Brenz, Johannes - IX. Am Erscheinungsfest über Matth. 2, 13-18.
Im heutigen Evangelio, meine Geliebten in Christo, hören wir, wie die Weisen aus Morgenland gekommen, Jesum, das neugeborene Kindlein, zu suchen und anzubeten, und wie dann Gott durch einen Traum sie gewarnt habe, dass sie nicht wieder zu Herodes kehren, sondern auf einem andern Weg in ihr Land ziehen sollten. Lasst uns jetzt mit Gottes Beistand hören, was nach ihrer Heimkunft sich zugetragen. V. 13-18. Wenn wir nun diese Geschichte hören, scheint es unsrer Vernunft ganz wunderlich. Wie? Wie mochte dieses Kindlein, das ein Herr Himmels und der Erde, sich vor einem irdischen König fürchten und flüchten? Warum wurde Herodes nicht durch einen Blitz erschlagen oder durch eine Pestilenz getötet? Oder warum hat das Kind sich nicht selber unsichtbar gemacht und ist im Lande geblieben? Warum hat es sich nicht mit seiner göttlichen Allmacht wider den Tyrannen gewehrt?
Zum andern erscheint uns auch das wunderlich, dass dem Herodes erlaubt war, die armen Kindlein zu Bethlehem umzubringen. Warum wurden diese nicht auch sicher verwahrt? Selber fliehen, aber die armen Kindlein den Würgern überlassen soll das treulich und ehrlich gehandelt sein? Und wenn die Kindlein auch nicht verschont werden sollten, warum die frommen Eltern nicht wenigstens vor der Flucht ins Ausland, ins Elend? Wiewohl wir keineswegs vorwitzig sein, noch nach den Geheimnissen Gottes in seinen Werken grübeln sollen, so will der Herr doch, dass wir nach den Dingen forschen, die er in dieser Welt hat wollen offenbar machen. Nun will er aber, dass aller Welt offenbar werde, welche Gestalt es habe mit seinem Reich hienieden. Hierzu dient denn auch die Geschichte von der Flucht Christi nach Ägypten. Darum dürfen wir billig nach Antwort auf jene Fragen suchen.
Dass Jesus geflohen ist, hat er aus Gehorsam gegen den Willen seines himmlischen Vaters getan. Denn Gott hatte durch den Propheten Hosea (11, 1) gesprochen, sein Sohn müsse in Ägyptenland ein Fremdling werden. Darum nahm's Jesus auf sich, und hat uns ein Beispiel gegeben, dass wir zu aller Zeit in den Willen Gottes uns ergeben sollen, auch wenn wir keine Ursache dieses Willens zu sehen vermögen. Alle Trübsal, womit er uns begnadigt, sollen wir ohne Weigerung auf uns nehmen. dass aber Christus flieht und dem Herodes in seinem tyrannischen Wüten Fortgang gestattet, tut er darum, dass er hiermit anzeige, wie er nicht in diese Welt gekommen sei, die Menschen zu plagen und zu verderben, sondern ihnen Raum zur Buße zu lassen; ein sanftmütiger und barmherziger, nicht ein zänkischer und grausamer Christus. Zeit genug ließ er auch dem Herodes zur Buße. Dass Jesus sich selbst in Sicherheit bringt und lässt die armen Kindlein ermorden, hat freilich einen unfreundlichen Schein, ist aber nichtsdestoweniger nach Gottes Rat und Schickung geschehen. Denn es musste die Schrift erfüllt werden: Jerem. 31, 15. Zudem hat Gott der Herr mit dem Unglück der Kinder die Zeit der Geburt seines Sohnes bezeichnen wollen, damit man sagen könne, damals sei Christus geboren worden, da Herodes König gewesen und die Kindlein zu Bethlehem jämmerlich habe ermorden lassen. Gleichwie in einer Schlacht viele Leute erschlagen werden, auf dass die, so am Leben bleiben, des Sieges sich freuen, so wurden hier viele Kindlein ermordet, damit dieses Kindleins Geburt zu aller Freude bekannt würde. Auch haben diese Kindlein dadurch keinen sonderlichen Nachteil erlitten, sondern es ist ihnen alles überflüssig wieder erstattet worden, was sie um Christi willen erduldet haben. Sie hätten ihr Leben nicht teurer verkaufen können, wenn sie gleich hundert Jahre wären alt geworden; denn sie sind Blutzeugen der Geburt Christi, haben einen großen Namen in der Kirche und das ewige Leben in Christo Jesu, unserm Herrn. Was aber die Eltern Jesu anlangt, so sind ihre Beschwerden auch nicht vergeblich gewesen. Im voraus wurde damit angedeutet und gezeigt, dass, je näher einer unserm Herrn Christo stehe, desto mehr habe er in dieser Welt zu bestehen. Solches aber sollen wir uns nicht bekümmern lassen, dass wir dadurch wollten von Christo abfallen, sondern sollen uns dessen getrösten und freuen, dass Christus diese Welt überwunden habe und wolle alle gegenwärtige Trübsal mit ewiger Freude und Seligkeit belohnen. Amen.