte.
Wenn ich predigte, so schrie, Gott sei Dank! mein Herz während diesen und allen andern Uebungen öfters mit großem Ernste zu Gott, daß er das Wort zur Erlösung der Seelen kräftig machen wolle; ich war beständig besorgt, der Feind möchte es aus den Gewissen wegnehmen, und es möchte also ohne Frucht bleiben. Darum bemühte ich mich, das Wort so zu reden, daß wo möglich die Sünde und die schuldige Person besonders bezeichnet werden möchte. Auch wenn ich den Gottesdienst geschlossen hatte, ging es mir zu Herzen, wenn ich bedachte, das Wort möchte nun wie Regen auf's Steinigte gefallen sein; deshalb wünschte ich von Herzen: „O, daß die, welche mich heute gehört haben, doch so wie ich sehen möchten, was Sünde, Tod, Hölle und der Fluch Gottes, und auch, was die Gnade, Liebe und Erbarmung Gottes durch Christum gegen solche Menschen sind, die noch entfremdet von Ihm dahinleben.“ Und in der That, ich sagte oft in meinem Herzen vor Gott, daß ich mich mit Freuden vor ihren Augen sogleich aufhängen lassen wollte, wenn das ein Mittel zu ihrer Erweckung und Befestigung in der Wahrheit sein könnte.
Es war mir in meinem Predigen, besonders wenn ich mit der Lehre vom Leben durch Christum ohne die Werke beschäftigt war, als ob ein Engel Gottes hinter mir gestanden hätte, um mich zu ermuthigen. O, es war, während ich es Andern zu offenbaren, zu beweisen und in ihren Gewissen zu befestigen suchte, von solcher Kraft und himmlischen Gewißheit an meiner eignen Seele, daß ich mich nicht begnügen konnte, zu sagen: „Ich glaube und bin gewiß;“ mir däuchte, ich sei mehr als gewiß (wenn es recht ist, so zu sprechen), daß die Dinge, welche ich behauptete, wahr seien.
Als ich anfangs das Wort draußen predigte, waren die Theologen und Pfarrer sehr laut gegen mich; aber ich war überzeugt, daß wir nicht Scheltwort mit Scheltwort vergelten sollen; dagegen bestrebte ich mich, so viel wie möglich die Fleischlichen Bekenner, die ihnen anhingen, von ihrem elenden Zustande vor dem Gesetze und von ihrem Bedürfnis nach Christo und von Seinem Werthe für sie zu überzeugen; denn ich dachte: „Dieses soll mir zeugen in kommenden Tagen, wenn Du kommen wirst über meinen Lohn, der vor Dir ist.“ 1 Mose 30,33.
Ich bestrebte mich, niemals mich in streitige Punkte zu mischen, und in solche Dinge, über die die Heiligen nicht einig waren, besonders geringere Punkte; aber ich stritt gerne mit großem Ernste für das Wort des Glaubens und der Vergebung der Sünden durch das Leiden und Sterben Jesu. Aber ich sage von andern Dingen, daß ich sie gewähren ließ, denn ich sah, daß sie nur Zank gebären; und auch, daß, ob sie gethan oder nicht gethan würden, sie uns vor Gott nicht angenehm machen. Dabei sah ich, daß meine Arbeit in einer andern Richtung war, nämlich im Erweckungswerke; dazu hielt ich mich also auch und blieb dabei.
Niemals wollte, noch durfte ich Anderer Predigtentwürfe gebrauchen (Röm. 15,18), obgleich ich nicht Alle verurtheile, die es thun. Denn wahrlich, ich dachte und habe es erfahren, daß dasjenige, welches mich durchs Wort und den Geist Christi gelehrt wurde, mit dem gesundesten und festesten Gewissen konnte gesprochen, bewiesen und festgehalten werden; und obgleich ich jetzt nicht Alles sagen will, was ich in dieser Hinsicht weiß, so hat doch meine Erfahrung mehr mit dem Schriftwort, Gal. 1,11.12. zu thun, als viele Menschen sich vorstellen.
