Bogatzky, Carl Heinrich von - Zweite Abtheilung
Von dem heiligen Vater Unser, wie sich die Gläubigen dadurch zum kindlichen Vertrauen erwecken sollen.
Damit wir Gottes Vaterherz desto besser erkennen, und desto vertrauter mit ihm umgehen, oder recht kindlich und zuversichtlich beten, so haben wir auch noch das heilige Vater Unser zu betrachten, und durch alle Bitten, sonderlich aber durch den Eingang desselbigen uns im Glauben und Vertrauen zu stärken.
Jesus Christus, der liebe Sohn des Vaters, den uns der Vater selbst gesandt hat und der sein Vaterherz am besten kennt, tritt nun selbst vor uns und lehrt uns beten. Er macht uns selbst so zu sagen die Suppliken und Bittschriften. Das kann uns schon kräftig im Glauben stärken, daß wir recht gläubig und kindlich beten, da wir wissen, daß uns Gott gewiß erhören werde. Wir bitten ja da nach dem Willen und Herzen Gottes, denn er, unser Heiland, und der Vater sind Eins, Eines Wesens und Willens, und da heißt es nach 1 Joh. 5, 14. 15: „Das ist die Freudigkeit, die wir haben zu ihm, daß, so wir etwas bitten nach seinem Willen, so höret er uns. Und so wir wissen, daß er uns höret, was wir bitten, so wissen wir, daß wir die Bitte haben, die wir von ihm gebeten haben.“ Wenn Christus, der Sohn des lieben Vaters, uns selbst ein Modell vorschreibt, die Worte selbst in den Mund legt und sagt, was wir bitten sollen, wie können wir zweifeln, daß wir nicht erhöret würden? Er schreibt uns ja auch nicht nur die Worte vor, sondern wirket auch durch seinen Geist, als den rechten Betmeister, als den Geist der Gnaden und des Gebets, daß wir die Worte ihm von Herzen nachsprechen können, und da betet der heilige Geist selbst in und durch uns, oder hilft unserer Schwachheit auf; denn mit den Worten des heiligen Vater Unsers, als dem süßesten Evangelio, gibt uns Christus auch zugleich den heiligen Geist, weil das Wort mit dem heiligen Geiste stets verbunden ist. Das stärket wieder den Glauben.
Und wenn wir bedenken, alle die Sachen, um die uns Christus bitten heißt, sind lauter solche Sachen, die er uns schon erworben, auch immer noch selbst vom Vater erbittet, und also mit und für uns betet, all' unser Gebet in sein Gebet mit einschließt, aber auch Alles vom Vater schon für uns empfangen hat, ja es uns als der Herr über das Haus Gottes selbst mittheilet, so stärket das noch mehr den Glauben, daß wir im Allergeringsten an der Erhörung nicht zweifeln dürfen. Denn wie kann der Vater uns oder seinem Sohne selbst etwas abschlagen, das er uns schon erworben hat, und auch noch erbittet? Wir halten ja da dem Vater seines Sohnes, das ist, seine eigenen Worte vor, um was er uns selbst bitten heißt. Wenn ein König einem armen Unterthanen selbst sagte, was er in seine Supplik setzen sollte, würde da der arme Unterthan zu einem solchen Könige nicht ein zuversichtliches Herz fassen? Nun, unser Gott schreibt uns mehrmals vor, was wir bitten sollen, wie sonderlich Hos. 14, 3. 4., und Joel 2, 17. zu sehen ist. Da wird an beiden Orten ein Gebet vorgeschrieben, und dem Volke Gottes in den Mund gelegt, was sie bitten sollen; und das geschiehet nun auch im heiligen Vater Unser. Da können wir ja auch sagen, Ps. 27, 8.: Mein Herz hält dir vor dein Wort. Ich soll um Dieß und Das, Um die Heiligung deines Namens, um die Zukunft deines Reichs rc. bitten, darum bitte ich nun auch jetzt um dasselbige, so wirst du es mir ja auch gewiß geben und nicht versagen, wie eben David Ps. 27, 8. 9. sagt: Mein Herz hält dir vor dein Wort, ihr sollt mein Antlitz suchen, darum suche ich auch, Herr, dein Antlitz. Verbirge dein Antlitz nicht vor mir, und verstoße nicht im Zorn deinen Knecht.
Das gibt, schreibt der selige Herr Dr. Anton, eine große Erweckung und Stärkung, daß ich gedenke: So hat mir's Christus vorgesprochen, wenn ich es nun von Herzen nachspreche, so kann ich versichert sein, daß das wird genehm gehalten werden. Da kann man eben an dem Exempel, als an einem Beispiele erkennen, warum der Geist Jesu Christi heiße unser Betmeister, der uns die Gebete im Herzen macht, wirkender Weise, und ist so zu reden der Requetenmeister (Bittschriftenmeister). Da kann man dem Vater, Sohn und heiligen Geiste in's Herz sehen, wie sie beim Beten an uns, in uns, und durch uns zu wirken und zu schaffen haben, wie sich da die heilige Dreifaltigkeit zu uns herabläßt! Lieber Gott! ist das nicht eine Ehre! Alle Heiligen zusammen können nicht sagen, daß sie das werth seien.
Der Eingang.
Gehen wir nun das Gebet selbst an, so heißt bald das erste Wort, so uns Christus in den Mund legt: Vater, Vater unser. Mit diesem im Glauben genannten Vaternamen greifen wir bald Gott in sein Vaterherz, und können es ihm nehmen und gewinnen, wie es im Hohenliede Cap. 4,9. heißt: Du hast mir das Herz genommen, liebe Schwester, mit deiner Augen einem, und mit deiner Halsketten eine. Das ist, mit dem Auge und dem Golde des Glaubens, der sich zuversichtlich an das Wort Vater hält, und auf dieses Wort recht kindlich betet, oder mit Gott redet, als ein Kind mit seinem Vater und seiner Mutter. Wir sollen also bei unserem Gebet alle ängstliche, furchtsame und ungläubige Gedanken fahren lassen, und uns nichts als das erbarmungsvolle, liebreiche Vaterherz Gottes vorstellen und glauben, wir, reden mit unserem durch Christum vollkommen ausgesöhnten, lieben Gott und Vater, der unendlich mehr Liebe, Geduld und Langmuth gegen uns hat, als alle Väter zusammen in der Welt haben können. Wir sollen glauben, wir reden mit einem Vater, der unser Heil mehr liebt, als wir selbst, der auch besser versteht, als wir, was uns, seinen armen Kindern, nützlich ist, und der das uns Alles gerne, ja viel lieber geben will, als wir es begehren. Finden wir eine Begierde nach diesen und jenen Gaben, er hat unendlich mehr Begierde, sie uns zu geben; denn diese Begierde ist auch eine Gabe von ihm, dem Vater des Lichts, er hat sie selbst in uns gewirkt, selbst uns gereizet zu bitten, selbst unser Herz und Hände nach seinen uns dargereichten Gaben ausgestreckt, wie sollte er sie uns nicht geben, oder wie sollte er, was er mit einer Hand uns reicht, mit der andern selbst zurückziehen?
Da Christus uns selbst den Vaternamen bald zuerst an's Herz und in den Mund leget, so sollen wir auch Gott keinen andern diesem entgegenstehenden Namen geben, sondern uns an den Vaternamen, an das Vaterherz halten und auch Gott dabei im Gebet des Glaubens halten, da er sich gerne dabei will halten lassen, und seinen Vaternamen nicht verleugnen, noch sein Vaterherz ablegen kann.
Wir sollen uns also nach der Erklärung Lutheri durch den von Christo selbst in Mund gelegten Vaternamen locken lassen, zu glauben, daß Gott unser rechter Vater, und wir seine rechten Kinder sind, denn er hat uns den Vater versöhnt, sein Vaterherz wieder zu uns geneigt und das Recht der Kindschaft erworben, und auch in der heiligen Taufe schon in den völligen Besitz, Gebrauch und Genuß dieses Rechts gebracht, und es weiset Christus mit diesen Worten eben auch auf den Vorzug des neuen Testaments vor dem alten. In dem alten Testament kam der Vatername nicht so öfters vor, und die Gläubigen des alten Bundes waren gegen uns im neuen Bunde nur fast wie Knechte anzusehen, hatten noch viele knechtische Furcht, oder doch noch einen knechtischen Geist, aber jetzt im neuen Bunde heißt es nach Röm. 8, 15-17.: „Ihr habt nicht einen knechtlichen Geist empfangen, daß ihr euch abermal fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater! Derselbige Geist gibt Zeugniß unserem Geist, daß wir Gottes Kinder sind. Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben, und Miterben Christi rc.“ Wohin auch die Worte Galat. 4, 4-7. gehen: „Da aber die Zeit erfüllet ward, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weibe, und unter das Gesetz gethan, auf daß er die, so unter dem Gesetz waren, erlösete, daß wir die Kindschaft empfingen. Weil ihr denn Kinder seid, hat Gott gesandt den Geist seines Sohnes in eure Herzen, der schreiet: Abba, lieber Vater! Also ist nun hie kein Knecht mehr, sondern eitel Kinder. Sind's aber Kinder, so sind's auch Erben Gottes durch Christum.“ Und so heißt es auch 2 Tim. 1, 7.: „Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, und der Liebe, und der Zucht“
Christus hätte bald anfänglich, wie der selige Herr Prof. Franke hieven schreibt, andere Worte gebrauchen und etwa sagen können: Du ewiger, lebendiger, heiliger und herrlicher Gott, und es wäre gar nicht unrecht gewesen und ist auch nicht unrecht, wenn wir jetzt unsern Gott so nennen. Aber da unser Heiland keiner dieser göttlichen Eigenschaften gedenket, sondern nur sagt: Unser Vater, der du bist im Himmel, so drücket er damit die ganze Sache aus, warum er in die Welt kommen war, nämlich die Aufhebung des alten und die Anhebung des neuen Testaments. Im alten Testamente war, wie gesagt, mehr Furcht und ein knechtischer Geist vor Gott als einem Herrn und Richter, aber im neuen Testamente sollen wir den Geist der Kindschaft bekommen, darum lehrete unser Heiland, als der Stifter des neuen Testaments, man sollte beten: Unser Vater. Warum thut er aber das? Darum, daß er dadurch in uns ein Vertrauen erweckte, das größer sei als alles Vertrauen, so im ganzen alten Testamente möchte gewesen sein, daß der Mensch gleich aus dem ersten Worte, das unser Heiland ihm (da er ihn beten lehret) in den Mund legt, soll gedenken, er, unser Heiland, sei um deßwillen in die Welt kommen, daß er das menschliche Geschlecht wiederum mit Gott versöhnte, und aus Gott, als einem über ihre Sünden erzürnten Richter, ihnen nun gebe und mache einen versöhnten Vater, daher denn der Mensch in seinem Gebet zuerst in die Erkenntniß des Herrn Jesu Christi und der ganzen Gnade des neuen Testaments, oder in das große Werk der Erlösung des ganzen menschlichen Geschlechts und der Versöhnung eingehen soll. Das fasset das Wort in sich, Unser Vater, der du bist im Himmel. Und wenn das recht gefaßt würde, so wäre es kein Wunder, es ginge Vielen so, wie es auch wohl Manchen etwa gegangen ist, daß sie von dem Anfange des Gebets des Herrn nicht haben wegkommen können, sondern wenn sie angefangen haben, zu beten: Unser Vater, der du bist im Himmel, ist ihnen das Wort Vater so kräftig in ihr Herz gekommen, daß sie dabei lange stehen blieben.
Es kann einem gläubigen Beter auch noch jetzt so gehen, daß, wenn er an die Worte kommt: Vater Unser, daß ihm die Worte dabei vergehen, daß er gerne Alles ausdrücken wollte, was er in dem Worte Vater hat, und weiß kein Wort davon zu machen, wenn er's überall anstehet. Wo will der Mensch hin, wenn er erkennet, daß er Erde und Asche sei? ein solcher sündlicher Staub, und er habe es zu thun mit dem majestätischen Gott, der Himmel und Erde und Alles, was darinnen ist, erschaffen habe, er liegt vor demselbigen im Staube, und er nennet denselbigen seinen Vater? Es wird da das Herz gleichsam mit der ganzen Fluth überschwemmt, und bewundert, was für Herrlichkeit in dem Worte Vater liegt, daß er nicht weiß, wo er anfangen soll, und nichts weiter sagen kann, muß gleichsam nur auf den Knieen liegen bleiben und den Vater ansehen, denselben lebendigen und wunderbaren Gott, der Himmel und Erde erfüllt, der Alles hat, vermag und thun kann und will, der Alles so weislich regiert. Und ob er's gleich noch nicht fühlt und empfindet, so ist doch das Wort da: er heißt Vater; diesem Worte muß das Herz glauben, auch ehe es ein Gefühl davon hat, damit man dadurch (wenn man dem Worte glaubt) dem die Ehre gebe, weil es der Sohn gesagt hat, daß wir den großen Gott Vater nennen dürfen sowohl, als er ihn hat Vater genennet; alsdann wirkt Gott dadurch auch eine Empfindung in dem Herzen, daß es in derselben Empfindung nun getrost wird, alle seine Noth vor Gott auszuschütten, dazu es vorher keinen Muth hatte.
Und darum stehet das Wort Vater Unser im Texte voran, und muß auch also im Herzen vor allen sieben Bitten stehen, und wenn das recht voran stehet und gleichsam durch alle Bitten hindurch währet, so ist Alles gewürzet, Alles versüßet, und so werden alle sieben Bitten im Glauben und im Vertrauen gebetet. So man aber eine Bitte betete und das Vertrauen wäre nicht zum Grunde, so würde es nicht recht im Glauben gebetet werden.
Also muß man das heilige Vater Unser recht im neutestamentischen Sinne, im rechten Geiste des Glaubens beten, so, daß wir, nach der ferneren Erklärung Luthers, unseren Gott getrost und mit aller Zuversicht bitten, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater, daß wir den, neuen Bunde recht gemäß mit Freudigkeit hinzugehen mit wahrhaftigem Herzen, im völligen Glauben, besprengt in unserem Herzen und los von den, bösen Gewissen, und gewaschen am Leibe mit reinem Wasser, da wir ja diese Freudigkeit zum Eingang in das Heilige durch das Blut Jesu erlangt haben, wie Hebr. 10,19. 22. zu sehen. Er, unser Heiland, hat uns ja diesen neuen Weg selbst zubereitet und ist unser Hoherpriester über das Haus Gottes, erscheinet als unser Hoherpriester für uns und mit uns vor dem Angesichte Gottes, und wir beten da nicht nur in seinem Namen und auf sein Verdienst, sondern auch in seiner Gemeinschaft, da er uns gleichsam voran gehet, da wir immer ihn als das liebe Kind mit uns bringen, und nicht anders als in ihm und seinem schönen Kleide zum Vater kommen, und also wohl gläubig beten können und auch gewiß erhöret werden. Davon es in einem Liede heißt:
Ja, erhör' uns in dem Sohne,
Den du uns zur Abendzeit,
An dem Kreuz zum Gnadenthrone,
Und zum Opferlamm geweiht;
Sieh, Er tritt mit uns vor dich,
Ja, Er bittet auch für mich,
D'rum so muß es mir gelingen,
Da ich Ihn kann mit mir bringen.
Er, das Haupt, der Hohepriester,
Tritt uns Allen vorne vor.
Wir, die Glieder und Geschwister,
Finden nun dein offnes Ohr:
Hörest du den Sohn nicht an,
Wer ist, der wohl zweifeln kann,
Da die Schaaren aller Frommen
Hinter ihrem Mittler kommen?
Wir mögen demnach glauben, daß, da wir in und mit Christo zum Vater kommen, er, der Vater, nicht anders könne, als hören und helfen; denn er hat es verheißen und zugesagt, darum kann er als der ewig treue und wahrhaftige Gott sein Wort nicht mehr zurücknehmen, sein lieber Sohn hat uns auch dessen versichert und es mit einem zweifachen Eide beschworen, und alle Gaben, um die wir bitten, nicht nur besagter Maaßen schon erworben, selbst uns ausgebeten und für uns in Empfang genommen, sondern selbige uns auch schon in seinem Worte, mit jeder Verheißung hingelegt, und wenn wir beten, so nehmen wir das, was schon wirklich da ist, und was uns hingelegt worden, deßwegen es heißt: Wer bittet, der nimmt. So wenig also der liebreichste Vater einem hungrigen, schwachen Kinde das Brod versagen und einen Stein dafür bieten kann, so wenig und noch viel weniger kann uns der himmlische Vater den heiligen Geist oder sonst eine gute Gabe versagen, wenn wir ihn darum bitten, wie Christus selbst Luc. 11, 11-13. sagt, nachdem er eben vorher seinen Jüngern das heilige Vater Unser vorgebetet, und sodann durch ein besonderes Gleichniß das anhaltende Gebet einschärfet, und endlich Vers 9. 10. sagt: „Und ich sage euch: bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgethan. Denn wer da bittet, der nimmt; und wer da suchet, der findet; und wer da anklopfet, dem wird aufgethan.“
Wir sollen also recht gläubig bitten, und, ob wir auch nicht bald unsere Bitte erlangen, doch nur fortfahren zu bitten, und immer ernstlicher und gläubiger beten, von einer Stufe des Gebets zur andern kommen, so wird uns endlich die Thüre der Gnaden, das ganze Schatzhaus, die ganze Fülle aufgethan. Wir sollen aber bei dem Verzuge der Hilfe desto mehr in das Vaterherz eindringen und unserem Gott sein Vaterherz und Vaternamen oder seine Verheißungen vorhalten, und auch in dem Stück dem Himmelreich Gewalt anthun. Denn Gott verzieht oft in den wichtigsten Dingen am längsten, nicht als wenn er sie uns nicht geben wollte, und wir müßten ihn erst durch unser Gebet dazu nöthigen und zwingen, sondern darum, daß wir seine Gaben desto höher achten, desto mehr begehren, und uns zu ihm nöthigen und nicht der Trägheit Gehör geben. „Auf diese Weise,“ schreibt der sel. Herr Dr. Anton, „läßt sich unser Gott gerne zwingen, wenn etwa Einige unter den Gläubigen sind in schwere Fälle gekommen, und haben gemerkt, wie sie Gott müssen zusetzen, so haben sie wohl selbst gedacht: Jetzt mach ich es ja zu grob! Aber da gibt Gott der Herr einen Wink: Nein! das soll's nicht sein, sondern constantia. (Beständig sollen wir nur sein und anhalten.) Wenn Gott nicht gleich hilft, so höre du doch nicht gleich auf zu beten. Der Mensch rechnet es flugs Gott an, wenn er kaum eine Silbe hat gebetet.“ Christus bestrafet also nur unsere Faulheit. „Und es wäre grob,“ sagt er weiter: „wenn man sagen wollte: ich habe ja gebetet, habe einmal angeklopft, aber Gott hüpft mir nicht gleich auf u. s. w. Was wollen wir dem Herrn trotzen? Wir armen Sünder! Es wäre dir nicht gut, wenn dir Gott gleich aufhüpfete! Du mußt lernen Gewalt thun am Himmelreich.“ Wir würden den Herrn nicht so demüthig preisen und gar bald die Gaben wieder verschütten, wenn wir sie bald auf ein Paar Worte erhielten. Der Vater im Himmel weiß schon die rechte Zeit und Stunde, uns zu helfen, und er bleibt doch Vater, ob er gleich zuweilen nicht bald, wenn oder wie wir wollen. Alles gibt; er gibt es uns doch gewiß zu seiner Zeit, da es am allerseligsten und besten ist.
Da Christus nun den Vater besser kennt als wir, und uns doch denselbigen als den Vater offenbaret, da er uns auch sein Vaterherz, Huld, Liebe lind Gnade durch seinen Tod und Blutvergießen erworben und zuwege gebracht, und daher auch zu uns sagt: der Vater hat euch lieb; so sollen wir doch dem Worte und Zeugniß Christi mehr Gehör geben, als unserm Unglauben und dem Satan, die uns Gott immer als einen Tyrannen vorstellen. Da sollen wir nur alles Gute recht kindlich und zuversichtlich bitten, auch alle unsere Mängel, unsere Noth und Anfälle unserer Feinde ihm klagen und sagen, wie ja die kleinen Kinder, wenn sie Jemand beleidigt, bald zu ihrem Vater laufen und es dem klagen. Da könnten wir vieles Gute erlangen und vieler Sorge, vieler Plage überhoben bleiben, und wir würden je mehr und mehr erfahren, daß es Wahrheit ist, was in einem Liede stehet:
Wie herrlich ist's, ein Kind des Höchsten werden,
Und eine Braut des holden Lammes sein!
Nichts herrlicher ist auf der ganzen Erden,
Man geht als Kind beim Vater aus und ein.
Man steht da aller Sorgen los,
Und legt sich nur zur Ruh' in seines Vaters Schooß.
Wenn And're sich mit tausend Sorgen Plagen,
Und, wenn was fehlt, bald dieß, bald Jenes thun.
So darf man's nur dem treuen Vater sagen,
Und unverrückt in seinem Willen ruh'n.
Sein Will' ist unsre Seligkeit,
Und der versüßet auch das bitt're Kreuz und Leid.
O! ließen wir den Vaternamen Gottes recht in unser Herz schreiben, und hingen mit unserem Herzen an seinem Vaterherzen, wie süße und lieblich würde uns das Gebet und der Umgang mit ihm sein! Wir würden auch wie jener gottselige Prediger Stephanus Prätorius sagen können: daß wir mehr mit Gott als mit Menschen geredet. Denn wenn das Vertrauen (sagt eben dieser Lehrer) da ist, daß Gott der Vater sei freundlicher, als kein Vater auf Erden, so kann sich der Mensch nicht enthalten, er muß zu Gott, und mit ihm reden: Ach lieber Gott und Vater! wie froh bin ich, daß du Vater bist, habe Lob' und Dank, daß du Vater bist. Ach! sei und bleibe doch immer Vater. Ach Vater, lieber Vater! Und dieß Liebkosen mit Gott thut einem Christen so wohl, daß er nicht aufhören und des Gebets satt werden kann. Es ist ihm eitel Zucker und Malvasier. Und weiß wahrlich nicht, wie es doch kommt, daß einem das Gebet so süß ist. Mir ist es meine Speise, und wollte lieber todt sein, denn nicht beten. „Immer,“ sagt er an einem andern Ort, „hänget unser Herz nach der Danksagung und nach dem Gebet. Was nicht gebetet ist, das schmecket uns nicht.“ Darum spricht er: „Ein Jeglicher soll sich die Gnade Gottes (daß nämlich Gott sein gnädiger Gott und lieber Vater sei) auf das allerköstlichste und lieblichste einbilden, wie er immer kann. Er soll sich zum Gnaden-Kinde setzen, welches Gott mit den allerliebsten und freundlichsten Augen anschauet, welchem er zulachet, welches er herzet und küsset, welchem er sonderliche Benedictiones und Beförderung zusaget. Sprich: „Gott ist mein Vater, so bin ich sein Kind, welches er im Herzen lieb hat, darum so wird er mir aushelfen, durch seinen lieben Sohn, aus allen meinen Nöthen. O er wird mir noch so wohl thun, nach seinem Wort! Wie will ich dir so wohl thun, Ephraim, du mein trautes Rosen-Kind! Er wird mir so helfen, daß sich's verwundern werden alle meine Feinde, und alle die, so es hören. Denn darum hat er mich geniedriget und unterdrücken lassen, auf daß er mich hoch hebe. Er wird mir geben das Süße meines Herzens. Meines Herzens Wunsch wird mir noch zulachen. Er wird mich setzen unter Fürsten und Fürstenkinder, daß ich ihnen zeige ihr Heil, und sie damit erfreue; er wird mir Frieden geben, und mich krönen mit Segen.“ Siehe, das ist der rechte Gebrauch der Gnade Gottes, und auch der wahre Glaube an Gott. Denn an Gott den Vater glauben ist nicht ein Schlechtes. Es ist das allerhöchste und schwerste Werk.“
Wir nennen aber den Vater unsern Vater, und das kann uns wieder im Glauben stärken, daß wir noch zuversichtlicher und kindlicher mit Gott reden; denn wir beten nicht allein, sondern in der Gemeinschaft aller andern gläubigen Kinder Gottes, da können wir desto eher ein Herz fassen, daß wir uns unsere Unwürdigkeit nicht abschrecken lassen, recht kindlich zu beten, denn es kommt uns aller anderer Kinder Gottes Glaube und Gebet zu statten, und wir denken: Bin ich gleich schwach und gebrechlich, so sind doch andere Kinder Gottes stärker, für die ich mit bete und sie für mich, so beten wir in Glauben und Liebe. Da sind uns die zwei Worte: Vater Unser, rechte Bande, die uns mit Gott und allen seinen Kindern verbinden, und je mehr wir da auch in der Liebe für Andere beten, je mehr bekommen wir ein Zeugniß unserer Kindschaft, und können folglich auch desto zuversichtlicher beten und also schließen: Der Gott, der so liebreiche Vater, der mich auch für Andere beten heißet und durch mein Gebet auch ihnen will wohl thun und alles Gute geben, der wird ja auf mein Gebet auch mir selbst wohl thun und alles Nöthige geben, und er wird mir auch wieder der Andern Gebet zu statten kommen lassen; denn es betet Einer für Alle und Alle für Einen, weil alle gläubige Glieder mit einander so genau verbunden sind, daß durch des Einen Gabe auch den Andern Handreichung geschiehet, als wodurch der ganze Leib Christi wächset und zunimmt. Von dieser Gemeinschaft im Gebet, wie des Einen Gebet allen Andern zu statten kommt, stehet in des Herrn Capitains von Wreech Historie der schwedischen Gefangenen S. 140 eine schöne Stelle; da ein gewisser Lehrer in einer Rede die Zuhörer zur Fürbitte für die Schulanstalten ermahnet und sodann saget: Denn solchermaßen tretet auch ihr in die Gemeinschaft der Heiligen, und ziehet auf euch alle die Gnade, die die auserwählten Gottes in der ganzen Welt genießen. O, daß ihr wüßtet, was für süße Herrlichkeiten und süße Erquickungen diese Gemeinschaft der Heiligen euch zuführt! Wo ihr nicht darinnen stehet, so würdet ihr noch diesen Augenblick trachten, da hinein zu treten, so es bisher nicht geschehen wäre. Ihr könnet nicht glauben oder wissen, wie viel Chöre der Betenden, Lobenden und Dankenden in der ganzen Welt zu finden, die abwechselungsweise den großen Gott anrufen, preisen und erheben täglich und stündlich, Tag und Nacht, und ohne Aufhören. Denn wo ein Chor aufhöret, so fängt der andere an. Geschiehet es nicht in Europa, Asia, Afrika, so geschieht's in Amerika, und wo diese ruhen, haben die andern schon ausgeruhet, und fangen wiederum von Neuem an, daß also kein Augenblick vorüber gehet, da nicht die Stimme der Lobenden und Betenden zu Gott hinauf gehet. Nun ist dieses hiebei absonderlich zu bemerken, daß nach der großen Leutseligkeit Gottes alle Chöre zugleich angesehen werden, obschon der eine Chor nur lobete oder betete, und also wird das Loben, Danken, Preisen, Beten des einen Chors von Gott aufgenommen, als wenn sonst alle Chöre zugleich danken, loben, preisen und beten, weil sie alle miteinander in wirklicher Gemeinschaft des Glaubens und der Gnadengüter stehen. Und so geschieht's dann, mein lieber Christ, daß du immer und unaufhörlich Gott anbetest, lobest und dankest, wo du nur in dieser Gemeinschaft der Heiligen stehest. Also halte dann deine Seele nicht weiter auf außer dieser Gemeinschaft, sondern greife gleich zu der Ordnung Gottes, und tritt mit wahrer Buße und Glauben hinein. O! was für einen herrlichen Nutzen und erfreulichen Trost wirst du davon, mein lieber Christ, haben! Es geschieht ja oft, daß auch eine gläubige Seele mit großer Kaltsinnigkeit in dem Gebete angefochten wird. O! wie oft ist das Herz ganz beklemmt oder zusammengepreßt, daß kein Seufzer heraus will, wie herzlich man sich auch danach sehnet! Wie bildet sich mancher Christ in seinem Schlafe ab als einen Todten, dem weder Gott noch Menschen einigen Dienst thun kann. Aber mein lieber Christ, bemühe dich nur um diese Gemeinschaft, und bediene dich dieses Kunstgriffs in deinem Gebet, daß du auch für Andere fleißig betest, und für ihre Gnadengaben und Güter Gott dankest; so mengest du dich damit in die Gemeinschaft der Heiligen, und bleibest ein Mitglied der Chöre Gottes, oder derer, die Ihn im Geist und Wahrheit anbeten, Joh. 4, 24. Schläfest du alsdann, und schweigest also für dich stille, oder hast andere löbliche Geschäfte, oder bist im Stande der Anfechtung, und meinest, daß du selber nicht betest, so beten doch die Andern für dich und du betest in ihnen, und also betest du auch in deinem Schlafe, ja Tag und Nacht ohne Aufhören, und von solchem Gebet, oder dessen Kraft, heißt es: Sollte aber Gott auch nicht retten seine Aus erwählten, die zu ihm Tag und Nacht rufen, und sollte Geduld darüber haben? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze. Luk. 18, 7. 8. Ach! so betet denn auf die Art immer, betet für die ganze Christenheit, für alle Stände, in allem Anliegen, bei allen Gelegenheiten. Betet, danket und lobet auch wegen der Gnade dieser Kinder. Wer weiß, ob sie nicht auch ein Stündlein finden für euch zu beten, da ihr selber müde seid!
