Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die vierte Predigt. Auslegung der vierten Bitte.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die vierte Predigt. Auslegung der vierten Bitte.

Nun habt ihr bisher in den ersten dreien Bitten gehört, wie wir von Gott, dem Herrn, bitten und begehren, daß er uns geben wolle alles das, was dazu gehört, daß wir seine heiligen Gebote erfüllen, und uns in allem unserem Leben recht verhalten, beides gegen Gott und gegen die Menschen: daraus wir fein erkennen, daß wir Gottes Gebote aus eigenen Kräften ohne seine Gnade und Hülfe nicht erfüllen können.

Darum folgen hernach die andern vier Bitten, darin wir von Gott, dem Herrn, bitten und begehren, daß er geben wolle alles das, was uns im heiligen Evangelium vorgetragen und gepredigt worden ist, und wir durch den Glauben gefaßt und begriffen haben. Denn zuerst folgt darauf die vierte Bitte, darin wir bitten, daß uns Gott geben wolle alles das, was uns im ersten Artikel von der Schöpfung zu glauben vorgehalten wird, nämlich das wie er uns erschaffen hat, also auch erhalten und ernähren wolle; und lautet also:

Unser täglich Brod gib uns heute.

Auf daß ihr aber diese Bitte recht versteht, meine lieben Kinder, so bedenkt mit Fleiß, was ihr im ersten Artikel des Glaubens von der Schöpfung gelernt habt, nämlich das, dieweil Gott Himmel und Erde gemacht hat, so ist er auch Herr darüber, und muß Alles im Himmel und auf Erden ergehen, wie er will; und wie er's um unsertwillen gemacht hat, so muß es uns alles dienen. Darum sollen wir nicht sorgen um unser Leben, noch um die Nahrung des Lebens, sondern sollen Gott, dem Vater, der uns erschaffen und das Leben gegeben hat, von Herzen vertrauen, er werde uns unser Leben wohl behüten, und dazu geben, was wir bedürfen. Denn er ist der Schöpfer, so muß die ganze Welt thun, was er will; und wenn nicht genug vorhanden wäre, so kann er täglich mehr erschaffen, wie er denn auch treulich thut. Darum soll sich kein Mensch vermessen, daß er durch seine eigene Weisheit oder Geschicklichkeit sein Leben erhalten, oder seine Nahrung gewinnen könne, sondern er soll Gott, dem Vater darum vertrauen, der uns erhalten und ernähren will.

Und dieweil wir denn Solches glauben, meine lieben Kinder, so sollen wir auch fleißig darum bitten, und sprechen: unser täglich Brod gib uns heute; denn es ist Gott eine Ehre, und gefällt ihm wohl, wenn wir viel und oft von ihm bitten. Darum hat er uns auch geheissen Luc. 18,1., wir sollen ohne Unterlaß bitten, und zugesagt Joh. 14,13., was wir in seinem Namen bitten, das wolle er uns geben.

Aus diesen Worten ist auch gut zu verstehen, daß wir oft bitten sollen; denn Christus hat uns nicht um einen grossen Vorrath auf fünfzig oder zehn Jahre, ja auch nicht auf Ein Jahr oder Einen Monat, sondern allein auf den heutigen Tag bitten heissen, und wir sollen nicht, spricht er Matth. 6,34., sorgen für den andern Morgen; denn der morgende Tag wird für das Seine sorgen; es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Sorge hat. So wir denn nicht sollen sorgen für den morgenden Tag, sondern allein bitten: unser täglich Brod gib uns heute. so ist es gewiß, daß wir morgen wiederum bitten sollen; denn wir bedürfens morgen eben sowohl, als heute, und haben doch heute nicht um das morgende gebeten, sondern allein um das tägliche.