Fielen einige von den durch mein Predigtamt Erweckten wieder ab (wie das manchmal bei nur zu vielen der Fall war,) so war mir das, ich kann es mit Wahrheit sagen, härter, als wenn mein eignes leibliches Kind zu Grabe getragen worden wäre. Ich denke wahrlich, ich kann es ohne Sünde gegen den Herrn sagen, nichts ging mir so nahe, ausgenommen etwa die Furcht vor dem Verluste des Heiles meiner eignen Seele. Ich betrachtete es, als hätte ich Paläste und Herrengüter an den Orten, wo meine Kinder geboren waren. Mein Herz war so hingenommen von der Herrlichkeit dieses vorzüglichen Werkes, daß ich urtheilte, Gott habe mich dadurch mehr gesegnet und geehret, als wenn er mich zum Kaiser der christlichen Welt, oder zum Herrn aller Herrlichkeit der Erde gemacht, mir aber dies Werk nicht gegeben hätte. O, die Worte: „Wer einen Sünder bekehret von dem Irrthum seines Weges, der wird einer Seele vom Tode helfen!“ Jac. 5,20. „Die Frucht des Gerechten ist ein Baum des Lebens; und ein Weiser gewinnt Seelen.“ Sprüche 11,30. „Die Verständigen aber werden leuchten wie des Himmels Glanz; und die, so Viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“ Dan. 12,3. „Denn wer ist unsre Hoffnung, oder Freude, oder Krone des Ruhms? Seid nicht auch ihr es vor unserm Herrn Jesu Christo in Seiner Zukunft? Ihr seid ja unsre Ehre und Freude.“ 1. Thess. 2,19.20. - diese Worte, sage ich, und viele andre ähnlichen Inhalte, waren mir sehr erquicklich.
Gab es an irgend einem Orte ein Wert des Herrn für mich auszurichten, so wurde zuvor, so zu sagen, ein Verlangen daselbst zu predigen, in mir gewirkt. Ebenso habe ich auch die Erfahrung gemacht, daß mir gewisse Seelen besonders auf's Herz gelegt und ich angeregt wurde, nach ihrer Rettung zu verlangen, und daß mir der Herr hernach eben diese Seelen als Frucht meines Predigtamtes schenkte. So habe ich auch oft bemerkt, daß ein in der Predigt hingeworfenes Wort mehr ausgerichtet hat, als die ganze übrige Rede. Manchmal, wenn ich meinte, ich arbeitete vergeblich, ist Großes geschehen; zu andern Zeiten, wenn ich dachte, ich wollte einen guten Fang thun, habe ich vergeblich gefischt. Ich habe auch beobachtet, daß da, wo ein Werk an Sündern zu thun war, auch der Teufel anfing, in den Herzen und durch den Mund seiner Knechte zu brüllen; ja, oft, wenn die böse Welt am meisten tobte, sind Seelen durch das Wort erweckt worden. Ich könnte hier in's Einzelne eingehen; aber ich enthalte mich des.
Es war, bei der Uebung meines Predigtamtes, mein großes Verlangen, in die dunkelsten Orte des Landes zu gehen, grade unter das Volk, das am weitesten vom Bekenntniß der Wahrheit entfernt war. Dies geschah aber nicht deshalb, weil ich das Licht nicht hätte ertragen können, (denn ich fürchtete mich nicht, mein Evangelium, wem es auch sei, zu offenbaren, sondern weil ich sah, daß mein Geist dem Erweckungs- und Bekehrungswerke am meisten nach hing. Auch war das Wort, das ich verkündigte, am meisten darauf gerichtet. „Und habe mich sonderlich beflissen, das Evangelium zu predigen, wo Christi Name nicht bekannt war, auf daß ich nicht auf einen fremden Grund bauete.“ Röm. 15,20.
Bei meinem Predigen habe ich mich bestrebt, und, so zu sagen, in Wehen gelegen, um Gott Kinder zu gebären; und ich konnte nicht zufrieden sein, wenn nicht einige Frucht kam. War ich unfruchtbar, so fragte ich nicht darnach, wer mich lobte; und war ich fruchtbar, so sag mir nichts daran, wer mich verurtheilte. Ich dachte an das: „Siehe, Kinder sind ein Erbe vom Herrn, und Leibesfrucht ist ein Geschenk. Wie die Pfeile in der Hand eines Starken, also gerathen die Söhne der Jugend. Wohl dem Manne, der seinen Köcher derselben voll hat; die werden nicht zu Schanden, wenn sie mit ihren Feinden handeln im Thor.“ Psalm 127,3-5. Es lag mir nicht daran, daß das Volk nur gewisse Ansichten ergreifen sollte, wenn sie dabei mit Jesu Christo und dem Werthe ihres eignen Heiles unbekannt blieben. Gesunde Ueberzeugung von der Sünde, besonders der des Unglaubens; ein Herz in Feuereifer nach der Erlösung in Christo, und mit starkem Verlangen nach wahrer Heiligung der Seele: das war es, was mich freute; solche Seelen hielt ich für gesegnet!
