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Brenz, Johannes - Neujahrstag.

Brenz, Johannes - Neujahrstag.

1543.

Luk. 2,21.

Und da acht Tage um waren, dass das Kind beschnitten würde; da ward sein Name genannt Jesus, welcher genannt war von dem Engel, ehe denn er im Mutterleibe empfangen ward.

Es handelt sich heute um das öffentliche Gedächtnis der Beschneidung unseres Herrn Jesu Christi. Obgleich dieselbe zwar uns Christen Nichts anzugehen scheint, weil sie ein jüdisches Sakrament gewesen und zu dieser Zeit abgeschafft ist: so gewährt es uns dennoch großen Nutzen, dass unser Herr Christus die Beschneidung angenommen hat. Denn wer sich beschneiden lässt, sagt Paulus (Gal. 5,3), der ist ein Schuldner des ganzen Gesetzes. Da nun Christus dem Gesetze gemäß die Beschneidung angenommen hat, so hat er sich eben damit dem ganzen Gesetz unterworfen. Unter das Gesetz getan, hat er aber alle Diejenigen, die unter dem Gesetze waren, erlöst, auf dass wir die Kindschaft empfingen. Von diesem Gegenstand müssen wir heute unter dem Beistande der göttlichen Erbarmung reden, wie uns nämlich Christus vom Gesetze Gottes erlöst habe.

Wie nun die Erkenntnis dieser Lehre für den Christen notwendig ist, so ist dieselbe, nicht recht verstanden, die gefährlichste; denn die Menschen sind von Natur geneigt, das Gesetz zu verachten und ihren Gelüsten zu folgen. Hören sie daher diese Lehre von der Erlösung vom Gesetz, so verstehen sie darunter die Freiheit, Alles und Jedes zu tun.

Da sagt wohl Einer: Was soll ich mir's sauer werden lassen mit guten Werken, da mich Christus vom Gesetz Gottes befreit hat? Ein Anderer meint: Was sollte ich gute Werke tun, da sie zur Gerechtigkeit und zum Heile doch Nichts wirken und ich durch gute Werke vor Gott Nichts verdienen kann? Ein Anderer spricht: Warum sollte ich nicht meiner Sündenlust frönen, da doch Christus, indem er den Gehorsam des Gesetzes und sein Leiden auf sich nahm, all' meine Sünden gesühnt hat? Dieses und Anderes wird von den Menschen bald in Worten geäußert, bald in Gedanken behandelt und auch durch Werke bewiesen. Und die weltlich klugen Leute halten es für geratener, dass in der Kirche über die Befreiung vom Gesetze und die Vergebung der Sünden durch Christum nur wenig, sehr viel aber von den guten Werken die Rede sei, damit die Einfältigen in der Furcht Gottes erhalten werden.

Diese meinen auch, es müsse sehr viel von den Verdiensten der guten Werke geredet werden, auf dass die Menschen ermuntert würden, gut zu handeln, und zwar scheint diese Meinung klug zu sein. Solche Klugheit jedoch ist stets die Ursache aller Abgötterei in der Welt gewesen, ist die Ursache der mohammedanischen Gottlosigkeit, ist die Ursache der papistischen Gottlosigkeit. Diese Klugheit gab Veranlassung zur Erdichtung des Fegefeuers, zur Einrichtung der Ablässe und vieler anderen Frevel. Da also dergleichen Ratschläge die Quelle verderblicher Irrtümer gewesen sind, so dürfen sie in der Kirche Christi keine Stätte haben. Viel Gottlose nämlich stoßen sich zwar an der Wahrheit des Evangeliums Christi; wie jedoch nichts Böses geschehen darf, auf dass Gutes daraus hervorgehe, so dürfen keine Lügen gelehrt werden, um die Wahrheit zu fördern. Lüge aber ist's, die guten Werke seien vollkommene Gerechtigkeit und Verdienste zur Vergebung der Sünden. So darf man denn niemals zugeben, dass in der Kirche solche Lüge gelehrt werde, um die Leute dadurch zu guten Werken zu ermuntern. Dazu ist not, die Wahrheit des Evangeliums allezeit zu lehren. Das Gewissen wird in wahren Todesschauern nicht ruhig, ohne durch die Wahrheit des Evangeliums; Wahrheit aber ist, dass uns Christus vom Gesetze befreit und unsere Sünden gesühnt hat. Darum stoße sich, wer da will: Diese Wahrheit kann nicht müßiger Köpfe wegen beseitigt werden. Hätte man nämlich den Anstoß der Gottlosen zu meiden, so dürfte überhaupt Nichts mehr gelehrt wer den; denn an welcher Lehre nehmen die Gottlosen keinen Anstoß? Was nur immer gesagt wird, das deuten sie aufs Ärgste.

