Brenz, Johannes - Am 1. Sonntag des Advents über Röm. 13, 11-14.
Nachdem diese gegenwärtige Zeit bis zum heiligen Christtag nach altem löblichen Brauch der Advent oder die Zeit von unsers lieben Herrn Christi Zukunft genannt wird, will es sich gebühren, dass wir solche Zeit dahin brauchen, uns darin der schönen, herrlichen Verheißung von Christo erinnern zu lassen, wie auch im heutigen Evangelio geschieht. Es ist aber nicht genug, diese Zusage zu hören, sondern hoch daran gelegen, dass wir lernen und erkennen, wie wir zu dieser Zeit, da Christus allbereits gekommen und sein teures Evangelium in der ganzen Welt hat predigen lassen, uns halten und unser Leben einrichten. sollen, damit wir mit gutem, ruhigem Gewissen fortan auch auf seine Wiederkunst warten können. Hierzu dient uns die heutige Epistel, in welcher St. Paulus den Römern zuruft: „Unser Heil ist jetzt näher, denn da wir es glaubten;“ als wollte er sagen: Vorzeiten war alles dunkel und verborgen, was man von Christo sagt und lehrt, und war selbige Zeit der Nacht gleich, in welcher man nicht so hell sehen kann, als am Tage; denn man musste sich allein mit der bloßen Verheißung und dem Opfer behelfen. Jetzt aber ist die Nacht vergangen; Christus, das wahre Licht und die helle Sonne, ist nun vorhanden und hat sich selber samt allen seinen Gütern uns geoffenbart. Darum will sich's fortan nicht mehr schicken, dass wir wollten in der Finsternis wandeln, sondern lasst uns vielmehr die Werke der Finsternis ablegen und dagegen anziehen die Waffen des Lichts! Mit diesen Worten will Paulus denen, die im alten Bund gelebt, nichts benommen haben, denn diese haben aus ihren Predigten und Sakramenten gleichfalls nicht geringen Nutzen gehabt. Doch aber ist das Heil und die Wahrheit jetzt nach der Zukunft Christi weit heller und voller, denn im alten Testamente, wie solches das Gleichnis von Tag und Nacht dartut. Denn bei Nacht zündet man Kerzen an, dass man sehen möge, und ist doch nicht aller Dinge hell; man sieht wohl, was man sehen will, aber nicht ganz so, wie es an ihm selber ist. Wenn es aber Tag wird und die Sonne hell scheint, da ist alles offenbar, da sieht man alle Dinge vollkommen. Also, will Paulus sagen, ist das alte Testament und die Zeit vor der Ankunft Christi die Nacht gewesen, in welcher die Verheißungen von Christo Lichter waren, dabei man etwas sehen konnte und daraus man das Heil und die Seligkeit lernen sollte. Jetzt aber ist es heller Tag. Zwar die Gottlosen sind blind und verschließen mutwillig ihre Augen, sie bleiben in der Finsternis für und für. Allein für die Frommen ist es durch Christi Kommen heller Tag geworden, denn wer auf die Predigt des Evangelii achtet, vor dem liegt alles hell und klar. Christus steht als die Sonne am Himmel. Wohlan, was will sich gebühren an solchem hellen Tage zu tun, wie muss unser Leben sein? Lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts; lasst uns ehrbar wandeln als am Tage.“
Hier ist zu bedenken, was die Werke der Finsternis seien? Erstlich: „nicht in Fressen und Saufen.“ Der Apostel meint hiermit alle Völlerei, welche den Christen durchaus nicht ansteht. Die Völlerei ist ein Werk der Finsternis, denn wer damit umgeht, darf sich vor ehrlichen Leuten nicht sehen lassen, er muss sich verkriechen und seines schändlichen Lebens selber schämen. Mehr noch aber müssen die Fresser und Säufer das Licht des Gerichtes Gottes scheuen und fliehen und werden dereinst um solches Lasters willen in den Abgrund der Hölle geworfen und des Lichtes der ewigen Seligkeit beraubt sein. Zum andern heißt St. Paulus die Kammern und Unzucht, das ist, Hurerei und Ehebruch, ein Werk der Finsternis, denn, welche damit umgehen, die scheuen das Licht. Nun aber ist es jetzt für und für Tag: es heißt wie Psalm 139, 8: „Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mir in die Hölle, siehe, so bist du auch da.“ Darum will sich gebühren, dass wir das Finstere hinlegen und wandeln in Zucht, Ehrbarkeit und Keuschheit. - Zum dritten sind Hader und Neid auch ein Werk der Finsternis, denn sie können weder der ehrlichen Leute, noch des göttlichen Gerichtes Licht erleiden. Den haberischen1) und neidischen Leuten sind alle Menschen feind, niemand hat gern mit ihnen zu tun, man flieht und meidet sie; es steht auch Gottes Urteil da, das solche Leute in die ewige Finsternis verstößt. Darum sollen wir derartige Werke meiden und ablegen.
Wie aber, so höre ich sagen, nach St. Pauli Meinung dürfen wir also weder essen noch trinken, noch schlafen, noch das Unsre mit Recht und Billigkeit fordern? Was würde daraus werden? Will denn der Apostel gar ein Kloster aus der Welt machen? Antwort: Wartet des Leibes, doch also, dass er nicht geil werde.“ Das heißt: Ja, ihr mögt wohl essen und trinken, schlafen und andre ordentliche, gebührliche Händel ausrichten, doch also, dass ihr euch darin nicht versündigt, noch dem Leib Ursache gebt, dass er geil und frech werde. Aber wie soll das geschehen? Paulus sagt: Wenn ihr euch der Sünde werdet widersetzen, die Werke der Nacht ober Finsternis ablegen und den Herrn Christum anziehen. Wie zeucht man aber Christum an? Erstlich durch den Glauben, dass man an ihn glaube, wie er unsre Sünde gebüßt habe. Zum andern also, dass man seinem Exempel nachfolge und seiner Tugend nachstrebe. Er hat ein ganz vollkommenes Leben geführt, hat allen Menschen Gutes getan; da er geschlagen ward, hat er nicht wiederum geschlagen, hat auch keinen Hass und Neid getragen. Also sollst du auch tun, o Christ, und bis zur andern Zukunft des Herrn Jesu Christi dich in diesen and andern Tugenden aus rechtem Gehorsam mit Hilfe des heiligen Geistes treulich üben, auf dass du, so du dich hier auf Erden seines ehrlichen Wandels aus rechtem Glauben annimmst, auch in jener Welt mit ihm ewiglich regieren mögest. Das wolle er uns durch seinen heiligen Geist gnädig verleihen! Amen.