Aber in diesem Werke, wie in jedem andern, hatte ich auch meine Versuchungen, und zwar von verschiedener Art. Manchmal wurde ich von großer Entmuthigung befallen, so daß ich fürchtete, nicht ein Wort zur Erbauung reden zu können; ja, daß ich nicht fähig sein würde, den Leuten nur Verständliches zu sagen. Zu solchen Zeiten pflegte mich eine so fremdartige Ohnmacht und Schwachheit des Leibes zu befallen, daß mich meine Beine fast nicht in die Versammlung tragen konnten. Manchmal wieder wurde ich, während ich predigte, gewaltig von lästerlichen Gedanken geplagt, und stark gereizt, die Worte mit meinem Munde vor der Versammlung auszusprechen. Ich wurde auch bisweilen, grade wenn ich angefangen hatte, das Wort mit viel Klarheit, Gewißheit und Freiheit der Rede zu sagen, so blind gemacht, und so entfremdet von dem, was ich sagte, und so eingeengt in meiner Rede und Aussprache vor dem Volke, daß mir zu Muthe war, als ob ich nicht mehr wüßte oder mich erinnerte, woran ich sei; oder als ob mein Kopf während der Predigt in einem Sack gesteckt hätte. Wiederum, wenn ich manchmal im Begriff war, über ein scharfes und durchdringendes Wort der Schrift zu predigen, so warf der Versucher mir ein: „Was? du willst darüber predigen! Das verdammt dich selbst; dieser Sache ist deine eigne Seele schuldig; darum predige gar nicht darüber; oder wenn du es dennoch thust, so richte es so ein, daß dir selbst noch ein Ausweg offen bleibt; damit du nicht, statt Andre zu erwecken, solche Schuld auf deine eigne Seele ladest, daß du ihrer nicht mehr los werden kannst.“ Aber, ich danke dem Herrn, daß ich bewahrt wurde, nicht in diese so schrecklichen Eingebungen einzuwilligen; und lieber, wie Simson, mich „kräftiglich geneiget“ habe, die Sünde und Uebertretung zu strafen, wo ich sie fand; ja, und zwar obgleich ich damit Schuldgefühl in meinem eignen Gewissen erweckte. „Meine Seele,“ dachte ich, „sterbe mit den Philistern,“ Richt. 16,29.30. als daß ich das segensreiche Wort Gottes schlecht theilen sollte. „So lehrest du nun Andre, und lehrest dich selbst nicht?“ Es ist viel besser, du richtest dich selbst, eben dadurch, daß du Andern recht und deutlich, predigst, als daß du, um dich nicht selbst zu richten, die Wahrheit in Ungerechtigkeit aufhaltest. Gelobt sei Gott für Seinen Beistand auch in diesem Stücke!
