Brenz, Johannes - Sonntag Sexagesimä.

Brenz, Johannes - Sonntag Sexagesimä.

1542.

Luk. 8,4-15.
Da nun viel Volks bei einander war, und aus den Städten zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Säemann aus zu säen seinen Samen; und indem er säte, fiel Etliches an den Weg, und ward vertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf. Und Etliches fiel auf den Fels; und da es aufging, verdorrte es, darum, dass es nicht Saft hatte. Und Etliches fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf, und erstickten es. Und Etliches fiel auf ein gutes Land; und es ging auf, und trug hundertfältige Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Es fragten ihn aber seine Jünger, und sprachen, was dieses Gleichnis wäre? Er aber sprach: Euch ist es gegeben, zu wissen das Geheimnis des Reiches Gottes; den Andern aber in Gleichnissen, dass sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören. Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Wege sind, das sind, die es hören; danach kommt der Teufel, und nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf dass sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels, sind die, wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel, eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Das aber unter die Dornen fiel, sind die, so es hören, und gehen hin unter den Sorgen, Reichtum und Wollust dieses Lebens, und ersticken, und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Lande, sind die das Wort hören und behalten in einem feinen guten Herzen, und bringen Frucht in Geduld.

Da Gleichnisse und Bilder beim Lehren große Anschaulichkeit hervorbringen und die Sache, von welcher die Rede ist, aufs Klarste darlegen, so bedient sich Christus bei der Lehre seines Evangeliums oft und viel der Gleichnisse. Er ist ja vom Himmel herabgekommen, um das Evangelium zu lehren, nicht dunkel, nicht unbegreiflich, auch nicht für Stunden oder Augenblicke, sondern klar, anschaulich, deutlich, Allen dargeboten und also, dass es ewig dauern könne. Das Evangelium ist nämlich eine Kraft Gottes, die da selig macht Alle, die daran glauben. Deshalb erläutert er auch die heutige Rede, die er über die Natur und das Wesen des Wortes Gottes begonnen hat, auf dass, was er lehrt, um so besser verstanden und um so tiefer dem Gedächtnisse eingeprägt werde. Es ist aber Vieles, Es ist aber Vieles, was in diesem Gleichnis vom Säemann und in der Auslegung desselben gelehrt wird.

Die Reden Christi sind ein unerschöpfter Schatz. Wir wollen ein Weniges daraus entnehmen und, soweit die Zeit es erlaubt, behandeln. Und zwar im Anfange, wenn Christus sagt, er verstehe unter dem auf den Acker gestreuten Samen Gottes Wort oder sein Evangelium, das unter den Menschen gepredigt wird, so gibt er damit offenbar kund, welch' ein Acker der Mensch von Natur ist.

Denn gleichwie der Acker, so gut und fruchtbar derselbe sonst auch sein mag, durchaus keine Frucht bringt, wird nicht der Same auf ihn ausgeworfen, ebenso fehlt viel, dass der steinige und dornige ohne Samen Frucht brächte.

So trägt der Mensch, wie sehr er immerhin von Natur mit Vernunft begabt ist, dennoch keine Frucht ohne den Samen des göttlichen Wortes. Denn nachdem Adam gesündigt und den Heiligen Geist verloren hatte, ist im Menschen Nichts übrig geblieben, was aus sich selbst zur wahren Gerechtigkeit und Glückseligkeit Frucht schaffen könnte. Übrig geblieben ist zwar die Vernunft, übrig geblieben ein gewisser Sinn für das Ehrbare, übrig geblieben eine Art Pflanzschule menschlicher und äußerlicher Tugenden: Nichts jedoch ist übrig geblieben, was durch sich die wahre Gerechtigkeit und das ewige Leben zu erwerben vermöchte. Von der Erde heißt es (1. Mose 3,17.18): „Verflucht sei der Acker um deinetwillen; mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang; Dornen und Disteln soll er dir tragen.“ Das ist aber am allermeisten in Bezug auf den Menschen zu verstehen. Die Erde wird ja verflucht um des Menschen willen. Um wie viel mehr ist also der Mensch seiner Sünde halber von Natur so verflucht, dass er, so viel an ihm selber liegt, nur ein dorniger und steiniger Acker ist, der, wie sehr man ihn bauen und düngen mag, keine Frucht trägt, so du nicht den Samen auf ihn ausgeworfen hast.

