Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 26. Sonntag nach Trinitatis.
Matth. 25, 1-13.
Dann wird das Himmelreich gleich sein zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen, und gingen aus, dem Bräutigam entgegen. Aber fünf unter ihnen waren töricht, und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen; aber sie nahmen nicht Öl mit sich. Die klugen aber nahmen Öl in ihren Gesätzen, samt ihren Lampen. Da nun der Bräutigam verzog, wurden sie Alle schläfrig und entschliefen. Zur Mitternacht aber ward ein Geschrei: Siehe, der Bräutigam kommt; geht aus, ihm entgegen! Da standen diese Jungfrauen alle auf, und schmückten ihre Lampen. Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsere Lampen verlöschen. Da antworteten die klugen, und sprachen: Nicht also; auf dass nicht uns und euch gebreche. Geht aber hin zu den Krämern, und kauft für euch selbst. Und da sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und welche bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit; und die Tür ward verschlossen. Zuletzt kamen auch die andern Jungfrauen, und sprachen: Herr, Herr, tue uns auf! Er antwortete aber, und sprach: Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euer nicht. Darum wachet; denn ihr wisst weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird.
In diesem Evangelio wird erwähnt ein
Gleichnis von zehn Jungfrauen,
unter denen fünf klug waren und fünf töricht. Obwohl aber Gleichnisse bei der Bestätigung zweifelhafter und ungewisser Dinge an und für sich keine große Bedeutung haben, so sind sie doch viel wert bei früher schon bestätigten Dingen, um dieselben zu erläutern, zu verstehen und dem Gedächtnis einzuprägen. Und da Christus diese Redeweise durch Gleichnisse oft und viel anwendet, muss sie notwendig sehr wirksam sein. Denn was ist krank, das in Christi Hände genommen nicht gesund würde? Was ist schwach, das, wo Christus tätig ist, nicht wirksam wäre? Er nahm fünf Brote in seine Hände, und segnete sie also, dass 5000 Menschen gespeist wurden; er nahm Lehm in die Hände, und tat damit die Augen eines Blinden auf. Wäre daher auch die Lehrweise durch Gleichnisse an und für sich schwach und wirkungslos, so muss sie dennoch, weil Christus sie anwendet, sehr wirksam werden.
In diesem Gleichnisse nun von den zehn Jungfrauen erwähnt Christus allererst einen Hochzeitszug, und erwähnt denselben also, dass er ihn zu billigen scheint. Jedes Volk hat nämlich seine Sitten und seine Gewohnheit, wonach es öffentlich Hochzeiten feiert. Bei den Römern trug man bei Hochzeiten fünf Fackeln voran; bei den Juden waren, wie man aus dieser Stelle schließt, Lampen in Gebrauch, welche bei Hochzeiten von Jungfrauen getragen wurden, und eine jegliche Gegend hat ihre eigenen Hochzeitszüge. Da nun Christus von diesen Sitten sein Gleichnis entlehnt, so gibt er nicht undeutlich zu verstehen, dass er öffentliche bürgerliche und ehrbare Sitten nicht verdammt. Auch anderswo nimmt er ein Gleichnis her von einem Schalksknechte, der seinen Herrn betrügt, den Betrug aber verwirft er offenbar. Hier aber gibt er auch nicht mit Einer Silbe zu verstehen, dass er einen öffentlichen feierlichen Hochzeitszug verdamme. Also wird man sagen ergötzt sich Christus an Prunk, an übermäßigem Aufwand, an Trunkenheit, Völlerei und schamlosen Reigen? Denn das findet sich meistens bei Hochzeiten. Nicht im Allergeringsten ergeht er sich an solchen Sitten, sondern ergeht sich an der Tugend und Ehrbarkeit. Unlautere Menschen missbrauchen öffentliche Hochzeitszüge, aber wer fromm ist, kann großen Nutzen von solchen Aufzügen haben. Es gibt nämlich keine andere Lebensweise, die mehr Trübsale heimsuchen, als die Ehe. Und dieselben erscheinen den Eheleuten häufig so schwer, dass sie sogar im Gewissen versucht werden, ob der Ehestand eine Gott wohlgefällige Lebensweise sei? Bisweilen brechen sie auch in Verwünschungen und Lästerungen aus und sprechen:1) „Welcher böse Geist hat uns verbunden? Mögen alle Götter und Göttinnen diejenigen verderben, durch deren Rat und Beistand wir verbunden sind.“ Christus billigt also feierliche Hochzeitsgebräuche, auf dass außer anderen Mitteln auch daraus das Gewissen der Eheleute in Anfechtungen Trost schöpfen könne, dass nämlich die Eheleute sich erinnern, sie seien durch öffentlichen, ehrbaren Brauch unter der Billigung guter, ehrbarer Leute verbunden worden. Dieser Brauch aber ist göttliche Anordnung und gewissermaßen ein göttliches Zeugnis, dass die Eheleute göttlich und nicht teuflisch verbunden werden. Fern seien also jene unheiligen Worte und Verwünschungen; man muss vielmehr beten, dass der Herr sein Werk segnen möge. Doch das ist nur Nebensache und Etwas, das beiläufig in diesem Evangelio gelehrt wird.