Während ich in diesem gesegneten Werke Christi war, wurde ich auch öfters zu Stolz und Erhebung des Herzens versucht. Und darf ich zwar nicht sagen, daß ich gar nicht davon berührt worden wäre, so hat doch wahrlich der Herr nach Seiner köstlichen Barmherzigkeit, es so mit mir geführt, daß ich meistens nur wenig Neigung hatte, solchen Versuchungen nachzugeben. Denn es war mein tägliches Theil, die Bosheit meines eignen Herzens mehr zu erkennen, und eine solche Menge von Greueln und Schwachheiten darin zu sehen, daß ich bei allen Gaben und Talenten dennoch meinen Kopf hängen lassen mußte. Ich habe gefühlt, wie dieser Pfahl im Fleische (2. Cor. 12,8.9) lautere Gnade Gottes gegen mich war. Manchmal wurde mir auch dazu eine oder die andre besondere Stelle des Wortes vorgestellt, die etwa einen scharfen und schneidenden Ausspruch enthielt von der Gefahr, die Seele trotz Talenten und Gaben zu verlieren. „Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht: so wäre ich ein tönendes Erz, oder eine klingende Schelle.“ 1. Cor. 13,1.2. Eine klingende Schelle ist ein musikalisches Instrument, mit dem ein geschickter Spielmann solche Harmonie und herzergreifende Musik machen kann, daß Alle, die ihn hören, sich kaum des Tanzens enthalten können; und doch siehe, die Schelle hat kein Leben, noch kommt die Musik von ihr, sondern von der Kunst dessen, der mit ihr spielt. Daher mag das Instrument wohl zu nichts werden und vergehen, obgleich vorher solche Musik darauf gemacht worden war. Grade so, das sah ich ein, ist und wird's mit Denen sein, die Gaben haben, dabei aber der beseligenden Gnade ermangeln. Sie sind in der Hand Christi, wie die Cymbel in der Hand David's; und wie David mit der Cymbel fröhliche Musik im Dienste Gottes machen konnte, um die Herzen der Anbeter zu erheben: so kann Christus diese begabten Leute gebrauchen, um die Herzen Seines Volkes in Seiner Gemeinde zu bewegen, und doch sie selbst, wenn er Alles mit ihnen gethan hat, als leblose, obgleich klingende Cymbeln auf die Seite legen.
Diese Betrachtungen, und noch einige andere, waren mir darum meistens wie ein Schlägel auf den Kopf des Stolzes, und der Begierde nach eitler Ehre. „Was?“ dachte ich, „soll ich stolz sein, weil ich wie ein tönendes Erz bin? Ist es so etwas Großes, eine Fiedel zu sein? Hat nicht die kleinste lebende Creatur mehr von Gott in sich, als diese?„ Dazu wußte ich auch, daß die Liebe nimmer sterben werde, aber diese Gaben müssen aufhören und vergehen. Ich schloß daher so: ein wenig Gnade, ein wenig liebe, ein wenig wahre Gottesfurcht ist besser, als alle Gaben. Ja, und ich bin fest das von überzeugt, daß solche Seelen, welche kaum Jemandem ohne große Verlegenheit zu antworten wissen, möglicher Weise tausendmal mehr Gnade haben, und also mehr in der Liebe und Gunst des Herrn stehen mögen, als Andere, die durch ihre Gaben der Erkenntniß sich wie Engel darstellen können.
So kam ich zu der Erkenntniß, daß Gaben, obgleich an sich selbst dazu gut, wozu sie von Gott bestimmt wurden, nämlich zur Erbauung Anderer, doch leer und ohne erlösende Kraft für die Seele Dessen sind, der sie hat, wenn nicht auch Gnade dabei ist. Noch sind die Gaben an sich selbst ein Zeichen von dem glücklichen Zustande eines Menschen, da sie Gott Einigen zugetheilt hat, und von deren rechter oder unrechter Anwendung diese Leute sehr bald Dem „Rechenschaft geben müssen, der bereit ist, zu richten die Lebendigen und die Todten.“ Hieran sah ich auch, daß Gaben ohne Gnade gefährlich sind; zwar nicht an sich selbst, aber um jener Uebel willen, die begabten Leuten nachstellen, nämlich Stolz, Begier nach eitler Ehre, Selbsterhebung u. s. w., die alle durch den Beifall und das Lob jedes unweisen Christen leicht aufgeblasen werden können, wodurch denn die arme Creatur in Gefahr kommt, in des Teufels Urtheil zu fallen. Ich sah mithin, wie ein begabter Mensch nothwendig in die Erkenntniß der Natur der Gaben eingeleitet werden muß, nämlich, daß sie nicht hinreichend sind, ihn in einen wahrhaft erlösten Zustand zu versetzen; damit er sich nicht mit Gaben allein zufrieden geben und so an der Gnade Gottes zu kurz kommen möchte. Er hat auch Ursache, demüthig vor Gott zu wandeln und klein in seinen Augen zu sein, und dazu zu bedenken, daß seine Gaben nicht ihm selbst, sondern der Gemeinde gehören, und daß er durch sie zum Diener der Gemeinde wird. Er sollte sich auch daran erinnern, daß er endlich dem Herrn Jesu. Rechenschaft von seinem Haushalten geben muß; und eine gute Rechenschaft geben zu können, welch eine selige Sache wird das sein!
