Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 21. Sonntag nach Trinitatis.

Brenz, Johannes - Evangelienpredigten - 21. Sonntag nach Trinitatis.

Johannis 4, 47-54.

Und es war ein Königischer, des Sohn lag krank zu Kapernaum. Dieser hörte, dass Jesus kam aus Judäa in Galiläam, und ging hin zu ihm, und bat ihn, dass er hinab käme, und hälfe seinem Sohne; denn er war todkrank. Und Jesus sprach zu ihm: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht, Der Königische sprach zu ihm: Herr, komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt. Jesus spricht zu ihm: „Gehe hin, dein Sohn lebt.“ Der Mensch glaubte dem Wort, das Jesus zu ihm sagte, und ging hin. Und indem er hinab ging, begegneten ihm seine Knechte, verkündigten ihm, und sprachen: Dein Kind lebt. Da forschte er von ihnen die Stunde, in welcher es besser mit ihm geworden war. Und sie sprachen zu ihm: Gestern um die siebente Stunde verließ ihn das Fieber. Da merkte der Vater, dass es um die Stunde wäre, in welcher Jesus zu ihm gesagt hatte: „Dein Sohn lebt.“ Und er glaubte mit seinem ganzen Hause. Das ist nun das andere Zeichen, das Jesus tat, da er aus Judäa in Galiläam kam.

Das Wunder, das im heutigen Evangelio erzählt wird, ist herrlich und ausgezeichnet und nützlich, nicht allein zur öffentlichen Bestätigung der Wahrheit des Evangeliums Christi, sondern auch zur persönlichen Bewahrung des Glaubens im geistlichen Kampfe. Denn der Herr, unser Gott, hat uns in der Taufe durch Jesum Christum als seine Kinder angenommen, und hat uns das Recht der Erbschaft des Himmelreiches und der ewigen Seligkeit gegeben; weil aber dieses Recht weitaus das allervortrefflichste Gut ist, hat es viel geistliche Widersacher. Und wie es in bürgerlichen Verhältnissen zwischen Nachbarn großen Streit über das Recht auf Grundstücke und Grenzen gibt, und es vieler Mühe bedarf, um dein Recht gegen Widersacher zu schützen und zu erhalten: so müssen wir in geistlichen Dingen fortwährend Krieg führen, um unser Recht auf das Himmelreich zu erhalten, das uns in der Taufe anvertrauet ist. Es ist zwar nicht not, zum Schutz dieses Rechtes äußerliche Kriege zu führen, über die man jetzt nichts zu sagen braucht, sondern man muss geistlicher Weise Krieg führen. Wir haben (schreibt Paulus Eph. 6,12) nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Fürsten und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in der Finsternis dieser Welt herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Da uns nun die Geschichte des heutigen Wunders

von dem geheilten Sohne des Königischen

nützlich ist im geistlichen Kampfe, um unser Recht, das wir in Christo Jesu auf das Himmelreich haben, zu schützen: werden wir gut daran tun, so wir dieselbe mit Fleiß behandeln.

Die Tatsache aber verhält sich also. Als ein gewisser Königischer, ein Mann aus Kapernaum, gehört hatte, Jesus sei aus Judäa nach Galiläa zurückgekehrt, und sein Sohn schon den Geist aufgeben wollte, eilt er zu Jesu und bittet ihn, eilends nach Kapernaum zu kommen, und seinen Sohn vor dem Tode zu bewahren. Diesen Mann müssen wir also zu allererst betrachten. Von seiner äußeren Würde soll jetzt nichts gehandelt werden, sondern von dem Werte seiner Seele, welchen Glauben er nämlich gehabt habe. Hat er etwa darum, weil er Jesum bittet um die Gesundheit seines Sohnes, wahren Glauben an Christum? Es ist zwar kein Zweifel, dass er nachher rechten Glauben und Erkenntnis Christi mit seiner ganzen Familie erlangt hat. Jetzt aber reden wir vom Anfange dieser Sache. Er bittet zwar Christum, seinen Sohn zu heilen, sein Glaube jedoch ist noch sehr schwach, weil er nicht glaubt, Christus könne auch dem abwesenden Sohne zur Gesundheit verhelfen oder ihn sogar vom Tode erwecken. Denn solche Schwachheit des Glaubens bezeichnet der Evangelist, da er sagt: „er bat ihn, dass er hinabkäme, und hälfe seinem Sohn.“ Und Christus selbst bezeugt das deutlich mit den Worten: Wenn ihr nicht Zeichen und Wunder seht, so glaubt ihr nicht. Da hörst du, sein Glaube ist so schwach, dass er sich vom Unglauben beinah in Nichts unterscheidet. Was tut nun Christus darauf? Wie benimmt er sich gegen den Königischen? Erfüllt er seinen Wunsch? Siehe die Gnade und Sanftmut Christi! Denn er weist den Königischen so wenig von sich, dass er ihm viel mehr gewährt, als derselbe gebeten hatte. „Gehe hin (spricht er) dein Sohn lebt.“ Siehe auf seine wunderbare Majestät und Macht! Was er nämlich sagt, ist kein leeres Wort, sondern alsobald, zur selben Stunde, ist der Knabe genesen.

