Brenz, Johannes - X. Am Sonntag Palmarum über Philipper 2, 5-11.

Brenz, Johannes - X. Am Sonntag Palmarum über Philipper 2, 5-11.

Da wir nächstdem von dem Leiden und Sterben unsers Herrn Jesu Christi hören werden, so ist es ganz wohlgetan, dass auf den heutigen Sonntag die Epistel verordnet ist, in welcher uns nicht allein über die Person dessen, der für uns gelitten, deutliche Auskunft gegeben, sondern eben damit auch ein Exempel vorgehalten wird, nach welchem auch wir uns gegeneinander demütigen und mit allem Fleiß einander dienen sollen. Fürs erste will Paulus sagen: Unser Herr Jesus Christus, welcher als wahrer Gott, gleicher Gewalt und Herrlichkeit mit Gott, seinem himmlischen Vater, gewesen, hätte nicht not gehabt, menschliche Natur an sich zu nehmen und in eine solche Dienstbarkeit sich zu begeben, sondern hätte in aller seiner göttlichen Majestät öffentlich sich erzeigen können, da er solche göttliche Herrlichkeit nicht widerrechtlich sich angemaßt, sondern von Ewigkeit her, als der eingeborne Sohn seines himmlischen Vaters, schon besessen hatte. Aber um unsers Heiles willen hat er dieser seiner göttlichen Herrlichkeit sich entäußern, Mensch werden, alle Gebrechlichkeit der Menschen auf sich nehmen, in schwächliche Dienstbarkeit sich begeben und endlich sogar den Tod erleiden wollen, damit er uns von allem Übel und vom Tod selber erlöse. Hieraus will nun Paulus schließen: Wenn der Sohn Gottes nicht seinen eigenen Nutzen, sondern unser Heil gesucht, so gebühret uns noch viel mehr, dass wir uns demütigen und danach trachten, wie wir andern Leuten Nutzen schaffen mögen. Wir sollen vom Herrn nicht allein Vergebung unsrer Sünden nehmen wollen, sondern an ihm auch ein Exempel nehmen, wie wir uns gegeneinander mit aller Dienstbarkeit zu erzeigen haben.

Was der Apostel von Christo sagt, wollen wir jetzt einzeln betrachten. V. 6. Hier erfahren wir vom Herrn Christo dreierlei. Zuerst, dass er in göttlicher Gestalt war. Das heißt: Christus hat die Natur und das Wesen Gottes, er ist wahrer Gott. Wenn wir also jetzt bald von seinem Leiden und Sterben hören werden, sollen wir ihn nicht für einen bloßen Menschen ansehen, sondern mit jenem Hauptmann sagen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. Das andre ist, dass er Gott gleich sei. Wie reimt sich nun das zusammen: wahrer Gott sein und Gott gleich sein? Ich meine doch, es sei nur Ein Gott. Wohl reimt es sich zusammen; denn es ist freilich nur Ein Gott, aber in diesem einigen göttlichen Wesen sind drei unterschiedliche Personen, unter welchen Christus, der Sohn Gottes, die zweite Person ist. Darum wird er Gott gleich geheißen. Diese Gleichheit besteht aber darin, dass Christus Gott, seinem himmlischen Vater, gleich ist nach dem göttlichen Wesen, nach seiner Majestät, Allmacht und Herrlichkeit. Das dritte ist, dass Paulus sagt: Christus habe solche Gleichheit Gottes nicht geraubt, sondern von Natur gehabt; darum hätte er sie nicht zu verbergen brauchen, sondern in derselbigen mit aller Herrlichkeit einherprangen können. Was man durch Diebstahl, Raub und andre böse Mittel überkommt, muss man verbergen; was man aber billiger und redlicher Weise erworben hat, darf man öffentlich brauchen und sehen lassen. So hat Christus seine göttliche Natur und Gleichheit mit Gott nicht geraubt, noch gestohlen, sondern von Ewigkeit her gehabt und von Gott, seinem himmlischen Vater, erblich empfangen. Darum hätte er, wie gesagt, nicht not gehabt, mit solcher Niedrigkeit in diese Welt zu kommen, sondern hätte wohl in seiner göttlichen Majestät und Herrlichkeit erscheinen können. Aber er hat seiner Herrlichkeit sich entäußert und seine Majestät verborgen, hat menschliche Natur angenommen und gleich andern Menschen, mit allem menschlichen Elend und Jammer, die Sünde allein ausgenommen, sich beladen lassen; er ist ein Kindlein geworden, hat Not und Armut gelitten, ist angefochten, geplagt, verfolgt und endlich gekreuzigt worden. Und dies alles darum, damit er uns aus aller Not und vom Tod selber erlöse. Das sollen wir mit Fleiß bedenken, damit wir auch lernen, uns zu demütigen, andern zu dienen und ihnen ihre Fehle und Mängel nachzulassen. Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war. Hat also einer eine Schmach und Unbilligkeit erfahren und könnte es zuwege bringen, dass der, so ihm Unrecht und Schaden zugefügt, nicht allein gestraft würde, sondern auch Ersatz und Abtrag für den Schaden leiden müsste, so soll er das nicht tun, sondern des Beispiels Christi gedenken, welcher auch seines Rechts sich begeben und seine Majestät nicht zu unserm Verderben gebraucht, sondern derselben sich entäußert hat, damit er den Menschen dienen und helfen möchte.