Wir beten, Vater unser, der du bist im Himmel. Da richten wir nicht nur unser Herz von Welt und Erde zum Himmel, sondern stärken uns auch durch diese Worte im Glauben; denn wir sehen den Vater an als den mächtigen Gott, der Himmel und Erden erschaffen hat, oder im Himmel ist und schaffen kann, was er will. Ps. 115, 3. Wir zeigen unserm Gott auch dadurch kindlich an, daß, wie er im Himmel ist, wir noch hier auf Erden in der Fremde sind, unter mancherlei Gedränge und Gefahr, und bitten ihn also, er wolle uns durch Alles auch mächtig hindurch helfen zu seinem himmlischen Reiche.
Ist unser Vater im Himmel und wir sind seine Kinder, so gehören wir auch in den Himmel, gleich wie wir in Christo schon in's himmlische Wesen gesetzt und schon gekommen sind zum himmlischen Jerusalem. Dem Leibe nach aber sind wir hier auf Erden noch Pilgrime, hingegen dem Geiste und Glauben nach sind wir schon Bürger des Himmels und haben unsern Wandel im Himmel. Da oben ist unsre Vaterstadt und Bürgerrecht, da handeln und wandeln wir hinein, wie ein Bürger in eine Stadt, unsre Seufzer sind da gleichsam das Geld, das wir hinauf schicken und dort alle himmlischen Gaben einkaufen.
Gehören wir zu unserm Vater im Himmel, so bekommen wir auch aus der himmlischen Vorrathskammer alle gute und vollkommene Gaben, die von oben herab kommen, von dem Vater des Lichts. Dort, Hos. 2, 21., heißt es: Der Himmel soll die Erde erhören. Das geht nicht nur auf den irdischen Himmel, sondern auch auf den Gnadenhimmel, und davon heißet es Jes. 45,8.: Träufelt, ihr Himmel, von oben und die Wolken regnen die Gerechtigkeit. Durch Christum, der vom Himmel kommen und wieder über aller Himmel Himmel aufgefahren ist, ist Himmel und Erde wieder verbunden. Da ist in und mit Christo Alles wieder unser, was Gott nur in seinem Himmel hat. Das soll uns nun nach den himmlischen Gütern und Gaben recht begierig, aber auch recht zuversichtlich machen, daß wir glauben, der Herr werde seinen Gnadenhimmel aufthun, und uns alles Heil herabschütten, es soll auch da auf uns immer der Himmel lauter Gerechtigkeit, Gnade, Heil und Friede herabträufeln. Denn ist der Herr des Himmels und der Erden selbst unser, nämlich unser lieber Vater, so ist ja auch sein ganzes Himmelreich unser.
Und da es heißet: Vater unser, der du bist in den Himmeln, in der vielfachen Zahl, so ist er in allen Himmeln, das ist, allenthalben nach allen seinen Reichen unser Vater und sorget für uns, daß uns nichts Schädliches nach Leib oder Seele begegnen kann. Er ist da nicht ferne von einem Jeglichen unter uns, sondern in ihm leben, weben und sind wir. Apostelg. 17, 28. Er hat auch im Reiche der Natur und der Macht Alles in seiner Hand und Gewalt, und wir sind allerwegen mit seiner Gegenwart wie mit der Luft umgeben. Da müssen uns alle Dinge, auch alle Elemente, Luft und Erde, Feuer und Wasser, zum Besten dienen, da er, der Herr des Himmels und der Erden, uns in Christo günstig und gnädig ist. Denn wie der irdische Himmel uns allerwegen umgibt und bedecket, so umgibt und bedeckt uns auch sein Gnadenhimmel, und es heißt da Ps. 103, 11.: So hoch der Himmel über der Erden ist, lasset er seine Gnade walten über die, so ihn fürchten, und da muß Alles auch im Reiche der Natur unser Heil und unsre Früchte befördern helfen, wie wir singen:
Also, sag ich, wird auch grünen.
Der in Gottes Wort sich übt;
Luft und Sonne wird ihm dienen,
Bis er reife Früchte gibt.
Seine Blätter werden alt,
Und doch niemals ungestalt,
Gott gibt Glück zu seinen Thaten.
Was er macht, muß wohl gerathen.
Wir zeigen auch mit diesen Worten: der du bist im Himmel, deutlich an, daß wir hier auf Erden keinen Vater haben, der uns in Allem nach Leib und Seele helfen könne; darum heben wir unser Herz und Auge auf zu ihm, dem Gott im Himmel, von welchem uns allein alle Hilfe kommt, und es heißt da, wie wir singen:
Von allen Menschen abgewandt,
Zu dir mein Herz erhoben.
Wir verlassen uns auf keinen Menschen, auf keinen irdischen Vater, auf keinen König, wie mächtig und gnädig er auch wäre, wie eben von Nehemia stehet, daß, ob er wohl des Königes Herz in Händen hatte und der König ihn fragte, was er fordere, er doch nicht bald nur den irdischen König bat, sondern den König und Gott vom Himmel, da es Cap. 2, 4. heißet: Da, sprach der König zu mir: Was forderst du denn? Da bat ich den Gott vom Himmel. Das heißt: Vater unser, der du bist im Himmel.
Wir sehen uns hier auf Erden in der Wüsten und Pilgrimschaft als wallende Fremdlinge und arme, verlassene Waisen an, trösten uns aber damit, daß er der Waisen Helfer ist, und daß wir doch Beides, seine Bürger und Pilgrime, sind. Da wird er uns die rechte Straße zum Himmel schon finden lassen und uns auch auf solcher beschützen und zu sich nachziehen, da unser Heiland schon voraus in den Himmel eingegangen und die Stätte uns bereitet hat. Da sehen wir unser ganzes Leben als einen Weg zum Himmel an, und eilen täglich und stündlich unserer Heimath und unserem himmlischen Vaterlande zu, und wollen gerne alles Dessen müßig gehen, was uns nicht zum Himmel fördern kann.
Nun, unser Vater, der du bist in dem Himmel, wir haben uns wohl durch unsern irdischen Sinn unwürdig gemacht, dich unsern Vater im Himmel zu nennen, aber dein lieber Sohn hat doch deine väterliche Huld und Gnade uns abtrünnigen Kindern wieder erworben, dein Vaterherz wieder zu uns geneigt, und daher uns deinen Vaternamen selbst in den Mund geleget, und uns geheißen, dich unsern Vater zu nennen. Darum kommen wir zu dir, als zu unserm durch Jesum, deinen lieben Sohn, vollkommen versöhnten Vater, als deine wohl armen, schwachen Kinder, die du aber in deinem Sohne, als in dem Geliebten, dir selbst hast angenehm gemacht. Wir kommen nicht anders, als in und mit deinem Sohne, unserem einigen Mittler, und in seinem schönen Kleide als unsers erstgebornen Bruders, und holen von dir allen Segen, alle gute Gaben, die er uns schon verdient und erworben, ja selbige auch für uns ausgebeten und schon empfangen hat. Wir bitten also nicht anders, als im Namen deines lieben Sohnes, auf sein theures Verdienst und seine Fürbitte. Er betet da immerdar für uns und mit uns, bittet also auch jetzt gleich für uns und schließet unser Gebet in sein hohepriesterliches Gebet mit ein, also kannst du uns, o lieber Vater, keine Bitte versagen, denn du hast uns ja selbst deinen Sohn gegeben, und in ihm das Recht der Kindschaft und das volle Erbe. Wie solltest du uns, deinen Kindern und Erben, mit ihm nicht Alles geben? Du hast uns auch deinen Geist und durch ihn das Zeugniß von unserer Kindschaft gegeben, sonst könnten wir nicht zu dir beten. So bitten wir auch als Kinder des neuen Bundes in recht kindlichem Geist mit aller Freudigkeit, die sich allein auf das Blut und den Namen Jesu gründet. Du bist und bleibst doch nun unser Vater, und zwar auch der Vater deiner allerschwächsten Kinder; denn du bist unser Aller Vater, der Vater über Alles, was da Kinder heißt im Himmel und auf Erden. Da jetzt im neuen Bunde kein Knecht mehr, sondern jeder Gläubiger ein Kind ist, und da Christus Alles und in Allem und so auch in den Schwächsten ihr Alles ist ohne Unterschied, o so habe ich auch, dein schwächstes Kind, in deinem lieben Sohne so viel Recht, dich meinen Vater zu nennen, als das allerstärkste, denn du bist ein allgemeiner und unparteiischer Vater, daher wir auch Alle für einander beten, als Kinder eines Vaters und Glieder eines Leibes, an welchem dein lieber Sohn das Haupt ist. So beten wir auch der Vorschrift deines lieben Sohnes, nach seinem und deinem Willen, und so können wir auch die Freudigkeit haben, daß wir unsere Bitte haben. Wir beten in Glauben und Liebe, als verbundene Glieder mit und für einander in der Gemeinschaft deines Sohnes, unseres Hauptes, und wenn einer betet, so betet die ganze Gemeine. So höre nun, o lieber Vater, das Seufzen und Flehen aller deiner Kinder, die wir in unserer Pilgrimschaft zu dir allein unsere Zuflucht nehmen. Wir sind hier noch auf Erden in der Fremde unter mancherlei Gefahr, du aber bist der Vater im Himmel, in himmlischer Majestät und Kraft. So siehe nun von deinem heiligen Himmel und von dem Thron deiner Herrlichkeit auf uns herab und hilf uns durch Alles hindurch, denn wir gehören doch zu dir in deinen Himmel, wo dein lieber Sohn uns schon vorangegangen und die Stätte bereitet, und wir sind hier nur auf der Reise, auf dem Wege zum Himmel. Wir sind doch deine Bürger und Pilgrime und deine Waisen, so richte unser Herz stets zum Himmel, zu dir, und gib uns alle himmlische Güter und Gaben, ein recht himmlisch gesinntes Herz und Alles, was dort ewig im Himmel gilt, was sich zu jenen himmlischen Einwohnern und zu dir, dem himmlischen Vater, recht schicket, und laß uns auch, da du aller Wegen zugegen bist, aller Orten deiner nahen Gnadengegenwart und deines Schutzes genießen, und behüte uns auf allen unsern Wegen, daß wir nur stets zum Himmel recht bereitet und auch recht gefördert und endlich ganz unversehrt heimgebracht werden in unser himmlisches Vaterland. Amen.
Laß deinen Pilgrim eilen
Und hier im Nachtquartier
Mich ja nichts mehr verweilen,
Verdopple die Begier,
Daß ich stets meinem Ende
Recht froh entgegen seh',
Im Fried' einmal vollende,
Und jauchzend vor dir steh'.
Die erste Bitte.
Wir bitten in dieser Bitte: Dein Name werde geheiliget. Denn Gott ist wohl unser Vater, daß wir kindlich mit ihm umgehen mögen, er ist aber auch ein Vater im Himmel, ein heiliger und herrlicher Gott, und sein Name ist groß: daher wir auch mit heiliger Ehrfurcht vor ihm erscheinen müssen, nicht aber, wie jetziger Zeit von Manchen geschiehet, in ein kindliches Spielwerk hineingehen.
Das ist das Erste in unserem Gebet, daß uns Gottes Name und so auch der Vatername Gottes, und wie er unser heiliger und herrlicher Vater im Himmel ist, recht bekannt und von uns auch geheiliget, verherrlichet, hoch und hehr gehalten werde. (Ps. 111, 9.)
Wir sehen also daraus, was uns bei unserem Gebet und so auch bei unserem ganzen Thun und Lassen vornehmlich unser erstes Ziel sein soll, danach Alles zu richten ist, nämlich die Ehre des göttlichen Namens, wie auch Paulus sagt: Ihr esset oder trinket, oder was ihr thut, so thut es Alles zu Gottes Ehren. 1 Cor. 10, 31. Soll dieser lautre Zweck in dem ganzen Wandel vor unsern Augen und unser Auge kein Schalk sein, so müssen wir sonderlich auch im Gebet diesen Zweck, dieses Ziel immer vor uns haben, wo nicht unser ganzer Leib soll finster und unser ganzes Christenthum verwerflich sein.
Der Eingang des heiligen Vater Unsers soll uns bald recht gläubig, zutraulich und kindlich machen; diese erste Bitte nebst den zwei folgenden aber soll uns recht lauter und nüchtern machen, daß Glaube und Vertrauen rein und lauter bleiben und nicht eigenes Gesuch oder eigener Wille seien, da wir etwa nur fleischlicher Weise bald dieß, bald jenes Irdische begehrten und dem lieben Gott zutrauten oder von ihm hofften, daß er es uns geben würde, denn was man gerne will, das hofft man. Irdisch gesinnte Menschen begehren immer allerlei Zeitliches von Gott, und bitten daher auch um solches; sie hoffen es auch zu erlangen und haben da nach ihrer Meinung Glauben genug. Aber das ist kein Glaube und sie bekommen nicht, was sie bitten, weil sie, wie Jakobus C. 4, 3. saget: übel bitten. Sie bitten nur, daß sie es hernach mit ihren Wollüsten verzehren können. Darum hat unser Heiland, ehe er uns in der vierten Bitte um die zeitliche Nothdurft bitten lehret, drei Bitten vorangesetzet, die alle auf Gott gehen, daß nämlich nur sein Name geheiliget, sein Reich ausgebreitet und sein Wille vollbracht werde. Da soll also unser Herz recht geläutert, recht gereiniget oder auf das einige Notwendige gerichtet und dahin gebracht werden, daß uns die Verherrlichung des Namens Gottes, die Ausbreitung seines Reiches und die Vollbringung seines Willens recht am Herzen liege, und daß wir um dieses viel eher beten, ehe wir an uns selbst, an unsere leibliche Nothdurft gedenken.
Hiebei aber verlieren wir gar nichts, denn wenn der Name Gottes uns bekannt und von uns recht geheiliget wird, so liegt ja darinnen für uns eine Seligkeit, indem die Verherrlichung des Namens Gottes und unsere Seligkeit genau zusammen verbunden sind. Wenn ein irdischer Vater geehrt und geliebt wird, so haben ja auch die frommen Kinder darüber eine Freude und Vergnügung, und es ist eine Ehre mit für sie, wenn sie nur in seine Fußstapfen treten. Also finden vielmehr die frommen Kinder Gottes in der Verherrlichung und Heiligung des Namens Gottes ihre größte Ehre, Freude und Vergnügung, wenn nämlich solcher Name von ihnen und Andern recht erkannt und hochgelobt wird. Ja es ist das ein Vorschmack des ewigen Lebens, als woselbst der Name Gottes recht vollkommen wird bekannt und hochgelobt werden.
Und so kann uns nun auch diese erste Bitte im Glauben und kindlichen Vertrauen stärken, wenn wir erwägen, daß unser Heiland mit dieser Bitte nicht allein auf die Ehre seines Namens, sondern auch auf unser wahres Heil mit gesehen, da er uns bald mit der ersten Bitte so lauter und nüchtern machen will; denn er weiß, wenn wir noch uns selbst lieben, suchen und dienen, oder uns selbst, unsers Namens Ehre, oder unsern zeitlichen Nutzen zum Zweck haben, daß wir da noch voll Unruhe und Mißvergnügung sind, hingegen da erst ruhig und vergnügt leben können, wenn uns nur seines Namens Ehre über Alles an unserm Herzen liegt, denn diese wird er schon zu befördern wissen: dahin gehen die Worte im Schatz-Kästlein, Nro. 204:
So lang und viel der Mensch sich selbst zum Ziel noch setzt,
So lang und auch so viel wird er in Unruh bleiben,
Weil sein' Affekten ihn bald da, bald dorthin treiben,
Wer aber Gott nur sucht, und sich nichts würdig schätzt,
Wird immer ruhig sein, es geh' ihm, wie es geh'.
Er sucht, er hoffet nichts, drum kann's ihm nimmer fehlen;
Sein Unglück nennt er Glück, drum kann ihn nie was quälen.
Es gilt ihm Alles gleich, es thut ihm gar nichts weh,
Gott gibt oder nimmt, es hängt ihm nichts am Herzen,
Als Gottes Ehr' allein; doch die, das weiß er wohl,
Erhält Gott selber schon, er thu' nur, was er soll;
Drum nichts, als nur die Sünd', erregt ihm Pein und Schmerzen.
Unser Heiland will uns auch mit dieser Bitte vor allem abgöttischen Wesen und Mißbrauch seines Namens bewahren, und daher durch Offenbarung seines heiligen Namens, durch lautere und reine Lehre seines Wortes recht unterweisen, wie wir ihn allein anbeten, ihn allein fürchten, lieben, ehren und ihm vertrauen sollen. Er will seinen Namen keinem Andern geben, noch seinen Ruhm den Götzen. Davon heißt es Pf. 83, 19.: So werden sie erkennen, daß du mit deinem Namen heißest: Herr alleine, und der Höchste in aller Welt. Wie es auch Jes. 45 vielfältig und mehr denn zehnmal wiederholt wird, daß Gott allein Herr sei und keiner mehr. Da es bald im 5. und 6. Vers heißt: Ich bin der Herr und sonst keiner mehr: kein Gott ist ohne ich. Ich habe dich gerüstet, da du mich noch nicht kanntest. Auf daß man erfahre, beide von der Sonnen Aufgang und der Sonnen Niedergang, daß außer mir nichts sei. Ich bin der Herr, und keiner mehr.
So hält die erste Bitte die drei ersten Gebote in sich, und soll uns vor aller groben und subtilen Abgötterei, oder aller Anhänglichkeit an die Creaturen befreien, daß uns gegen den großen Namen Gottes Alles klein sei, und wir auf keinen Menschen, wie groß er ist, uns verlassen, viel weniger auf Geld und Gut und andere irdische Dinge, daß wir auch nichts fürchten und aus solcher Furcht wider Gott sündigen; so sollen wir auch nicht mit unordentlicher Liebe auf etwas fallen, sondern an Gott allein hangen. Und geschieht dieß, so ist uns ja wohl, so sind wir ruhig und getrost, und dürfen uns vor nichts fürchten, nichts ängstlich besorgen oder Mangel leiden, denn wir hangen an ihm, dem höchsten Gut, dem allgenugsamen Gott, der uns mehr als alles Andere in der ganzen Welt ist.
Je mehr Gottes Name uns bekannt wird, so daß wir recht in diesem Namen wandeln, oder Gott nach allen seinen göttlichen Eigenschaften in Christo recht erkennen, je sicherer und fröhlicher können wir wandeln; denn da ist uns auch der Name des Herrn ein festes Schloß, dahin wir laufen und wohl beschirmet werden. Ja er ist uns eine ausgeschüttete Salbe und die Fülle aller Gaben, und wir werden da erfahren, was David Ps. 89,17. sagt: Sie werden über deinen Namen täglich fröhlich sein, und in deiner Gerechtigkeit herrlich sein. Wenn uns Gottes Name, oder Gott selbst nach seinen göttlichen Eigenschaften bekannt, auch von uns hochgelobet und von aller Welt bekannt wird, so mögen wir glauben, daß Gott sich auch immer mehr nach seinem Namen an uns beweisen und Alles an uns erfüllen wird, was er uns verheißen hat und uns von seinem Namen hoffen läßt, daß wir ihn auch so herrlich, so gnädig, so treu und wahrhaftig an uns erfahren werden, wie er sich in seinem Wort benennt hat, und wie ihn auch alle Gläubigen von Anfang der Welt bis hierher so erfahren und gerühmt haben, wie es heißt: Gott, wie dein Name, so ist auch dein Ruhm, bis an der Welt Ende. Ps. 48, 11. Da finden wir ja freilich, wie vorher gesagt worden, in dieser lebendigen und aus Erfahrung herfließenden Erkenntniß des göttlichen Namens eine recht ausgeschüttete Salbe, lauter Heil, Leben und Friede, ja das ewige Leben; sonderlich wenn wir ihn als unsern in Christo versöhnten, lieben Vater erkennen, wie davon die Worte Joh. 17, 3. bereits sind angeführt worden. Und so will nun Christus, daß wir mit dieser ersten Bitte lauter Gutes, lauter Leben, ja das ewige Leben uns ausbitten und solches auch gewiß erlangen. Das kann uns ja wieder im Glauben stärken, wenn wir sehen, daß unser Gott nicht nur, wie höchst billig, als ein großer, majestätischer, heiliger und herrlicher Gott will verehret werden, sondern daß er auch uns dabei recht wohl thut in Zeit und Ewigkeit, da er uns seinen Namen so süße und lieblich macht, so daß wir wohl von dem ganzen Namen Gottes, wie er uns nun in Christo geoffenbart worden, singen mögen:
Es kann kein Trauern sein so schwer.
Dein süßer Nam' erfreut viel mehr:
Kein Elend mag s‘ bitter sein,
Dein süßer Nam' der lindert's sein.
Wenn wir diese Bitte recht von Herzen beten, so bekommen wir dadurch auf folgende Weise auch eine besondere Stärkung des Glaubens; nämlich, wenn wir ernstlich verlangen, daß nur Gottes Name verherrlicht und nicht geschändet werde und daß wir daher auch gerne Alles zur Verherrlichung seines Namens richten, so können wir ja wohl glauben, der Herr werde auch uns nicht lassen zu Schanden werden über unserer Hoffnung, sondern auch uns helfen um seines Namens willen, daß er au uns gepreiset werde und wir an ihm, daß wir ihn mit der That und Wahrheit, mit Wort und Wandel preisen werden am Geiste und Leibe, und die Schmach von uns abgewendet werde, die wir scheuen, wie David betete: Wende von mir die Schmach, die ich scheue. Ps. 119, 39. Das ist nicht die Schmach Christi, da wir um seines Namens willen von der stolzen Welt verschmähet und verspottet werden. Denn das will ein Gläubiger nicht abgewendet wissen, sondern so es sein soll, gerne über sich nehmen und darin seinem Heilande ähnlich werden. Aber die Schmach scheuet er, und bittet um deren Abwendung, wenn er durch ein sündliches und sträfliches Bezeugen sich eine Schmach zuziehen sollte, dadurch Gottes Name aus seiner Schuld verunehret und verlästert würde.
