Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 23. Sonntag nach Trinitatis.

Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 23. Sonntag nach Trinitatis.

1542.

Matth. 22, 15-22.

Da gingen die Pharisäer hin, und hielten einen Rat, wie sie ihn fingen in seiner Rede. Und sandten zu ihm ihre Jünger, samt Herodis Dienern, und sprachen: Meister, wir wissen, dass du wahrhaftig bist, und lehrst den Weg Gottes recht, und du fragst nach Niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen. Darum sage uns, was dünkt dich? Ist es recht, dass man dem Kaiser Zins gebe, oder nicht? Da nun Jesus merkte ihre Schalkheit, sprach er: Ihr Heuchler, was versucht ihr mich! Weiset mir die Zinsmünze. Und sie reichten ihm einen Groschen dar. Und er sprach zu ihnen: Wes ist das Bild und die Überschrift? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. Da sprach er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist! Da sie das hörten, verwunderten sie sich, und ließen ihn, und gingen davon.

Da es in den menschlichen Verhältnissen fast Nichts gibt, was mehr und größere Streitigkeiten erregt, als die irdischen Güter, so erheischt die Notwendigkeit, dass wir uns über ihre Verwaltung und Verteilung aus dem Worte des Herrn unterrichten. Je weniger nämlich unser Heil auf irdischen Gütern beruht, desto mehr und eifriger müssen wir uns vorsehen, dass wir nicht ihretwegen unser Heil verlieren und aus dem Erbe der himmlischen Güter verstoßen werden. Ist Christus daher auch nicht in diese Welt gekommen, um irdische Schätze zu verwalten, so weigert er, weil er gekommen ist, die Wahrheit und Gottseligkeit zu lehren, und sich im heutigen Evangelio über den dem Kaiser zu gebenden Zins befragen ließ, sich doch nicht, zwar ganz kurz, und dennoch sehr deutlich, die ehrliche und gerechte Verwaltung der irdischen Güter zu lehren. Die Pharisäer nämlich und Herodis Diener, ausgesandt, um Christum in seiner Rede zu fangen, fragen ihn, ob es recht sei, dem Kaiser den Zins zu geben? Christus aber fordert eine Münze, darauf des Kaisers Bild geprägt war, und antwortete: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist!“

Hier müssen wir zuvörderst beachten, dass, wie die Epikureer bloß mit den lieblichen Lüsten dieser Welt zu tun haben und sie erstreben, so auch die fleischlichen Juden nur fleischliche Freiheit bei ihrem Messias suchten. Denn sie begehrten bei dem von den Propheten geweissagten Messias nicht Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und das Himmelreich, weil sie entweder solche geistliche Güter nicht vermissten oder, falls sie dieselben vermissten, so machten sie sich Rechnung darauf durch die Verdienste ihrer Werke in der Haltung ihrer Gottesdienste. Sie erwarteten vielmehr von dem Messias äußerliches Glück und äußerliche Freiheit von ihrem Türken, d. h. von dem römischen Kaiser. Was uns nämlich der Türke ist1), das waren den Juden die Römer, welche sie unterdrückt hatten und jährlich Abgaben von ihnen eintrieben. Darum streiten sie so eifrig über den Zins, und erwarteten in jedem Augenblick die Ankunft ihres Messias, auf dass er sie befreie von der Macht und Gewaltherrschaft fremder Völker, und sie alle in dieser Welt glücklich mache. Unser Herr Christus ist aber nicht in diese Welt gekommen, um den gewöhnlichen, allgemeinen Lauf dieser Welt vor dem jüngsten Tage zu verändern. Der gewöhnliche Lauf dieser Welt aber bis zum letzten Tage der Welt steht geschrieben 1. Mose 3,17-19: „Verflucht sei der Acker um deinetwillen, mit Kummer sollst du dich darauf nähren dein Leben lang. Dornen und Disteln soll er dir tragen, und sollst das Kraut auf dem Felde essen. Im Schweiß deines Angesichtes sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zur Erde werdest, davon du genommen bist; denn du bist Erde und sollst zur Erde werden.“ Das ist der gewöhnliche Lauf dieser Welt. Denn dass es heißt, wir sollen im Schweiße des Angesichts unser Brot essen, ist nicht als Gebot zu verstehen, dass ein Jeglicher mit seinen Händen arbeite, auf dass sein Schweiß vom Angesicht zur Erde tropfe, sondern es ist der allgemeine Fluch und die Strafe, die allen von Adam abstammenden Menschen um der Sünde willen auferlegt ist. Das Essen oder Speise erhält nämlich unser Leben. Der Sinn dieses Wortes ist also der: so lange wir Speise verzehren, und im Leben dieser Welt erhalten bleiben, ist es not, dass wir schwitzen, uns bekümmern, Beschwerden ertragen und also keine sich gleichbleibende Ruhe und Glückseligkeit haben. Der Eine schwitzt in leiblicher Krankheit, ein Anderer schwitzt unter Gewaltherrschaft, wodurch er unterdrückt wird; ein Anderer schwitzt in großer Armut, ein Anderer bei großem Reichtum, der Eine in dieser, der Andere in jener Trübsal. Also hat ein jeder Mensch not, im Schweiße seines Angesichts sein Brot zu essen, bis dass er wieder zur Erde wird. Dazu kommt auch Hiob 14,1.2: „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit, und ist voll Unruhe, geht auf wie eine Blume und fällt ab, flieht wie ein Schatten und bleibt nicht.“ Ja, auch Christus selbst spricht zu seinen Jüngern: „In der Welt habt ihr Angst.“ Da nun Christus nicht gekommen ist, um den gewöhnlichen Lauf dieser Welt vor dem jüngsten Tage aufzuheben, so darf man auch nicht meinen, dass er gekommen sei, um die Widerwärtigkeiten und Beschwerden dieser Welt aufzuheben, sondern er ist gekommen, um uns geistlichen Segen in himmlischen Gütern zu bringen. Davon ist schon oft anderswo die Rede gewesen.

Zweitens kommt in Betracht, dass Christus, da er die rechte, ehrliche und gerechte Verwaltung irdischer Güter lehren will, eines Jeglichen Güter in zwei Haufen teilt; zwei Haufen also gibt es in Bezug auf eines Jeglichen Güter: der eine ist des Kaisers, der andere Gottes. Die Gottlosen machen auch noch einen dritten Haufen, welcher des Satans ist. Lasst uns nun diese Haufen der Güter ansehen. Des Kaisers Haufen heißt nicht der allein, welchen man geben muss als Schoß2) und Abgaben, sondern der ganze, welcher für die Zwecke dieses äußerlichen und bürgerlichen Lebens dient. Unter des Kaisers Namen versteht man nämlich dieses staatliche und bürgerliche Leben. Also gehört zu diesem Haufen vorerst eines Jeglichen notwendige Nahrung und Kleidung; sodann eines Jeglichen Familie und rechtmäßige Erben, außerdem eines Jeglichen Schulden, wie dieselben auch nach den öffentlichen Gewohnheiten gemacht sein mögen; endlich Schoß und Abgaben und Anderes dergleichen, was von Seiten der Obrigkeit verlangt wird. Das Alles gehört zu dem Haufen des Kaisers, wovon auch das, was man in dieser Beziehung schuldig ist, gezahlt werden muss.

Der Haufen Gottes aber wird nun nicht allgemein aufgefasst, als wären das alle Geschöpfe Gottes; denn so man den allgemeinen Haufen Gottes betrachtet, alsdann ist Alles Gottes, was im Himmel und auf Erden ist. Ps. 89,12: „Himmel und Erde ist dein.“ Ps. 50,10-12: „Alle Tiere im Walde sind mein, und Vieh auf den Bergen, da sie bei tausend gehen. Ich kenne alles Gevögel auf den Bergen, und allerlei Tier auf dem Felde ist vor mir. Wo mich hungerte, wollte ich dir nicht davon sagen; denn der Erdboden ist mein und Alles, was darinnen ist.“ Von diesem Haufen Gottes ist jetzt keine Rede, sondern von dem, wodurch das geistliche Leben in dieser Welt muss erhalten werden. Zu diesem Haufen also haben nach dem Gesetze Mosis gehört die Zehnten, die Erstlinge, die Erstgeburten, die Opfer, die Überbleibsel der Äcker und Weinberge, und Anderes, was man beisteuerte zur Erhaltung der Gottesdienste, zum Unterhalte der Armen. In unserem Staate gehört zu diesem Haufen das Alles, was entweder gestiftet ist, oder noch gestiftet wird zur Erhaltung der Kirchendienste und zur Ernährung der Armen. Da also eines Jeglichen Güter in zwei Haufen geteilt und in zwei Kasten gelegt sind, gebeut Christus, einen jeden Haufen rechtmäßig zu brauchen nach seinen Ordnungen, so dass man dem Kaiser gebe, d. h. für die eigene Notdurft und die Familie, den Gläubigern und der Obrigkeit, was man ihnen schuldig ist, so dass man auch Gott dem Herrn gebe, d. h. zum Kirchendienste und für die Armen, was man schuldig ist. Denn was man einem Jeglichen schulde, das lehren die Not und die öffentlichen Gesetze und die Liebe zum Nächsten und das Naturgesetz selber deutlich, und es wäre zu weitläufig, das noch weiter aus einander zu sehen. Denn dass Christus eines Jeglichen Güter in zwei Haufen und Kasten verteilt und sie rechtmäßig zu verteilen gebeut, einem Jeden, was man ihm schuldet, das bringt uns viele und zwar sehr große Vorteile.

Der erste ist, dass wir daraus lernen, Christus sei nicht gekommen, um die äußerlichen Staaten dieser Welt abzuschaffen und ein neues irdisches Reich zu stiften, sondern Christus fordere vielmehr durchaus, dass die staatlichen Ordnungen erhalten bleiben. Der zweite Vorteil ist, dass wir lernen, die christliche Vollkommenheit bestehe nicht im Wegwerfen seiner eigenen Güter, sondern erfordere vielmehr, dass ein Jeglicher jene zwei Haufen seiner Güter rechtmäßig verwalte. Denn obschon Christus (Mark. 10, 21) zu dem Jünglinge spricht: „Gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Armen!“ so ist das doch nicht die allgemeine Ordnung der Christen, sondern nur eine besondere Berufung. Im Allgemeinen fordert Christus von jedwedem Christen eine ehrliche und gerechte Verwaltung seiner Güter rc. Der dritte Vorteil ist, dass wir durch solche Lehre erkennen, nicht allein diejenigen seien Diebe und Räuber, welche fremde Schätze rauben, sondern es könne ein Jeglicher an seinen eigenen Gütern zum Dieb und Räuber werden. Wir haben nämlich oben gesagt, dass die Gottlosen aus ihren Gütern noch einen dritten Haufen machen, welcher des Satans ist. Der Haufen aber heißt des Satans, so Jemand seine Güter, die er zur Notdurft seines leiblichen und geistlichen Lebens brauchen sollte, in Wollüsten, Gelagen, Spielen, Unzucht und anderen Missetaten vertut. Denn was also Vertan wird, muss man Diebstahl und Raub, ja Veruntreuung und Frevel am Heiligen nennen. Deshalb muss ein Jeglicher sich mit Fleiß hüten, damit er nicht bei der Verwaltung seiner Schätze sich der Veruntreuung und des Frevels am Heiligen schuldig mache, sondern seiner Güter recht gebrauche, d. h. dem Kaiser und Gotte gebe, was ihnen gebührt. Der vierte Vorteil ist, dass wir lernen, welches die wahren, Gott wohlgefälligen Almosen sind, wie man es nennt. Obwohl nämlich eigentlich Almosen heißt, was freiwillig den Armen gegeben wird, so heißt doch nach allgemeinem Sprachgebrauche das ein Almosen, was nur an Schätzen nach Gottes Gebot und Willen ausgegeben wird. Also heißt ein Almosen, was man seiner Familie gibt, weil Gott will, dass ein Jeder für seine Familie sorge. Desgleichen heißt ein Almosen, was man einem Gläubiger erstattet, was man der Obrigkeit gibt am Schoß, Zins und Abgaben. Ein Almosen heißt, was gestiftet wird zur Erhaltung der Kirchendienste; kurz Almosen ist überhaupt, was nach Gottes Gebot, worin sein Wille offenbart ist, aufgewandt wird. Also spendet derjenige immer Almosen, der das spendet, was er schuldig ist, ob er auch nicht dazu gezwungen würde.

Der fünfte Vorteil ist, dass Christus zu verstehen gibt, es sei ein ganz wahres Wort, was Paulus (Apostelg. 20,35) ihm zuschreibt: „Geben ist seliger als nehmen.“ Die Menschen dieser Welt halten es für das Unglückseligste, zu geben. Ein Weltweiser, befragt, was das Süßeste wäre? antwortete: zu nehmen. Allein Christus zeigt, geben sei seliger als nehmen; nicht aus dem Grunde, weil, so Jemand gibt, das ein Zeichen ist, dass er Etwas habe und besitze, sondern weil seine Güter durch Geben sich mehren; denn für das Geben sind Verheißungen vorhanden. Spr. 11,25: „Wer3) trunken macht, der wird auch trunken werden.“ Und Christus sagt Luk. 6, 8: „Gebt, so wird euch gegeben.“ Und Spr. 19,17: „Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem Herrn.“ Desgleichen nennt auch Paulus die Freigebigkeit gegen Arme eine Aussaat, wobei Ein Korn hundert bringt.

Wer also seine Güter mehren will, der gebe, gebe (sag' ich) dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gotte, was Gottes ist, auf dass auch Gott uns nicht nur irdische Güter spende, sondern auch nach diesem Leben das ewige Leben durch Jesum Christum, unseren Herrn, der da Gott ist, hochgelobet in Ewigkeit. Amen.

1)
Natürlich zur Zeit des Verfassers.
2)
Steuern
3)
Man lese die ganze Stelle: Spr. 11, 24-26.
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