Was meint aber Paulus, wenn er sagt: „Er äußerte sich selbst“? Wäre Christus, nachdem er unsre menschliche Natur an sich genommen, nicht mehr wahrer Gott gewesen? Ferne sei's: Christus ist, auch nachdem er Mensch geworden, für und für wahrer Gott geblieben. Er hat sich geäußert, heißt nicht: er hat seine Gottheit hingeworfen. Denn Jesus Christus, von der Jungfrau Maria geboren, ist wahrer Gott und wahrer Mensch in einer unzertrennten Person. Wie hat er sich nun aber entäußert? Erstlich damit, dass er überhaupt ein Mensch geworden ist. Denn er hätte wohl nach seiner Majestät und Gewalt den Menschen verachten können; es hätte ihn niemand zwingen können, dass er Mensch werden musste. Dennoch hat er sich geäußert, und viel lieber Mensch werden wollen zur Erlösung der Menschen, als dass er die Menschen verachten und in die Verdammnis wollte kommen lassen. Das ist ja fürwahr eine große Entäußerung, eine große Demut an der göttlichen Majestät gewesen! Zum andern hat sich Christus geäußert, nachdem er bereits die menschliche Natur angenommen oder Mensch geworden war. Christus hätte nämlich, sobald er in diese Welt gekommen war, nicht allein von Stund an das Alter und die Kraft eines vollkommenen Mannes annehmen, sondern auch in diesem Menschen, den er an sich genommen, seine göttliche Majestät sehen lassen und üben können. Aber er hat sich gedemütigt und geäußert, ist ein armes, schwaches Kindlein geworden, hat aller Not und Mühseligkeit dieser Welt sich unterworfen und in allen Dingen, die Sünde allein ausgenommen, ganz wie ein andrer Mensch sich gehalten. Darum sagt Paulus: „Er nahm Knechtsgestalt an, ward gleichwie ein andrer Mensch, und an Gebärden als ein Mensch erfunden.“

Endlich war er gehorsam bis zum Tod am Kreuze. Er hätte seine Feinde und Verfolger töten können mit einem Wort seines Mundes, aber er hat es nicht gewollt, sondern hat selber den Tod auf sich genommen, um durch seinen Tod uns vom zeitlichen und ewigen Tod zu erlösen. Wie nun die allerhöchste Majestät, Gottes eingeborner Sohn, solches getan, so sollen auch wir einer dem andern dienen, unsers Rechtes nicht brauchen, sondern uns demütigen zum Dienste des Nächsten, auf dass wir Christi Herrlichkeit genießen mögen. Damit wir solcher Demut uns desto mehr befleißigen, muss Christi Vorbild stets vor unsern Augen sein. Es darf der Knecht nicht größer sein wollen, denn sein Herr. Lauter Nutzen werden wir davon haben, wenn wir um Gottes willen zur Wohlfahrt des Nächsten uns demütigen und gern einen Schaden leiden. Mit Christo zur ewigen Herrlichkeit! Amen.

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autoren/b/brenz/brenz_palmarum.txt · Zuletzt geändert: von aj
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