Wir haben manchmal Sorge, daß wir nicht in eine solche Schmach fallen, und zu Schanden werden. Aber davor wird uns der Herr bewahren, wenn wir die erste Bitte von Herzen beten und nur Alles zur Ehre Gottes thun wollen. Dort sagte Gott zu Eli, 1 Sam. 30: Wer mich ehret, den will ich auch ehren. Lieget uns also Gottes Ehre recht an unserem Herzen und wir wollen ihn gerne als seine Kinder ehren, so wird er gewiß auch dafür sorgen, daß wir als seine Kinder ihm nicht werden zur Schande leben, sondern vielmehr aller Wegen als Lichter scheinen, oder unser Licht auch vor den Leuten leuchten lassen, daß die Menschen unsere in ihm gethane gute Werke sehen und er, der Vater im Himmel, gepreiset werde, so, daß wir mit Paulo auch hoffen können: „daß wir in keinerlei Stück zu Schanden werden, sondern daß Christus mit aller Freudigkeit alle Zeit hochgepriesen werde an unserem Leibe, es sei durch Leben oder durch Tod.“ Phil, 1, 20.
Wenn wir die erste Bitte recht von Herzen beten, so demüthigen, so erniedrigen wir uns vor Gott auf's allertiefste und geben ihm allein alle Ehre. „Den Demüthigen aber gibt Gott Gnade, und stehet auf das Niedrige im Himmel und auf Erden.“ 1 Petr. 5, 5. Ps. 113, 6. Das kann uns ja wieder zum kindlichen Vertrauen erwecken, wenn wir erwägen, daß uns der Herr durch die Vorlegung dieser Bitte so sein demüthig, klein und niedrig zu machen sucht, damit er uns nur in Zeit und Ewigkeit erhöhe und zu Gefäßen seiner Gnade und Barmherzigkeit machen könne.
Wenn wir in der ersten Bitte um die Kundmachung, Offenbarung und Heiligung des Namens Gottes bitten, so bitten wir nach der schönen Erklärung des Catechismi, daß das Wort Gottes lauter und rein gelehret werde und wir auch heilig, als die Kinder Gottes, danach leben, oder daß uns der heilige Gott und Vater auch durch sein heiliges Wort der Wahrheit heiligen wolle, wie Jesus selbst für seine Jünger betet: „Heiliger Vater, heilige sie in deiner Wahrheit, dein Wort ist die Wahrheit.“ Joh. 17, 11. 17. Durch die reine und lautere Verkündigung des göttlichen Wortes wird eben der Name Gottes uns kund gemacht und offenbart, und durch ein heiliges Leben wird der Name Gottes auch bei uns heilig. Nun sind dich zwei unschätzbare Wohlthaten, welche, wenn sie zusammen verbunden werden, uns recht mit Gott verbinden und auf Zeit und Ewigkeit glückselig machen, im Gegentheil aber vor Allem bewahren, was uns zeitlich und ewig kann unglücklich machen. Die reine Lehre oder das unverfälschte Wort Gottes zeiget uns ja den rechten Weg zu unserer zeitlichen und ewigen Glückseligkeit, hat aber auch eine Kraft bei sich, daß man diesen Weg betreten und darauf im Leben und Sterben Ruhe und Frieden finden kann. Das Wort heißt ja Geist und Leben, und ist ein Wort des Friedens. Wie süß und tröstlich ist doch dieß Wort des Lebens und Friedens den armen, bußfertigen Sündern, oder denen, die in mancherlei inner- und äußerlichem Leiden stehen, ja endlich durch die Pforten des Todes gehen, und auf dieß Wort im Frieden heimfahren? Das lautere Wort Gottes bewahrt uns auch vor allen Irrungen, die uns in zeitliches und ewiges Verderben führen. Und dieß Alles bitten wir in der ersten Bitte. Da können wir uns ja im Glauben dadurch stärken, wenn wir sehen, daß uns unser Heiland so gerne in seinem Namen, in seinem Wort und Glauben erhalten und vor allen Abwegen bewahren will. Er sagt selbst, Joh. 17, 26.: „Ich habe ihnen deinen Namen kund gethan, und will ihnen kund thun; auf daß die Liebe, damit du mich liebest, sei in ihnen, und ich in ihnen.“ Je mehr uns Gottes Name, Gottes Wort kund und offenbar wird, je mehr wird die Liebe Gottes, womit der Vater den Sohn liebt, und er, der Sohn, die Liebe selber in uns sein. Das ist ja die allerhöchste Wohlthat, und der allergrößte Schatz, um das bitten wir gleichfalls in der ersten Bitte, und unser Heiland bittet auch für uns, daß der Vater im Himmel uns in seinem Namen erhalten möge, wie es V. 11 heißt: Heiliger Vater, erhalte sie in deinem Namen.
Es geht also bald die erste Bitte im Vater Unser auf die Schenkung und Erhaltung des göttlichen, unverfälschten Wortes Gottes, oder der reinen und lauteren Lehre. Wer das bedenkt, der wird die reine Lehre für das theuerste Kleinod schätzen und gegen die Irrthümer nicht so gleichgültig sein, oder nicht denken, es hätte damit nichts zu sagen, so nur die Menschen ein frommes und heiliges Leben führten. Nein, irrige, falsche Lehre ist auch eine Entheiligung des Namens Gottes, und daraus kann kein heiliges Leben, sondern allerlei Schaden entstehen. Denn thut doch schon eine unrichtige Lehrart, da das Wort nicht recht getheilt und die Ordnung des Heils nicht stets getrieben wird, großen Schaden, wie nicht vielmehr unrichtige Lehre selbst.
Ferner, wenn wir nach dem heiligen Worte Gottes auch als die Kinder Gottes heilig leben, folglich dem heiligen Gott immer ähnlicher, immer geistlich- und göttlicher gesinnt werden, so ist ja das wieder eine große Wohlthat für uns und unser großer Nutzen; darum nennt Paulus Hebr. 12 die Heiligung unsern Nutzen, geistlich gesinnt sein aber ist ja, nach Röm. 8, Leben und Friede, und wir kommen dadurch dem glückseligen Zustande im Paradiese je näher und näher. Das aus dem Fall entstandene unheilige, ungöttliche Wesen, mit einem Wort, die Sünde ist ja der Leute Verderben, und die Quelle aller Unglückseligkeit; je mehr wir nun aber davon gereinigt und geheiligt worden, je mehr werden wir von so vielen bitteren Früchten der Sünde, von Angst, Unruhe des Gewissens, Tyrannei der Affekten und anderem Uebel befreit. Und da können wir ja deutlich sehen, wie uns unser Heiland auch bald durch die erste Bitte so viel Gutes will mitgetheilt wissen. O, daß wir sie nur recht verstünden, und von nun an noch viel lieber und gläubiger beteten, damit der Name Gottes, als unsers Vaters im Himmel, bei uns auf Erden, wie im Himmel geheiligt würde, so würden wir auch je mehr und mehr der himmlischen Freuden theilhaftig werden, und die Kräfte der zukünftigen Welt schmecken.
O ja, lieber himmlischer Vater, erfülle uns bald mit lebendiger Erkenntniß deines heiligen Namens, und offenbare deinen Namen vermittelst deines heiligen Wortes durch deinen heiligen Geist, daß wir dich, als unseren in Christo versöhnten Vater, als einen heiligen Vater, als einen Vater im Himmel erkennen, und in solcher lebendigen Erkenntniß auch Leben und Friede, ja das ewige Leben finden und auch über deinen Namen täglich fröhlich sind, denn du heißest gnädig, barmherzig, geduldig und von großer Güte, und vergilbest Missethat, Uebertretung und Sünde, und Jesu, dein lieber Sohn, heißt der Herr, der unsere Gerechtigkeit ist. Du weißest wohl, allwissender Gott, wie uns dein Name noch so wenig bekannt ist, wie uns deine göttlichen Eigenschaften noch nicht so in unsere Seele einleuchten, da wir doch schon so lange in deiner Schule sind. O darum offenbare doch uns unmündigen Kindern deinen und deines Sohnes Namen, daß wir denselben auch als eine ausgeschüttete Salbe, als ein festes Schloß erfahren und darinnen recht beschirmet, sicher und selig sind. Erhalte auch unter uns die reine und lautere Verkündigung deines heiligen Wortes, und mache uns dein heiliges Wort je länger je lieber, laß uns aber auch als deine Kinder heilig nach demselben leben, und so laß deinen Namen, der wohl an sich selbst heilig ist, auch bei uns recht heilig oder recht verherrlichet werden. Laß uns deines Namens Ehre vor allen Dingen an unserem Herzen liegen und denselben in allen Stücken und so auch bei unserm Gebet immer das Erste sein und Alles nach diesem Ziele richten. Und so mache uns recht lauter, recht demüthig und nüchtern, einfältig und wahrhaftig, daß wir nicht uns selbst, oder unsers Namens Ehre suchen, sondern in tiefster Demuth dir allein Alles zuschreiben und von Herzen sagen, nicht uns, Herr, nicht uns, Herr, sondern deinem Namen gib Ehre, damit wir nicht Räuber deiner göttlichen Ehre werden, sondern auch vielmehr Alles, was wir thun, zu deiner Ehre thun. So mache uns denn von aller Abgötterei, von allen Götzen, von aller unordentlichen Eigenliebe, eigener Ehre und allem eigenen Wesen los und frei, und laß uns mit unserem ganzen Herzen an dir allein hangen und dich auch über alle Dinge fürchten und lieben. Und so stärke uns auch im kindlichen Vertrauen zu dir, daß wir uns allein auf dich verlassen und auf deinen Namen hoffen. Laß uns glauben, daß, wenn wir nur deines Namens Ehre suchen, du werdest auch uns nicht, weder im Leben noch im Sterben, lassen zu Schanden werden über unserer Hoffnung, ja du werdest uns, wenn wir hier deinen Namen bekennen, auch einmal dort bekennen vor allen heiligen Engeln und Auserwählten. So mache uns nur deinen Namen immer süßer und lieblicher, immer höher und herrlicher, daß deines Namens Ruhm, allein nur unsere Freude und Wonne sei, so daß wir gerne abnehmen wollen, wenn du nur zunimmst und dein heiliger und herrlicher Name bald auf dem ganzen Erdboden verherrlichet und hochgelobet werde. Amen.
Unser Herrscher, unser König, unser allerhöchstes Gut!
Herrlich ist dein großer Name, weil er Wunderthaten thut,
Löblich, nah' und auch von fernen,
Von der Erd' bis an die Sternen.
Herr, mein Herrscher! o wie herrlich ist dein Name meiner Seel'!
Drum ich auch vor deinen Augen singende mich dir befehl':
Gib, daß deines Kindes Glieder
Sich dir ganz ergeben wieder.
Die andere Bitte.
Wir beten nun ferner: Dein Reich komme. In der ersten Bitte rufen wir Gott an, daß er durch die reine und lautere Verkündigung seines Wortes seinen heiligen und herrlichen Namen offenbare, w Je er unser Vater im Himmel, unser Herr und König sei, und sonderlich, wie er sich in Christo wieder in Gnade und Barmherzigkeit zu uns gewendet habe; in dieser andern Bitte aber bitten wir, daß er auch mit seinem himmlischen Gnadenreich, als unser Herr und König, in unser Herz komme, durch den Glauben erst in unserm Herzen wohne, recht seine Residenz, seine bleibende Wohnung, seinen Thron darinnen aufschlage und solches seinen Himmel sein lasse, wie solches Alles indem Liede: Mein Jesu, dem die Seraphinen rc., schön ausgedrückt wird, da es im 6. und 7. Vers heißt:
Reich' mir die Waffen aus der Höhe,
Und stärke mich durch deine Macht,
Daß ich im Glauben sieg' und stehe,
Wenn Stärk' und List der Feinde wacht;
So wird dein Gnadenreich auf Erden,
Das uns zu deiner Ehre führt,
Und endlich gar mit Kronen ziert,
Auch in mir ausgebreitet werden.
Ja, ja, mein Herz will dich umfassen,
Erwähl' es, Herr, zu deinem Thron,
Hast du aus Lieb' eh'mals verlassen
Des Himmels Pracht und deine Kron'.-
So würd'ge auch mein Herz, o Leben,
Und laß es deinen Himmel sein,
Bis du, wenn dieser Bau fällt ein,
Mich wirst in deinen Himmel heben.
Dieß ist eben auch das, was Luther in der Erklärung saget, daß nämlich der Vater im Himmel uns seinen Geist geben wolle, damit wir durch seine Gnade seinem Worte glauben und göttlich leben, hier zeitlich und dort ewiglich. So will Christus durch diese Bitte uns lehren, daß wir zuerst nach seinem Reiche trachten, und solches auch so in uns erfahren, wie es ist, Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist, und als seine treuen Reichsgenossen und Unterthanen ihm auch darinnen dienen, ihm recht gefällig und den Menschen werth oder nützlich seien, und in solcher Ordnung endlich in's Reich der ewigen Herrlichkeit aufgenommen werden.
Wenn wir aus dem Worte Gottes den Namen Gottes erkennen, so entstehen sehnliche Seufzer, daß doch durch die rechte Erkenntniß und Heiligung des Namens Gottes auch Gottes Reich in uns und überall auf dem ganzen Erdboden angerichtet werde; und da wir hier in der Welt, wo der Satan der Fürst ist, noch mit dem Reiche des Satans umgeben sind, und derselbige sich immer uns widersetzet, so schreien wir desto mehr, desto sehnlicher um die Zukunft des Reiches Gottes, daß der Vater im Himmel doch bald in uns und Andern sein himmlisches Reich noch mehr ausbreiten und des Satans Reich mächtig zerstören wolle. Denn wir sind doch einmal in sein Reich als seine Reichsgenossen und Unterthanen aufgenommen, stehen doch unter seinem Heer, da wir in der heiligen Taufe zu seiner Fahne geschworen haben, und so wollen wir ihm auch gerne dienen und treu sein bis in den Tod. Wir fühlen aber noch, wie das Reich und die Macht der Finsterniß oft mit Gewalt will eindringen, und stehen hier immer zwei Heere gegen einander. Da rufen und schreien wir, wie eine belagerte Stadt, um Succurs und Beistand, daß der Herr fort und fort in seinem Reiche, in seiner mächtigen Herrschaft zu uns komme, daß es immer im Kommen sei, bis an's Ende in's Reich der Herrlichkeit; denn es ist ein täglicher Seufzer, weil uns täglich noch unsere Feinde aus dem Reich des Satans anlaufen, ja ihre heimlichen Spionen noch in uns haben, uns aber desto eher können beikommen und berücken; da ist diese Bitte täglich und stündlich desto nöthiger und es entstehet freilich ein sehnlicher Seufzer nach dem andern, da wir, wenn nicht stets mit dem Munde, doch mit dem Herzen immer seufzen: Dein Reich komme! Ach ja, Herr, dein Reich, dein herrliches Gnadenreich, dem mächtiges Reich komme, daß des Satans Reich nicht überhand nehme, sondern täglich in uns und Andern auf dem ganzen Erdboden immer mehr zerstöret werde. Wie es dort heißt: Ach, daß du den Himmel zerrissest und führest herab. Jes. 64, 1. Das heißt: dem Himmelreich Gewalt anthun und es zu sich reißen, nämlich durch heiße, sehnliche Seufzer, da wir uns durch's Reich des Satans in's Reich Gottes und bis in den Himmel hinein seufzen, und so, so kommen wir durch, anders nicht. Unsere Seufzer und Thränen sind unsere Wehr und Waffen. Da heißt es, wie der sel. Hr. Dr. Anton schreibt: „Geheiliget werde dein Name, o Vater! und vermittelst der Heiligung deines Namens komme dein heiliges Reich je mehr und mehr, daß wir, die wir hier auf Erden wallfahrten, doch dein Reich vom Himmel zu uns ziehen durch's Vater Unser, daß dein Reich, als ein guter Gast mit lauter Leben, zu uns komme. (Denn was zu uns kommen soll, muß lebhaft sein) Dein Reich wohne unter uns und überall, daß wir nicht lassen des Teufels Reich einreißen. Wir müssen uns in den Himmel flehen, wie es auch von Christo heißt: Er sahe auf gen Himmel und seufzete. „Wenn ich nun sage,“ heißt es weiter: Dein Reich komme! ach, wie willkommen muß es mir sein! das ist recht was Sehnliches! und die Gebete sind adspirationes (sehnliche Seufzer); animus adspirat, das Gemüth holt Odem, schnappet nach himmlischer Luft, schnappet nach himmlischer Ruhe, will sonst nichts haben; das ist sein Leben! adveniat regnum tuum, dein Reich komme. Denn solche suspiria (Seufzer) geschehen aspirando (mit Sehnen hinaufwärts), wie man aus der praxi stehet, auch dort an dem Volk. Da das eine Kraft merkte bei der Zukunft Christi nach Jerusalem , so schrie es: Veniat regnum Dei et Regis Davidis, willkommen sei das Reich Gottes und Davids des Königes! mit welcher Benennung sie auf die Verheißung Davids sahen. Wo also der Name bekannt worden, da kommen solche Gebete hervor, und dringen hervor.“ Da hungert und dürstet man nach Gnade, und es heißt:
Nach dir ein großer Durst mich treibt,
Ach, wär' ich dir doch einverleibt!
Hier komm' ich, mein Hirte, mich dürstet nach dir.
Wir bitten also in dieser Bitte um die höchsten Gaben und Wohlthaten. Wir bitten um den heiligen Geist, wir bitten um den Glauben, und um die Vereinigung mit Gott, oder um dessen Einnehmung in unserem Herzen durch den Glauben, daß er sein Reich in uns einnehme und in uns allein lebe, regiere und herrsche, hingegen aber je mehr und mehr Alles in uns zerstöre, was noch von dem Reiche des Satans in und außer uns übrig ist. Wir bitten um die himmlischen Schätze und Kleinodien des Reiches Gottes, um Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist, und um alle seine göttliche Kraft, was zum Leben und göttlichen Wandel dienet. Denn das Reich Gottes stehet nicht in Worten, sondern in der Kraft, l Cor. 4, 20., durch welche wir Alles überwinden können, was noch von dem Reiche der Finsterniß uns entgegenstehet. Und so bitten wir, daß uns der Herr selbst auch zu geistlichen Königen und Priestern mache, daß wir in seiner Kraft in Allem weit überwinden, und endlich auch dort in dem Reiche der Herrlichkeit Alles ererben können. Sind das nicht große, herrliche Schätze und die rechten Magnatia Dei, die großen Thaten Gottes, oder die herrlichen Dinge, die in der Stadt, in dem Reiche Gottes geprediget werden?
Dieß Alles sollte uns das wahre Christenthum, und sonderlich auch das Gebet als die allerlieblichste Sache vorstellen, und uns billig auch zu einem recht kindlichen Vertrauen gegen Gott erwecken. Denn wir sehen ja hier wieder aus dieser Bitte, wie viel Gutes uns unser Heiland wolle mitgetheilet wissen, wie viel Gutes wir uns auch nur durch diese Bitte ausbitten.
Unser Gott ist ja wohl ein großer, majestätischer Herr und König, aber das Reich, worinnen er seine Gläubigen regieret, ist doch ein Gnadenreich, darinnen lauter Gnade, Heil und Frieden zu finden ist, da es seine Unterthanen bei ihm und in seiner Gemeinschaft recht gut haben, und mit jenem alten Lehrer ausrufen müssen: bonum habemus Dominum; wir haben einen guten Herrn; oder wie wir singen: Wohl uns des seinen Herrn! Er regieret so, daß nicht nur seine Majestät und Herrlichkeit gefürchtet und geehret werde, sondern, daß auch seinen Reichsgenossen recht wohl sei, daß sie es bei ihm in seinem Reiche und Dienste recht gut haben, denn er hat mit ihnen einen ewigen Gnadenbund, einen Bund des Friedens aufgerichtet, und sie in seine innigste, seligste Gemeinschaft ausgenommen, damit er ihnen nur fort und fort wohlthue; dahin gehen die Worte Jer. 32, 40.: „Und ich will einen ewigen Bund mit ihnen machen, daß ich nicht will ablassen, ihnen Gutes zu thun, und will ihnen meine Furcht in's Herz geben, daß sie nicht von mir weichen, und soll meine Lust sein, daß ich ihnen Gutes thun solle rc.“ So sollen wir in dem Gnadenreiche eitel Huld und Gnade Gottes, Vergebung aller Sünden, Gerechtigkeit, Friede, Freude, Leben und volle Genüge, aber auch gegen alle unsere Feinde, gegen das ganze Reich der Hölle Schutz und Schirm genug haben. Denn unser König ist wie ein gnädiger, so auch ein mächtiger König, und ist um uns, seine Reichsgenossen, eine feurige Mauer, und also sind alle seine Feinde gegen ihn wie Stroh und Stoppeln gegen ein großes Feuer. 2 Mos. 15, 7. Zach. 2, 5.
Dieses Alles, alle diese großen, himmlischen Dinge, erbitten wir uns in der andern Bitte, und wir bekommen sie gewiß, denn unser Heiland hat uns selbst so heißen bitten; er weiß, daß der Vater im Himmel alle diese herrlichen Schätze in seinem Reiche besitzet, und auch uns geben will. Denn das Gnadenreich ist eben durch Christum, seinen lieben Sohn, aufgerichtet, der hat uns diese herrlichen Schätze, die Gerechtigkeit, Friede und Freude, Stärke und Kraft, Schutz und Sicherheit erworben. Darum heißet er eben der Herr, der unsere Gerechtigkeit ist, der König des Friedens und unser Friede selbst, und so heißt und ist er auch selbst unsere Kraft und Stärke und unser Schutz. Wenn wir nun bitten, dein Reich komme, so bitten wir, daß er, unser Heiland, mit allen seinen Gütern und Gaben und mit seiner ganzen Fülle immer mehr in unser Herz komme, und uns in Gnaden regiere und beschütze; das kann uns ja wieder ein völliges Vertrauen erwecken, diese Bitte recht gläubig zu beten.
Denn wenn wir recht von Herzen so beten, wünschen und flehen, daß Gott sein Reich in und unter uns, ja auf dem ganzen Erdboden wolle ausbreiten, wollen also gerne seine treuen Reichsgenossen und Unterthanen werden und bleiben; wie sollte uns dieses nicht recht kindlich und zuversichtlich machen? Wir können ja da gewiß glauben, daß der Herr auch uns, als ein gnädiger König, regieren und wider alle Feinde schützen werde. Dort, Luc. 19, 27., heißt es von den Feinden Christi: „Jene, meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen soll, bringet sie her und erwürget sie vor mir.“ Diese konnten wohl kein Vertrauen zu ihrem Könige haben, da sie sich nicht von ihm beherrschen ließen, und sie wurden auch erwürget. Wir aber wollen uns gerne von ihm beherrschen lassen, und bitten ihn, daß er nur ganz allein uns beherrsche; da können wir ja recht zuversichtlich gegen ihn sein, und glauben, daß er auch gewiß in uns je mehr und mehr sein Reich einnehmen, und auch mitten unter seinen Feinden, mitten unter den noch übrigen sündlichen Gebrechen doch herrschen werde, daß uns weder Sünde, Welt noch Satan überwältigen sollen. Wir können glauben, daß er auf unser sehnliches Verlangen auch uns nicht nur zu seinen recht treuen Reichsgenossen machen, sondern auch uns alle Schätze und Güter seines Reiches mittheilen werde, und es uns nicht an irgend einem Gut, an irgend einer Gabe mangeln lassen werde, daß wir uns nicht über ihn als einen harten Herrn, oder über seinen Dienst als einen schweren Frohndienst beschweren können, und auch die Weltkinder nicht sagen dürfen, daß er seine Reichsgenossen stecken oder Mangel leiden ließe, denn wir haben da die klare Verheißung, daß, so wir am ersten nach seinem Reiche trachten, uns alles Andere zufallen werde. Matth. 6, 33.
Er ist Herr und König in drei Reichen, und so auch in dem Reiche seiner Macht. Er kommt zu uns im Reiche seiner Gnade, und bringt uns dadurch endlich in's Reich seiner Herrlichkeit; dazu aber muß uns auch Alles im Reiche seiner Allmacht behülflich sein und zum Besten dienen, denn es muß ihm Alles dienen, und so auch seinen Reichsgenossen, die gerne Alles auch im Aeußerlichen wollen seine Sache sein lassen, oder zur Beförderung seines Reiches ausrichten, und heißt es da: Es ist Alles euer. 1 Cor. 3, 21.