Ein beachtenswertes Beispiel, an welchem man die bewundernswürdige Gnade und Majestät Christi erkennen darf, und wonach wir in unserem besonderen Kampfe unser Heil durch den Heiligen Geist wahren können. Denn es wird uns aus dem Evangelio gepredigt, dass wir ein Recht auf das Himmelreich haben, nicht durch die Verdienste unserer Werke, sondern um Jesu Christi willen, so wir nur an ihn glauben. Der Satan, unser Widersacher, geht aber umher wie ein brüllender Löwe und sucht, welchen er verschlinge; er beneidet uns das so herrliche Recht auf das Himmelreich, welches er selber verloren hat. Deshalb setzt er jeden Stein in Bewegung, um uns dieses Rechtes zu berauben, und tritt mit uns in einen geistlichen Kampf ein, um uns, dieses Rechtes beraubt, in ewige Knechtschaft und Verdammnis zu führen. Er eignet sich nämlich an, was im Evangelio vom Glauben gepredigt wird, und redet ohngefähr in diesem Sinne mit unserem Gewissen: „Ich habe dir spricht er deine Sünden und deine Gerechtigkeit vorgehalten und dir gezeigt, dass du kein Recht auf das Himmelreich haben darfst wegen deiner Sünden, weil die Sünden in die Hölle gehören, auch nicht wegen der Gerechtigkeit, weil deine Gerechtigkeit unrein und unvollkommen ist. Du aber hast diesen meinen Vorhalt abgewiesen durch deinen. Christum und gesagt: Du bekennest zwar deine Sünden und die Unflätigkeit deiner Gerechtigkeit, allein Christus habe die Sünden gesühnt und dir seine Gerechtigkeit geschenkt, welche vollkommen ist und durch welche du auch als gerecht erachtet werdest, so du nur an ihn glaubst. Das ist, spricht Satan, deine Abweisung, doch wohlan! ich will dich mit deinem eigenen Schwert erwürgen. Du sagst, du werdest gerecht erachtet durch den Glauben; allein siehe! es ist klar, dass dein Glaube entweder gar keiner, oder noch unzuverlässig und schwach ist. Denn so dein Glaube stark und vollkommen wäre, dann würdest du die Trübsal und den Tod selbst nicht so schwer nehmen. Die heiligen Propheten und Apostel ertrugen den Tod sogar mit großer Freudigkeit, und folgten auf dieser Erde dem Rufe des Heiligen Geistes. Du empfindest nichts davon in deinem Innern, und deshalb ist dein Glaube entweder keiner oder schwach. So viel aber deinem Glauben fehlt, so viel fehlt dir von Christo und seiner Gerechtigkeit. Und da Gott die unvollkommene Gerechtigkeit aus den Werken nicht ansieht, noch mit ewiger Seligkeit vergilt, wird er gewiss deinen unvollkommenen und schwachen Glauben auch nicht vergelten. Wohin du dich nun wenden magst, sei es zur Gerechtigkeit aus deinen Werken, oder sei es zum Glauben, so geht dich das Recht auf das himmlische Erbe nichts an, sondern du bist verdammt.“

Das sind die feurigen Pfeile des Satans, aber das Beispiel des heutigen Evangeliums kann bewirken, dass wir diese Pfeile abstumpfen und auslöschen. Wir müssen allerdings bekennen, dass unser Glaube schwach ist, aber auch erkennen, dass uns Gott als gerecht erachtet durch den Glauben, nicht um des Glaubens, sondern um Christi willen, der im Glauben angenommen wird; sonst würden wir niemals wahrhaft gerechtfertigt, weil wir niemals in diesem Leben vollkommen glauben, wie wir sollen. Und deshalb werden wir als gerecht erachtet nur um Christi, und nicht um des Glaubens willen. Wie nämlich ein Bettler Geld empfängt durch das Ausstrecken seiner Hand, nicht aber wegen des Ausstreckens seiner Hand, sondern wegen der Güte dessen, der das Almosen gibt: so empfangen wir Gerechtigkeit durch den Glauben, nicht aber um des Glaubens, sondern um Christi willen. Sodann ob unser Glaube auch unvollkommen und schwach ist, so wird dennoch kein Mensch wegen der Schwachheit seines Glaubens von Christo verworfen, weil Christus auch durch schwachen Glauben angenommen wird. Zwar wird die Schwachheit weder gebilligt, noch gelobt, der Mensch aber, der schwachen Glauben hat, dennoch von Christo nicht hinausgestoßen, sondern vielmehr geliebt und erhalten. Denn es steht von Christo geschrieben: „Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird er nicht auslöschen“ (Jes. 42,3). Und wiederum: „Der Geist des Herrn Herrn ist über mir, darum hat mich der Herr gesalbt. Er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, die zerbrochenen Herzen zu verbinden, zu predigen den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen eine Öffnung; zu predigen ein gnädiges Jahr des Herrn, und einen Tag der Rache unseres Gottes, zu trösten alle Traurigen“ (Jes. 61,1.2). Ein Beispiel hast du im heutigen Evangelio. Der Glaube des Königischen war schwach und fast keiner, und Christus billigt ihn zwar nicht, entschuldigt ihn auch nicht, und dennoch verwirft er den Menschen nicht, sondern tut ihm vielmehr wohl. Ein Beispiel hast du desgleichen an Thomas, bisweilen an Petrus, zu dem gesagt wird Matth. 14,31: „O du Kleingläubiger, warum zweifelst du?“ Und Jener Mark. 9,24: „Ich glaube, lieber Herr, hilf meinem Unglauben!“ So lasst uns denn denken, dass zwar die Schwachheit des Glaubens an sich nicht empfehlenswert sei, dass aber ein in Glaubensschwachheit befangener Mensch dennoch von Christo nicht verachtet, und Christus auch durch schwachen Glauben aufgenommen werde, auf dass der Glaube alsbald darauf wachse und zunehme.

