Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 5. Sonntag nach Trinitatis.
1542.
Luk. 5,1-11.
Es begab sich aber, da sich das Volk zu ihm drang, zu hören das Wort Gottes, und er stand am See Genezareth, und sah zwei Schiffe am See stehen; die Fischer aber waren ausgetreten, und wuschen ihre Netze: Trat er in der Schiffe eines, welches Simonis war, und bat ihn, dass er es ein wenig vom Lande führte. Und er setzte sich, und lehrte das Volk aus dem Schiff. als er hatte aufgehört zu reden, sprach er zu Simon: Fahre auf die Höhe, und werft eure Netze aus, dass ihr einen Zug tut.
Und Simon antwortete, und sprach zu ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet, und nichts gefangen; aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen. Und da sie das taten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriss. Und sie winkten ihren Gesellen, die im andern Schiff waren, dass sie kämen, und hälfen ihnen ziehen. Und sie kamen, und füllten beide Schiffe voll, also, dass sie sanken. Da das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu den Knien, und sprach: Herr, gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch. Denn es war ihn ein Schrecken angekommen, und Alle, die mit ihm waren, über diesen Fischzug, den sie mit einander getan hatten; desselbigen gleichen auch Jakobum und Johannem, die Söhne Zebedäi, Simonis Gesellen. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie führten die Schiffe zu Lande, und verließen Alles, und folgten ihm nach.
Das heutige Evangelium von dem
Fischzug des Petrus
lehrt uns Vieles, wir wollen jetzt aber nur die Hauptsachen berühren, unter welchen das mit Fleiß zu beachten ist, was solches Wunder bedeute, dass Petrus und seine Gesellen, als sie die ganze Nacht vergeblich gearbeitet und Nichts von Fischen gefangen hatten, auf Christi Wort dennoch eine große Menge Fische fangen, so dass ihr Netz riss. Dieses Wunder ist nämlich nicht nur um des Petrus und seiner Genossen willen geschehen, auch nicht nur ihrer selbst wegen aufgezeichnet, sondern allermeist um der gesamten Kirche willen.
Lasst uns nun sehen, was es der Kirche für Nutzen bringt; denn außer jenem allgemeinen Nutzen, dass es ein Beweis der Wahrheit der evangelischen Lehre ist, wie alle andere Wunder Christi, verheißt dies Wunder einem Jeglichen in seinem Beruf und Arbeit göttlichen Segen, wenn er im Glauben seine Arbeit übernommen hat, und ermahnt einen Jeglichen, in seinem Berufe bis ans Ende fleißig zu beharren. Diese Lehre ist uns allen sehr nötig, denn ein Jeder hat seinen Beruf und Arbeit; ich rede aber von rechtmäßigem Beruf. Wenn er jedoch spürt, dass er keinen Segen erlangt, noch irgend einen Vorteil hat, so denkt er daran, seinen Beruf aufzugeben und eine andere Lebensweise zu verfolgen. Und wir pflegen ganz dasselbe zu tun, was wir den Petrus und seine Gesellen im heutigen Evangelio tun sehen. Denn als sie die ganze Nacht gearbeitet und Nichts gefangen hatten, verzweifeln sie am Fischfang, steigen ans Land, waschen die Netze und wollen an dem Tage nichts mehr arbeiten, weil sie sahen, dass der Erfolg ihrer Arbeit nicht entsprach. Dasselbe pflegen auch andere Menschen zu tun.