Mögen darum alle Menschen lernen, auch wenige Gaben zu schätzen, wenn sie mit der Furcht des Herrn verbunden sind. Gaben sind in der That begehrenswerth; aber große Gnade und kleine Gaben ist besser, als große Gaben und wenig Gnade. Es heißt nicht: „Der Herr gibt Gaben und Ehre;“ sondern „Der Herr gibt Gnade und Ehre“. Und gesegnet ist der Mensch, dem Gott Gnade, wahre Gnade gibt, denn die ist ein sichrer Vorläufer der Ehre.
Als aber der Satan sah, daß er mit diesen Versuchungen und Unfällen seinen Zweck, meinen Dienst am Wort umzustoßen, oder unwirksam zu machen, nicht erreichen konnte, versuchte er es auf eine andre Weise, nämlich, er regte die Gemüther der Unwissenden und Boshaften auf, mich mit Verleumdungen und Schmähungen zu beladen. Deßhalb wurde nun, ich mag es wohl sagen, Alles was der Teufel gegen mich erdenken konnte, und was seine Werkzeuge erfinden mochten, im Lande auf- und abgetrommelt, weil sie, wie gesagt, dachten, sie möchten dadurch die Leute bewegen, meine Versammlungen zu verlassen. Sie fingen darum an, es unter dem Volke auszusprengen, daß ich ein Hexenmeister, ein Jesuit, ein Räuber und dergleichen sei. Gegen alles dieses habe ich bloß zu sagen: Gott weiß, daß ich unschuldig bin. Was aber meine Verkläger angeht, so mögen sie sich bereit halten, mir vor dem Richterstuhl des Sohnes Gottes zu begegnen, und da Rechenschaft über all diese Dinge und ihre übrigen Bosheiten abzulegen, es sei denn, Gott gäbe ihnen Buße, um welche ich von ganzem Herzen für sie bete.
Was aber mit der größten Frechheit gesagt wurde, war, daß ich meine Mädchen, meine Huren, meine Hurenkinder, ja, zwei Weiber zugleich hätte, und dergleichen. Nun diese und die andern Verleumdungen achte ich als eine Ehre, denn es sind nur Schmähungen, thörichte und bübische Lügen, die vom Teufel und seinem Samen auf mich geworfen wurden. Und würde die Welt nicht so boshaft mit mir handeln, so würde mir ein Kennzeichen eines Heiligen und eines Kindes Gottes fehlen. „Selig seid ihr,“ sagte der Herr Jesus, „wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen, und reden allerlei Uebels wider euch, so sie daran lügen. Seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnet werden; denn also haben sie verfolget die Propheten, die vor euch gewesen sind.“ Matth. 5,11-12. Deßhalb betrüben mich diese Dinge um meiner selbst willen nicht; nein, und wenn's auch noch zwanzigmal mehr wäre. Ich habe ein gutes Gewissen, und weil sie übel von mir reden, als von einem Uebelthäter, so werden sie zu Schanden werden, daß sie geschmähet haben meinen guten Wandel in Christo.
Darum, was soll ich zu Denen sagen, die mich so mit Koth bespritzt haben? Soll ich ihnen drohen? Soll ich sie schelten? Soll ich ihnen schmeicheln? Soll ich sie bitten, ihren Mund zu halten? Nein. Machten diese Dinge ihre Urheber und Verbreiter nicht zur Verdammniß reif, so würde ich sagen: „Breitet es aus, denn es wird nur meinen Ruhm vermehren.“ Deßhalb binde ich mir diese Lügen und Verleumdungen als einen Schmuck um. Es gehört zu meinem Christenbekenntniß, verachtet, verläumdet, beschimpft und geschmäht zu werden; und da all Dieses nichts anderes als Verläumdung ist, wie mein Gott und mein Gewissen mir Zeugniß gibt, so freue ich mich der Verleumdungen um Christi willen.
