Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die erste Predigt - Auslegung des ersten Gebots.

Brenz, Johannes - Katechismus oder Kinderpredigten - Die erste Predigt - Auslegung des ersten Gebots.

Wohlan, meine geliebten Kinder, auf daß ihr ja die zehn Gebote recht und wohl verstehen lernt, so sollt ihr zum Allerersten wissen, daß die zehn Gebote auf zwei steinernen Tafeln geschrieben gewesen sind: darum sind sie auch in zwei Theile getheilt. Auf der einen Tafel sind die ersten drei Gebote geschrieben gewesen, die Gott den Herrn betreffen, und uns lehren, wie wir uns gegen Gott, unsern Herrn, verhalten sollen im Herzen, in Worten und in Werken; auf der andern Tafel sind die andern sieben Gebote geschrieben gewesen, die den Menschen betreffen, und uns lehren, wie wir uns gegen die Obrigkeit und alle Menschen verhalten sollen, daß wir nicht ungehorsam seyen, auch Niemand einen Schaden thun, weder an seinem Leben, noch an seinem Gemahl, noch an seinem Gut, noch an seinen Ehren, noch an Allem, das er hat. Nun wollen wir jetzt das erste Gebot vor uns nehmen, und seine Auslegung hören, wie man es verstehen soll. Das lautet also:

Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst nicht andere Götter haben neben mir.

Dieß Gebot, meine lieben Kinder, lehrt uns, wie unser Herz gegen Gott stehen soll, nämlich also, daß wir den Herrn, der Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist, erschaffen hat, allein für unsern Gott in unserm Herzen halten, daß ist, wir sollen ihn über alle Dinge fürchten; denn er straft die Bösen; und sollen ihm von Herzen vertrauen; denn er ist wahrhaftig und getreu, und hält gewiß alles, was er redet und zusagt. Wir sollen ihn auch von ganzem Herzen lieb haben, denn alles Gute kommt von ihm, und wir habens doch nicht verdient, sondern er gibts aus lauter Gunst und Gnade.

Dagegen sollen wir sonst keine Kreatur in unserem Herzen für einen Gott halten, das ist, wir sollen kein anderes Ding weder im Himmel noch auf Erden so sehr fürchten, als Gott, unsern Herrn, wir sollen auch keiner Kreatur also hoch vertrauen, als Gott unserem Herrn; noch viel weniger sollen wir die Kreatur so herzlich lieb haben, als Gott, unsern Herrn; denn wenn wir irgend eine Kreatur im Himmel oder auf Erden also fürchteten, oder ihr also vertraueten, oder sie also lieb hätten, so hielten wir sie für unsern Gott, und machten also einen andern, fremden, falschen Abgott daraus: daß wäre dann eine grosse, gräuliche und erschreckliche Sünde wider das erste Gebot Gottes, die der Herr, der der rechte wahre Gott ist, ohne Zweifel nicht ungestraft ließe; denn er spricht: Ich bin der Herr, das ist mein Name, meine Ehre will ich keinem Andern geben; das ist, er will nicht leiden, daß man etwas anderes für einen Gott halte, oder demselbigen göttliche Ehre erzeige weder im Herzen, noch in Worten, noch in Werken.

Nun möchtet ihr Kinder also gedenken: Wie können wir andere Götter neben dem Herrn haben? ist doch sonst kein Gott mehr überall, denn nur allein der einige Gott und Herr, der Himmel und Erde erschaffen hat. Antwort: Ja freilich ist sonst kein anderer Gott, denn nur der Herr allein, das glaubt nur festiglich, meine lieben Kinder, und zweifelt nicht daran; aber nichts desto minder halten je zu Zeiten die ungottesfürchtigen, unverständigen Leute etwas für einen Gott, daß doch an sich selbst kein Gott ist, noch seyn kann, wiewohl sie solchen ihren Irrthum selbst nicht verstehen noch merken können. Denn gleichwie man oft einen Menschen für fromm hält, der doch nicht fromm ist, oder für reich, der doch nicht reich ist, oder für edel, der doch nicht edel ist: also hält man auch oft ein Ding für einen Gott, das doch nicht Gott ist; und dasselbige geht also zu.