Darum sollt ihr, meine lieben Kinder, euch mit Fleiß gewöhnen, daß ihr oft und gerne betet; denn es gefällt Gott wohl, und er ist bereit, uns alles zu geben, was wir bedürfen, wenn wir ihm nur die Ehre thun, daß wir ihn darum bitten; besonders aber soll sich ein jeder Mensch zu beten gewöhnen, wann er sich niederlegt und wann er wieder aufsteht; wann er in der Kirche ist, und wann er zu Tische gelt; denn diese Zeiten sind besonders dazu verordnet, wie die Schrift hin und her mit Beispielen fein anzeigt.

Vor allen Dingen aber sollt ihr, meine lieben Kinder, bedenken, daß wir unser tägliches Brod nicht von uns selbst haben, und durch unsere Geschicklichkeit oder List überkommen können, sondern Gott, der Herr, gibts. Darum sollen wir Niemand betrügen, noch beschweren, denn solches alles hilft nichts zu der Nahrung, sondern schadet nur; und wenn es Gott schon eine Weile glücklich zugehen läßt, so hat es doch keinen Bestand, sondern Gott verhängt es allein darum, daß er solche Leute über eine Weile in desto grössere Schande, Armuth und Verderben kommen lasse.

Ihr dürft auch nicht gedenken, meine lieben Kinder, daß uns Gott, der Herr, allein ein Stück Brod und sonst nichts dazu geben wolle; denn er nennt hier das tägliche Brod alle Nothdurft, die zu diesem zeitlichen Leben gehört, als Essen und Trinken, Kleider und Schuh, Haus und Hof, Vieh und Aecker, Geld und Gut, fromm Gemahl, Kinder und Hausgesinde, wie der heilige Paulus spricht 1 Timoth. 6,17.: Er gibt uns allerlei reichlich zu geniessen. Er nennt es aber darum das tägliche Brod, auf daß er uns damit lehre und züchtige, daß wir uns an Wenigem, wie der tägliche Brauch ist, sollen begnügen lassen, und nicht zu grossen Ueberfluß und Pracht erzeigen, auf daß wir nicht unser Fleisch zu geil und muthwillig machen, und unnützlich anwenden das, damit wir den Armen helfen sollen; denn der heilige Paulus gebeut, daß die Christen arbeiten sollen, auf daß sie ihr eigenes Brod essen, und den Armen mittheilen. Das kann man nun leicht thun, wenn man sich an Wenigem begnügen läßt; wer aber zu köstlich leben will, der kann den Armen nicht viel Gutes thun, sondern wird vielmehr verursacht, den Armen das Ihre mit Betrug abzubringen, wie man denn sieht, daß die grossen Geizer und vollen Schlemmer, wie reich sie auch seyen, den Armen wenig Gutes thun.

Wir bitten auch in dieser Bitte nicht allein um die Nahrung, sondern auch um alles das, was dazu von Nöthen ist, daß wir unsere Nahrung genießen können, das ist, gutes Wetter, Gesundheit des Leibes, Frieden und Ruhe im Regiment, frommes Hausgesinde und getreue Nachbarn. Denn, wenn wir auch noch so lange das Feld bauen, und allerlei pflanzen und säen, wenn Gott nicht gutes Wetter dazu gibt, so kommt es nicht zu Früchten; und wer frank ist, der kann seine Nahrung und sein tägliches Brod auch nicht geniessen; denn es legt ihm nichts zu, wenn er schon alles genug hat, was sein Herz begehrt. Desgleichen, wenn Krieg ist, so kann man nichts vor den Feinden behalten, wenn man gleich viel hat, ja man kann es auch vor den Freunden nicht behalten, sondern man raubt, stiehlt, nimmt, schätzt, verdirbt, verwüstet und verbrennt alles dahin: und wenn schon Etwas übrig bleibt, so kann man es vor Sorgen, Schrecken und allerlei Unruhe nicht mit Liebe geniessen; und wenn schon Friede im Lande ist, so hilft es doch nichts, wenn Jemand ein untreues Gemahl oder böse, ungerathene Kinder, oder untreues Hausgesinde und Nachbarn hat; denn diese alle schmälern und entziehen uns das tägliche Brod, daß man zuletzt verderben muß. Solches alles treibt und verursacht der Satan; denn er ist ein solcher böser, giftiger Feind, daß er uns nicht allein durch Unglauben, Sünde und Irrthum gern um der Seele Seligkeit, sondern um Leib und Leben, Ehre und Gut bringen wollte; und es geschahe auch gemäß, wenn ihm Gott nicht wehrete. Darum sollen wir in dieser Bitte fleißig bitten, daß ihn Gott wehren, und uns unser tägliches Brod geben wolle, das ist, alles, was zur Nahrung gehört, und wolle uns vor allerlei bösen Krankheiten behüten, daß wir es mit gesundem Leib gebrauchen können, dazu auch durch feine, fromme, vorsichtige Obrigkeit beschützen und beschirmen, daß uns nichts mit Gewalt genommen oder sonst durch untreues Gesinde entzogen und verdorben werde.

