Brenz, Johannes - Am Sonntag Misericordias über 1. Petri 2, 21-25.

Brenz, Johannes - Am Sonntag Misericordias über 1. Petri 2, 21-25.

Wir haben in der heiligen Passionszeit öfters gehört, dass der Sohn Gottes, unser Herr Christus, gelitten habe, um unsre Sünde zu büßen und uns wieder mit Gott zu versöhnen: das ist der vornehmste Nutzen dieses Leidens, welchen wir mit allem Fleiß zu Trost unsers Gewissens fassen und merken sollen. In der heutigen Epistel aber zeigt uns St. Petrus noch einen andern Nutzen des Todes und der Auferstehung Christi an, nämlich dass Christus gelitten habe, nicht allein, dass er uns durch seinen Tod von der Sünde erlöse, sondern dass er uns auch sein eigen Exempel vorstelle, damit wir demselbigen nachfolgen, in seine Fußstapfen treten und alle Widerwärtigkeit mit Geduld auf uns nehmen und leiden sollen. Denn gleichwie Christus, da er geschmäht ward, nicht wiederum schmähte, nicht wiederum schlug, da er geschlagen ward, sondern die Rache dem übergab, der da recht richtet, so sollen auch wir nicht wieder schmähen, wenn wir geschmäht werden, sollen uns auch nicht selber richten. Damit wir aber Petrum recht verstehen, müssen wir merken, dass er die rechtmäßige Rache, durch welche vermöge göttlichen Rechtes einem Übeltäter seine gebührende Strafe zugeteilt wird, hier nicht verbeut. Es gibt nämlich Leute, die da meinen: weil Christus im Evangelium Matthäi (5, 39) sage: „Ich sage euch, dass ihr nicht widerstreben sollt dem Übel,“ und weil Petrus hier das Exempel Christi mit der Vermahnung vorhalte, dass wir nicht Schmähwort mit Schmähwort, Unbilligkeit mit Unbilligkeit vergelten sollen, so müssten wir ohne Unterschied alle Unbilligkeit über uns ergehen und einen jeden, der da Lust habe, sein Mütchen an uns kühlen lassen. Ja, es gibt Leute, welche meinen: die Obrigkeit habe nicht Macht, unrechtmäßiger Gewalt Widerstand zu leisten; ein Hausvater habe nicht Macht, dem Unrecht seines Sohnes zu steuern, sondern müsse dessen Übeltaten ruhig dahinnehmen. Wer aber des Christen Pflicht, Unrecht mit Geduld zu leiden, soweit ausdehnen will, ist entweder ein Spötter oder ein Heuchler. Denn wir sollen im Gegenteil dem Übel und Unrecht, soweit sich unser Amt und Beruf erstreckt, und göttliche und menschliche Rechte es zulassen, aus allen Kräften widerstreben. Darum redet auch St. Petrus hier nur von der unbilligen Rache, welche verboten ist. Der Apostel will sagen: Wer Böses mit Bösem vergilt und widerfahrenes Unrecht selber rächt, da er doch seine Obrigkeit hat, welcher er's klagen kann, der tut Unrecht. Wie hat denn Christus getan? Er hat alle Unbilligkeit und Schmach, deren er ordentlicherweise sich nicht hat entladen können, mit aller Geduld auf sich genommen und getragen. So sollen auch wir tun. Wo wir einer Unbilligkeit ordentlicherweise uns entschlagen können, mögen wir es mit gutem Gewissen tun; wo nicht, da sollen wir nicht um die Welt uns selber rächen, sondern die Schmach auf uns nehmen und hierin dem Herrn Christo nachfolgen.

Damit wir aber solchem Befehl desto williger nachkommen, wollen wir jetzt die Gründe hören, mit welchen uns Petrus die Geduld einreden will.

Die erste Ursache ist die, dass Christus unser Herr, wir aber seine Diener sind. So denn unser Herr alles Unglück auf sich geladen und mit Geduld getragen hat, warum wollten denn wir armen Knechte uns besser dünken und nicht auch mit unserm Heiland leiden? Der Knecht soll's nicht besser haben, denn sein Herr.