Zum Ersten.

Wenn ein Mensch etwas anderes, denn Gott, den Herrn, also übel fürchtet, daß er gedenkt, wenn mir das widerwärtig und feind ist, oder wenn ich dem nicht entfliehen kann, so ist alles verloren mit mir, so weiß ich nicht, wo ich bleiben soll, so kann mir Niemand helfen, und dergleichen: so hält er gewiß dasselbige für einen Gott in seinem Herzen, wenn ers gleich mit dem Mund nicht also nennt, ja wenn ers gleich selbst nicht bedenkt oder versteht. Es soll aber nicht so seyn, sondern wir sollen also gedenken: Wohlan, wenn mir gleich die oder das widerwärtig und feind ist, oder wenn ich diesem oder jenem Unglück schon nicht entrinnen kann, ich will darum nicht verzagen, oder wegen Furcht unrecht thun; ist es doch kein Gott und kann mich nicht verdammen, ja es kann mir auch nicht ein Haar von meinem Haupt nehmen, ohne den Willen des Herrn, der der einige, rechte und wahre Gott ist; derselbige ist auch mein Gott, den will ich fürchten mehr, denn die Kreatur, und will recht thun. Muß ich Etwas um der Gerechtigkeit oder Unschuld willen leiden, so wird er mich wohl erretten, ja er kann mich auch wohl behüten, daß es nicht dazu kommt.

Zum Andern.

Wenn ein Mensch sein Vertrauen auf etwas anderes, denn auf Gott, den Herrn, also gar setzt, daß er gedenkt, wenn ich das habe, oder wenn mir das wohl will, so hat es keine Noth mehr um mich, so bedarf ich nichts mehr, so bin ich reich und selig, und dergleichen: so hält er gewiß dasselbige für einen Gott in seinem Herzen, wenn ers gleich mit dem Munde nicht also nennt, ja wenn ers gleich selbst nicht versteht. Das soll aber auch nicht seyn, sondern wir sollen also gedenken: Wohlan, wenn mir das gleich wohl will, oder wenn ich gleich dieß und das überkommen habe, so ist mir darum noch nicht geholfen; ist es doch kein Gott, kann mich auch nicht selig machen, noch aus Gottes Zorn erretten, sondern der Herr allein ist Gott. Wenn ich den erzürne, so kann er mirs wohl wieder nehmen und entziehen, oder kann sonst wohl machen, daß es mir nichts nütze ist, sondern nur Schaden bringt: darum soll man Gott den Herrn fürchten, und auf ihn allein vertrauen.

Zum Dritten.

Wenn ein Mensch etwas Anderes, denn Gott, den Herrn, also herzlich lieb hat, daß er um desselbigen willen alles gern und willig thut, was er nur thun kann, Gott gebe, es sey recht oder unrecht, so hält er gewiß dasselbige auch für einen Gott, wenn ers gleych mit dem Mund nicht also nennt. Das soll aber auch nicht seyn, sondern wir sollen also gedenken: Ei, warum wollte ich um dieses Dinges willen unrecht thun? ist es doch kein Gott, hat mich auch nicht erschaffen, kann mich auch nicht selig machen, oder von keinerlei Unglück erretten: darum will ich Gott mehr lieb haben, und auf seinen göttlichen Willen allein sehen, und ihm gehorsam sein.

Da seht ihr nun fein, meine lieben Kinder, wie man auf diese drei Weisen, nämlich mit Fürchten, Vertrauen und Lieben ein Ding für einen Gott hält, und zu einem falschen Abgott macht, das doch an sich selbst kein Gott ist. Das ist aber eine grosse, schwere und gräuliche Sünde wider das erste Gebot des Herrn: das sollt ihr mit allem Fleiß merken, und euch davor hüten; und damit ihr es desto besser verstehen könnt, will ich euch auch etliche Beispiele dazu geben.