Weiter sollt ihr, meine lieben Kinder, auch das mit allem Fleiß merken, das Niemand für sich selbst allein bitten soll; denn Christus, unser lieber Herr, hat uns nicht gelehrt zu sprechen: Gib mir mein täglich Brod, sondern gib uns unser täglich Brod, und eben desgleichen in den andern nachfolgenden Bitten.

Das geschieht darum, daß wir dadurch zu rechter brüderlicher Liebe geübt und gezogen werden; denn wir sind alle Sünder und von Natur Kinder des Zorns gewesen; aber unser lieber Herr Jesus Christus ist für uns gestorben, hat uns also Vergebung der Sünden erworben, und hat uns mit Gott, dem Vater, föhnet, und zu Gottes Kindern gemacht. Darum ist Gott nun unser Vater, und Christus, der Herr, unser Bruder, wir aber sind Gottes Kinder und Erben, Miterben Christi, und je Einer des Andern Bruder. So denn Gott unsern Nächsten also geliebt hat, so sollen wir ihn auch lieben, sonst bleibt die Liebe Gottes nicht in uns.

Dagegen sollen wir uns auch trösten, daß die ganze Christenheit für uns bittet, und alle geistlichen Güter, wie Christus, Himmelreich, Evangelium, Sakrament und Gebet unser Aller insgemein sind; denn, wer Etwas von Gott bitten will, der muß für uns auch bitten, und kann noch soll Niemand für sich allein bitten: das ist ein grosser Trost; denn wo so viele Leute einhellig bitten, da wird das Gebet gewiß erhört.

Das ist nun die Meinung und der rechte einfältige Verstand dieser vierten Bitte, nämlich Gott gibt das tägliche Brod wohl auch ohne unsere Bitte, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er es uns erkennen lasse, und wir mit Danksagung empfangen unser täglich Brod.

Das tägliche Brod aber ist alles, was zur Leibesnahrung und Nothdurft gehört, als Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Aecker, Vieh, Geld, Gut, fromm Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesinde, fromme und getreue Oberherren, gut Regiment, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und des gleichen.

Darum, meine lieben Kinder, merkt es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: wie verstehst du die vierte Bitte? so sollt ihr also antworten:

Gott gibt das tägliche Brod wohl auch ohne unsere Bitte, aber wir bitten in diesem Gebet, daß er es uns erkennen lasse, und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brod.

Und wenn man euch weiter fragt, was heißt denn das täglich Brod? so sollt ihr also antworten:

Alles, was zur Leibesnahrung und Nothdurft gehört, als Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Aecker, Vieh, Geld, Gut, fromm Gemahl, fromme Kinder, frommes finde, fromme und getreue Oberherren; gut Regiment, gut Wetter, Friede, Gesundheit Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und des gleichen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/brenz/brenz_kuk_auslegung_vaterunser_4.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain