Brenz, Johannes - Am 1. Sonntag nach Trinitatis über 1. Joh. 4, 16-21.
Diese Epistel ist uns sehr heilsam und soll von uns mit allem Fleiß wohl gemerkt werden, sintemal wir darin gründlich unterrichtet werden, ob wir Gott den Herrn auch wirklich lieb haben, oder ob wir ihm feind seien? Wollen wir doch alle dessen gerühmt sein, dass wir Gott lieben, sagen auch: Wie? sollte ich Gott feind sein, der das höchste Gut selber ist? Des wird mich niemand überreden können. Doch tragen wir daneben Neid, Zorn und Unwillen wider unsern Nächsten, und toben wider diejenigen, die aus Gottes Wort unsre Sünden vorhalten. Ja, nicht wenige rühmen sich: Gottes Freund und aller Welt Feind. Aber näher bei Licht besehen, ist es lauter Nichts. Denn es ist nicht möglich, dass einer Gott den Herrn sollte lieb haben, wenn er seinen Nächsten nicht liebt. Hiervon will uns St. Johannes Bescheid geben und klärlich anzeigen, dass, wer Gott liebe, unmöglich seinem Nächsten könne feind sein. Er sagt nämlich: „Gott ist die Liebe.“ Davon sagt er kurz vor Beginn der heutigen Epistel: „Daran ist erschienen die Liebe Gottes gegen uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, dass wir durch ihn leben sollen, das heißt, zur Versöhnung für unsre Sünden.“ Und dazu solches, da wir noch seine Feinde waren, denn nicht wir haben Gott geliebt, sondern er hat uns zuerst geliebt. Hierdurch hat er seine Liebe gegen uns am allermeisten gezeigt, dass er seinen Sohn gesandt, auf dass er für uns, die wir seine Feinde waren, ein Opfer und Versöhnung unsrer Sünden würde. Nachdem nun genugsam bewiesen, dass Gott die Liebe selber sei, so folgt hieraus ohne alles Widersprechen, dass ein jeder, der seinen Nächsten nicht liebt, auch Gott nicht zu erkennen und noch viel weniger zu lieben vermöge. Demnach ist es eitel Lüge, wenn sich die Leute rühmen, Gottes Freunde zu sein, derweil sie Hass und Neid gegen ihren Nächsten tragen. Sie haben gar keinen Gott; und wo der nicht ist, da muss der Teufel selber wohnen. Wie kann ein solcher Mensch nun schlafen und Ruhe haben? Ach, das ist ein grausamer Handel, wüsste nicht, was noch Schrecklicheres könnte gesagt werden. Denn der Teufel muss in dem sein, der seinen Nächsten hasst. Es haben viele den Brauch an sich, dass sie, wenn sie schlafen gehen wollen, mit dem Zeichen des heiligen Kreuzes sich segnen, damit sie die Nacht über vor dem Teufel sicher seien, und es mag dies, wofern es nicht aus Aberglauben oder bloßer Gewohnheit geschieht, wohl hingehen. Aber, wenn du dich in Neid und Hass niederlegst, so ist der Teufel mit dem Zeichen des Kreuzes noch nicht vertrieben: du musst den Hass niederlegen. Wie mögen wir dahin kommen, dass wir Gott den Herrn sehen und dem erschrecklichen Anblick des Teufels entrinnen? Wir sind sehr vorwitzig, dem Philippo gleich: „Herr, zeige uns den Vater.“ Nun, so lasst uns eine rechtschaffene Liebe gegen unsern Nächsten üben; denn Gott ist die Liebe; wer also die Liebe gegen seinen Nächsten an ihm sieht, der sieht alsbald auch Gott selber. Und wer den Teufel nicht sehen will, der lege den Neid und Unwillen wider den Nächsten von sich; denn wer Neid und Hass trägt, der sieht nicht allein den Teufel, sondern trägt auch desselbigen Ebenbild bei sich. Endlich bringt Johannes noch einen Beweis: „Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?“ Das ist: wer seinen Nächsten, der nach dem Ebenbild Gottes erschaffen ist, hasst, kann Gott den Herrn, als den Schöpfer selber, auch nicht lieb haben. Salomo sagt: „Wer dem Geringen Gewalt tut, der lästert desselben Schöpfer; aber wer sich des Armen erbarmt, der ehrt Gott.“ Darum ist es unmöglich, dass du wolltest Gott lieb haben, dem Nächsten aber feind sein. Die Liebe Gottes und des Nächsten müssen beisammen sein und lassen sich keineswegs trennen. Darum sehe jedermann zu, dass er sich nicht selber betrüge. Sondern wir müssen Eins tun, nämlich eine rechte Liebe aus rechtem Glauben an Christum mit Hilfe des Heiligen Geistes an uns nehmen, auf dass Gott in uns sei und wir in ihm seien, und durch seinen Sohn Jesum Christum zum ewigen Leben erhalten werden. Amen.