Etliche Menschen fürchten das Gestirn so sehr. Wenn sie bedünkt, oder wenn sie von andern Leuten hören, es zeige oder drohe ein künftiges Unglück, so haben sie keine Hoffnung, daß sie Gott davor behüten und erretten werde, sind so verzagt, daß sie nicht wissen, was sie thun sollen. Etliche halten dafür, wenn die Sonne oder der Mond, oder ein anderer Planet in diesem oder in jenem Zeichen ist, soll man dieß oder das nicht anfangen, es sey unglückbringend, fangen nichts Neues an; denn sie glauben, es werde nicht wohl hinausgehen; und ist solches Aberglaubens viel unter den Leuten. Diese Leute alle halten das Gestirn und die Zeichen am Himmel für Götter, gleichwie vor Zeiten die Heiden auch thaten. Aber der heil. Prophet Jeremias warnt uns davor, und verbeuts uns, denn er spricht (Jerem. 10,2.): Ihr sollt euch vor des Himmels Zeichen nicht fürchten, wie die Heiden sich fürchten, denn der Heiden Götter sind lauter nichts.

Desgleichen fürchten sich etliche so übel vor den Tyrannen, daß sie um ihretwillen Gottes Wort und die Wahrheit nicht bekennen, sondern verleugnen und verlästern dieselbige. Solche Leute halten die Tyrannen für ihre Götter, denn sie meinen, wenn sie ihre Gunst haben, so stehe ihre Sache überall recht. Aber David warnt uns davor, und spricht Psalm 146,2.: Verlaßt euch nicht auf Fürsten, auf ein Menschenkind, er kann doch nicht helfen; denn sein Geist muß ausfahren und er wieder zu seiner Erde kommen: alsdann sind verloren alle seine Anschläge.

Etliche Menschen setzen alles ihr Vertrauen auf Gut und Geld, und meinen, wenn sie reich seien, so haben sie alles, was sie bedürfen: darum werden sie geizig, reißen und kratzen, schinden und schaben, wo sie können und mögen. Solche Leute halten das Geld für ihren Gott. Der heilige Paulus aber warnt uns davor, und spricht Colosser 3,5: Wir sollen den Geiz abthun; denn es sey eine Abgötterei.

Desgleichen setzen etliche Menschen alles ihr Vertrauen auf ihre eigenen Werke, und meinen, sie wollen ihre Sünde damit bezahlen, Gottes Zorn versöhnen, fromm, gerecht, heilig und selig dadurch werden. Solche Leute halten ihre eignen Werke für ihren Gott. Das ist aber die größte Abgötterei auf Erden, und eine Verleugnung des Glaubens an Christum, wie ihr denn hernach vom Glauben fein hören und lernen werdet.

Etliche Menschen haben ihren Bauch so lieb, daß sie Fressen und Saufen, und alles, das dem Leib wohl thut, für die größte Seligkeit halten, also daß sie um desselben willen Gott verachten und sein gar vergessen. Solche Leute halten den Bauch für ihren Gott, wie der heilige Paulus Phil. 3,19. sagt von denen, die das Evangelium um ihres Nutzens willen unrecht predigen; denn er spricht: Der Bauch ist ihr Gott und ihre Ehre wird zu Schanden.

Aus diesen Beispielen könnt ihr nun fein verstehen und merken, meine lieben Kinder, wie man mit Fürchten, Vertrauen und Lieben ein Ding für einen Gott hält, das doch in der Wahrheit kein Gott ist, sondern man macht einen falschen Abgott daraus, und sündigt also schwer wider das erste Gebot: davor sollen wir uns fleissig hüten.

Aber über dieß alles ist noch eine Weise, da man auch aus dem rechten wahren Gott einen falschen Abgott macht. Das geschieht, wenn wir Gott anders in unserm Herzen bilden, denn er ist, oder anders von ihm halten, denn wie er uns durch sein Wort gelehrt und befohlen hat, wie wenn wir glauben, er mache einen Menschen in der Mönchskutte lieber selig, denn in einem andern ehrbaren Kleide, oder lasse sich den Gottesdienst wohlgefallen, den er doch selbst nicht geheissen noch befohlen hat. Solcher Aberglaube oder falscher Wahn macht auch aus dem rechten Gott einen Abgott, und ist auch eine gräuliche Sünde wider dieß erste Gebot. Davon aber werdet ihr in andern Predigten zu seiner Zeit mehr hören.