Auch fordre ich alle diese Narren und Buben auf, die es sich einigermaßen zum Geschäfte gemacht haben, einige von den vorerwähnten Dingen von mir zu behaupten, nämlich daß ich mit andern Weibern zu schaffen gehabt, oder dergleichen ich fordre sie auf, nachdem sie ihre besten Anstrengungen gemacht, und so ausführlich wie möglich Nachfrage angestellt haben mir in Wahrheit zu beweisen, daß es irgend ein Weib im Himmel, auf Erden, oder in der Hölle gibt, die sagen könnte, daß ich zu irgend einer Zeit, an irgend einem Orte, bei Tag oder bei Nacht, auch nur versucht hätte, mit ihr zu schaffen zu haben. Und sage ich dies, um mir die gute Meinung meiner Feinde zu erbitten? Nein. Ich will mir in Diesem von Niemandem guten Glauben erbitten. Glaubet mir, oder glaubet mir nicht; es ist mir alles einerlei.
Meine Feinde haben in diesem Stücke bei mir fehlgeschossen. Ich bin nicht der Mann. Mein Wunsch ist, daß sie selbst schuldlos sein möchten. Wenn alle Hurer und Ehebrecher in ganz England am Halse aufgehängt würden, bis sie todt wären, so wäre doch John Bunyan, der Gegenstand ihres Neides, noch lebendig und gesund. Ich wüßte nicht, daß es etwas wie ein Frauenzimmer unter dem Himmel gibt, als nur durch ihre Kleidung, ihre Kinder, und durch das, was so im Allgemeinen von ihnen geredet wird, ausgenommen meine Frau. Und hierin bewundre ich die Weisheit Gottes, daß Er mich vom ersten Anfang meiner Bekehrung an bis jetzt vor dem weiblichen Geschlecht scheu gemacht hat. Diejenigen wissen es, und können es mir bezeugen, mit welchen ich am vertrautesten war, daß es sehr selten wahrzunehmen ist, daß ich mich freundlich gegen ein Weibsbild benehme. Die gewöhnliche Begrüßung eines Frauenzimmers verabscheue ich. Sie ist mir zuwider, bei wem ich sie auch sehen mag. Mit ihnen allein in Gesellschaft zu sein, kann ich nicht ertragen. Selten berühre ich auch nur eines Frauenzimmers Hand. Denn ich denke, diese Dinge sind nicht recht schicklich für mich. Wenn ich sah, wie fromme Männer diejenigen Frauenzimmer grüßten, die sie besuchten, oder von denen sie besucht wurden, so habe ich manchmal meine Einwendung dagegen gemacht; und wenn sie antworteten, es sei bloß ein Stück von Höflichkeit, so habe ich ihnen gesagt, es wäre kein schöner Anblick. Einige haben in der That den „heiligen Kuß“ erwähnt. Aber ich habe dann gefragt, warum sie Unterschied machen? Wars um grüßten sie die Schönsten und ließen die Uebelgestalteten gehen? So löblich diese Dinge also in Anderer Augen sein mochten, in den meinigen waren sie unschicklich.
Und um nun zum Schluß mit diesem Gegenstand zu kommen. Ich habe nicht nur Menschen, sondern auch Engel aufgerufen, mir zu beweisen, daß ich mit einem Frauenzimmer, außer meiner Frau, zu thun gehabt habe. Ich fürchte mich nicht, sie noch einmal aufzurufen; denn ich weiß, ich kann den Herrn nicht damit beleidigen, daß ich Gott zu einem Zeugniß für meine Seele anrufe, daß ich in diesen Dingen unschuldig bin. Nicht daß ich davor bewahrt geblieben, weil in mir etwas Gutes mehr als in Andern wäre, sondern Gott ist mir gnädig gewesen, und hat mich behütet. Zu Ihm bete ich, Er wolle mich auch noch immer, nicht allein vor diesem, sondern vor allem bösen Weg und Werk bewahren, und mich für Sein himmlisches Reich behalten! Amen.
Und nun, so wie Satan sich bestrebte, mich durch Schmähungen und Verleumdungen unter meinen Mitmenschen in Verachtung zu bringen, damit, wenn es möglich wäre, meine Predigt unfruchtbar gemacht werden möchte; so wurde diesem noch eine lange und beschwerliche Gefangenschaft hinzugefügt, damit ich dadurch von meiner Arbeit für Christum und die Welt von mir zurückgeschreckt und eingeschüchtert werden möchte, auf daß Niemand mich predigen hören sollte. Davon will ich nun noch einen kurzen Bericht geben.