Christus lehrte (Matth. 15,9) die Wahrheit über die Menschensatzungen nach Jesaias (29,13), indem er sprach: „Vergeblich dienen sie mir, dieweil sie lehren solche Lehren, die Nichts denn Menschengebote sind.“ Durch diese Rede sind die Pharisäer sehr verletzt worden, aber Christus sprach (Matth. 15,14): „Lasst sie fahren, sie sind blind und Blindenleiter.“ Bei Johannes lehrte er, es sei zum Heile notwendig, sein Fleisch zu essen und sein Blut zu trinken; an diesem Worte nahm ein großer Teil seiner Jünger solchen Anstoß, dass sie von ihm abfielen (Joh. 6,51-58.60.66). Hat Christus die Lehre seines Evangeliums deshalb unterlassen? Und was in Betreff der Lehre der Fall ist, so muss man auch vom Leben halten; denn die Gottlosen ärgern sich an jeglicher Weise des Lebens. Johannes wohnte in der Wüste und aß keine niedliche Speise, und sie sagten: er hätte den Teufel. Christus saß zu Tische mit seinen Freunden, und es hieß: er wäre ein Prasser. Wenn die Gottlosen also durch ihre eigene Schuld sich überall ärgern, muss man sie bei Seite lassen, muss lehren, was die Wahrheit, und tun, was vor Gott recht ist.

Doch lasst uns zu unserer Aufgabe zurückkehren. Christus ist heute beschnitten und dem Gesetze gehorsam geworden, um uns vom Gesetze zu erlösen. Daher müssen wir sehen, wie er uns vom Gesetz erlöst habe, damit sowohl die Frommen im Gehorsam erhalten bleiben, als auch die Gottlosen keine gerechte Ursache ihres Anstoßes haben. Wir wollen nun Nichts von der Befreiung reden, kraft welcher wir durch Christum die Freiheit erlangt haben, so dass wir die gottesdienstlichen und gerichtlichen Vorschriften des mosaischen Gesetzes in unserem Staate nicht mehr zu beobachten brauchen. Diese Freiheit ist zwar Etwas, doch nicht die Hauptsache, und die christliche Freiheit besteht nicht vorzugsweise darin. Sodann hat er uns nicht deshalb vom Gesetze befreit, dass wir danach nichts Gutes weiter tun sollten. Es ist zwar Nichts wahrer, als dass unsere guten Werke dem Gesetze Gottes nicht genügen, noch auch Verdienste sind zur Vergebung der Sünden und zum Heile; Christus aber ist nicht gekommen, damit er uns Freiheit lasse, Alles und Jedes nach unserer fleischlichen Lust zu tun, sondern Gottes Gesetz enthält die größte Strenge in sich. Denn es fordert die vollkommenste und unbedingteste Gerechtigkeit, fordert, dass du auch nicht einen Punkt oder eine Spitze verletzt, sondern dass alle Werke ohne Fehler und ganz heilig seien. Hast du aber eine Spitze des Gesetzes verletzt, dann ist dasselbe so streng, so grausam, dass es den Menschen unablässig des ewigen Fluches und der Verdammnis schuldig erklärt. „Verflucht sei, spricht es, wer nicht bleibt in allen Worten dieses Gesetzes“ (Gal. 3,10. vgl. 5. Mose 27,26).