Dazu kommen die Zeugnisse der Schrift. „Die Menschen (spricht der Herr) wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen; denn sie sind Fleisch“ (1. Mose, 6,3). D. h.: Der Mensch hat Nichts vom Heiligen Geiste, sondern ist ganz Fleisch, das aus sich keine geistliche Frucht bringt. Und wiederum (1. Mose 8,21):“Das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“

So wird denn die Natur und das Wesen des Menschen passend durch einen Acker dargestellt, der, so gut er immerhin sein mag, dennoch ohne Pflege und Samen bloß Dornen und Disteln tragen kann. Das müssen wir fleißig erkennen, uns oft und viel ins Gedächtnis zurückrufen, damit wir nämlich unsere Bosheit und Elendigkeit verstehen lernen. Wir verdienen ja nicht dann erst die ewige Verdammnis, wenn wir rauben oder stehlen oder eine andere äußerliche Art von Verbrechen begehen: sondern wir bringen die Schuld der ewigen Verdammnis mit uns an dieses Tageslicht. Wir halten zwar dafür, all' das Unsrige sei wohl bestellt, wenn wir leiblich gesund sind und Fülle und Wohlfeilheit aller Dinge herrscht, wie aber steht Alles wohl, während in uns die Schuld der ewigen Verdammnis ist? Dürftest du etwa sagen, es sei mit einem Menschen gut bestellt, der leibliche Gesundheit besäße und gegenwärtig herrlich lebte, der aber einen Raub begangen hätte und in jedem Augenblicke das dem Räuber gebührende Urteil und Gericht erwarten müsse? Du würdest ihn gewiss den Unglücklichsten aller Menschen nennen. Allein so ist unsere Lage von Natur beschaffen. Wir sind eben unserer Sünde wegen nicht nur der Strafe irgend eines Räubers, sondern, was die größte ist, der Strafe der ewigen Verdammnis unterworfen. Was uns daher von Unfällen, von Widerwärtigkeiten auf dieser Erde treffen mag: wir müssen bekennen, dass wir viel größere Übel verdient haben, wollte Gott unsere Missetaten ansehen.

Zweitens dient die Erkenntnis unseres Elends und unserer Schulden auch dazu, dass wir lernen, wie notwendig uns das Evangelium Jesu Christi ist. Denn wie guter Same dem Acker nötig ist, auf dass derselbe Frucht trage, so ist auch, soll der Mensch zur Gerechtigkeit und zum ewigen Leben Frucht bringen, der Same des Wortes Gottes ihm nötig. Nun empfiehlt zwar der Eine diesen, der Andere jenen Samen zum Anbau des menschlichen Geistes; denn es hat Leute gegeben, die gemeint haben, die menschliche und natürliche Vernunft sei an sich so vollkommen, dass sie durch eigene Kräfte Früchte wahrer Gerechtigkeit und wahren Lebens bringen könne. Allein die menschliche Vernunft gilt wohl Etwas in den Verhältnissen dieser Welt, ist aber durchaus von keinem Belang, um die Gerechtigkeit vor Gott und wahrhaftiges Leben zu gewinnen. „Was vom Fleische (sagt Christus) geboren wird, das ist Fleisch“ (Joh. 3,6). Andere haben geglaubt, die Gesetze Mosis und die staatlichen Ordnungen und eine ehrbare Erziehung könnten bewirken, dass der Mensch wahre Früchte trüge. Die Gesetze sind zwar auch zu empfehlen, eine ehrbare Erziehung ist notwendig, allein das ist doch nicht jener Same, daraus wahre Frucht zur Gerechtigkeit und zum Leben hervorgeht. Andere haben, durch Aberglauben verblendet, gedacht, einsame Betrachtungen und mönchische Gedanken wären der Same, der wahre Frucht gäbe; allein diese haben sich selber getäuscht. Der wahrhaftige Same nämlich, der wahre Frucht zur Gerechtigkeit und zum Leben trägt, ist nach Christi Erklärung allein das Wort Gottes, d. i. das Evangelium Jesu Christi, dass nämlich Christus, Gottes Sohn, auf die Erde gekommen ist, seinen himmlischen Vater mit uns versöhnt, unsere Sünden gesühnt und erlangt hat, dass Gott uns, die wir an ihn glauben, als Kinder und Erben des Himmelreiches anerkennt. Dies Wort Gottes, dies Evangelium, diese Predigt, diese Rede ist der Same, der allein die Frucht der Gerechtigkeit und des ewigen Lebens bringt. „Wer an den Sohn glaubt (schreibt Johannes), der hat das ewige Leben. Wer dem Sohn nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm“ (Joh. 3,36). Niemand aber glaubt, außer durch das Wort Gottes; und daher müssen wir dafür halten, dass, wie zum Bestellen des irdischen Ackers das Pflügen, Düngen und Bewässern nicht genügt, sondern guter Same nötig ist, also zur Bestellung des menschlichen Ackers, welcher Früchte der Gerechtigkeit und des Lebens tragen soll, nicht hinreichen die menschliche Vernunft, nicht bürgerliche Gesetze, noch ehrbare Erziehung, sondern der Same des Wortes Gottes notwendig ist, d. h. das Evangelium Jesu Christi.