Da ist z. B. Jemand, der ein obrigkeitliches Amt verwaltet und, weil er sieht, er könne nicht zur Ruhe kommen, führt er seine Schiffe ans Ufer, und wäscht die Netze, d. h. er legt sein Amt nieder. Irgend ein Anderer treibt ein Handwerk und, wenn er spürt, er könne damit kaum das tägliche Brot erwerben, so führt auch er seine Schiffe ans Ufer, und wäscht die Netze, d. h. er gibt sein Handwerk auf, und sucht sich eine andere Art der Nahrung, sei es mit Recht oder mit Unrecht. Ein Anderer ist Ehemann, und hat in der Ehe kein Glück, wünscht sich also den Tod oder Ehelosigkeit. Und so ist Niemand mit seinem Los zufrieden, zumal, wenn er die ganze Nacht gearbeitet hat und keinen Vorteil erlangt. Allein das Wunder des heutigen Evangeliums lehrt uns ganz andere Pläne fassen: denn spüren wir keinen Vorteil in unserem Beruf und Arbeit, so dürfen wir keine Pläne fassen, um unseren Beruf aufzugeben und im Stiche zu lassen, sondern müssen zu allererst bedenken und lernen, welche Lebensweise es ist, die wir verfolgen, ob sie ehrbar und von Gott verordnet sei. Denn es gibt viele Lebensweisen, welche Gott nicht gutheißt, und welche mit Recht kein Glück haben sollen, z. B. sich auf Betrug legen, Hurerei treiben, als Räuber und Prasser leben. Eine solche Lebensweise also muss man im Stiche lassen. Wenn ferner unsere Lebensweise ehrbar und von Gott verordnet ist, so müssen wir nicht daran denken, sie zu verlassen, wenn sich uns kein glänzendes Glück zeigt, sondern fleißig darin fortfahren und mit Petrus sagen: ob wir schon die ganze Nacht hindurch vergeblich gearbeitet haben, so will ich doch auf dein Wort das Netz auswerfen, d. h. ob ich bisher schon keinen Segen durch meine Arbeit erlangt habe, so will ich dennoch, weil ich einsehe, die Lebensweise, die ich nach göttlicher Ordnung übernommen habe, gefalle Gott wohl, in meinem Berufe fortfahren. Denn es ist ganz gewiss, dass Gott rechtmäßiger Arbeit und Beruf seinen Segen verheißen hat.
Trachtet am Ersten, sagt Christus, nach dem Reiche Gottes, so wird euch solches Alles zufallen. Dient vor Allem eurem rechtmäßigen Berufe mit Fleiß und am Segen wird euch Nichts mangeln. Und Paulus (Gal. 6,7): „Was der Mensch sät, das wird er ernten,“ d. h. jeder rechtmäßige Beruf hat auch seinen Segen. Redet er aber vom Segen, so muss man das nicht immer verstehen vom äußerlichen, sondern vom wahren, geistlichen Segen. Was es nämlich an göttlichen Verheißungen im Evangelio Christi gibt, das muss man verstehen nach Maßgabe des Reiches Christi, das nicht von dieser Welt ist. Denn obgleich der Erfolg in dieser Welt nicht immer der Arbeit entspricht, so gibt's doch eine andere Welt, in der Alles den Arbeiten entsprechen wird. Denn gerecht und fromm leben hat immer seinen ihm vorbehaltenen Segen; offenbart sich derselbe nicht in dieser Welt, so wird er sich doch in der zukünftigen offenbaren.
Mose hat mit Fleiß seines Amtes gewartet und, als es nicht glücklich von Statten ging, oft daran gedacht, seinen Beruf zu verlassen, fuhr aber, vom Herrn zurückgehalten, darin fort; während er jedoch keinen äußerlichen Segen seiner Arbeit in dieser Welt erlangte, weil er in der Wüste starb, bevor er zum Lande Kanaan kam, hat er denselben in der zukünftigen Welt erlangt, weil recht leben immerdar seinen Segen hat. Dasselbe Beispiel hast du an Paulus; obschon er das Evangelium aufs fleißigste predigte, fielen die Einen seiner Zuhörer zum Judentum ab, die Anderen zum Heidentum. Gab er etwa darum seinen Beruf auf? Keineswegs, sondern er fuhr darin fort, bis auch er getötet wurde, seinen Segen also in der zukünftigen Welt erhielt. Siehe auch den Lazarus an! Der ertrug in aller Geduld seine Leiden; das war nämlich sein Beruf, und doch erlangte er seinen Segen nur in der zukünftigen Welt.
Es scheint zwar bisweilen, als ob wir vergeblich arbeiteten und umsonst recht lebten, und dennoch ist es ganz gewiss, dass ehrenhaftes Tun seines Segens nicht ermangelt. So der Landmann nicht bisweilen vergebens arbeitete, würde er keine Frucht erhalten. Vergebliche Arbeit scheint aber das Pflügen, Säen und Eggen, weil die Frucht noch nicht zum Vorschein kommt; nachher jedoch erfolgt die Frucht, und so pflegt es auch bei den übrigen Berufsarten zu geschehen. Siehe das Beispiel des Petrus an! Wenn Petrus und seine Gesellen nicht die ganze Nacht gearbeitet hätten, so hätten sie nicht eine so große Menge Fische gefangen, sie haben also nicht vergeblich gearbeitet, obgleich ihre Arbeit vergeblich schien. Darum lasst uns in unserem rechtmäßigen Berufe beharren, und wir werden den gewissesten Segen empfangen, ob nicht in dieser Welt, so doch gewiss in der zukünftigen den allergrößten.
Zweitens ist auch das im heutigen Evangelio hauptsächlich zu beachten, was Petrus meint, dass er beim Fange so vieler Fische Christum von sich hinausgehen heißt: Er fiel nämlich Jesu zu den Knien, und sprach: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch!“ Er hätte vielmehr sagen sollen: Komm zu mir, denn ich bin ein sündiger Mensch! Und obgleich er Christum jetzt von sich weist, folgt er ihm bald darauf nach, indem er all' seine Habe verlässt. Was bedeutet wohl diese Veränderung? Davon muss man also halten. Wenn Petrus sagt: Gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch!“ so redet er als Einer, welcher die Größe seiner Sünden erkennt. Folgt er jedoch Christo nach, so folgt er ihm nach als Einer, der die Größe der Milde und Güte Christi erkennt, und, um es deutlicher zu sagen: Petrus redet wie ein Böser, handelt aber, wie es einem frommen und gehorsamen Manne geziemt.
Wir pflegen das manchmal zu verkehren. Wir reden wie Fromme und Gute, handeln aber wie gottlose und nichtswürdige Menschen. Dagegen redet Petrus wie ein Arger, d. h. als Einer, der die Schwere seiner Sünden und das Recht zu seiner Verdammung erkennt; denn diejenigen, welche so fühlen, müssen Gott fliehen oder ihn verwerfen, weil sie sein strenges Urteil fürchten. Denn wie ein Dieb den Richter nicht gern sieht, so auch der Sünder nicht Gott. Ein Beispiel hast du an Adam. Als dieser gesündigt hatte, und von Gott gerufen ward, floh er Gott. Das ist uns angeboren von Adam her, dass wir bei der Erkenntnis unserer Sünden Gott als den Richter fliehen; wir können ihm jedoch nicht entfliehen. Führe ich (spricht David) gen Himmel, so bist du da, bettete ich mir in die Hölle, so bist du auch da (Psalm 139, 8). Erkennen wir daher unsere Sünden, so lasst uns nicht Gott fliehen, sondern zu ihm nahen. Allein wie wir ihm nahen können, das müssen wir lernen am Beispiele des Petrus. Als dieser nämlich Christum von sich gewiesen hatte, da hört er von Christo das Evangelium: Fürchte dich nicht, denn von nun an wirst du Menschen fangen.“ So müssen auch wir, wenn wir zu Gott nahen wollen, das Evangelium Christi hören, in welchem uns die Vergebung der Sünden verheißen wird. Haben wir das im Glauben angenommen, so können wir zu Gott nahen und das wahre Heil erlangen.
Die Hauptsache des heutigen Evangeliums besteht also darin: es lehrt uns unserem rechtmäßigen Berufe nachgehen und in der Erkenntnis unserer Sünden zu Gott nahen. Amen.