Nun, o lieber Vater im Himmel, du hast durch deinen Sohn deinen Namen offenbaret und kund gethan, und dadurch auch dein Reich aufgerichtet. Ach, laß es doch bald überall auf dem ganzen Erdboden ausgebreitet, und hingegen des Teufels Reich mit Macht und Gewalt zerstöret werden. Mache aber auch uns selbst je mehr und mehr zu deinen treuen Reichsgenossen und Unterthanen, daß unser ganzes Thun und Lassen, Bitten und Flehen nur dahin gehe, daß wir dein Reich vermehren helfen, zuvörderst aber solches in uns selbst immer besser aufrichten und uns in deine selige Gemeinschaft bringen lassen. Gib uns deinen heiligen Geist, daß wir auch durch desselben Kraft und Wirkung deinem Worte glauben und dich im Glauben aufnehmen, daß du durch den Glauben in uns wohnest und wandelst, und wir auch hier zeitlich schon göttlich leben. O so komme darum nur selbst mit deinem ganzen Reich in unser Herz, und nimm das ganze Herz zu deiner heiligen Residenz und Wohnung und zu deinem Thron, ja regiere du allein in unserm Herzen, hingegen zerstöre in uns alles dir widerstrebende, feindselige Wesen, Alles, was noch von dem Reiche, Werk und Wesen des Satans übrig ist; denn es ist noch nicht genug da, aber herrsche auch da mitten unter deinen Feinden; wir wollen doch ja gerne dich über uns herrschen lassen, das ist doch unser Sinn, den du uns selbst gegeben, und das, was noch in uns gegen dich feindlich ist, halten wir auch für unsern Feind und wollen ihn gerne getödtet wissen, O darum vertilge doch alles verderbte, ungöttliche Wesen, der du es allein thun mußt, und gerne thun willst, aber auch gewiß thun wirst. Thue uns auch die Schätze deines Reiches reicht auf und laß dem Reich in Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist auch in uns recht aufgehen, grünen und blühen, daß auch wir dir darinnen recht dienen, dir recht gefällig und den Menschen werth, nützlich und förderlich sind, daß wir mit Wort und Wandel, mit Gebet und Flehen und unserm ganzen Thun und Lassen dein Reich vermehren helfen. In solcher Ordnung bereite auch uns je mehr und mehr zu dem Reiche deiner ewigen Herrlichkeit, und dazu laß auch uns Alles in dem Reiche deiner Allmacht nützlich sein. Laß uns hier in deinem Gnadenreiche stets in deiner Gnade wandeln, an deiner Gnade allein hangen, nach deiner Gerechtigkeit allein hungern und dürsten, und in stetem Seufzen und Flehen nach deiner Gnade, nach deinem ganzen Heil uns erfinden lassen, und uns also auch durch Alles hindurch, bis in das Reich deiner Herrlichkeit, in Himmel hinein, seufzen und flehen, und unser ganzes Herz dahinein richten, ja mit recht ausgespannter und brennender Begierde nach deinem Reiche trachten, und ohne Unterlaß seufzen: Dein Reich komme. Ja komm, komm, du gnädiger und mächtiger König und Herrscher! Wir wollen ja nicht von denen sein, die dich nicht über sich herrschen lassen, sondern vielmehr wollen wir gerne uns dich ganz beherrschen lassen, ja bitten und flehen gar inniglich, daß du uns nur wollest ganz allein beherrschen und keinem Feinde und so auch uns selbst nicht über uns Gewalt lassen, denn wir wollen dein allein sein und bleiben, und auch fröhlich sein über deinem Regiment; weil es uns ja bei dir unter deinem gnädigen Scepter an keinem Guten, auch nicht an Schutz, Schirm und Sicherheit fehlen kann, und zwar weder im Leben noch im Sterben. Du bist der Herr des Lebens, und hast als der mächtige König auch Gewalt und Macht über den Tod, du hast die Schlüssel der Höllen und des Todes, und herrschest, bis alle Feinde, so auch dieser letzte Feind, unter den Schemel deiner Füße gebracht worden. O wohl auch uns des seinen Herrn! Wie gut ist es doch in deinem Reiche unter dir dienen! wie können wir da so ruhig, sicher und ohne ungläubige Sorge sein, weiden und ruhen ohne Furcht! Nun so komm, komm und nimm dein Reich recht ein, vernichte alle böse Anschläge, die deine Feinde wider dein Reich und deine Sache im Sinne haben, und laß bald alle Reiche dein und deines Christi werden! Dazu segne alle deine Werke und die Verkündigung deines Wortes, daß dir noch Kinder geboren werden wie der Thau aus der Morgenröthe, und dieß dein Reich, ob es auch in uns und Andern wie ein Senfkorn klein wäre, sich doch weit und breit ausbreite, und demselben nichts widerstehen könne. O so herrsche, du gewaltiger Herrscher, über uns und in aller Welt, von einem Ende der Erden bis an's andere, daß dein Name nur einer sei und dein Berg bald hoch erhoben werde über alle Berge auf dem ganzen Erdboden. Amen
Herrscher herrsche, Sieger siege,
König, brauch' dein Regiment,
Führe deines Reiches Kriege,
Mach der Schafferei ein End'!
Laß doch aus der Grub' die Seelen
Durch des neuen Bundes Blut,
Laß uns länger nicht so quälen,
Denn du meinst's mit uns ja gut.
Die dritte Bitte.
Nun folget in der schönen Ordnung die dritte Bitte: Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden. In der ersten bitten die Gläubigen, daß Gott ihnen sein Wort geben und dadurch sie zu seiner Erkenntniß, zur Erkenntniß seines Namens, wie er sich sonderlich in Christo, seinem Sohne, geoffenbaret hat, bringe, daß sie nämlich wissen, was sie für einen heiligen, aber auch in Christo gnädigen und barmherzigen Vater, König und Herrn an Gott haben, und ihn auch als einen solchen anbeten und ehren.
In der andern Bitte aber beten und stehen sie, daß Gott durch seinen Geist, vermittelst seines Wortes, sie auch zum Glauben bringe, daß sie im Glauben Gott als ihren König auch in ihrem Herzen auf- und annehmen, und sein Reich in und unter ihnen aufrichten lassen, oder seine rechten Unterthanen werden.
Und in dieser dritten Bitte beten sie, daß sie auch als rechte treue Unterthanen den Willen und Befehl Gottes mögen ausrichten, nicht nur seinen Willen wissen, sondern auch thun und leiden, und also im Thun und Leiden ihm gehorsam seien.
Wir bitten also, daß der Wille Gottes, wie überall in der Welt, so auch besonders an uns geschehe, und zwar in lauter Gnade und Barmherzigkeit; das geschieht nach der schönen Erklärung Lutheri: „Wenn Gott allen bösen Rath und Willen bricht, und hindert, so uns den Namen Gottes nicht heiligen, und sein Reich nicht kommen lassen wollen, als da ist des Teufels, der Welt und unsers Fleisches Wille, sondern stärket und behält uns fest in seinem Wort und Glauben bis an unser Ende, das ist sein gnädiger und guter Wille.“
Unser Heiland will, wie der selige Herr Dr. Anton schreibt, mit dieser Bitte wohl anzeigen, daß auf Erden nichts weniger, als der Wille Gottes geschieht, und man eher den Willen eines bösen Buben, als den Willen Gottes thue; und die Kinder Gottes fühlen es mit Schmerzen, daß nichts verachteter auf Erden ist, als Gottes Wille und Gottes Wort; denn es ist freilich den weltgesinnten Menschen Gottes Name und Reich ganz unbekannt; daher verlangen sie auch nicht, daß Gottes Wille an ihnen vollbracht werde. Aber die Gläubigen, die da wissen, was der Name Gottes, was sein Reich ist, und wie sie darinnen so selig sind, was sie für Gutes in seinem Namen, in seinem Reiche finden, wie gut es ihr lieber Vater und gnädiger König mit ihnen meine, wie die Gebote und Befehle ihres Königs lauter väterliche Liebesgebote und für sie so heilsam sind, die verlangen erst recht sehnlich, daß Gottes Wille auch immer an ihnen vollbracht werde; denn sie wissen, daß es ein recht guter und gnädiger Wille ist, nach welchem Gott ja allen Menschen und so auch ihnen will geholfen wissen. Es ist also Gottes Wille bei ihnen nichts anders, als Gottes Gnade, Huld und Liebe. und folglich ihre höchste Seligkeit, der eigene böse Fleischeswille aber nichts, wie lauter Unseligkeit und der Weg zur Hölle. Darum liegt auch den Kindern Gottes in der ganzen Welt nichts mehr an ihrem Herzen, als daß nur Gottes Wille, und ja nicht ihr eigener Wille geschehe; sie fürchten sich vor nichts mehr, als vor ihrem Willen, bitten hingegen um nichts mehr so ernstlich, als daß nur Gott seinen guten und gnädigen Willen auch an ihnen zu aller Zeit erfülle. Ehe Kinder Gottes wissen, was des Herrn Wille ist, da haben sie Angst und Furcht, daß sie nicht des Herrn Weg und Willen verfehlen, aber wenn sie wissen, was sein Ruth und Wille ist, da fahren sie zu, es koste auch, was es wolle. Weil sie aber fühlen, daß sie auch noch das Fleisch oder böse, eigenwillige Herz haben, und von demselbigen auch leicht unter einem guten, heiligen Schein können berückt werden, so flehen sie desto mehr stets recht ernstlich und anhaltend, daß nur Gott allen noch übrigen bösen Willen brechen wolle, denn das ist der Prozeß, wenn Gott seinen Willen erfüllen soll. Sie wissen wohl, daß Gottes Wille immer gut ist, und Gott Alles wohl macht, sie fürchten sich aber nur vor ihrem eigenen Geiste und Willen, daß sie es nicht verderben. Sie erkennen, daß sie wohl verdient hätten, daß sie Gott im verkehrten Sinn und Eigenwillen hingäbe, aber sie bitten um Gnade und daß sie Gott, da sie es nicht verdienen, doch nur um seines Namens willen recht leite und führe. Sie Protestiren gegen allen eigenen Willen und seufzen:
Nun so tödte und schlachte hin,
Meinen Willen, meinen Sinn.
Daher auch ein Kind Gottes, schreibt der selige Herr Dr. Anton, das NUN Gott kennt und seinen Willen, den lieben Gott selbst hierum bittet: „Brich, brich, zerbrich den Willen mein. Also hat es Lutherus gewiß herrlich gesetzt: Wenn Gott allen bösen Rath und Willen bricht und hindert, so uns den Namen Gottes nicht heiligen und sein Reich nicht kommen lassen will. Da sehe man, wie er die drei Bitten hat zusammen geschlossen, und da heißt es nun auch: So ihr euch nicht umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr (große Herren) nicht in's Himmelreich kommen.“ Der Wille Gottes soll nicht nur im Himmel, sondern auch auf Erden wie im Himmel geschehen: „sonst,“ schreibt er über Luc. 11, 2., „wäre die Erde und bliebe die Erde ein bloßes Teufels-Quartier. Daß wir so reden, darf uns wegen der Sache nicht befremden, denn es siehet je seltsam genug aus, als wenn nämlich Gott kein Quartier auf Erden haben sollte“ (als wenn er nicht Herr bleiben sollte, der zu befehlen hätte, und dessen Willen man Vollbringen müßte), „darum rufen gerechte Seelen, daß Gott mit seinem Reiche drein fahre, daß sein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel, denn die Erde ist ja auch von Gott her. Denn, wie er den Himmel hat geschaffen, so hat er auch die Erde geschaffen. Das, was auf Erden noch muß geschehen, kann nicht bis in den Himmel gesparet werden, sondern, das man von der Erden davon bringet, das folget einem nach (in den Himmel).“ Das ist, so viel wir hier auf Erden den Willen Gottes thun, so viel folget uns nach bis in den Himmel, in die Ewigkeit, denn es heißt: Wer aber den Willen Gottes thut, der bleibet in Ewigkeit. 1 Joh. 2, 17.
O, wie lieb sollte da der Wille Gottes sein, da dessen Vollbringung auf lauter ewiges Heil und Seligkeit abzielet! O, wie nöthig ist doch diese Bitte! Da hat man wohl ernstlich darum zu beten, daß doch nur der Wille des Herrn geschehen möge, indem dieß nicht in unserer Kraft und Macht steht, denn das Ziel wird uns hier sehr hoch gesteckt; wie die heiligen Engel im Himmel Gottes Willen und Befehl ausrichten, so sollen wir ihn auch auf Erden vollbringen; da gehöret göttliche Kraft und mehr denn ein Seufzer dazu.
Es ist aber diese Bitte wieder aus dem liebreichen Herzen des Herrn Jesu geflossen, weil er uns dadurch vor dem allerschädlichsten Nebel bewahren will, nämlich vor unserm eigenen Willen, den wir nach der verderbten Natur so lieben und für unser Himmelreich halten, da er doch der Weg zur Hölle und oft auch hier eine halbe Hölle und rechte Folter ist, wenn nämlich ein Mensch in eigenem Sinn, nach seinen fleischlichen Begierden bald Dieß, bald Das will, und daher immer unruhig ist, noch unruhiger aber wird, wenn er seinen Willen nicht vollbringen kann, da so Mancher wohl gar darüber um sein Leben kommt, oder da wohl Dieß und Das, was sein fleischlicher Sinn begehrt, geschieht, aber zu des Menschen oft leiblich, geistlich und ewigem Verderben. Vor diesem unruhigen Uebel, vor dieser großen Pein und Unglückseligkeit will uns nun unser Heiland bewahrt wissen. Das ist also lauter Mutterliebe; wie ja das wohl Liebe ist, wenn die Mutter dem Kinde nicht erlauben will, daß es ein süßes Gift trinket oder ein spitziges Messer in die Hände nimmt. Das kann uns ja wohl zu unserm Gott und Heilande ein kindliches Vertrauen erwecken, da er durch diese dritte Bitte gleichsam eine Mauer vorziehen, vormachen will, daß wir nicht in unser Verderben laufen oder den Willen des Fleisches, der Welt und des Satans thun.
Wir werden aber durch diese Bitte nicht nur vor unserem Schaden und Verderben verwahret, sondern auch auf einen Weg geleitet, worauf lauter Ruhe, Friede, Leben und Seligkeit zu finden ist. Denn da unser Gott die Liebe selber ist, so will er ja nach seinem Liebeswillen nichts, als was für uns das Allerbeste und Seligste ist. Sein Wille ist, wie gedacht, seine Liebe, Huld und Gnade und unsere ewige Seligkeit, denn es bleibt dabei, wer den Willen Gottes thut, der bleibet in Ewigkeit.
Dort sagt unser Heiland: „Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.“ Ps. 40, 9. Worin bestand denn dieser Wille Gottes? Darin, daß sich Christus, als unser Mittler, für uns in den Tod zum Opfer geben, uns mit Gott versöhnen und die verlorene Seligkeit wieder erwerben sollte, wie Hebr. 5, 10. zu sehen, da es im 10. V. heißt: „In welchem Willen wir sind geheiliget (oder versöhnet, Gott wieder angenehm gemacht worden) durch das Opfer des Leibes Jesu Christi.“ Also gehet der Wille Gottes mit uns Menschen auf lauter Heil und Seligkeit, so uns Christus erworben, und wir sind nie seliger, oder werden der durch Christum erworbenen Seligkeit nicht besser theilhaftig, als wenn es uns immer nach dem Willen Gottes geht. Der Wille Gottes ist immer für uns das Allerbeste und Seligste, so daß wir uns nichts Besseres und Seligeres auslesen können, als das ist, was nach dem Willen des Herrn mit uns vorgenommen wird, was der Herr uns zuschickt, es sei nun Freude oder Leid; denn unser Gott erwählt immer für uns das Beste, schickt uns immer das recht Ausgesuchte, Ausgelesene zu, daß wir es uns selbst nimmermehr so gut und so selig aussuchen könnten, als es der himmlische Vater thut. Heißt unser Gott uns selbst prüfen und erwählen, was das Beste ist, so wird er ja selbst noch vielmehr für uns immer das Beste aussuchen und erwählen, weil wir es niemals selbst recht verstehen, was das Beste ist; und das wird er um so viel mehr thun, wenn wir ihn in dieser Bitte darum anflehen, wenn wir es ihm überlassen, daß er Alles aussuche und erwähle, oder uns leite und führe nach seinem Rath.
So können wir uns ja immer des Besten von unserm Gott versehen, oder das Beste von ihm hoffen, wie Sirach sagt: „Hoffet das Beste von ihm.“ Cap. 2, 8. Das kann uns nun wohl zu einem recht kindlichen Vertrauen wecken und uns den Willen Gottes, folglich auch diese Bitte recht lieb machen, daß wir sie von ganzem Herzen beten und nach dem Vorbilde unseres Heilandes auch sagen: „Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne.“ Ps. 40, 9. Ja, daß wir auch, wie er, sagen: „Das ist meine Speise, daß ich thue den Willen meines Vaters.“ Joh. 3, 34 Worin bestand dieser Wille des Vaters, da unser Heiland diese Worte sagte: Meine Spei se ist die, daß ich thue den Willen deß, der mich gesandt hat und vollende sein Werk? Er bestand darin, daß er das große Werk der Erlösung ausrichten, und die armen Sünder seiner Erlösung theilhaftig und selig machen sollte, gleichwie er eben damals das samaritische Weib und viele andere Samariter gläubig und selig machte. Nun so kann und soll ja der Wille Gottes auch unsere Speise sein, denn er hat nichts als unsere Seligkeit zum Zweck und zum Ziele. O, das kann ja wohl alles mißtrauische, ungläubige und furchtsame Wesen uns benehmen, es gehe auch, wie es gehe, wenn wir nur das bedenken, daß uns Gott immer will geholfen, zur Erkenntniß der Wahrheit gebracht und uns recht selig wissen, ja daß kein Hungeriger und Durstiger nach der Speise und Tran! so sehr verlangt, als unser Heiland nach unserer Seligkeit, wie er auch noch am Kreuze ausrief: Mich dürstet, aber da gewiß nicht nur leiblicher Weise, sondern auch im Geiste, nach unser Aller Seligkeit dürstete.
Der Wille ist eine Kraft in der Seele, in dem Herzen. Nun hat „seine Seele für uns gearbeitet,“ Jes. 53, rc., er hat sich willig von Herzen dahin gegeben, und alle Seligkeit erworben. Also trägt uns ja unser Heiland stets in seinem Herzen, und es sind in seinem Herzen, in seiner Seele lauter Friedensgedanken über uns, da er uns nur wohlthun, und uns selig machen will in Zeit und Ewigkeit. Das ist ja ein großer Trost.
Wir denken manchmal in unserer Seelennoth, Gott kann uns wohl helfen, aber, ob er will helfen, da will sich noch der Zweifel regen. Allein hier sehen wir ja, daß sein ganzer Wille, sein ganzes Herz, alle Arbeit seiner Seele dahin gegangen, daß wir nur selig werden und zwar immerdar. Denn das bringt auch sein ganzes hohepriesterliches Amt mit, daß er immerdar selig mache Alle, die durch ihn zu Gott kommen, denn er lebet immerdar, und bittet für sie. Luc. 2, 49. Das aber, was des Vaters ist, oder des Vaters Wille, ist wieder dieß, daß er die Sünder selig mache, und nichts verliere von dem, was ihm der Vater gegeben hat, wie es Joh. 6 heißt: „Das ist der Wille des Vaters, der mich gesandt hat, daß ich nichts verliere von Allem, was er mir gegeben hat.“
So sind wir ja in seinem und seines Vaters liebevollen Willen, in lauter Sicherheit und Seligkeit eingeschlossen, können also immer über seinen gnadenvollen Willen uns hoch erfreuen, und dürfen an unserer Seligkeit, oder an seinem gnädigen Willen, uns selig zumachen, nicht zweifeln, sondern glauben, daß er gewiß Alles zu unserer Seligkeit richten will und wird. Denn das bringt sein Name und Amt, ja sein eigen Herz, sein Wesen mit, das er doch nicht verleugnen und ablegen kann. Da liegt ein tiefer und felsenfester Grund der Hoffnung unserer Seligkeit. Denn er will uns helfen und selig machen, und was er will, das kann er auch thun, wie es ja heißt: Unser Gott ist im Himmel, er kann schaffen, was er will. Ps. 115, 3.
Ferner, wenn wir diese Bitte von ganzem Herzen beten, wenn uns der Wille Gottes über Alles anliegt, und wir bitten recht herzlich und ernstlich, daß nur immer allein sein Wille geschehen soll, und fürchten uns recht vor allem eigenen Wege und Willen; sollte uns Gott nicht auch seinen Willen deutlich zu erkennen geben, und uns auch allein nach seinem Rath leiten und führen? O ja! das wäre sonst wider seine Treue. Wenn ein Kind gerne den Willen des Vaters thun will, sollte der Vater ihm nicht zeigen, was es thun oder lassen sollte? Oder haben wir Menschen, die wir arg sind, mehr Liebe zu den Kindern, als unser Gott zu seinen Kindern? Gott erhört ja überhaupt Gebet und hat es oft verheißen; er hat aber ganz besonders diese Bitte zu erhören verheißen, wenn wir um die Erkenntniß und Vollbringung seines Willens bitten, dahin gehen ja die Worte Jerem. 31, 9.: Sie werden weinend kommen und betend, so will ich sie leiten; ich will sie leiten an den Wasserbächen, auf schlechtem Wege, daß sie sich nicht stoßen, denn ich bin Israels Vater. Wer den Willen Gottes nur thun will, der wird ihn schon erkennen. Es heißt ja Joh. 7, 17.: So Jemand will deß Willen thun, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selbst rede.
Wenn wir diese Bitte ernstlich beten, so wird unser Gott nicht nur seinen Willen ein andermal, und etwa in dem Anfang eines Unternehmens, eines angefangenen Standes oder Werkes, einer Arbeit, einer Reise, deutlich anzeigen, sondern auch fort und fort, gleichwie diese Bitte auch ein täglicher Seufzer sein muß, da wir täglich noch Blindheit und allerlei Irrwege merken. Der Herr wird uns im Anfang, Mittel und Ende seinen Weg, den wir erwählen sollen, zeigen, und uns hernach auf solchem Wege fortleiten. Dahin gehen die tröstlichen Worte: „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich lehret, was nützlich ist, und leite dich auf dem Wege, den du gehest.“ Jes. 48, 17. Er zeiget uns nicht nur diesen und jenen Weg, sondern leitet uns auch selbst auf solchem Wege immer weiter fort, von Ort zu Ort, damit wir nicht nur etwas nach seinem Willen und auf rechte Weise anfangen, sondern auch mitteln und vollenden. Dahin gehet der Seufzer aus einem Liede:
Laß mich nicht nur zuerst, wenn etwas soll geschehen,
Nein, auch, indem ich's ihm, ja immer fort und fort
Mit Seufzen und mit Fleh'n dir nach den Augen sehen,
So leite mich dein Aug' auch stets von Ort zu Ort.
Wenn wir recht von ganzem Herzen beten: dein Wille geschehe, so beten wir auch schon dadurch zugleich um Kraft und Stärke, daß wir diesen Willen Gottes auch thun können; und da können wir gewiß sein und Gott kindlich zutrauen, daß er uns nicht nur seinen Rath, Wink und Willen wird wissen lassen, sondern auch genug Stärke und Vermögen geben wird, solchen erkannten Willen in allen Stücken zu vollbringen, und Alles, was wider seinen Willen streitet, in seiner Kraft zu überwinden. Unser lieber Vater weiß wohl, daß hier in der Welt, in uns, in unserm Fleische und außer uns noch Alles seinem heiligen Willen widersteht, und wir da viel zu blind sind seinen Willen recht zu erkennen, und viel zu unmächtig, selbigen auch zu vollbringen; da will er aber selbst unser Licht, unser Heil und unseres Lebens Kraft sein, daß wir doch sollen durchkommen, ob auch noch so viele Feinde um uns herum wären, die dem göttlichen Rath und Willen widerstünden, womit sich auch David im 27. Psalm tröstet. Wenn unsere geistlichen Feinde auch einen noch so bösen Rath und Anschlag wider uns gefaßt und sich zusammen recht gerottet und verschworen hätten, so heißt es doch, Jes. 8,10.: „Beschließet einen Rath und es werde nichts daraus, beredet euch und es bestehe nicht; denn hier ist Immanuel.“ Und Sprüchw. 21, 30. heißt es: „Es hilft keine Weisheit, kein Verstand, kein Rath wider den Herrn.“ Und David saget: „Der Herr macht zunichte der Heiden Rath.“ Ps. 33, 10. Das ist: Er macht zunichte alle bösen Anschläge seiner Feinde. Der Herr aber heißt selbst unser Rath, unser Licht, unsere Weisheit, und von seinem Rath stehet Sprüchw. 19, 21.: „Der Rath des Herrn bleibet stehen.“ Im 81. Psalm V. 12-15. heißt es: „Mein Volk gehorchet nicht meiner Stimme, und Israel will mein nicht. So habe ich sie gelassen in ihres Herzens Dünkel, daß sie wandeln nach ihrem Rath. Wollte mein Volk mir gehorsam sein, und Israel auf meinem Wege gehen, so wollte ich ihre Feinde bald dämpfen, und meine Hand über ihre Widerwärtigen wenden.“ Da sehen wir deutlich. wie Gott alle unsere Feinde überwinden und uns helfen will, so wir nur nicht unserm eigenen Rath, Dünkel und Willen folgen wollen, sondern des Raths Gottes erwarten. Er wird uns da schon gewiß nach seinem Rath und auf seinem Wege leiten und führen, ja in Schwachheit selbst heben und tragen, und Alles, was uns und seinem Rath entgegensteht, mächtig überwinden, und seinen Rath, sein Werk mit uns zu Stande bringen; denn sein ist Beides, „Rath und That.“ Spr. 8, 14. „Er ist groß von Rath und mächtig von That.“ Jer. 32, 19. Das kann uns Alle im Glauben und Vertrauen zu Gott kräftig starken; und wir können ganz getrost und fröhlich sein, da wir nur Gottes Befehl suchen und in seinen Wegen wandeln, ja recht auf unser Hut oder vor seiner Thüre stehen, und warten, was uns befohlen wird. Da heißt es: „Ich wandle fröhlich, denn ich suche deine Befehle.“ Ps. 119, 45. „Der Weg des Herrn ist des Frommen Trotz, aber die Uebelthäter (die auf ihre eigene Wege abweichen) sind blöde,“ Sprüchw. 10,29., sonderlich wenn eine Noth kommt und es da heißt: „Sieh', das ist deine eigene Wahl.“ Auf Gottes Wegen aber kann man gegen Welt und Satan getrost und männlich sein. Darum sagt dort David zu seinem Sohne Salomo: „So sei getrost und sei ein Mann und warte auf die Hut des Herrn, deines Gottes, daß du wandelst in seinen Wegen, und haltest seine Sitten, Gebote, Rechte und Zeugnisse, wie geschrieben stehet im Gesetze Mose, auf daß du klug seiest in Allem, das du thust und wo du dich hinwendest.“ 1 Könige 2, 2. 3. Da ist auch das Warten auf die Hut (das ist auf den Wink des Herrn) und das Wandeln auf Gottes Wegen mit einem getrosten und männlichen Wesen verbunden.
Weiter, wenn wir unserm eigenen Dünkel und Willen entsaget, unsern Willen gänzlich Christo als unserm Herrn unterworfen und so ernstlich gebetet haben, daß doch nur in allen Stücken des Herrn Wille geschehen möge, so können wir hernach ganz getrost sein, und glauben, es gehe wie es gehe, so gehe es doch nach dem Rath und Willen des Herrn, und das sei für uns das Beste. Wenn nun Dieß und Das kommt, das uns auch widrig oder schädlich zu sein scheinet, so können wir doch dabei ganz ruhig und stille sein, denn wir können glauben: Ist es in der Wahrheit uns schädlich, so wird es der Herr nicht geschehen lassen, sondern noch ändern, und das, was uns wohl schädlich zu sein scheint, muß uns doch nicht schaden, sondern vielmehr zum Besten dienen.
Der Wille Gottes ist sonst insgemein nach dem Evangelio oder nach dem Gesetz, anzusehen: nach dem Evangelio gehet er dahin, daß wir an den Namen des Sohnes Gottes glauben, oder dem Zeugniß glauben, das Gott selbst von seinem Sohne gezeuget hat, daß wir in ihm sollen das Leben haben. Wir sollen durch den Glauben in dem Namen Jesu lauter Heil, Leben und Seligkeit haben, und also von Gott in Christo immer das Beste glauben und hoffen.
Nach dem Gesetz ist der Wille Gottes, daß wir Gott und unsern Nächsten lieben, und uns von Gott heiligen und reinigen lassen. Das Alles aber zielet auch wieder auf unser Nestes und auf lauter Seligkeit; denn je mehr wir in der Liebe wandeln, und recht geheiliget werden, je mehr werden wir ja von allem unseligen und ungöttlichen Wesen gereiniget, und unserm liebreichen und heiligen Gott ähnlich, dabei ja lauter Ruhe, Freude und Seligkeit zu finden ist. Denn alle Gebote und Befehle Gottes, auch nach dem heiligen Gesetz, sind lauter Liebesgebote, in deren Ausübung uns recht wohl ist.
Der allein gute und gnädige Wille Gottes ist also auch unser sanftes Ruhebette, und wir können niemals ruhiger, stiller, zufriedener und getroster sein, als wenn wir wissen, es gehet Alles mit uns nach des Herrn Willen. Wir sind nach dem Willen des Herrn in dem und dem Orte, in der und der Arbeit und Beschäftigung, oder auch in diesem und jenem Leiden; denn wir wissen da, es werde uns Alles zur Seligkeit gelingen und es gehe Alles zum Himmel zu. Wie wir singen:
Meine Seel' ist stille
Zu Gott, dessen Wille
Mir zu helfen steht;
Mein Herz ist vergnüget
Mit dem, wie's Gott füget,
Nimmt an, wie es geht.
Geht es nur
Zum Himmel zu,
Und bleibt Jesus ungeschieden,
So bin ich zufrieden.
Nun, o lieber Vater im Himmel, du bist gut und gnädig, ja das höchste Gut und die Liebe selbst, also ist auch dein Wille ein recht gnädiger und guter Wille, nach welchem du uns nur immer Gnade erzeigen und Gutes thun willst. Du hast uns sonderlich in deinem lieben Sohne deinen gnädigen Willen wissen lassen, und willst nun, daß durch ihn allen Menschen geholfen werde und alle zur Erkenntniß der Wahrheit kommen. Du hast auch uns nach dem Wohlgefallen deines Willens durch ihn zur Kindschaft verordnet und uns in ihm, dem Geliebten, dir angenehm gemacht, also muß es ja zu lauter Heil und Seligkeit gehen, wenn du deinen und deines Vaters liebevollen Willen an uns erfüllest. O laß uns doch diesen deinen so gnädigen und guten Willen recht erkennen und von Herzen glauben, daß Alles, was nach deinem Willen mit uns vorgeht, immer das Beste ist. Laß uns festiglich glauben, daß dein Wille lauter Hilfe, Heil, Leben und Seligkeit bringt, unser eigener Wille aber unser größter Feind ist, und so laß uns auch stets in deinem Vaterwillen, in deiner Führung ruhen und unsern Augen alle deine Wege wohlgefallen, ja laß uns in allen Fällen mit dir zufrieden sein, in Erwägung, daß, was du thust, allein recht wohlgethan und uns selig ist. Mache uns dadurch recht willig, nur deinen Willen zu thun, daß wir auch, wie von David steht, unsere Zeit deinem Willen dienen, ja allen deinen Willen thun, oder dir wandeln zu allem Gefallen und prüfen, was das Beste ist, daß wir nicht nur einen guten oder wohlgefälligen, sondern auch deinen vollkommenen Willen erfüllen wollen, und darum lasse uns auch immer in allen Fällen deinen Rath und Willen wissen, und nicht unverständig, sondern recht verständig werden, was dein Wille sei. Du weißest, o lieber Vater, wie wir uns vor unserm eigenen Willen fürchten und gerne deinen Willen erkennen und thun wollen, du weißest aber, wie wir noch so unwissend sind, und leicht können berücket werden, daß wir etwas für deinen Willen erkennen, das doch nicht dein Wille ist; du weißest auch, wie schwach wir sind, daß, wenn wir auch deinen Willen wissen, doch selbigen oft nicht so bald oder doch nicht so lauter und willig erfüllen, weil uns des Fleisches Rath und Wille immer entgegensteht und uns verblenden und schwächen will. O so laß darum dein Licht recht helle in unsere Seele leuchten, daß wir immer deinen Rath und Willen von dem Rath und Willen des Fleisches und der Welt wohl unterscheiden können, wenn sich auch der letztere in einer ganz geistlichen Gestalt zeigen will. O laß uns ja nicht von der Schlange berückt, gefangen und verstrickt werden. Wenn du uns aber deinen Willen anzeigest, so gib uns auch Stärke und Kraft, daß wir bald zufahren und deinen Willen auch vollbringen, weil du es ja allein bist, der in uns wirket beide das Wollen und Vollbringen nach deinem Wohlgefallen. O bringe uns auch dahin, daß uns dein und deines Vaters Wille unsere Speise sei; und da des Teufels, der Welt und unsers Fleisches Wille deinem Willen immer widersteht und verhindern will, daß dein Name nicht geheiliget und dein Reich ausgebreitet werde; so wollest du auch allen solchen bösen Rath und Willen brechen und hindern, und uns je mehr und mehr ganz willenlos machen und dahin bringen, daß wir nur immer wollen, was du willst, daß dein Wille und unser Wille nur ein Wille, ja dein Wille auch unser sanftes Ruhebette und uns allein nur lieb sei, was du uns zuschickest, so, daß dein Wille uns auch alles Bittere versüße und alles Schwere leicht mache. Das Ziel ist uns ja freilich hochgesteckt, dein Wille soll je mehr und mehr von uns auf Erden so vollbracht werden, wie im Himmel. O wie viel fehlet uns noch daran? Wie oft regt sich noch so sehr unser Eigenwille, da wir deinen Willen nicht thun oder doch nur so gezwungen? O so gib uns doch noch mehr Furcht vor unserm eigenen Willen, daß wir uns sonst vor nichts in der Welt so fürchten, und von ganzem Herzen mit Luther beten: „O Vater! laß mich nicht dahin fallen, daß es nach meinem Willen gehe, brich meinen Willen, wehre meinen Willen, es gehe mir, wie es wolle, daß es mir nur nicht nach meinem, sondern nach deinem Willen gehe; denn also ist es im Himmel, da kein Eigenwille ist, daß dasselbe auch so sei auf Erden.“
O gnadenreicher Will', erfülle dich an mir,
Ich will, was du nur willst, und ruh' allein in dir,
In dir kann ich allein
Hier und dort selig sein.
O leite und führe uns nun ganz allein nach deinem Nach, und laß uns darum auch deines Raths warten, nicht aber dir vorlaufen und ja nimmermehr etwas auch nur in kleinsten Dingen im eigenen Willen thun, sondern in allen Dingen immer auf deinen Augenwink sehen, und zwar nicht nur im Ansauge, sondern auch im Fortgange einer Sache, ja von Stunden zu Stunden, daß unsere Augen auch nur immer auf dich sehen, wie die Augen der Knechte und Mägde auf die Hände ihrer Herren und Frauen. Mache auch uns so bekannt und vertraut mit dir, daß wir doch bald auf deinen Wink merken, und wissen, was du willst, daß wir dein Warnen, Bestrafen oder Treiben bald verstehen, und dir auch sodann bald auf den Wink gehorsam sind, und uns also auch als deine recht frommen und gehorsamen Kinder beweisen, die dir gerne Alles wollen an den Augen absehen, und nur die einzige Sorge haben, dir in Allem zu gefallen, so daß du auch an uns deines Herzens Lust, Wohlgefallen und Freude habest. Nun so geschehe jetzt und künftig im Leben, Leiden und Sterben nur dein, dein guter und gnädiger Wille, und nach diesem leite uns, deine armen, unwissenden Kinder, aus und ein, denn wir sind und bleiben dir doch, o lieber Vater, auf ewig übergeben; so erhalte uns in deinem Namen, in deinem Reiche und in deinem Willen zum ewigen Leben, Amen.
O Vaterherz, o Licht, o Leben;
O treuer Hirt, Immanuel!
Dir bin ich einmal übergeben,
Dir, dir gehöret meine Seel'.
Ich will mich nicht mehr selber führen;
Der Vater soll das Kind regieren.
So geh nun mit mir aus und ein,
Und leite mich nach allen Tritten!
Ich geh, ach hör', o Herr! mein Bitten,
Führ mich nicht einen Schritt allein,
Die vierte Bitte.
Bei dieser Bitte bemerken wir wieder die göttliche, weise Ordnung: wir nennen erstlich Gott den Vater im Himmel; die drei ersten Bitten gehen auf Gott, als unsern Vater im Himmel, dabei aber unsere geistlichen und himmlischen Güter und Gaben mit eingeschlossen sind, alsdann kommt erst diese Bitte um das tägliche Brod, damit wir sie nicht mit einem irdischen, fleischlichen, sondern geistlichen, göttlichen und himmlischen Sinne beten, dabei wir auch Alles zu Gott und zum Himmel richten; und sodann kommen wieder drei Bitten, da wir um Wegnehmung und Abwendung alles dessen, was dem Geiste und der Seele nach böse und schädlich ist, und sonderlich zuvörderst um Vergebung der Sünden beten, weil es bei dem Gebrauch der irdischen Dinge wohl selten ohne alle Versündigung abgehet. Und so beten wir nur eine einzige Bitte um das Leibliche und Irdische, und es ist auch diese Bitte recht in der Mitte eingeschränkt, damit, da wir um das Irdische bitten, doch nicht irdisch gesinnt werden, denn wir beten ja zu einem Vater im Himmel. Diese weise Ordnung bringt auch unser Gemüth in die rechte Ordnung, nämlich durch die drei ersten Bitten, und erhält es auch durch die drei letzten in der rechten Ordnung, da Alles sein auf dem richtigen Wege zum Himmel fortgehet, wie es Bürgern und Pilgrimen Gottes gemäß ist, die sich hier auf der Reise nicht mit viel Lasten zeitlicher Güter beschweren und große irdische Dinge verlangen, damit sie nur sein leicht fortkommen; denn sie haben nicht hier, sondern dort oben ihr Vaterland, ihre Vaterstadt und ihr Bürgerrecht. Also beten sie die vierte Bitte nur als Wandersleute, Gäste und Fremdlinge, die hier nur wie über Nacht sind, das macht sie zufrieden und auch zuversichtlich, denn sie denken: Der liebe Vater im Himmel, dessen Pilgrim und Kind ich bin, wird jawohl für die kurzen Reisekosten und für das Nachtquartier sorgen, oder Alles geben, daß ich auf meiner Reise zum Himmel desto besser fortkomme, nicht aber Aufhaltung und Hinderung habe; denn dazu wollen doch Gläubige nur alle leiblichen Güter und Gaben, daß sie auch dadurch zum Himmel gefördert und nicht gehindert werden. Sollten sie durch etwas einige Hinderung haben, so verlangen sie es nicht, wenn es ihnen auch sonst noch so lieb wäre; ja sie wollen eher noch Dieß und Jenes, was sie schon haben, verlieren und missen, so es sie auch nur auf einige Weise in ihrem Lauf aufhalten und hindern könnte, sollte es auch noch so unschuldig scheinen. Und da Gott am besten weiß, was fördert und hindert, so überlassen sie ihm ganz und gar auch ihre äußerliche Führung und lassen sich Dieß oder Das geben oder nehmen; denn sie wissen, er allein, ihr lieber Vater, wisse, was sie bedürfen und was sie fördern oder hindern könne, und werde das Erste gewiß geben, das Andere aber abwenden.
Es entdecket uns also die vierte Bitte, da wir um das tägliche Brod bitten, auch wieder das Vaterherz Gottes, und kann uns zu einem kindlichen Vertrauen erwecken oder den vertrauten Umgang mit Gott fördern. Denn es lehret uns ja dadurch unser Heiland, daß wir den Vater in unserer Pilgrimschaft auch um alle unsere leibliche Nothdurft bitten mögen und dabei den Schluß machen sollen: Will unser lieber Vater auch für den dürftigen und sterblichen Leib und die kurze Nachtherberge und also für das geringste Theil sorgen, daß uns auch da nichts Nöthiges fehlet, wie vielmehr wird er doch wohl für unsere unsterbliche Seele und für deren ewige Wohnung sorgen und derselbigen an nichts, was sie nöthig hat, fehlen lassen, folglich auch im Leiblichen Alles geben, was sie in ihrer Pilgrimschaft und Reise zum Himmel fördert und nicht hindert.
Wir mögen demnach diese vierte Bitte auch mit recht kindlichem Vertrauen zu Gott abschicken, denn Christus hat es uns vorgeschrieben, und wir schicken sie zu einem Vater ab, der da weiß, was wir, seine armen Kinder, bedürfen, und daher uns auch Alles gerne geben will. Wir schicken sie zu unserm Gott und Schöpfer ab, der uns Leib und Leben gegeben hat, folglich auch dasselbige erhalten will und kann. Da wird er ja Alles, was zu desselbigen Erhaltung nöthig ist, geben und mittheilen. Denn der das Größere gibt, nämlich Leib und Leben, gibt ja auch wohl das Kleinere, nämlich Speise und Kleider, wie Christus Matth. 6 selbst den Schluß machen lehrt, da er V. 25 sagt: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen und trinken werdet, auch nicht für euern Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr, denn die Speise? Und der Leib mehr, denn die Kleidung?
Wir sollen gar nicht ängstlich sorgen, auch sogar nicht für den folgenden Tag, und daraus sehen wir wieder das Vaterherz Gottes. Denn wie könnte das Herz eines liebevollen und reichen Vaters vertragen, daß das Kind sich wohin in einen Winkel setzte, den Kopf hinge, und in Unruhe und Mißtrauen gegen den Vater besorgt wäre, wo es Speise und Kleidung hernähme, oder sonst etwas bekäme, so ihm nöthig wäre?
Wie sollte nun das Vaterherz Gottes das vertragen können, daß seine Kinder gegen ihn so mißtrauisch würden, und lange sorgten, wo sie ihre leibliche Nothdurft herbekämen, da er ja auch den bösen Menschen Alles gibt? Wie sollte er denn da seine Kinder verlassen?
Weil aber unser Heiland gar wohl weiß, daß wir doch wohl sorgen würden, wenn wir nicht Alles bald vollauf hätten, so gibt er uns eben diese Bitte und lehret uns beten: Unser täglich Brod gib uns heute. Dadurch will er ja auch in Ansehung der leiblichen Nothdurft ein kindliches Vertrauen in uns erwecken, folglich uns vor allen Sorgen bewahren, und ist es so viel, als sagte unser Heiland auch bei dieser Bitte: „Ihr sollet nicht sorgen und sagen, was werden wir essen“; beten, beten sollt ihr, und wenn ihr gebetet und alle eure Sorge auf Gott geworfen, alles Anliegen ihm anbefohlen, so sollt und könnt ihr ja alsdann ganz ruhig und gewiß sein, daß der Vater im Himmel auch für euch sorgen und euch Alles geben werde, was euch nur nöthig ist.
Alle unsere Sorgen sind also ganz unnöthig, weil wir damit so wenig ausrichten, so wenig, als wir durch unsere Sorge eine Elle unserer Größe beilegen können, und weil auch unser Vater selbst sorgen will. Und da können wir ja wohl das Vaterherz Gottes recht deutlich erblicken, der uns vor allen unnöthigen Sorgen, vor allem unnöthigen Leiden und Kummer so gerne verwahren will, und unser Herz von allerlei vergeblicher Bedrückung, die keine Frucht schaffet, frei zu behalten suchet. Ich sage aber mit Fleiß, von Allem, von allen Sorgen will er uns befreiet wissen, darum sagt er, daß wir auch nicht auf den andern Morgen, geschweige auf viel Jahre weit hinaus sorgen sollen, und seine Apostel mußten schreiben: „Sorget nichts, gar nichts.“ Phil. 4, 6. ingleichen: „Alle eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorget für euch,“ 1 Petr. 5, 7. Ist das nicht ein Vaterherz, ja eine zarte Mutterliebe, die das Kind mit Allem will verschont wissen, was dasselbige ohne Noth und Furcht betrübt?
Es will uns aber unser Heiland desto mehr vor allen ungläubigen Sorgen bewahren, da er weiß, daß solche nicht nur ganz unnöthig sind und zu nichts nützen, sondern noch viel mehr schädlich sind, selbst dem Leibe nach uns öfters schaden, unsern Leib krank machen oder Gott hindern, daß er wegen unsers Unglaubens auch im Leiblichen nicht so uns versorgen kann. Allermeist aber will er uns von allen solchen Sorgen frei wissen, weil sie uns an der Seele schädlich sind, da sie uns an der rechten Seelensorge, und an dem „Trachten nach dem Reiche Gottes“ hindern. Darum hat uns nun Christus auch diese vierte Bitte beten heißen, und sie ist auch nöthig, daher wir sie ebenfalls mit rechtem Ernst und recht heiliglich beten mögen und müssen, wie die drei ersten und die drei folgenden Bitten.
Weltkinder beten wohl die vierte Bitte, und also um leibliche Güter und Gaben am liebsten, aber leider mit fleischlichem Sinne, daher man in ihren Gebetbüchern die Gebete um zeitliche Nahrung, um Glück zu ihrem Beruf sehr bewischt sieht; die Gebete hingegen um Buße, Glauben, Liebe und dergleichen sehen ganz rein aus, welches aber ein Kennzeichen ist, daß ihr Herz desto unreiner und nur irdisch gesinnt ist, oder wie Jakobus sagt: übelbittet.
Gute Gemüther aber, die, wie billig, zuerst nach dem Reiche Gottes trachten, denken wohl etwa, daß sie die vierte Bitte nicht so nöthig hätten, und beten sie etwa auch wohl nicht mit solchem Ernst, wie die andern. Sie bedenken aber nur nicht recht die Sache, daher sie billig eines Besseren zu belehren sind, und erkennen müssen, wie die vierte Bitte gleichfalls sehr nöthig ist, und daß man auch dazu den heiligen Geist haben müsse, wenn man sie recht nach dem Sinne Christi beten solle.
Es ist ja wohl gut und nöthig, daß die Gläubigen vor allen Dingen nach dem Reiche Gottes trachten, das befiehlt Christus selbst Matth. 6, 33., und darum hat er eben auch selbst in dem Gebet des heiligen Vater Unsers die drei Bitten voran gesetzt, die alle auf Gott, auf die Heiligung seines Namens, Ausbreitung seines Reiches und Vollbringung seines Willens gehen. Dieß soll allerdings einem jeden Gläubigen recht am Herzen liegen, und dadurch soll sein Herz, wie wir gesehen, recht nüchtern, lauter und einfältig gemacht werden, damit man nicht, wie die Weltkinder, mit fleischlichem Sinne und mit einer Heftigkeit der Natur, sondern mit einem recht geläuterten, gelassenen, zufriedenen und vergnügten Herzen in die vierte Bitte hineingehe.
Wenn aber das geschehen ist, daß man zuvörderst nach dem Reiche Gottes trachtet, und die ersten drei Bitten von Herzen betet, so ist es auch nicht nur erlaubt, sondern auch nöthig, die vierte Bitte zu beten, und zwar aus folgenden Gründen:
- Unser Heiland hat es selbst geboten, und diese Bitte, wie die andern, vorgeschrieben.
- Die Welt macht den Kindern Gottes gar oft auch ihren leiblichen Unterhalt sehr schwer, und es heißt wohl immer: Christen müssen leiden; oder wie wir singen:
Alles, was irdisch ist, suchet die Christen zu plagen.
Da ist wohl nöthig, daß sie zu ihrem lieben Vater ihre Zuflucht nehmen, und ihm auch zutrauen, daß, ob die Welt sie auch drückt und verfolgt, er doch für sie sorgen, und es an nichts Nöthigem fehlen lassen wolle. Darum hat ihnen eben Christus diese Bitte auch in den Mund gelegt, und dadurch sie verwahren wollen, daß sie nicht beim Weltdruck in Unglauben verfallen, und aus Unglauben auch das Götzenbild der Welt anbeten, oder solche Wege erwählen, die aus dem Unglauben herkommen; dahin geht auch die Ermahnung Paulus an die Hebräer, Cap. 13, 5. 6.: „daß sie bei Bedrückung der Welt, die Manchen schon ihre Güter geraubt, sich doch nicht fürchten und in Geiz und Unglauben hineingehen sollten.“
- Wir haben Leib und Leben, das muß erhalten, und alles Nöthige gegeben werden, daß, da wir durch dieses Leben in jenes reisen, wir nicht vor der Zeit auf der Reise erliegen, oder auf unserer Reise und in dem Werk Gottes gehindert werden, wie Mancher daran gehindert würde, sowohl, wenn er weniger, als wenn er mehr hätte. Da nun der Herr am Besten weiß, was wir auch für Leib und Leben nöthig haben, daß wir desto besser des Herrn Werk treiben und zu jenem Leben gefördert werden, so haben wir wohl nöthig, ihn darum anzurufen, daß er uns solches Alles, und zwar nicht mehr, nicht weniger gebe und mittheile.
- Wir bitten also nicht nur schlechthin um die zeitlichen Dinge, sondern, daß Gott selbst dieselbigen recht aussuchen solle, welche uns am Nöthigsten und Seligsten sind, wie auch, zu welcher Zeit und in welchem Maaß er sie uns geben solle; sonderlich aber, daß er uns auch ein Herz dazu gebe, daß wir alle diese leiblichen und zeitlichen Güter und Gaben recht gebrauchen und zu dem Zweck anwenden, wozu er sie gibt. Da ist ja wohl nöthig zu beten.
- Wir bitten ingleichen so darum, daß wir auch mit demüthigem Dank erkennen, daß wir Alles von ihm haben, und also, wie der Catechismus lehrt, unser täglich Brod mit Danksagung empfangen.
- Wir bitten daher auch so um die leiblichen und zeitlichen Güter und Gaben, daß wir unsere augenblickliche Dependenz von ihm erkennen und sehen, wie wir in ihm leben, weben und sind, wie er selbst auch dieses Leben, das wir auch von ihm zur Lehn tragen, alle Augenblick erhalten und dazu alles Nöthige geben muß.
- Wir bitten Alles, wie mit einem lautern Zweck, und mit demüthiger Erkenntniß, daß wir alle Augenblick Alles aus seiner Hand nehmen und auf sein Auge sehen müssen, also auch, wie wir zum Theil schon erwogen, mit recht gelassenem, zufriedenem und gläubigem Herzen nur immer um die tägliche Nothdurft, was wir von Tage zu Tage nöthig haben. „Da betet man, wie der sel. Hr. Nr. Anton saget, nicht geizig, sondern frugaliter, mit Frugalität, mit Autarkeia (Bescheidenheit und Vergnügsamkeit). Der Herr Christus hat einen Pflock müssen vorstecken bei der Bitte, denn sonst würde der impetus naturae (unbescheidene Naturtrieb) kommen, der würde gar sehr anstoßen an der Thüre, recht mit Ungestüm. Aber, nein! nein! will Christus sagen: so heiße ich euch nicht beten! das wäre nicht kindlich! ei, das würde sich nicht schicken! lernet beten mit einer Zufriedenheit. Wenn wir Nahrung und Kleider haben, so lasset uns genügen! das ist ein großer Gewinn bei der Gottseligkeit, da ist viel gewonnen! Das ist eine Seligkeit, wenn man in der Vergnügsamkeit bittet, daß man nicht den Rachen aufthut, wie ein Wolf, sondern seinen Mund aufthut, wie ein Schaaf.“
Also bittet man nicht um Etwas, daß man es nur hernach mit seinen Wollüsten verzehren könne; da man nur damit seine Lüste, seine Wollust, seinen Ehrgeiz oder Geiz noch mehr errege und die Gaben Gottes zur Sünde mißbrauche. So will man bei dieser Bitte auch nicht Alles bald auf einmal vollauf haben, sondern begehret nur immer Tag für Tag das tägliche Brod, das ist, wie gesagt, die tägliche Nothdurft. Denn dieß will eben unser Heiland ganz besonders mit dieser Bitte lehren, daß wir nämlich nicht große Dinge in der Welt verlangen sollen, denn sein Reich ist nicht von dieser Welt; auch will er nicht, daß wir auf weit hinaus denken und Alles bald auf einmal, auf die ganze Lebenszeit vollauf in Hülle und Fülle vor Augen haben wollen, und denken: Nun kann es mir nicht fehlen, nun habe ich Alles genug auf mein ganzes Leben, oder wie jener reiche Schlemmer sagte, Luc. 12, 19.: „Liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf viele Jahr; habe nun Ruhe, iß, trink, und habe guten Muth;“ du hast alle Kammern voll, und kannst dir noch immer auf viel Mehreres gewisse Rechnung machen. Nein, nein, durch diese Rechnung des Unglaubens macht Gott oft gewaltige Striche. Ein kleines Fünkchen Feuer kann bald allen Vorrath in einen Aschenhaufen verwandeln, oder es heißet gar: Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern, und weß wird's sein, das du bereitet hast? V. 20.
Diesem fleischlichen Sinne und Unglauben will Gott durch die vierte Bitte ganz besonders recht entgegen gehen, damit wir Gott täglich in die Hände sehen, und nicht das Sichtbare, unser Capital, oder liegenden Gründe, oder einträgliche Dienste, oder einkömmliche Profession und andere Einkünfte, sondern allein die Hand Gottes für unsern rundum oder Einkommen halten, und uns darauf verlassen, wie ja David saget: Du thust deine Hand auf und erfüllest Alles, was lebet, mit Wohlgefallen. Ps. 145, 16. Daraus erhellet, daß Jeder, auch der Reichste, doch täglich Alles, wie der ärmste Bettler, aus der reichen und milden Hand Gottes nehmen muß. Denn gibt es diese Hand Gottes ihm nicht täglich, so kann er Alles haben und doch nicht genießen, doch nicht damit erfüllet werden; indem bald Geiz, bald Krankheit, bald ein anderer Zufall verhindern kann, daß er wenig genießet. Darum schreibet Paulus an den Timotheum: Er sollte auch den Reichen von dieser Welt gebieten, sie sollten auch bei allen ihren Gütern nicht hoffen auf den ungewissen Reichthum, sondern auf den lebendigen Gott, der uns dargibt. Allerlei reichlich zu genießen. 1 Tim. 6, 17. 18. Denn der Reiche kann Alles haben, und doch nicht genießen, oder ehe er sich's verstehet, kann es ihm gar genommen werden, daher der Reichthum ein ungewisser Reichthum genennet wird.
So soll nun, im Gleichniß zu reden, die Hand Gottes allein unser Fundus, unsere reiche Vorratskammer, unser Provianthaus, unser Capital, Grund und Boden, Pflug und Egge, Habe und Gut, und Alles bleiben, woher wir täglich Alles erwarten, und durch die vierte Bitte daraus täglich hernehmen. Darum heißt es: unser tägliches oder täglich nöthiges Brod gib uns heute, den heutigen Tag, da wir nicht einmal auf den morgenden Tag, ich geschweige auf weitere Zeit hinaus, sondern nur auf heute etwas bitten; denn wir wissen ja auch nicht, ob wir morgen noch leben. Genug aber, daß wir heute, da wir leben, um das heute, diesen Tag, uns Nöthige bitten, und glauben mögen, daß wir es bekommen. Hätten wir denn nun weiter nichts, als was wir heute nöthig haben, so sollen wir doch ganz ohne alle Sorge sein und nicht einmal für den morgenden Tag ängstlich sorgen, weil wir es ja nicht einmal in's Gebet nehmen dürfen, sondern wir sollten denken: Habe ich auf morgen nichts, so habe ich doch die vierte Bitte, morgen mag ich wieder diese Bitte beten wie heute, und da bekomme ich auch morgen wieder, was mir nöthig ist, und darf also nicht auf den morgenden Tag sorgen, denn ein jeder Tag, sagt Christus, wird für das Seine sorgen, es ist genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe. Warum sollte ich mir doppelte Plage machen? Wie aber ein jeder Tag seine eigene Noth und Plage hat, so sorget auch jeder Tag für das Seine, das ist, so sorget auch Gott als unser Vater für die Nothdurft und Bedürfniß eines jeden Tages, da er ja schon alle Tage auf sein Buch geschrieben, ja von Ewigkeit schon ausgemacht hat, wie er uns will Tag für Tag sicher und selig auf's Allerbeste durch die Welt bringen, und also auch für jeden Tag unsere Nothdurft geben. Da heißt es: kommt Zeit, kommt Rath; da dürfen wir gar nicht weiter hinaus renken und sorgen oder sagen: Wie wird es mir künftig noch gehen? Wie werde ich im Leben oder Sterben noch durchkommen? Nein, das verbietet uns unser Heiland durch diese Bitte, da wir nur das täglich Nöthige alle Tage uns ausbitten und so auch glauben sollen und können, daß wir es gewiß erhalten werden; weil wir ja nach seiner Vorschrift und nach seinem Sinne beten, nämlich nicht so große Dinge verlangen und so weit hinaus sehen wollen, sondern nur heute um das bitten, was uns heute nöthig ist, und wenn der morgende Tag kommt, es wieder so machen, und denken: Der Gott, der mir heute wieder meinen Leib und mein Leben gibt oder erhält, der gibt mir auch heute Alles dazu, was mir nöthig ist, und erlaubt, ja befiehlt mir, auch heute diese Bitte zu beten.
Aus diesem Allem sehen wir, daß es nöthig ist, die vierte Bitte zu beten, wir sehen aber auch, daß gar viel dazu gehöre, wenn man sie recht nach dem Sinne Gottes mit wahrer Devotion beten wolle, und man also freilich den heiligen Geist eben auch dazu nöthig habe, wie zu den ersten drei Bitten. Daraus folget, daß ein unbekehrter fleischlicher Mensch, wie keine Bitte, so auch diese vierte nicht recht betet, noch beten kann, und es muß einer gewiß erst die drei ersten Bitten haben recht beten lernen, ehe er diese beten kann, deßwegen hat ja auch Christus diese Ordnung gemacht, daß diese Bitte nicht die erste, sondern die vierte ist.
Es hat also Mancher wohl viele Tausendmal das Vater Unser gebetet, und doch auch diese Bitte nicht recht gebetet, ob er wohl etwa gemeint, diese noch am ersten recht und von Herzen gebetet zu haben. Er hat sie aber mit fleischlichem Herzen und nicht im Geist und in der Wahrheit, folglich nicht recht, sondern sehr übel gebetet, nämlich nicht mit Lauterkeit, nicht mit Gelassenheit und Zufriedenheit, nicht im Glauben und so auch nicht in der Liebe. Und doch heißt es: Unser täglich Brod gib uns heute. Da sollen wir in Liebe auch für Anderer leibliche Nothdurft beten, und uns freuen, wenn Gott auch Andern Alles gibt, was sie nöthig haben; denn wir haben es ja ihnen helfen ausbitten. Ein fleischlicher Mensch hingegen betet wohl mit dem Munde auch für Andere, wie aber sein Herz von solcher Liebe ferne ist, davon ist bereits bald in der Einleitung gehandelt worden.
Wenn nun aber die Gläubigen die vierte Bitte recht beten, so können sie sich auch dadurch recht kräftig im kindlichen Vertrauen stärken. Denn beten sie, wie sie sollen; mit lauterm Zweck, und mir um das, was ihnen zur Erhaltung dieses Lebens nöthig ist, aber auch so, daß Alles zu jenem Leben förderlich sei, und daß sie Gottes Sache und Werk desto besser forttreiben können, wozu zum Exempel Gesundheit, Verstand und andere Gaben, besonders auch der Dienst der heiligen Engel, nöthig; verlangen sie es auch mit gelassenem, zufriedenem Herzen, in dem Maß, zu der Zeit und auf die Weise, wie es am besten ist, so können sie ja ganz getrost sein und glauben, der Vater im Himmel werde ihnen das Alles geben, denn unser Heiland sagt es mit klaren Worten: „Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr deß Alles bedürfet.“ Matth. 6, 32.
Ferner, beten sie in der Liebe auch für Andere, und freuen sich über des Andern Wohlsein, so können sie dem Vater kindlich zutrauen, daß er auch ihnen alles Nöthige geben und sich freuen werde, oder seine Lust es sein lassen, ihnen auch im Leiblichen zum rechten Zweck Gutes zu thun, denn er hat ja viel mehr Liebe als sie. Gönnen sie ihrem Nächsten alles Gute, auch im Aeußerlichen, und freuen sich darüber, wie sollte es auch ihnen selbst der Vater im Himmel nicht gönnen, wenn er nur sieht, daß es ihnen wahrhaftig gut und heilsam ist? Und wenn sie selbst ihrem armen Nächsten etwas mittheilen, so daß Gott sie selbst zu Werkzeugen braucht, daß ihr Gebet für des Nächsten Nothdurft erhört werde, so können sie ja Gott kindlich zutrauen, daß er auch ihnen wieder alles Nöthige geben werde. Denn sie sind da seine Ackersleute und Sämänner, wenn sie Gutes thun und gerne geben, und da sagt Paulus 2 Cor. 9, 10. 11.: „Der aber Samen reichet dem Sämann, der wird je auch das Brod reichen zur Speise, und wird vermehren euren Samen, und wachsen lassen das Gewächs eurer Gerechtigkeit, daß ihr reich seid in allen Dingen, mit aller Einfältigkeit, welche wirket durch uns Danksagung, Gott.“
Endlich können sie sich ganz besonders bei dieser vierten Bitte im Glauben stärken, und sie recht kindlich beten, wenn sie sich immer als Gottes Haushalter, und Gott allein als den Hausherrn ansehen, folglich auch ihre leibliche Haushaltung und Sache, als Gottes Haushaltung, als Gottes Sache, consideriren und erwägen, daß nichts das Ihrige, sondern ihnen nur auf eine Zeit gegeben ist, daß sie es nach dem Willen des Hausherrn verwalten, da oder dort hingeben, oder so und so anwenden sollen, wie es ihr Herr haben will. Da brauchen sie ja gar keine Sorge zu haben, wo sie etwas herbekommen, sondern das ist ihre -einige Sorge, wie sie nur mit Allem, was sie vom Herrn bekommen, treulich haushalten mögen. Thun sie da nur immer nach dem Willen des Hausherrn, so können sie ganz getrost sein, wenn auch nichts mehr vorhanden wäre, sondern dürfen es nur ihrem reichen Haus-Herrn, der zugleich ihr lieber Vater ist, sagen, so wird der Alles geben, was ihnen ferner für sich selbst und Andere nöthig ist, daß seine Haushaltung und Sache bei ihnen fortgehe, und sie haben nur nöthig, zu bitten, daß der Herr ihnen immer selbst zeige, wie er Alles nach seinem Willen wolle verwendet und verwaltet wissen, daß sie in ihrer Rechenschaft bestehen, und treue Haushalter seien; daher geht auch gleich die dritte Bitte vorher, in welcher dritten Bitte sie gewiß auch bitten, daß sie alle leiblichen Güter, Gaben und Kräfte nach dem Willen des Herrn recht verwalten mögen.
Nun, o lieber Vater, sei gelobt, daß du uns durch deinen Sohn auch diese Bitte hast beten gelehrt und uns erlaubest, ja gebietest, daß wir dir auch alle unsere leibliche Nothdurft anbefehlen und glauben mögen, du werdest für Alles sorgen, und es uns an nichts fehlen lassen. Sei gelobet, daß du uns auch lässest lehren, in welcher Ordnung und mit welchem lauten Herzen und also recht heilig wir diese Bitte beten sollen. So gib uns nun deinen heiligen Geist, daß wir auch solche Bitte recht, wie wir sollen, in rechter Ordnung, Lauterkeit, Gelassenheit, Zufriedenheit, und sonderlich in Glauben und Liebe beten und nicht aus Unverstand geringe Gedanken von dieser Bitte haben, sondern es für eine große Wohlthat halten, daß wir dir auch alles Leibliche und Aeußerliche anbefehlen, und glauben mögen, daß du, der du alle unsere Haare gezählt hast, für Alles, auch die geringsten zeitlichen Dinge sorgen werdest, die uns nur auch zu diesem Leben und in unserer Pilgrimschaft zum Himmel nütze sind. Laß uns doch dadurch kräftig im Glauben gestärkt werden, und hinfort viel kindlicher und vertrauter mit dir umgehen und daher dir auch alles Leibliche, Aeußerliche, Kleine und Geringscheinende anbefehlen, und also alles Anliegen, alle Sorge auf dich werfen. Laß uns auch immer mit dem, was da ist, vergnügen, und mit dir in allen Stücken zufrieden sein, was, wenn und wie viel du uns von zeitlichen Gütern, Gaben und Kräften mittheilest, weil du am Besten weißt, was, oder wieviel und wenn es uns nöthig ist. Denn wie schwer hält es doch, daß auch Reiche, die viel haben, ihre Güter für einen ungewissen Reichthum halten und nicht darauf hoffen, wie auch Alles recht anwenden und gebrauchen als treue Haushalter? Darum laß uns auch auf nichts hoffen und trauen, wir haben viel oder wenig, wir haben es gegenwärtig oder sollen es erst bekommen. Laß uns auch ganz allein mit unserem Vertrauen, aber auch mit unserer Liebe, an dir allein hangen und auf dich allein, den lebendigen Gott, hoffen, und täglich, ja augenblicklich Alles aus deiner Hand nehmen, unsere augenblickliche Dependenz von dir immer erkennen, wie wir in dir leben, weben und sind, und da laß uns auch Alles, unser Leib und Leben, und alle Kräfte, Güter und Gaben allein zu deinem Preise und nach deinem Willen anwenden oder Alles als deine Haushalter recht treulich verwalten, damit wir auch einmal an jenem Tage mit unserer Rechnung bestehen können. Erhalte unser Herz von allem Irdischen frei und rein, daß unser Schatz im Himmel und so auch unser Herz da sei und bleibe, und wenn du die leiblichen Gaben vermehrest, so laß auch Glauben und Liebe vermehrt und ja nicht gehindert und geschwächt werden. Laß uns nach allem Vermögen reichlich und nicht kärglich, ja recht gerne, recht fröhlich geben und behilflich sein, uns also Schätze sammeln im Himmel, und einen guten Grund legen auf's Zukünftige. Nun, so hilf uns, daß wir auch unsere ganze äußerliche Sache, Haushaltung oder Berufsarbeit nur deine Sache sein lassen, daß wir und unser ganzes Haus dir dienen, und daher recht glauben und ohne Sorge sind, wo etwas herkomme, sondern auch nur dafür sorgen, wie wir Alles, als deine Knechte, nach deinem Willen verwalten, und durch Alles mit einander zum Himmel gefördert werden, Amen.
Hilf mir mein Berufswerk, meinen Stand zum Himmel führen.
Hilf, und tritt an meine Statt, du sollst selbst mein Haus regieren;
Hilf, ich steh' mit dir im Bunde, Allem göttlich vorzusteh'n,
Hilf mir, nur als Knecht im Hause, immer im Gehorsam geh'n.
Hilf doch, daß ich und mein Haus dir, dem Herren, möge dienen.
Hilf, und segne unser Theil, laß in Fried' und Lieb' uns grünen.
Hilf zum Glauben, hilf von Sorgen, hilf an Seel' und Leib zugleich,
Hilf nun mir und auch den Meinen hier und dort in's Himmelreich.
Die fünfte Bitte.
Wir haben schon etwas von der Ordnung gedacht, in welcher diese Bitte gesetzt ist, doch ist noch etwas Mehreres davon zu sagen. Nach der ersten Bitte soll Gottes Name von uns geheiligt werden. Nach der andern sollen wir auf die Ausbreitung des Reiches Gottes in uns und Andern bedacht sein und darum bitten, und nach der dritten um die Vollbringung des göttlichen Willens. Nach der vierten aber sollen wir um die tägliche Noth dürft bitten, und also mit Gott vergnügt sein. Alles mit Danksagung empfangen und recht gebrauchen. Gehen wir nun in uns, so werden wir wohl gar manche Schulden oder Versündigungen finden, und zwar in Ansehung aller vier Bitten. Wir werden finden, daß wir den Namen Gottes noch lange nicht so hoch, heilig und hehr gehalten haben, wie es nach der ersten Bitte erfordert wird. Wir werden finden, daß wir Gottes Reich in uns selbst noch nicht, wie wir gesollt, so völlig aufrichten lassen, und viel weniger recht ernstlich gesucht, daß es bei Andern auch so aufgerichtet, ja in der ganzen Welt ausgebreitet würde; bei Vollbringung des Willens Gottes aber, nach der dritten Bitte, werden wir auch viel Trägheit, Unwilligkeit und viel Eigenwillen gemerkt haben. Und was die vierte Bitte betrifft, so werden wir wohl manchen Unglauben, Nahrungssorgen, Unzufriedenheit, Geiz, Mißbrauch der Gaben Gottes und manche untreue Haushaltung verspürt, und uns also wider alle diese vier Bitten vielfältig versündiget haben. Darum heißt uns nun unser Heiland bald darauf in der fünften Bitte beten: Und vergib uns unsere Schuld. So steht diese Bitte in der rechten Stelle. Denn in der sechsten bitten wir erst um Bewahrung vor einem Uebel, was uns noch bevorstehet, um Abwendung einer schädlichen Versuchung; in dieser fünften Bitte aber bitten wir um Wegnehmung eines Uebels, was uns schon gegenwärtig drückt, das ist, die schon dastehende, schon begangene Sündenschuld.
Diese Bitte folget gleich nach der vierten, da man um's tägliche Brod für den Leib betet; in dieser fünften aber bitten wir, was unserer Seele so nöthig ist, als dem Leibe das tägliche Brod. Denn wie das tägliche Brod das leibliche Leben erhält, so gibt und erhält die Vergebung der Sünden das geistliche und ewige Leben; denn, wo Vergebung der Sünden ist, da ist Leben und Seligkeit.
Wir erlangen nicht anders als durch Jesum Vergebung der Sünden, Jesus ist aber das rechte Brod des Lebens. Wenn wir nun täglich sein Fleisch essen und sein Blut trinken, so bleiben wir in ihm und er in uns, das ist, wir erhalten und behalten in ihm Gerechtigkeit, Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.
Durch diese Bitte aber können wir gar sonderlich wieder das Vaterherz Gottes und unseres Heilandes kennen lernen, und im kindlichen Vertrauen oder vertrauten Umgang mit ihm bleiben. Denn was ist wohl, das uns mehr im Vertrauen zu Gott stören will, als die Sünde, so wir erwägen, wie wir uns bald da, bald dort versündiget haben? Was ist nun aber da zu thun, daß wir uns dennoch im gläubigen Vertrauen zu Gott nicht hindern lassen? Sollen wir die Sünde geringe achten, als hätte es damit nicht viel zu bedeuten? oder sollen wir Manches gar für keine Sünde halten? Nein. Sünde bleibet Sünde, und muß daher auch als Sünde erkannt werden. Es ist auch an sich selbst keine Sünde als klein und gering anzusehen, denn jede Sünde ist eine Uebertretung des Gebots unseres großen Gottes, und jede hat unsern Heiland sein Blut und Leben gekostet, ja, ihm Höllen-Angst und Marter verursacht. Also muß man jede groß achten und davor erschrecken, denn jede ist auch um der oben angeführten Ursachen willen an und für sich selbst verdammlich, und wird nur den Bußfertigen und Gläubigen, um Christi willen, nicht zur Verdammung zugerechnet. Die Leugnung oder Geringhaltung der Sünde bringet keine Gnade und so auch kein wahres, kindliches Vertrauen, sondern ist eine falsche Zuversicht und fleischliche Sicherheit.
Daß wir sollen keine Bitte gering halten, das lehret uns ja eben die fünfte Bitte. Denn wenn es mit der Sünde nichts zu sagen hätte, was brauchten wir erst um deren Vergebung zu bitten? Es wäre etwas Ueberflüssiges, oder gleichsam nur wie ein Compliment, da Menschen, sonderlich bei Hofe, aus Höflichkeit einander immer um Vergebung bitten, obgleich sie einander nicht beleidiget haben. Oder es wäre doch diese Bitte nicht als ein täglicher, viel weniger stündlicher Seufzer nöthig, sondern nur etwa da, wenn etwas Grobes geschehen wäre. Aber nein, nein. Auch diese Bitte gehöret, wie die andern, zum heiligen Vater Unser und zu dem Gebet, das wir ohne Unterlaß thun sollen, weil wir ohne Unterlaß finden, wie sich noch die Sünde in uns in Gedanken und Begierden reget, und auch wohl in Worten und Werken noch herausbricht. Da muß Alles auch bald mit tiefster Beugung, Schaam und Demüthigung als Sünde erkannt, und bald um Vergebung gebeten werden. Denn in solcher Ordnung der täglichen Reue und Buße, da wir noch das Fleisch fühlen, aber nicht nach dem Fleische leben, wird uns keine Sünde zur Verdammung zugerechnet.
Diese fünfte Bitte lehret uns also wohl, durchaus nicht die Sünde geringe, sondern groß achten, denn unserer Sünden sind ja wohl sehr viel, auch nur deren, die wir täglich in und an uns merken, so wir auf uns Acht geben; wie viel mehr sind der unerkannten Sünden, die doch das Aug Gottes stehet? Wie viel sind peccala commissionis, Sünden, da wirklich was Böses gedacht, geredet oder gethan wird? wie noch vielmehr aber sind peccata omissionis oder Unterlassungssünden zu finden, da so manches Gute noch unterlassen, oder doch nicht mit solchem Ernst und Eifer und mit solcher Lauterkeit gethan wird, wie es billig sein sollte? O wie viel, wie viel wird noch immer zurückbleiben, daß wir uns also wohl als große Schuldner ansehen müssen; das lehret uns die fünfte Bitte, da wir, weil die Sünde immer vor uns groß ist, auch täglich und stündlich bitten müssen: „Herr, sei gnädig meiner Missethat, die da groß ist.“ Ps. 25, 11.
Es lehret uns doch aber auch diese Bitte, daß wir die Gnade, Huld und Liebe des Vaterherzens Gottes noch größer achten, und sie zeiget uns, daß, ob wir auch, nach der Erklärung des Catechismi, viel sündigen und eitel Strafe verdienen und die Sünde mächtig worden, doch die Gnade noch mächtiger und bei Gott noch viel mehr Gnade sei, als bei uns Sünde, wie wir singen:
Ob bei uns ist der Sünde viel,
Bei Gott ist viel mehr Gnade.
Es will nun also unser Heiland durch diese Bitte, daß wir uns wegen unserer vielen Sündenschuld wohl bald, ja fort und fort, vor Gott anklagen und schuldig geben, aber auch nur bald um Vergebung aller Schuld bitten, und auch glauben, daß Alles so bald soll vergeben, und uns nichts zu neuer Schuld angeschrieben werden. An Sünden und Schulden würde es nicht fehlen, und diese Sünden würden uns wollen blöde und schüchtern machen, auch wohl die Furcht beibringen, daß uns Gott die andern, zu ihm geschickten Bitten versagen werde. Da will uns nun aber Christus lehren, daß wir nur immer um Vergebung bitten sollten; der Vater werde auch gewiß immer bereit sein, zu vergeben, er werde, wie es Lutherus schon erkläret, unsere Sünden nicht ansehen und um desselben willen unsere anderen Bitten nicht versagen. Denn ob wir gleich des Allen nicht werth sind, was wir bitten, und es mit nichts verdient, ja wohl eitel Strafe verdienet hätten, so werde der Vater im Himmel doch immer Schuld und Strafe erlassen und uns Alles aus Gnaden geben.
Das macht nun, daß wir bei unsern vielen täglichen Gebrechen wohl immer vor Gott gebeuget, aber doch auch kindlich und zuversichtlich bleiben, da wir aus dem Munde Christi wissen daß uns alle unsere Sünden bald vergeben werden, denn sonst würde uns Christus nicht befohlen haben, um Vergebung der Sünden zu bitten, wenn er nicht wüßte, daß sein und seines Vaters Herz immer gerne vergeben wolle, so wir nur mit bußfertigem, gläubigem Herzen Vergebung und Gnade suchen.
Wir dürfen an der Vergebung der Sünden nicht zweifeln, denn wir bitten darum. Nun heißt es: Wer da bittet, der nimmt. Luc. 11, 10. Wir bitten um Vergebung, so nehmen wir auch die Vergebung der Sünden von ihm und aus seiner Gnadenfülle. Wir bitten auch nach dem Willen Gottes, denn Christus hat uns selbst so heißen beten; also haben wir die Freudigkeit, daß wir die Bitte haben. 1 Joh. 5, 14. 15.
Wir beten aber nicht nur auf den Befehl Christi, sondern wir bitten auch in dieser Bitte gar besonders in dem Namen Christi, das ist, auf seinen Tod und Blutvergießen, und sein ganzes Verdienst. Denn Jesus hat uns die Vergebung aller Sünden erworben. Er hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst, Hebr. 1, 2., und sein Blut macht uns rein von aller Sünde. 1 Joh. 1, 7. Durch sein Blut, als das theure Lösegeld, haben wir nach Eph. 1, 7. die Erlösung, nämlich die Vergebung der Sünde, und zwar nach dem Reichthum seiner Gnade, also eine reichlich tägliche Vergebung der Sünde, oder viel Gnade zur Vergebung aller Sünde, denn Gott hat uns mit Christo geschenket alle Sünde. Col. 2, 13.
Kommen wir also nur immer in dem Namen Jesu, mit dem Blute Jesu, als unserem Lösegeld, bringen das vor den Vater und bitten um Vergebung der Sünde, so werden uns immer alle Sünden vergeben und keine, keine einzige uns auf unsere Schuldrechnung auf's Neue angeschrieben, sondern es bleibet und waltet da immer über uns eine ewige Gnade, eine ewige Gerechtigkeit, eine ewige Vergebung aller unserer Sünden, so daß selbige immer fort und fort so ferne von uns sind, als der Morgen ist vom Abend. Ps. 103, 12.
Dadurch wird nun die Sünde, die uns besagter Maßen immer will blöde und schüchtern machen, immer aus dem Wege geräumt, und das kindliche Vertrauen oder der vertraute Umgang mit Gott erhalten und bewahret, denn durch diese fünfte Bitte werfen wir immer diesen ersten und schwersten Stein, wie Lutherus es ausdrücket, nämlich die Sündenlast von unserem Herzen hinweg, und dürfen uns da den vertrauten Zugang zum Vaterherzen Gottes nicht wehren lassen, sondern je mehr wir fühlen, wie uns die Sünde noch anklebet, sich innerlich reget, oder uns auch wohl übervortheilet, desto mehr sollen wir nur durch Christum zum Vater hingehen und um Vergebung bitten. Und wenn wir auch täglich noch so Vieles in und an uns finden sollten, und es uns vorkäme, daß wir uns auch nicht nur sieben, sondern siebenzigmal siebenmal, das ist, oft und viel versündigten; so sollen wir doch auch da zum Vater kommen, um Gnade bitten und nicht zweifeln, daß er uns nicht Alles vergeben wolle. Denn da unser Heiland selbst von uns Menschen fordert, daß wir unserem Nächsten vergeben sollten, wenn er sich auch an einem Tage siebenzigmal siebenmal versündigte, wie viel mehr wirb er es und sein Vater nicht selbst thun? Nur daß Niemand dieß zur Sicherheit mißbrauche, denn es ist nur für bußfertige Seelen, die ein zartes Gefühl des Gewissens haben und also noch Vieles fühlen, was au ihnen sündlich ist. Für Sichere ist das nicht, die ihre grobe, oder doch herrschende Sünde nur immer bald in die fünfte Bitte werfen und doch in der Sünde bleiben wollen.
Diese fünfte Bitte hält also wohl aller Sicherheit und Geringachtung der Sünde, aber auch aller Verzagung, allem Mißtrauen und Unglauben kräftig ein, da wir uns nämlich nach dieser Bitte wohl immer als Sünder und große Schuldner, aber doch auch als begnadigte Kinder ansehen, die Vergebung aller Sünden haben. Solcher Gestalt sollen wir wohl nicht ein leichtsinniges, aber wohl ein leichtes und lichtes, von der Last der Sünden und bösen Gewissen befreites Herz behalten, oder los sein und bleiben vom bösen Gewissen, und daher, wenn wir einige Bedrückung von der Sünde fühlen, nur gleich zu Jesu und durch Jesum zum Vater hingehen und Vergebung, oder neue Versicherung der Vergebung der Sünde suchen, und auch glauben, daß Alles immer abgethan werde, daß uns nichts mit Recht verklagen und verdammen könne, noch dürfe, da uns ja der liebe Sohn des himmlischen Vaters selbst die Worte in den Mund geleget, wie wir um Vergebung bitten, und also auch Vergebung der Sünden glauben sollen. Da finden, haben und behalten wir Friede, sehen aber doch kein Fleckchen Gutes an uns selbst, sondern sehen uns allein in Christo an, und das erhält Friede.
Es ist demnach eine große, hohe Wohlthat, und das täglich bewährteste Mittel zum Frieden Gottes, daß unser Heiland auch diese Bitte mit klaren Worten uns gelehret; denn sonst könnten wir zweifeln, ob wir immerfort, täglich und stündlich um Vergebung der Sünde bitten, und auch glauben möchten, solche zu erlangen, da würde unser Friede gestöret. Das arme, blöde Gewissen der bußfertigen Sünder denkt ohnedem oft, Gott wird des Erbarmens endlich müde werden, wenn man so oft fehlet und strauchelt, und man will da oft wohl nicht bald vor Gott kommen. Aber nein, wir mögen, wir sollen kommen, und um Vergebung bitten, und sie auch erlangen, so oft wir auch kommen. Das lehret uns diese Bitte und gibt einen großen Trost. Und wer sich nur recht kennet, der wird finden, daß er diese Bitte und den darin liegenden Trost auch hoch von Nöthen hat. Denn wenn wir die Geistlichkeit des heil. Gesetzes Gottes recht einsehen und verstehen, wie tief das gehet, und wie viel uns an der Ausübung desselben fehlet, oder, wenn wir nur die vier ersten Bitten erwägen, und sehen, wie wir selbige noch nicht so ernstlich und herzlich gebetet, oder nach selbigen uns noch nicht so verhalten, wie wir gesollt, so würden wir wohl Sünde über Sünde finden, und auf Tausend nicht Eins antworten können. Da wird wohl, wenn wir nur auf unser Herz Acht haben, oft und viel der Seufzer aus dem Herzen steigen: „Ach Herr, vergib mir auch diese Sünde! Ach Herr, vergib mir alle meine Sünden!“ Es ist also gewiß keine Stärke, oder kein Zeichen, daß man so weit gekommen sei, sondern eine große Blindheit an sich selbst, wenn man denkt, diese Bitte entweder gar nicht, oder doch nicht so oft nöthig zu haben, wie in vorigen und jetzigen Zeiten sich solche Leute gefunden, die diese Bitte gemeint nicht sonderlich zu bedürfen, oder die damit bald fertig sind.
Diese Bitte macht uns, so zu sagen, noch Alle zu Sündern, daß wir uns nämlich als große Sünder erkennen, und in tiefer Beugung und Armuth am Geiste vor Gott erscheinen müssen; denn dafür (nämlich um Vergebung der Sünde) werden dich alle Heiligen bitten, heißt es Ps. 32, 6., und da werden, wie es weiter heißt, die großen Wasserfluthen an selbige nicht gelangen, nicht sie überwältigen; denn sie haben Vergebung gesucht und erlangt; da wendet Gott alle schädliche Versuchung und, Anfechtung ab, oder läßt sie nicht drinnen versinken. Darum ist diese Bitte wohl den armen, blöden Herzen die allertröstlichste Bitte, dadurch sie sich eben auch vor allen Wasserfluthen der Anfechtung bewahren können; sie sollen nur sein arm, klein, niedrig und geringe bleiben, im tiefen Thal der Demuth, sich nach allen Stücken immer anklagen, aber um Vergebung bitten, auch Vergebung der Sünden glauben und darin ganz allein ihr Heil suchen, und gedenken? daß es bei Gott ans gar kein Verdienst und Würdigkeit, sondern auf lauter Gnade ankomme, nach welcher er immer vergebe Missethat, Uebertretung und Sünde. 2 Mos. 34, 7.
Wenn nun die Sünde sie drücken und ihr Gewissen blöde machen will, so nehmen sie nur gleich zu dieser so tröstlichen Bitte ihre Zuflucht; denn sonst ist kein anderer Rath, noch Mittel oder Weg; das ist der kürzeste Weg, da Alles, das ganze Evangelium, in der Kürze beisammen ist, und daran man sich halten kann. Kommt eine Anfechtung und Versuchung, eine plötzliche Noth oder der Tod, und wir haben nicht viel Zeit übrig, was ist da zu thun? Nichts Anderes, als daß wir alle unsere Sünden und Seelennoth, wie Lutherus redet, in diese Bitte werfen, bald um Vergebung bitten und sagen: „Mein Gott, ich bin ein Sünder, und kann dir auch auf Tausend nicht Eins antworten, aber wo will ich mit meinen Sünden hinfliehen, als zu dir, und dich um Vergebung bitten? Dein lieber Sohn hat mich selbst geheißen, um Vergebung der Sünde bitten. Darum vergib auch mir alle, alle meine Sünden, auch alle meine verborgenen Fehler, und laß derselbigen in Ewigkeit nicht, mehr gedacht werden. Amen.“
Und damit wir desto gläubiger um Vergebung bitten, oder auch uns der Vergebung der Sünde gewiß versichern, so haben wir auch noch an die ewige Liebe und Gnade Gottes zu denken, denn nach dieser ewigen, reichen Gnade und Barmherzigkeit vergibt Gott alle Sünden; wir haben zu denken an Jesum, das Lamm Gottes, wie es alle unsere Sünde an's Kreuz getragen, selbige gebüßt und, abgethan und dadurch die Vergebung aller Sünde erworben. Wir haben zu denken an die heilige Taufe, da wir schon in den für unsere Sünde geschehenen Tod Christi getauft und allda schon alle Sünden geschenkt sind. Und endlich haben wir auf die Gnaden-Ordnung zu sehen, wie es gedachter Maßen auch bei der Ordnung des Heils, oder Bekehrung, auf lauter Gnade, Erbarmung und Vergebung ankomme, wie Gott von uns, als von uns selbst, nichts, kein Verdienst, kein Werk, oder so etwas fordere, sondern daß wir nur sollen die Gnade, als Gnade, umsonst und frei geschenkt annehmen, und alle unsere Sünde nach dem großen Reichthum der Gnade vergeben lassen, weil sonst vor Gott nichts gilt, so daß wir mit höchstem Recht singen:
Bei dir gilt nichts, denn Gnad' und Gunst,
Die Sünde zu vergeben,
Es ist doch unser Thun umsonst
Auch in dem besten Leben;
Vor dir Jemand sich rühmen kann,
Es muß dich fürchten Jedermann,
Und deiner Gnade leben.
Wenn dieß Alles zusammengenommen und wohl bedacht wird, so wird man die fünfte Bitte immer besser und zwar recht demüthig, in Armuth am Geiste, aber auch recht gläubig, in kindlicher Zuversicht beten, und den vertrauten Umgang mit Gott nicht stören lassen.
Endlich haben wir noch die beigesetzten Worte Christi zu erwägen, da er sagt: Vergib uns unsere Schuld, als wir vergeben unsern Schuldigern. Das lehret uns freilich, daß wir mit einem bußfertigen und also auch mit einem versöhnlichen Herzen um Vergebung aller Sünde bitten müssen, und daß die, so nicht vergeben wollen, wider sich selbst beten und sich keiner Vergebung versichern können. Wir sehen aber nach unserem jetzt vorgesetzten Zweck auch diese Worte so an, wie sie uns zum Glauben und kindlichen Vertrauen desto besser erwecken können. Wir stellen hier nicht unsere Vergebung Gott so vor, daß er um derselbigen willen uns nun auch vergeben sollte. Denn er macht ja mit seiner Vergebung, mit der Rechtfertigung und Absolution von Sünden den Anfang, und hernach soll unsere Vergebung als eine Frucht der Rechtfertigung oder Vergebung der Sünden folgen. So ist auch unsere Vergebung zuweilen noch gar schwach und es geht durch Kampf und Gedränge, Gott aber vergibt uns so vollkommen, daß er aller unserer Sünden auch nicht einmal gedenken will. Also vergibt uns Gott allein um Christi willen alle unsere Sünden, wir aber affectiren uns immer dabei, wie eben der Catechismus saget: daß wir nun auch gerne. denen, so uns beleidigen, ihre Schuld vergeben wollen, und ihnen thun, wie Gott zuerst an uns gethan hat, wie Christus dort zu jenem Schuldknecht sagte: „Solltest du denn dich nicht auch erbarmen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmet habe?“ Matth. 18, 33.
Wir müssen also unsere Vergebung nicht in die Rechtfertigung mit hinein mengen, als wenn wir damit den Anfang machten, sonst kann ein blödes Herz, was noch etwa Kampf fühlet, nicht recht zur Beruhigung kommen. Denn soll ich recht billig und recht viel, ja Alles immer vergeben, und also auch gegen meinen Beleidiger Liebe beweisen, so muß ich erst erkennen, daß Gott mir viel vergeben hat und noch vergibt.
Indessen können wir uns hiebet auf zweierlei Weise im Glauben stärken:
- Wenn Gott fordert, daß wir unsern Beleidigern vergeben sollen, und dieß hernach noch, nach dem heiligen Vater Unser, ganz insbesondere uns einprägen will, - so können wir so schließen: Da Gott das von mir verlanget, und mir dieß so ernstlich einpräget, daß ich vergeben soll, so wird er mir ja auch wohl selbst alle meine Sünden vergeben, und eben dadurch mein Herz gewinnen und dahin neigen, daß ich Allen zu vergeben würdig werde. Es heißt ja Ephes. 4,30.: „Vergebet euch unter einander, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo.“ Und bald darauf: „So seid nun Gottes Nachfolger.“ Also muß Gott uns ja mit seinem Vergeben vorangehen, und uns auch solcher Vergebung der Sünden versichern, alsdann werden und können wir ihm erst willig nachfolgen, und Alles willig und von Herzen vergeben. Verlanget also Gott unsere Nachfolge, so muß er mir vorangehen, und so muß ich ja glauben, daß er mir Alles vergibt. Das kann wohl zu einem recht kindlichen Vertrauen erwecken, daß ich an seiner Gnade und Vergebung nicht zweifeln darf.
- Wenn ich mich nun aber durch seine Gnade geneigt finde, meinen Nächsten auch zu vergeben, so stärkt mich das wieder im Glauben, daß ich denke: Kann ich, der ich arg bin, meinem Nächsten vergeben, wie sollte Gott mir nicht vergeben, der die Liebe selbst ist? Ja, ich kann so schließen: Gott hat mir schon vergeben, denn sonst würde mein Herz nicht gewonnen und beweget werden, auch meinem Nächsten zu vergeben.
Wir sollen nun in der Vergebung allein alles Heil, allen Trost, allen Frieden suchen, oder darin recht, als in unserem Element, leben und schweben, und diesen Artikel: Ich glaube Vergebung der Sünden, auch recht rein bleiben lassen und nichts von dem Unsrigen mit drein mengen, sondern glauben, daß uns Gott allein, allein aus pur lauterer großen Gnade, ja nach einem rechten Reichthum der Gnade, und um Christi willen, ohne alle unser Verdienst und Würdigkeit reichlich und täglich, ja stündlich und augenblicklich, vergebe, und unser ganzes Leben, da immer noch viele Sünde ist, mit lauter Vergebung der Sünde bedecke, so daß wir alle unsere Sünden als vergebene Sünden ansehen, und wie im Leben, so auch besonders im Sterben, in der Vergebung der Sünden recht ruhen, und im Frieden verscheiden können.
Nun, o lieber Vater im Himmel, wir sind Alle vor dir große Schuldner, und „können dir auf Tausend nicht Eins antworten, aber gehe nicht mit uns in's Gerichte, denn vor dir ist kein Lebendiger gerecht. Unsere Missethat drücket uns hart, du wollest alle unsere Sünden vergeben,“ und die Scheidewand immer aus dem Wege räumen, daß wir doch immer zu dir einen freien Zugang behalten. So laß nun. alle unsere Sünden unseres ganzen Lebens auf ewig vergeben, abgethan und vergessen sein und bleiben, und laß uns nichts auf's Neue zu einer Schuld angeschrieben, sondern alle unser Schuldregister mit dem Blute deines Sohnes ausgestrichen und getilget werden, und gib uns auch immer eine neue Versicherung deiner Gnade und der Vergebung aller unserer Sünden, und dadurch laß uns vom bösen Gewissen los sein und bleiben, daß uns nichts in deinem Frieden und in dem vertrauten Umgang mit dir stören könne. Laß uns auch keine Sünden geringe halten, sondern uns immer als große Schuldner vor dir ansehen und in täglicher Reue und Buße leben und auch von Herzen allen unsern Schuldnern vergeben. Aber laß uns auch täglich dein Blut als unser Lösegeld im Glauben ergreifen, und dadurch wir täglich rein gemacht werden von allen unseren Sünden, also täglich auch immer ein neues Gnadensiegel bekommen, daß wir unerachtet unserer täglichen und stündlichen Fehler uns doch immer deiner Huld, Liebe und Gnade versichern können. In uns ist ja freilich eine immer fortwährende Sünde, die Erbsünde, die uns immer anklebet und träge macht oder in Alles sich einmenget; aber laß doch auch eine immer fortwährende ewige Gnade und Vergebung über uns walten und laß unser ganzes Leben, auch die besten Werke, mit Vergebung der Sünde, mit der Gerechtigkeit deines Sohnes bedecket sein/denn das Neste ist befleckt und wir brauchen dabei Vergebung. So laß uns auf nichts, als auf deine Gnade allein trauen und bauen, in der Vergebung der Sünden auch allein unser eigenes Heil suchen und darin hier immer leben und auch einmal im Tode Ruhe und Friede finden und gewiß sein, daß wir, da wir auf dich trauen, keine Schuld haben. Nun vergib, vergib uns, Vater, alle unsere Sünde, und lasse uns auch, da wir Vergebung der Sünden haben, Stärke und Kraft bekommen. O so sei nun gnädig unserer Missethat, die da groß ist, und siehe an das große Lösegeld, das Blut deines Sohnes, dadurch alle unsere Schuld bezahlt ist. Du wirst doch da nicht auch von uns die Schuld fordern, oder den Fluch des Gesetzes uns treffen lassen, sondern das Herz davon im Leben und auch im Tode frei und leicht behalten, und uns also mit vollkommener Vergebung der Sünde im Frieden lassen eingehen in's ewige Leben, Amen.
Mein Vater, sieh mich gnädig an.
Ob ich oft kaum nur seufzen kann,
Und noch so schwach und elend bin;
Ach! nimm die Schwachheit von mir hin.
Nimm diesen Bürg' und Mittler an,
Der auch für mich hat g'nug gethan.
Sieh' an sein Blut, das Lösegeld,
Die Zahlung für die ganze Welt.
Dieß Blut bezahlt auch meine Schuld,
Und brachte deine Vaterhuld,
Die nun die Schuld, so abgethan,
Nicht doppelt von mir fordern kann.
Der Treiber geh' nur hinterwärts,
Die Gnade macht ein leichtes Herz.
Herr, laß' es auch in Todespein
Recht leichte, licht und fröhlich sein.
Die sechste Bitte.
Diese Bitte verbindet unser Heiland mit der vorhergehenden durch das Wörtlein Und. Und führe uns nicht in Versuchung. Die Seele denkt an ihre Schulden und Versündigung, und fürchtet sich, daß sie Gott nicht aus gerechtem Gerichte in allerlei Versuchung fallen lasse, und ihrem eigenen Dünkel und Willen übergebe: denn sie findet noch Manches in sich, was vom Feinde, vom Versucher ist, und sie kann nicht sagen, wie Christus: Es kommt der Fürst dieser Welt und hat nichts an mir, er findet gar nichts in und an mir, was das Seinige ist. Das können wir nicht sagen. Ja, nebst dem innern bösen Samen tragen wir wohl auch äusserlich durch Untreue und Unachtsamkeit Manches bei, daß uns der Satan versuchen kann. Da schreien wir um Gnade und Hilfe, Gott wolle uns alle unsere Schulden vergeben und um derselben willen uns in keine Versuchung kommen lassen, sondern ob, wir es gleich nicht würdig sind, doch aus Gnaden um seines Namens willen leiten und führen, und durch alle Versuchungen unbeschädiget hindurchbringen. Dahin gehet, was der sel. Hr. Dr. Anton über diese Bitte schreibet, da er auch die Verbindung dieser Bitte mit der vorigen zeiget und S. 344 saget: „Da gab dieser Betmeister seinem armen Völklein zu verstehen, daß, wie viel Schulden uns auf dem Halse liegen, so viel Materie sei da, zu versuchen für den Versucher. Denn wir tragen selber gar viel Materie zu Haufe, und bewaffnen den Versucher selber in Unbedachtsamkeit. Da hat uns also dieser Betmeister gelehret, immerfort zu bitten: Und führe uns nicht in die Versuchung. Wenn wir die fünfte Bitte im Besondern nicht wollen mit Ernst beten, so kriegt der Versucher Gewalt, uns einzuführen, einzusperren in die Versuchung, und du, Vater im Himmel, als ein Richter, müßtest gerichtlicher Weise uns ein solches zuerkennen! das bitten wir ab: O Vater im Himmel! laß es zu einem solchen Gerichte nicht kommen, da der Versucher, nach unserem Zustand, immer muß um uns herum sein (mitten wir im Leben sind wir da und damit umfangen), so laß uns doch nicht so in Versuchung gerathen, daß wir darin verschlossen und gefangen genommen werden.“
Wir bitten nun aber mit dieser Bitte nicht um Verschonung mit aller Versuchung und Prüfung, sondern nur, daß wir nicht in die Versuchung fallen. Denn Christus sagt nicht: Wachet und betet, daß ihr nicht angefochten werdet, sondern daß ihr nicht in Anfechtung fallet. An Versuchungen und Reizungen von innen und außen kann es nicht fehlen, weil wir leben; denn wir haben noch mit Fleisch und Blut, Welt und Satan zu kämpfen. Da wird noch Einer von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt; denn das Fleisch ist noch da, und Teufel und Welt kommen auch dazu, und gehen wir da unter lauter Versuchungen, als Stricken und Netzen, herum. Ja der Satan schleicht uns immer nach, wo wir aus- und eingehen, und zwar bald als ein brüllender Löwe, bald als eine listige Schlange, da er am allergefährlichsten ist, sonderlich wenn er einen recht geistlichen Schein annimmt.
Es ist also eine recht große Wohlthat, daß uns Jesus auch diese Bitte beten gelehret, und wir können auch dadurch in sein und seines Vaters Herz sehen. Denn er will uns nicht nur durch die fünfte Bitte von der gegenwärtigen Noth befreit wissen, sondern auch vor dem künftigen Uebel bewahren und legt uns darum diese Bitte in den Mund. Dadurch zeigt er erstlich an, daß noch immer Feinde und Versuchungen genug da sind, daß wir ja nicht sicher und vermessen sein dürfen, sondern weil wir hier auf dem Kampfplatz sind, stets wachen, beten und in Waffen bleiben müssen. Er zeigt uns aber auch recht tröstlich dadurch an, daß, so wir nur diese Bitte würden von Herzen beten, so würde uns Gott schon bewahren, daß, ob wir gleich versucht würden, wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten, und also durch alle Versuchungen hindurchkommen sollten, daß sie uns nicht schaden, sondern vielmehr noch zum Besten dienen müßten. Da soll uns diese Bitte sehr lieb sein, und wir sollen sie höchst nöthig halten und täglich auch bald früh von Herzen beten, denn wir wissen nicht, was uns den Tag über begegnen kann. Wir können bei dieser und jener Gelegenheit von innen und außen versucht werden. Wir hören oder sehen etwa Dieß und Jenes, da kann gar bald ein sündlicher Gedanke, eine sündliche Begierde durch Augen und Ohren, als durch Thore, in's Herz kommen, oder das vorher noch im Herzen liegende Verderben erregt werden, daß es wohl noch immer so eintrifft, wie es in einem Liede ausgedrückt worden:
Wie trüglich stellt der Feind uns immer nach?
Wie süße lockt die Welt uns allgemach?
Wie liegen oft auch in erlaubten Dingen,
Da man's nicht meint, bei jedem Tritt die Schlingen?
Man hört ein Wort, gleich, wird die Ruh' gestört,
Man blickt nach was, bald wird das Herz bethört,
Es ist Gefahr, wo wir uns nur hinwenden;
Ach, Herr! hilf mir, und laß mich nichts verblenden.
Ja, der Satan selbst kann uns einen Gedanken einblasen, da wir nicht bald merken, daß es von ihm ist, und da kann oft aus etwas Kleinem, aus einem kleinen Fünklein ein großes Feuer werden, oder aus einer kleinen Versuchung und Reizung eine große Versuchung und so immer eine Versuchung aus der andern entstehen, und uns lange und große Noth machen. Da muß man ja nicht sicher und vermessen sein.
Denn wir mögen glauben, wenn wir nur etwas sicher werden, nicht in täglicher, ja stündlicher Reue und Buße leben, sondern unsere Fehler gering achten, oder sie nicht recht erkennen, auch etwa wieder nach etwas in der Welt lüstern werden, und sonderlich nicht stets ohne Unterlaß wachen und beten, ja wohl gar noch vermessen sind, uns zu hoch über's Ziel messen und in eine geistliche Höhe gehen, da kommt der Versucher gewiß und begehret uns zu sichten wie den Waizen, und er bekommt auch da Gewalt, er findet viel von dem Seinigen, viele Materie in uns, die bei seinen Versuchungen bald Funken fängt. Denn nichts kann uns, nächst dem Glauben, vor allen schädlichen Versuchungen bewahren, als wenn wir stets in heiliger Furcht für uns selbst, oder in wahrer Armuth am Geiste stehen, und stets wachen und beten, unsere Gebrechen immer erkennen und um Vergebung bitten, daß uns der Herr wegen unserer Gebrechen und Schulden dem Versucher nicht überlassen möge.
Das ist eben dieß, was uns unser Heiland aus herzlicher Liebe durch diese Bitte lehren will, nämlich wie wir sollen beten, daß alle dergleichen Versuchungen abgewendet werden, daß wir nicht hinein gerathen. So stehet auch, schreibt der sel. Hr. Dr. Anton, in einem Gebete beim Sirach: „O Gott, Vater und Herr meines Lebens, laß mich nicht hinein gerathen, sondern mache mich vorsichtig, und erinnere mich stets der Vorsichtigkeit, daß ich nicht was unterlasse (oder thue), dessen Consequenz müßte sein eine solche Hineinstürzung. Sir. 23, 1. Da stehet auch Vater, du, Vater und Herr meines Lebens! mein armes Herz ist so vielen Schulden, so vielen Fällen unterworfen, der Versucher hat bei uns Alles gut machen, denn wir geben ihm selber die Materie in die Hand. Aber da du mich das nun lehrest erkennen, so rufe ich aus der Tiefe zu dir, das abzuwenden. Sir. 23, bis V. 6. 7. Da wird mit solcher Instanz gebetet, das abzuwenden. Es will gewiß dabei gearbeitet sein.“
O ja, der Versucher kann uns schon Arbeit und Mühe machen, und es ist nicht auszusprechen, wie er Tag und Nacht nur auf unser Unglück und Verderben denkt, auch wie listig er es anfängt und wie er uns da gar bald beikommen und uns unter dem besten Schein berücken kann, wo der Herr ihm nicht selbst, durch seine starke Macht, einhält, und ihn mit aller seiner Macht zu Schanden macht, daß wir wohl mit Recht singen:
Denn wenn mich nicht dein' Macht erhält,
Ist er mir viel zu geschwinde,
Ihm ist Keiner zu klug, zu erfahren oder zu stark, er macht sich noch an Alle und schenkt es Keinem. Und je mehr Einer auch göttliches Licht, Gnade und Kraft hat, je mehr braucht er nur auch seine List und Macht, und sucht auch noch solchen beizukommen und sie in sein Netz zu bringen, oder doch matt und müde zu machen und sie in dem Werk des Herrn zu hindern, oder im Gegentheil in weit aussehende Dinge und Unternehmungen zu bringen, da man über sein Ziel schreitet, und in mancherlei falsche Geistlichkeit und Höhe kommt, welches ihm oft am Ersten gelingt, wenn man es nicht einmal merket, daß es eine Versuchung von ihm ist, sondern es für etwas ganz Göttliches und Geistliches hält, folglich sich recht wohl dabei sein läßt und denkt, es habe keine Gefahr.