Lasst uns nun zur Behandlung der Hauptsache in diesem Evangelio kommen. Christus ermahnt uns nämlich in diesem Gleichnisse hauptsächlich, uns durch sorgfältiges Wachen auf seine Zukunft vorzubereiten. Er will aber nicht, dass wir uns überhaupt keinem leiblichen Schlafe hingeben, sondern dass wir für unsere Sünden Buße tun und immer in guten Werken wandeln. Denn das ist das Wesen des menschlichen Geistes: obschon uns Gottes Wort vorgehalten wird, dadurch wir zur Buße aufgefordert werden, so pflegen wir dennoch unsere Buße bis zum äußersten Lebensziel aufzuschieben. Einer ist gesund, ein Anderer reich, ein Anderer jung, ein Anderer sonst wie glücklich; und selber ein Elender und leiblich Schwacher rechnet auf Glück dieser Welt und Gesundheit, und darüber fragt er nicht sonderlich nach Buße. Christus nun erweckt uns durch dieses Evangelium aus unserer Schläfrigkeit und Schlaffheit, und ermuntert uns zu rechtzeitiger und schleuniger Buße, sowohl nach ihrem Nutzen, als nach ihrer so großen Notwendigkeit.
Er heißt uns nämlich erstens beizeiten Buße tun, weil das Himmelreich zehn Jungfrauen gleich ist. Durch diese Worte gibt er zu verstehen, durch die Predigt des Evangelii werde die öffentliche himmlische Hochzeit zwischen Christo und der Kirche gefeiert. Denn der Vorzug dieser Hochzeit ist so groß, dass sowohl die Jungfrauen, als auch andere Eingeladene, nicht nur der Hochzeit beiwohnen als Freunde und Gäste, sondern dass sie auch selber zur Braut werden und aller Güter des Sohnes Gottes teilhaftig. Denn so viel an Christum glauben, die werden mit Christo verbunden, wie eine Braut mit ihrem Bräutigam. Christus aber bringt als Mitgift in diese Ehe die Gnade seines Vaters, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit, Befreiung und Heil von allen Übeln, den Himmel selbst oder das Himmelreich. Was kann man Größeres erdenken als diese Güter? Wer also nicht wacht, noch sich beizeiten durch Buße vorbereitet, um der Güter dieser Hochzeit zu genießen, ist der nicht wahrlich törichter als alle Geschöpfe?
Zweitens erheischt die Notwendigkeit unseres Heils, dass wir uns beizeiten, sei es auf die besondere, sei es auf die allgemeine Zukunft Christi, durch Buße vorbereiten. Denn wie jenen fünf törichten Jungfrauen das Öl gebricht, weil sie ihre Ölgefäße nicht mitgenommen hatten, so ist es für uns nicht genügend zu gutem Anfange unseres Christentums, dass wir getauft werden und zuweilen das Sakrament des Abendmahls empfangen, sondern wir müssen auch unser Ölgefäß mitnehmen, um damit die Lampe unseres Christentums zu versorgen. Und so wir nicht Buße tun, erlöschen unsere Lampen. Das Öl ist der Heilige Geist; das Ölgefäß ist das Wort Gottes; denn dieses ist das Werkzeug, wodurch uns der Heilige Geist mitgeteilt wird. Wollen wir denn das Heil gewinnen, so werden wir außer unserer allgemeinen Berufung zum Christentum ununterbrochen Gottes Wort hören müssen, auf dass uns dadurch der Heilige Geist gegeben werde, und uns im Glauben erhalte, und der Gehorsam guter Werke, dass unser Geist kein verfliegender Hauch sei. Denn böse Werke oder Sünden vertreiben den Heiligen Geist. Röm. 8,13: „Wo ihr nach dem Fleische lebt, so werdet ihr sterben müssen.“ Saul war zum König Israels erwählt und mit dem guten Geiste Gottes begabt; weil er aber nicht Öl mit sich nahm d. h. weil er Gottes Wort verachtete (1. Sam. 13 und 15), wich der Geist des Herrn von ihm, und ein böser Geist quälte ihn. Judas war zum Apostelamte erwählt und mit so gutem Geiste begabt, dass er auch Wunder tat; weil er aber das Wort des Herrn verachtete, der ihn zur Buße mahnte, verließ ihn der gute Geist, und der Satan fuhr in ihn; d. h. Judas nahm kein Öl mit, und darum ist seine Lampe erloschen.