Darum, meine lieben Kinder, Hütet euch mit allem Fleiß, daß ihr keinen andern Gott in eurem Herzen habt, sondern laßt den Herrn euren Gott seyn; denn er wills auch gern thun. Darum spricht er: Ich bin der Herr, dein Gott, das ist, ich bin euer Herr und euer Vater, und wills auch gern seyn, und will euch alles Gute thun; allein fürchtet mich als einen Herrn, und seyd mir gehorsam, vertrauet mir, und ruft mich an, und habt mich lieb als euren Vater.

Wir sollen zwar den Herrn von Herzen fleissig darum bitten, daß er unser Gott seyn wolle; aber er ist so gnädig und freundlich, daß er uns zuvorkommt, ehe wir ihn darum bitten, und spricht: Siehe, ich bin dein Gott, und will's auch gern seyn; haltet mich nur dafür. Wenn er aber spricht: Ich bin dein Gott, so ist's eben so viel gesagt, als spräche er: Ich will dir alles Gute thun. Was dir anliegt, das klage mir, so will ich dir helfen; und was du bedarfst, das bitte und begehre von mir, so will ich dirs geben. Das sollt ihr, meine Kinder, mit allem Fleiß merken und in das Herz bilden, so werdet ihr Gott, den Herrn, über alle Dinge fürchten, lieb haben und ihm vertrauen. Denn das ist die Meinung und der rechte Verstand dieses ersten Gebotes, daß man Gott den Herrn über alle Dinge fürchten und lieb haben, und ihm vertrauen soll.

Darum, meine lieben Kinder, merket es mit Fleiß, und wenn man euch fragt: Wie verstehest du das erste Gebot? so sollt ihr also antworten:

Wir sollen Gott den Herrn über alle Dinge fürchten und lieben und ihm vertrauen.

Beschluß zu einer jeden Predigt über die zehn Gebote.

Also habt ihr, meine lieben Kinder, den rechten, allgemeinen, einfältigen Verstand dieses ersten (oder andern, oder dritten u. rc.) Gebotes: den sollt ihr mit allem Fleiß merken, und Gott den Herrn von Herzen fürchten, daß ihr dieß Gebot nicht übertretet; denn was er gebeut, das ist recht, gut und heilig, was er aber verbeut, das ist unrecht, Sünde und Schande. Er will aber ernstlich, daß man seine Gebote halte, und nicht verachte; denn er spricht 2 Mos. 20, 5.: Ich der Herr, dein Gott, bin ein starker eifriger Gott, der über die, so mich hassen, die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied; aber denen, so mich lieben und meine Gebote halten, thue ich wohl ins tausende Glied; das ist: Gott drohet zu strafen alle, die diese Gebote übertreten. Darum sollen wir uns fürchten vor seinem Zorn, und nicht wieder solche Gebote thun. Er verheisset aber Gnade und alles Gute allen, die solche Gebote halten. Darum sollen wir ihn auch lieben und ihm vertrauen, und gerne thun nach seinen Geboten.

Darum, meine geliebten Kinder, sollt ihr Gott fürchten und seine Gebote mit Fleiß halten, um Gnade und Hülfe bitten, daß ihr es auch thun könnt; denn die Furcht des Herrn ist ein Anfang aller Weisheit, und macht fromme, geschickte Leute, die Gott wohlgefallen und andern Leuten auch nütze seyn können. Daraus folgt denn Friede und Ruhe, Ehre und Gut und gute Tage, wie ihr am Anfang gehört Habt. Und wenn wir also in Gottes Gehorsam und rechtem Glauben verharren bis an das Ende, so gibt uns Gott das ewige Leben dazu. Das verleihe uns Gott allen, Amen.

(Dieser Beschluß soll zu einer jeden Predigt, insonderheit nach der Frage und Antwort am Ende gelesen werden, so lange man von den zehn Geboten predigt. Und wie die erste Predigt von den zehn Geboten angefangen und beschlossen ist, also sollen die andern auch angefangen und beschlossen werden.)

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