Doch lasst uns nun bei den übrigen Stücken dieser Geschichte fortfahren. Christus tadelt den schwachen Glauben des Königischen; dieser aber hat bei dem Wesen des Unglaubens oder der Schwachheit seines Glaubens Eile. Schnell, schnell spricht er- komm hinab, ehe denn mein Kind stirbt! Christus aber geht nicht hinab, stellt auch nicht wunderbar oder unversehens dem Königischen vor, dass sein Sohn genesen sei, bevor er ihn leiblich erblickt; sondern er heißt ihn hingehen, und verspricht ihm mit seinem Worte die Genesung des Sohnes. Indessen muss der Vater sich unterwegs im Glauben an dies Wort üben, dass er durchaus Nichts hat, dass ihm die Genesung des Sohnes verheißt, außer dem Worte Christi. Alles Übrige widersprach demselben: er hatte seinen Sohn zu Hause verlassen, als er daran war, seinen Geist aufzugeben; Christus wollte nicht mit ihm hinabgehen; er sieht den Sohn nicht vor sich. Solches war der Verheißung zuwider, und dennoch ist die Verheißung ganz wahr gewesen, wie der Königische bald darauf tatsächlich erfährt.

Durch dieses Beispiel offenbart Christus klar, wie sich Gott der Vater gegen jeden Bittenden zu verhalten pflegt. Er pflegt nämlich beim Gebete nicht sofort seine Erhörung sinnlich zu offenbaren, sondern heißt uns hingehen in unserem Berufe, und verheißt uns Erhörung durch sein Wort. Alles Übrige lässt er zuwiderlaufen, bis seine Zeit gekommen ist. Es handelt einer mit Waren, und bittet Gott um guten Erfolg. Zu diesem spricht Gott: Gehe hin, und handle rechtschaffen; die Sache wird dir gelingen. Und dennoch scheint Alles dem entgegengesetzt zu geschehen. Die Waren verderben, das Geld wird geraubt, Armut entsteht, aber man muss hingehen und auf des Herrn Wort vertrauen. Alsdann werden nämlich zu seiner Zeit die Knechte entgegenkommen, die da verkündigen werden, dass der Sohn gesund sei. Ein anderer bittet, dass er im Tode errettet werde. Da hört er: Gehe hin, du wirst errettet werden durch Christum! Und dennoch ist Alles entgegengesetzt: die Empfindung des Todes, die Verwesung und Anderes. Allein man muss auf die Verheißung und auf Christum schauen, nicht auf den jeweiligen Eindruck der Dinge. Denn so wird uns zu seiner Zeit auch der Eindruck der von uns erhofften Dinge zu Teil werden; inzwischen freilich müssen wir uns am Worte des Herrn genügen lassen.

Als der Königische übrigens nach Hause gekommen war, und erfahren hatte, sein Sohn sei zu derselben Stunde gesund geworden, als ihm gesagt ward: Dein Sohn lebt! da ward er im Glauben gestärkt, nicht nur für sich, sondern auch seine ganze Familie glaubte an Christum, und sein Haus wurde eine wahre Kirche Gottes. Hier wird uns offenbar der Grund dargelegt, weshalb Christus dieses Wunder und andere der Art getan hat: nicht, auf dass in der Kirche die Gabe verbliebe, Kranke wunderbar zu heilen, sondern dass in der Kirche der Glaube an Christum gepredigt würde und verbliebe. Und siehe da! Der Königische und sein ganzes Haus glauben an Christum, und werden Nachfolger Gottes nur auf das eine Wunder hin. Was wird mit uns geschehen, die wir nicht einmal durch die unendlichen Wunder, die man uns täglich aus der heiligen Schrift vorliest, uns bewegen lassen, dem Rufe Gottes zu folgen? Gewiss wird das Haus des Königischen unser Richter sein. Wollen wir also nicht verloren gehen, so lasst uns aufwachen und das Evangelium Christi ergreifen, auf dass wir, im Glauben gestärkt, dem Rufe Gottes folgen und das wahre Heil gewinnen in Christo Jesu, unserem Herrn. Amen.

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