Das ist die so große Strenge, welche auch alle Menschen der ewigen Verdammnis unterwirft, weil Keiner ist, der das ganze Gesetz gehalten hätte. Christus aber ist gekommen in diese Welt, hat die Beschneidung, hat den ganzen Gehorsam des Gesetzes, und, obgleich er das Gesetz vollkommen erfüllte, dennoch sogar den Fluch des Gesetzes auf sich genommen, weil er sich an das Kreuz hängen ließ. „Verflucht aber ist Jedermann, der am Holze hängt.“ Er hat also durch solchen Gehorsam von Gott, seinem Vater, erlangt, dass, wie Viele an ihn glauben, vom Gesetze befreit werden, d. h., dass der strenge Spruch des Gesetzes wider sie nicht gilt, und, obwohl sie dem Gesetze nicht Genüge geleistet haben, sie dennoch nicht verdammt, sondern durch Christum gerettet werden. Deshalb schreibt Paulus (Gal. 3,13): „Christus hat uns erlöst von dem Fluch des Gesetzes, da er ward ein Fluch für uns.“ Aus diesem Grunde hat er auch seinen Namen und Zunamen empfangen. Er heißt Jesus. Es hat noch viele Andere gegeben, welche Jesus geheißen haben, welches Wort einen Retter bedeutet. Andere sind äußerliche Jesus oder Retter gewesen, z. B. Josua und die Richter in Israel. Dieser Jesus aber ist im Gerichte Gottes der wahre Retter vom ewigen Tode, vom Fluche des Gesetzes. Zubenannt aber ist er Christus, was einen Gesalbten bedeutet; so aber nannte man eigentlich die Könige. Nun sind viele Könige äußerliche Befreier gewesen, dieser König jedoch befreit uns von der Tyrannei des Gesetzes. Denn seine Befreiung übt dann vornehmlich ihre Wirkung, wenn ein Mensch vor Gottes Richterstuhl gestellt und der Verletzung des Gesetzes angeklagt wird. Da ist denn Christus gegenwärtig und rettet den, der an ihn glaubt; das ist die wahre Befreiung. Allein zugleich mit solcher Befreiung wird der Gehorsam des Gesetzes und die Vollbringung guter Werke erfordert, soviel in Kraft des Heiligen Geistes geschehen mag.

Obwohl nämlich die von Gott befohlenen guten Werke wie sie von uns geschehen keine vollkommene Gerechtigkeit sind, noch auch Verdienste zur Vergebung der Sünden: so gibt es doch viele andere Gründe, um deren willen sie notwendig erfordert werden. Erstlich gebeut Gott und heischt gute Werke; Gott aber muss man gehorchen. Zweitens ist Christus gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen, ist also gekommen, uns zu guten Werken zu rufen. Drittens gibt Christus dem Gläubigen den heiligen Geist; der ist nicht müßig, und deshalb müssen wir Gutes tun. Viertens sind gute Werke eine Danksagung; Christo aber müssen wir für seine Wohltaten dankbar sein. Blicke einmal auf einen Sohn hin! Würdest du ihn anhören, wenn er spräche: Was soll ich meinem Vater Gutes tun, da ich die Erbschaft nicht verdiene, sondern sie mir umsonst zukommt? Fünftens sind gute Werke dem Nächsten nötig, dem wir dienen, den wir lieben sollen, wie uns selbst. Sechstens treiben die Sünden Christum von dannen; also müssen wir Gutes tun, um Christum zurückzuhalten. „Wer Sünde tut, der ist vom Teufel“ (1. Joh. 3,8). Siebentens sind gute Werke Zeugnisse des Glaubens (Matth. 25,34-40). Achtens will Gott gute Werke nach seiner Freigebigkeit vergelten, aber nicht nach Verdienst.

Da hast du, wie wir vom Gesetze befreit sind; nämlich durch die Erfüllung, in der Christus das Gesetz erfüllt hat, sind wir vom Fluche des Gesetzes befreit. Es müssen auch gute Werke geschehen, dass wir dabei unsere Ohnmacht erkennen und nach der Erkenntnis unserer Sünden zu Jesu Christo fliehen, um durch seine Verdienste die wahre Gerechtigkeit und das ewige selige Leben zu empfahen. Amen.

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