Wir müssen also bei Zeiten Buße tun und eifrig das Wort des Herrn ergreifen, um nicht den Heiligen Geist zu verlieren. Dazu kommt der Herr, nicht zu einer von uns bestimmten Zeit, sondern unversehens. Wie nämlich der Bräutigam zur Mitternacht kommt, da die Jungfrauen schliefen, so ruft uns Christus entweder aus dieser Welt ab, oder kommt am jüngsten Tage, zu einer Zeit, da wir an nichts dergleichen gedacht haben. Und der Herr hat an vielen Stellen bezeugt, dass er unversehens kommen werde. Matth. 24,37: „Wie es zu der Zeit Noahs war, also wird auch sein die Zukunft des Menschensohnes.“ 1. Thess. 5,2 3: „Der Tag des Herrn wird kommen wie ein Dieb in der Nacht. Denn wenn sie werden sagen: es ist Friede, es hat keine Gefahr, so wird sie das Verderben schnell überfallen, wie der Schmerz ein schwanger Weib, und werden nicht entfliehen.“ Damit wir also nicht unversehens von seiner Zukunft unvorbereitet überfallen werden, müssen wir beizeiten Buße tun.
Außerdem müssen wir für uns selbst Buße tun und nicht auf fremde Gerechtigkeit vertrauen, sei es der Lebendigen oder der Toten. Denn wie die klugen Jungfrauen den törichten das Öl versagen, und heißen sie sich Öl kaufen, so kann Niemand durch fremde Gerechtigkeit der Menschen in den Himmel kommen. Die Heiligen können uns zwar durch ihre Lehre und ihr Beispiel unterweisen, und Gott gibt der Frommen wegen auch den Gottlosen leibliche Güter, wie man an den Israeliten sieht. Allein die Frommen können nicht bewirken, dass wir, in Gottlosigkeit verharrend, den Himmel erlangen. Und wir werden zwar gerechtfertigt durch die fremde Gerechtigkeit Christi, jedoch unter der Bedingung, dass wir uns diese Gerechtigkeit vermittelst des Glaubens aneignen und unseren Glauben durch gute Werke bezeugen. Bisher hat das Volk die Heiligkeit an die Priester verwiesen, die Priester an die gewöhnlichen Mönche, die gewöhnlichen Mönche an die Karthäuser, die Karthäuser an die toten Heiligen. Allein das sind eitle Verheißungen des Fleisches, weil es Niemanden gibt, der seinem Nächsten Etwas von seiner Heiligkeit abgeben könnte. Es genügt einem Jeglichen nicht seine eigene Gerechtigkeit, sondern er bedarf der fremden Gerechtigkeit Christi. So tut es uns denn not, dass wir selber Buße tun.
Haben wir endlich unsere Buße auf die letzte Lebenszeit verschoben, so ist Gefahr da, dass uns in Not niemals Buße und Heil zu Teil werde. Wie nämlich die törichten Jungfrauen ausgeschlossen werden, weil sie nicht zur rechten Zeit mit dem Bräutigam gekommen sind, und ihnen gesagt wird: „Ich kenne euer nicht,“ so werden die, welche den Ruf des Herrn verachten, nachher ausgeschlossen werden, wenn sie in Not zu ihm geschrien haben. Jer. 7,13; 11,11: „Ich lasse stets euch predigen, und ihr wollt nicht hören; ich rufe euch, und ihr wollt nicht antworten. Wenn sie zu mir schreien, will ich sie nicht hören.“ Wann also ruft Gott? Wenn sein Wort offenbart wird; wo das Wort vernachlässigt wird, da wird auch das Heil vernachlässigt. Du hast ein Beispiel an denen, die in der Sündflut umkommen, am Brande Sodoms, an Esau, an Saul, an Judas rc. Wahre Buße verachtet Gott niemals; aber Jene tun nicht wahrhaft Buße.
Daher müssen wir bei Zeiten durch Christum Buße tun, damit wir dem Zorn Gottes entrinnen und das ewige Leben haben in Christo Jesu, unserem Herrn, der mit Gott dem Vater und dem Heiligen Geiste hochgelobt ist und ewiger Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.