Die andre Ursache ist: Christus ist aller Dinge unschuldig; er hat nie keine Sünde getan, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden: darum sollte ihm billig kein Unglück noch Schmach zugefügt worden sein. Wir aber sind gar nicht unschuldig, sondern in Sünden empfangen und geboren, haben daher allerlei Übels ganz wohl verschuldet. Das ist wohl wahr: diejenigen, so uns Schmach zufügen, tun Unrecht; aber uns widerfährt damit nichts Unbilliges. Denn vor Gott sind wir jedenfalls nicht unschuldig. Darum, o Christ, schicke dich nur mit Geduld darein und denke: hat mein Herr Christus, der doch ganz unschuldig war, alles mit Geduld ertragen, dazu auch für die, so ihn schmähen, gebetet, warum wolltest denn du, der du voll Sünden bist und die ewige Verdammnis selber verdient hast, nicht willig und geduldig leiden?

Die dritte Ursache ist: „Christus hat unsre Sünden selber geopfert an seinem Leibe auf dem Holze.“ Warum aber? dass wir hinfort in der Sünde beharren? Nein, keineswegs. Sondern: „dass wir, der Sünde abgestorben, der Gerechtigkeit leben.“ Da es nun auch zur Gerechtigkeit gehört, dass man die Schmach geduldig trage und nicht selber Rache nehme, so gebührt sich, dass wir solcher Gerechtigkeit hinfort nachleben und uns keineswegs an unsern Widersachern selber rächen sollen.

Die vierte Ursache ist, was Petrus aus dem Propheten Jesaias anführt: „Durch welches Wunden ihr seid heil geworden.“ Das heißt: Christus hat mit seinem Leiden und Sterben euch wiederum erquickt und so rein gemacht, dass Gott der Herr auch nicht den kleinsten Fehl und Flecken mehr an euch sehen, sondern euch für ganz heil und gesund halten will. Darum sollt ihr euch hinfort hüten und die Wunden nicht wieder aufreißen, sonst würde das Übel ärger werden, denn zuvor. Die Wunden werden aber wieder aufgerissen, wenn man sündigt und sich eigner Rache unterfängt. Darum sollt ihr solche und alle andre Sünde meiden.

Die fünfte Ursache ist: „Ihr wart wie die irrenden Schafe, aber ihr seid nun bekehrt zu dem Hirten und Bischof eurer Seelen.“ Der gute Hirte will uns hinfort ihm befohlen sein lassen. Darum sollen wir alle Schmach mit Geduld auf uns nehmen und der gewissen Zuversicht sein, dass solche uns nicht schaden, sondern uns vielmehr zum Besten gedeihen werde. Denn unser Herr Christus verheißt uns selber: „Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übels wider euch, so sie daran lügen, seid fröhlich und getrost, es wird euch im Himmel wohl belohnt werden“ (Matth. 5, 11). Hierbei, meine Geliebten, haben wir mit Fleiß zu bemerken, Petrus nennt Jesum einen Hirten und Bischof unsrer Seelen. Sollte er sich nun unsers Leibes nicht auch annehmen? Ja, gewisslich; denn Leib und Seele gehören zusammen. Wenn daher auch unser Leib mit mancherlei Plagen überfallen wird und am Ende gar zu Grunde gehen muss, so will doch Christus unser Leben also verwahren und behüten, dass Seele und Leib endlich zu ewiger Freude und Wonne erhalten werden. Er will den Leib am jüngsten Tag auferwecken, mit der Seele wieder vereinigen und mit ewiger Herrlichkeit zieren. Darum sollen wir uns aus wahrem Glauben diesem Hirten ergeben, uns seines Leidens und Sterbens trösten und darin die Vergebung unsrer Sünden suchen. Dann aber sollen wir seinem Exempel nachfolgen, uns nicht selber rächen, sondern alle Schmach mit Geduld tragen, und ihn dafür sorgen lassen, wie wir der Schmach wieder mögen entledigt werden. Gott, der Allmächtige, wolle uns hierzu seine väterliche Gnade und Hilfe verleihen! Amen.

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autoren/b/brenz/brenz_misericordias_domini.txt · Zuletzt geändert: von aj
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