Welche Früchte aber (wirst du sagen) trägt dieser Same? Denn ein jeglicher Same bringt Früchte nach seiner Art. Weizensaat gibt Weizen; Gerstensaat gibt Gerste; Hafersaat gibt Hafer. In den staatlichen Verhältnissen gibt der Same guter Gesetze und ehrbarer Erziehung äußerliche Ruhe und Ehrbarkeit im Leben. Der Same der menschlichen Wissenschaften trägt die Frucht der Gelehrsamkeit. Welches sind also die Früchte vom Samen des Evangeliums? Erstlich trägt es diese Frucht, dass wer solchen Samen durch den Glauben aufnimmt, mit Gott versöhnt wird und vor ihm als gerecht gilt durch Christum. Das ist die größte Frucht, die kein anderer Same hervorbringen konnte. Zweitens bringt es Frieden und Freude im Gewissen; außerdem die Anrufung des Namens Gottes in allem Unglück, dass nämlich Gott wie ein Vater angerufen wird. Dazu gibt es Geduld im Unheil, gibt und wirkt sodann Liebe zum Nächsten, bringt danach Sieg über Tod und Hölle und schenkt endlich die Frucht der ewigen Seligkeit im Himmelreiche. Was lässt sich Größeres erdenken? Welche Frucht kann reichlicher sein?

Doch warum (sagst du) wird nicht in Allen, die das Evangelium hören, solche Frucht hervorgebracht? Denn Viele verderben. Davon redet das Evangelium. Nämlich die Schuld liegt nicht am Samen, sondern am Acker. Ein Acker ist eben dornig, ein anderer felsig, ein anderer wird durch öffentliche Wege zertreten. Deshalb müssen wir Fleiß tun, dass der Acker unseres Herzens gut bestellt wird. Obwohl der Same für den Acker in gewisser Weise die Beschaffenheit des Evangeliums darlegt, sind beide dennoch sehr verschieden. Die Ackersaat macht nicht den Acker gut, sondern wenn sie guten findet, trägt sie reiche Frucht. Das Evangelium dagegen bringt nicht allein Frucht, sondern macht auch den Acker gut, lässt sich derselbe nur vom Heiligen Geiste bestellen. Jeder menschliche Acker nämlich, d. i. jedes Menschenherz, ist seiner Natur nach dornig und felsig. Es wird aber durch den Samen des Evangeliums gereinigt, zeigen wir uns fügsam gegen den Heiligen Geist, d. h. nehmen wir das Evangelium durch den Glauben an, und lassen wir uns von solchem Glauben nicht losreißen, sei es nun durch die Meinung der Menge oder durch die Größe der Anfechtungen und der Reichtümer. Was er aber schließlich hinzusetzt: „Sie bringen Frucht in Geduld,“ darüber dürfen wir nicht unachtsam hinweg gehen. Denn Christus bezeichnet mit diesem Worte, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist. Denn wie die Aussaat im Acker zwar Frucht bringt, inzwischen jedoch viel Widerwärtigkeiten duldet; wie sie im Winter Kälte, Regengüsse und Schneefälle leidet und sogar vom Schnee bedeckt wird; wie sie im Sommer allzu große Hitze, Winde und Hagelschläge aushält: so trägt auch das Evangelium in dieser Welt seine Frucht unter mancherlei Unglück und Schaden. Bald droht ja Verfolgung, bald Dürftigkeit, bald Schwachheit und gar der Tod selber. Daher müssen wir nicht um des Unglücks willen vom Evangelio abfallen, gleichwie der Landmann auch nicht die Saat wegwirft und zertritt, weil er weiß, dass im Winter Schnee fällt; sondern wir müssen desto mehr fortfahren, den Samen des Evangeliums zu bewahren und Frucht zu bringen, auf dass wir endlich zur himmlischen Ernte gelangen durch Christum Jesum, unseren Herrn, der samt dem Vater und dem heil. Geiste Gott ist, gepriesen in Ewigkeit. Amen.

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