Wir mögen also wohl unermüdet wachen und beten, und täglich, ja stündlich und sonderlich, wie gesagt, bald früh beten: „O Herr, laß mich ja in nichts, laß mich auch heute nicht über Vermögen versucht und von Sünde und Satan übervortheilt werden. O behüte mich, du treuer Hüter Israel, bei Tag und Nacht, und auf allen meinen Wegen, vor aller List und Macht meiner Feinde, daß ich ja in keine Anfechtung falle und Schaden nehme.“
O gewiß hätte Mancher bald früh sich gefürchtet und ernstlich um Bewahrung gebetet, er wäre nicht in diese und jene große und lange Versuchung gekommen, oder doch endlich ohne Schaden durchkommen.
Denn Gott lässet auch noch seine besondere Stunden der Anfechtungen über seine Gläubigen kommen, ob sie auch wachen und beten. Er führet sie wohl selbst einen Weg, und sie wissen auch, daß sie unter der Leitung und Führung seines Geistes nach seinem Wink und Willen diesen Weg betreten, und sie kommen doch auf solchem Wege in eine besondere Versuchung, wie ja Jesus selbst vom Geist in die Wüste geführet wurde, daß er vom Teufel versucht würde. So können ja viel eher die Gläubigen auch auf den besten Wegen versucht werden, und zwar oft sehr scheinbar. Denn je mehr eine Seele Gnade hat, je listiger und scheinheiliger kommt der Versucher, ja er verstellet sich in einen Engel des Lichts und kommt wohl gar mit lauter Gottes-Wort, wie er eben bei Christo immer Gottes Wort brauchte und nur verkehrt anführte. Hat er also sich an das Haupt gewaget und bald ihn durch Vorhaltung seines Mangels zum Mißtrauen gegen Gott bewegen und mürbe machen wollen, bald ihm die Dinge der Welt vorgestellet und damit ihn einzunehmen gesuchet, bald aber auf geistliche Höhen oder falsche Geistlichkeit zu bringen getrachtet; so wird er sich ja wohl um so viel eher an die armen, schwachen Glieder machen, und sie bald auf diese, bald auf jene Weise zu fangen suchen. Doch der Herr ist treu und lässet dem Feinde nicht zu viel zu, daß wir unterliegen müßten. Gott ist kein Versucher zum Bösen und hat auch bei der Zulassung so mancher Versuchung von Fleisch, Welt und Satan einen seligen Zweck. Er lässet nämlich noch manche Versuchung über uns kommen, damit wir uns immer besser kennen lernen, und sehen, was noch in unserem Herzen verborgen ist, das wir vielleicht vorher nicht gedacht hätten, wie es so 2 Chron. 32, 31. von Hiskia heißt: daß ihn Gott verlassen und versucht habe, auf daß kund würde Alles, was in seinem Herzen wäre, da er sahe, wie sich sein Herz noch erhoben. Doch, er demüthigte sich hernach desto mehr, da er sich mehr kennen lernte, und so wußte der Herr auch diese Versuchung zum Besten zu wenden, ob es wohl nicht ohne Versündigung abging, welches er hätte vermeiden können, so er mehr gewachet und gebetet hätte.
Also wird der Herr nach seiner großen Treue alle Versuchung noch zum Besten dienen lassen, und was der Feind böse gemeint, gut machen.
Es hat mancher Mensch ja wohl Gnade, aber er kennt sich selbst noch viel zu wenig, er streitet auch wohl gegen sein Verderben, aber Eines lässet er doch noch übrig, da er nicht rechten Ernst dagegen beweiset. Der Herr träget ihn und schneidet ihn nicht ab, er lässet ihn aber wohl in eine Versuchung, und daher in eine große Noth und Angst gerathen, da er sein Verderben recht sehr fühlen muß, und alsdann auch größeren Ernst brauchet. Ja, es geschiehet dieß wohl zuweilen noch mit uns Allen, daß solche besondere Stunden der Versuchung kommen, damit auch das Verborgenste und Heimlichste desto mehr offenbar werde, dagegen man auch hernach desto mehr sich setzet, da es sonst als ein heimliches, verborgenes Gift uns hätte verderben, ja tödten können. Denn der Same und die Wurzel zu allem Bösen ist doch noch im Herzen, und wenn mau dasselbige gar nicht fühlet, so ist das kein Kennzeichen, daß nichts mehr davon da wäre, sondern daß der Mensch nur noch blind an sich selbst ist, und folglich desto weniger auf seine mehrere Reinigung denket; indem die immer mehrere Reinigung und Besserung immer von mehrerer Erkenntniß des noch übrigen Verderbens anfängt. Da wird uns also bei solcher Versuchung und Regung des Verderbens einmal recht tief in's Herz gegriffen und dasselbige auch von dem verborgenen, noch übrigen unlautern Wesen mehr gereiniget, wir werden auf's Tiefste gebeuget und gedemüthiget, und desto mehr von aller Vermessenheit und Sicherheit befreiet und dahin gebracht, daß wir desto mehr wachen und beten, desto mehr auf's Wort merken, es auch desto besser verstehen, desto größere Treue beweisen und unsere Seligkeit desto mehr schaffen mit Furcht und Zittern. Phil. 2, 12. Wir können hernach auch Andere, die versucht werden, desto mehr mit Geduld tragen, aber auch warnen und ihnen desto besser mit Rath und Trost an die Hand gehen. Das Alles erfolgt gewiß, wenn wir auch in eine besondere Stunde der Versuchung kommen, so wir nur treu sind, oder doch gerne treu sein wollen, wachen und beten und sonderlich die sechste Bitte täglich recht herzlich beten. Wir werden gewiß dadurch bewahret, ob es auch von lauter Versuchungen schneiete und regnete. Denn der Herr ist treu, und wird uns, wie er es verheißen, nicht über Vermögen lassen versucht werden, 1 Cor. 19, 13.; er weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen, 2 Petr. 2, 9., und noch Alles, auch das, was uns am meisten versucht und am schädlichsten geschienen, zum Besten zu wenden. Wenn man also von Etwas versucht wird, man wachet und betet aber nur da desto mehr, so ist man nicht schon halb gefallen, sondern es kann wohl vielmehr zur Bewahrung vor dem Fall dienen, weil man siehet, es sei noch immer viel Verderben in uns übrig, und man müsse immer wachen, im Gebet und Worte bleiben, und nimmer sicher werden; da hingegen, wenn man so gar nichts mehr fühlete, was uns versuchen könnte, man wohl eher sorglos und sicher werden und alsdann leicht in Anfechtung fallen und Schaden nehmen würde. Die Versuchungen sollen uns also nicht schaden, sondern noch nutzen und sonderlich uns sein in's Wort treiben. O, wie manches Wort Gottes würde uns ohne mancherlei Anfechtung und Versuchung verschlossen geblieben sein, denn Anfechtung lehret auf's Wort merken, und hilft auch zum rechten Verstand desselbigen, wie wir sagen: Vexatio dat intellectum: Anfechtung gibt oder macht Verstand. Wie manches schöne Buch würde Lutherus und Andere nicht geschrieben haben, wenn sie nicht durch mancherlei Anfechtungen wären bewährt und dazu tüchtig gemacht worden, daß sie aus Erfahrung schreiben können.
Wenn wir also die Bitte nur stets ernstlich beten, so werden wir schon gewiß durch alle Versuchung durchkommen, und es führet uns diese Bitte gleichsam in das rechte Zeughaus Gottes, wir ergreifen dadurch gegen unsere Feinde alle nöthige Waffen, ja, können glauben, Gott ist selbst unsere Sonne und Schild. Unsere Sonne ist er, uns zu erleuchten, daß wir alle listige und scheinbare Versuchungen des Fleisches, der Welt und des Satans einsehen, daß sie uns nicht mit gutem Schein berücken; unser Schild ist er, daß, wenn sie auch mit Gewalt kommen, und ihre Pfeile auf uns losschießen, solche doch zurückprallen und nicht in's Herze dringen.
O, wie gut und fromm ist unser Heiland, daß er uns so ernstlich und so oft zum Wachen und Beten ermahnet, daß wir nicht unter dem besten Schein berücket werden und in Anfechtung fallen! Der Versucher kommt immer mit lauter gutem Schein und oft selbst mit dem Worte Gottes stellet er dem Menschen vor, wie er dieß und das Gute könne ausüben, oder dem Herrn besser dienen, wenn er etwa in den und den bessern Umständen wäre; und wenn sich solche Gelegenheit äußert, so fahren unerfahrene Gemüther bald zu; aber ein geübtes Kind Gottes fürchtet sich und seufzet: O, daß es nur nicht eine Versuchung sei! ach Herr, führe mich nicht in Versuchung! Der Feind, als die alte Schlange, suchet zuförderst die Sinnen von der Einfältigkeit in Christo abzuführen, daß sich die Seelen nicht einfältig an's Wort halten und an Christo hangen bleiben, wie er ihr Ein und Alles ist. Sie sehen nicht beständig auf ihn, wie er ihre einige Versöhnung und Gerechtigkeit und ihr Friede ist, und suchen nicht in ihm ganz allein allen Trost und Frieden, alle Ruhe und Vergnügungen, sondern lassen das Auge einen Schalk sein und schielen, daß es mit auf das Vergängliche und Irdische stehet, und da unvermerkt wieder seine Lust und Freude darin suchet, bei Einem in dem, bei dem Andern in einem andern Stück; da hat der Feind gut machen. Da kommt er bald und hält Einem Dieß und Jenes vor seine Augen, und da greift der Mensch zu und hält es wohl für ein Glück, ja für eine besondere Schickung Gottes, und weiß nicht, daß es eine Versuchung vom Feinde ist. Da ist nun aber unser Heiland so treu und warnet uns, daß wir es wohl spüren, wenn wir auf ihn merken, und da entstehen recht sehnliche Seufzer, daß uns Gott doch ja nicht vom Feinde lasse berücket werden und in eine Versuchung fallen.
Es ist also allerdings, wie gedacht, eine große Wohlthat, daß uns der Herr diese Bitte vorgeschrieben hat, und wir können wohl ein recht kindliches Vertrauen zu ihm haben, da wir sehen, wie er uns gerne ganz unversehrt will durch die Welt hindurchdringen und als sein Kleinod, ja seinen Augapfel bewahren, wie eben David um diese Bewahrung betet. O, wohl uns unter seiner Aufsicht! Unser Heiland bittet ja auch gewiß für uns, wie für Petrum, daß unser Glaube nicht aufhöre, wenn uns der Feind versuchen wird. Er saget ja selbst 1 Joh. 17, 15.: Ich bitte nicht, daß du sie. von der Welt nehmest, sondern daß du sie bewahrest vor dem Uebel (vor der Stunde der Versuchung, wie es auch Offenb. 2 verheißen ist). Und da unser Heiland in seiner Versuchungsstunde den Feind überwunden, so ist sein Sieg auch unser Sieg, und wir sollen in Kraft seines Sieges auch noch in Allem weit überwinden, und mögen uns nur auch immer, wie er ja selbst gethan, mit Gottes Wort warnen und wehren, so wird's noch immer heißen: Ein Wörtlein kann ihn fällen. Wir wissen auch, daß, da unser Heiland selbst in allen Stücken versucht worden, wie wir, nur ohne Sünde, er da desto mehr mit uns Geduld und Mitleiden hat, und uns gewiß schon durchhelfen wird, zumal da wir ihn ernstlich darum bitten. Das erfordert seine Treue, und da heißt es: Der Herr ist treu, der wird euch stärken und bewahren vor dem Argen. 2 Thess. 3, 3.
Wir danken dir, o lieber Vater, daß du uns durch deinen lieben Sohn auch diese Bitte hast vorschreiben lassen; darum bitten wir auch, o treuer Vater, du wollest dich über uns, deine armen, unvorsichtigen und schwachen Kinder, erbarmen, und mit uns Geduld haben, da wir oft dem Feinde selbst Gelegenheit geben, uns zu versuchen, oder da wir unser inneres Verderben selbst mehr erregen und uns in Versuchung stürzen. Vergib uns alle Untreue, alle Unachtsamkeit, allen Unverstand, und gib uns deßwegen nicht hin, daß wir dem Versucher in die Hände kommen, daß er das in uns noch liegende Verderben als seinen Samen erregen, und uns noch mehr verderben könne. Gib uns nach deinem Gerichte nicht hin unserem eigenen Dünkel und Willen, sondern, ob wir es auch verdient haben, so laß doch Gnade für Recht ergehen, und uns doch um deines Namens willen recht selig geleitet und geführt werden, und alles Gericht sei nichts anders, als nur ein Gnadengericht, nicht im Zorn gegen uns, sondern nur gegen das Fleisch, daß dieß je mehr und mehr getödtet werde, und uns immer weniger reizen und versuchen könne. Also greise bei aller Versuchung auch nur desto tiefer in unser Herz, daß wir uns immer besser kennen lernen, und desto mehr auch von dem noch verborgenen, sündlichen Wesen gereinigt und geheiligt werden, und daß wir sonst auf allerlei Weise von allen Versuchungen und Prüfungen einen Segen und Nutzen haben. Du weißt, lieber Vater, unsere Unwissenheit und Schwachheit, wie wir noch können mit gutem Schein berückt oder mit Gewalt überwältigt werden. Du siehst, wie noch so Manches da ist, das der Feind nur erregen darf, so würden wir in allerlei Versuchung fallen. Fühlen und sehen wir doch selbst noch Vieles, wie vielmehr sehen deine hellen Augen nicht, was noch für Materie und Zunder in uns übrig ist, so bald Funken und Feuer fangen kann. O, so laß uns doch nach deiner Verheißung in nichts über Vermögen versucht werden! Laß uns auch nicht, wie von Hiskia steht, von dir verlassen und versucht werden, daß sich unser Herz erhübe, oder auf andere Weise von dir abwiche, sondern laß uns bald unter stetem Wachen und Beten in deinem Lichte mit Reue und Schaam merken, wenn sich nur das Mindeste von einiger Hoffahrt oder anderem Verderben in uns regt, damit solches bald durch deine Kraft in der ersten Brut getödtet werde, so, daß wir nicht nur mit der That in keine Versuchung fallen, und in etwas wider deinen Rath und Willen gerathen, sondern daß wir auch bald vor allen schändlichen Gedanken bewahrt werden, daß uns der. Feind auf keine Weise beikomme, und uns hindere und aufhalte. O, thue du ihm selbst mächtigen Einhalt, denn er ist uns armen, unwissenden und schwachen Kindern ja viel zu listig und zu mächtig, und du weißt, daß wir glauben und es dir auch bekennen, er könne uns Tausendmal für Einmal berücken, wo du nicht wolltest Tag und Nacht hüten und wachen. Dieß laß uns aber immer besser glauben, und darum nur in nichts und zu keiner Zeit vermessen sein, sondern uns allerwegen fürchten, und ohne Unterlaß wachen und beten. Sobald wir früh erwachen, laß uns denken: O, was kann heute mir begegnen, und wie kann mich heute der Feind versuchen? Denn sobald ich nur aufstehe, kann ich meinen Fuß in Stricke und Netze setzen, um so viel mehr, wenn ich unter andere Menschen komme, da der Feind ja immer mit uns aus- und eingeht und recht auf uns lauert, und den gefährlichsten Feind tragen wir noch im Herzen mit uns herum. O, da gib Furcht vor uns selbst, laß uns unsere Seligkeit mit Furcht und Zittern schaffen, laß uns bald des Morgens früh diese Bitte von ganzem Herzen beten und seufzen: Ach, mein Vater, nimm mich auch heute diesen Tag in Acht, und behüte mich wie einen Augapfel im Auge, daß ich in nichts zum Schaden der Seele versucht werde. Sodann laß mich auch den ganzen Tag mit Wachen und Beten allerwegen aus- und eingehen, mich vor allen meinen Feinden mich immer zu dir halten, wie ein furchtsames und schwaches Kind zur Mutter. Laß mich unter stetem Wachen und Beten bald den Feind, der mich versuchen will, von ferne merken, und so sei auch meine Sonne, gib auch mir so viel Licht, daß ich Natur und Gnade unterscheide, und bald sehe, was vom Feinde, oder von dir, dem Freunde und Vater, ist, damit ich auch nicht durch guten Schein berückt werde, sondern der Feind vielmehr in sein eigenes Netz fallen und sich selbst schaden müsse; und also sei auch selbst mein Schild, daß alle Pfeile des Bösewichts zurückprallen und nicht in mein Herz dringen. Laß mir auch die Fürbitte meines Mittlers zu Statten kommen, der auch für mich, wie dort für Petrum, bittet, daß mein Glaube nicht aufhöre. Nun hilf uns, lieber Vater, durch alle Versuchungen hindurch, daß wir zur rechten und linken Hand, gegen alle listige und mächtige Versuchungen, gegen Lust und Furcht wohl bewaffnet seien, und sonderlich auch, wenn ein besonderes böses Stündlein kommt, stark seien, Alles wohl ausrichten und das Feld behalten mögen. O ja, führe uns, Herr, in Versuchung nicht, wenn uns der böse Geist anficht zur linken und zur rechten Hand, hilf uns thun starken Widerstand, im Glauben fest und wohlgerüstet, und durch des heiligen Geistes Trost. O ja, lieber Vater, laß deinen guten Geist gegen den bösen Geist im Leben und Sterben unsern Trost sein, und tröste und stärke uns so, daß er der List wird nimmer froh, daß er uns auf keine Weise Schaden thue, sondern wir noch vielmehr unter stetem Wachen und Beten von allen Versuchungen einen ewigen Segen haben, und das um des Blutes und der Fürbitte deines lieben Sohnes willen! Amen!
Laß mich nur wachen, fleh'n und beten,
Und ja nicht hoch, nicht sicher sein!
O, tilge stets mein Uebertreten,
Und laß nicht den Versucher ein!
Ach, geh' nicht mit mir in's Gerichte,
Daß er mich nicht wie Walzen sichte;
O Jesu! bitte du für mich,
Und mache List und Macht zu Schanden,
Befrei' auch von subtilsten Banden,
Und nimm mich selber ganz in dich!
Die siebente Bitte.
Diese Bitte ist mit der sechsten durch das Wort „sondern“ genau verbunden, da es heißt: Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel. Laß uns in keiner Versuchung stecken bleiben und von dem Argen gefangen werden, sondern erlöse oder reiße uns vielmehr heraus von dem Uebel, von dem argen, bösen Wesen, was noch da ist.
Hier können wir wieder das liebevolle Herz unseres Heilandes sehen, da er uns nicht nur nach der fünften Bitte von der Schuld und Strafe der Sünden, und nach der sechsten von der Herrschaft der Sünde und des Satans, sondern nach dieser siebenten Bitte auch von der noch inwohnenden Sünde, und alle dem daraus kommenden Uebel und Gedränge, noch immer mehr befreien will. Nach der sechsten Bitte wachen und beten wir, daß wir nicht in besondere Anfechtungen und Versuchungen kommen, und das böse Sündenübel noch mehr erregen, oder uns auf's Neue überwinden und gefangen nehmen lassen, denn wir denken: Es ist vorher noch genug Verderben da, wie sollte ich dem Versucher Gehör geben und Gewalt lassen, daß er mich in größeres Verderben und Gedränge stürzte und meine Noth größer machte? Nach der siebenten Bitte aber will uns der Heiland noch weiter bringen, und uns nicht nur mit großen, schweren Versuchungen verschont wissen, sondern auch immer besser von dem erlösen und frei machen, wodurch wir können versucht werden, das ist, er will uns auch von der bösen Wurzel der Sünde, und allem daher kommenden Uebel immer besser erlösen, und uns immer besser aus dem großen, uns angeerbten Verderben herausbringen, und das Böse in uns mehr zerstören. Es dürfen nicht erst große Versuchungen kommen und uns gefangen nehmen, wir fühlen vorher noch so vieles Böse, noch so viel Sünde, die uns immer anklebt und träge macht, die uns fest anklebt, die tief im Herzen steckt und recht hartnäckig ist, die nicht bald auf ein Paar Wort weichen will, ja die uns, wie wir singen, oft noch hart genug gefangen hält, daß wir nicht immer thun können, was wir wollen, und wohl noch zu manchen Stunden ausrufen: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes? Röm. 7, 24. Da schreit denn die Seele mit großem Ernst, der Herr wolle sie erlösen und recht mit Macht los“ und herausreißen, da uns unsere Feinde so fesseln und gefangen halten wollen, denn wir sehen uns noch hier wie Gefangene an, und sehnen uns nach der vollkommenen Freiheit der Kinder Gottes, und darum zeuget diese Bitte von dem großen Ernst, den eine Seele beweiset, und sie zeuget auch von der großen Macht, durch die uns Gott erlösen und losreißen soll. Wie denn das hier gebrauchte griechische Wort ein Erretten und Losreißen, das mit Macht geschieht, bedeutet. Und die Gläubigen fühlen auch, daß das Verderben so tief und so fest steckt, daß es in ihrer eigenen Macht nicht steht, davon erlöset zu werden, sondern, daß eine starke Macht, Gewalt und Kraft Gottes dazu nöthig ist, wie es auch hernach heißt: Dein ist die Kraft.
Denn das Uebel, sagt der sel. Herr Dr. Anton, setzet Niemand so zu, als denen, so Christo angehören, die fühlen, wie sie angegriffen werden, die heißen auch eigentlich die, so versucht werden (die Andern haben sich vorher schon dem Feinde ergeben), aber die Christo angehören, die dem Argen entflohen, die fühlen es am allermeisten, darum seufzen sie: Reiße uns heraus, von dem Argen endlich ganz und gar abzukommen. Da ist freilich eingeschlossen, daß es uns immer anficht, sonst dürfen wir nicht continuirlich bis dahin schreien und rufen: „Erlöse uns von dem Uebel.“ Auch die stärksten Gläubigen fühlen noch stets ihr Verderben, und sagen oft aus schmerzlicher Empfindung von Herzen:
Die Sünd' hat uns verderbet sehr,
Der Teufel plagt uns noch viel mehr,
Die Welt, auch unser Fleisch und Blut,
Uns allezeit verführen thut:
Solch' Elend kennst du, Herr, allein,
Ach! laß es dir befohlen sein.
Darum saget auch Lutherus: „Je frömmer Einer ist, je mehr er diesen Kampf fühlen wird; denn je heiliger Mensch, je größere Anfechtung; da kommt her das große jämmerliche Klagen der Heiligen in Psalmen und ganzen Schrift.“ Und das ist, wie er auch saget, ein gut Zeichen und soll man deßhalben nicht verzagen, sondern Gott herzlich danken.
Bei so vielerlei Versuchung und Uebel rufen nun die Gläubigen den Herrn in dieser Bitte recht ernstlich und anhaltend an, daß, da sie nichts vermögen, er selbst sie mit starker Hand aus der Sünde und Todesgewalt herausreiße, oder allem eiteln Wesen entreiße und das Herz davon abschneide, sollte es auch noch so wehe thun. Dahin gehen die ernstlichen Seufzer in manchen Liedern, da es in dem Liede „Eins ist Noth“ heißet:
Entreiße mich aller vergänglichen Lust.
Und in dem Liede „O Jesu, du bist mein“ ist der achte Vers:
Ei nun! zerschneide doch
Dieß zähe Jammerjoch,
Das mich zur Erden senket,
Und mich von dir ablenket.
Schneid' ab, schneid' ab die Last rc.
Und im neunten Vers:
Schneid' ab die Last der Welt,
Die mich hienieden hält.
Da sehen wir, das Uebel und Verderben ist zähe und schwer, und hält uns hier wie gefangen, da kostet es mehr, als einen Seufzer, daß der Herr uns losreiße und Alles abschneide, wohin eben auch der Vers gehet:
Ziehe, reiße, schneide, brenne
Alles eilend von mir ab,
Daß ich dich allein nur kenne
Als mein Alles bis in's Grab rc.
Aus dem Allem sehen wir, daß es mit dieser Bitte und mit dem ganzen Christenthum was Ernstliches sei, und es sind dieß arme, betrogene Gemächer, die zu unserer Zeit, bei ihrem Spiel- und Tändelwerk, das Verderben und die Sünde so geringe machen. Diese können die drei letzten Bitten des heiligen Vater Unsers gewiß nicht mit rechtem Ernst beten.
Die wahren Gläubigen aber, die nicht von einem Schwindelgeist gesichtet werden, sondern arm am Geiste sind, sehen von Zeit zu Zeit immer mehr ein, welcher Ernst im ganzen Christenthum, und sonderlich auch im Gebete nöthig sei; denn, das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist. Jac. 5, 16. Darum haben auch die Gläubigen im alten und neuen Bunde je und je recht mit großem Ernst um Hilfe, Erlösung und Errettung gerufen, wie David im 130. Psalm saget: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir,“ und schließet endlich diesen Psalm: „Israel hoffe auf den Herrn, denn bei dem Herrn ist die Gnade, und viel Erlösung bei ihm. Und er wird Israel erlösen aus allen seinen Sünden.“ Wie es auch zuletzt im Schlüsse des 25. Psalm stehet: Gott erlöse Israel aus aller seiner Noth, aus allem Uebel. Das ist eben das, was in dieser letzten Bitte stehet, und da auch für das ganze Israel Gottes gebetet wird, weil wir im Vater Unser für uns und andere Gläubige beten.
Da geht's mit solchem ernstlichen Seufzen immer fort bis auf die Letzte, bis zum Beschluß unsers ganzen Lebens, und die Gläubigen, die sich recht keimen, fühlen wohl ohne Unterlaß, wie sich das Verderben im Herzen, im Verstande und Willen, ja in allen Kräften noch reget, was öfters noch für ein Dampf aus der Hölle aufsteiget, was für Lästergedanken sie anfallen, oder was für Eigenliebe, Eigenwillen und allerlei Verderben sich reget, und sie gefangen nehmen will. O, da schreien sie wohl um Hilfe und Erlösung, und es steigt oft, wo sie gehen und stehen, ein Seufzer nach dem andern ans dem Herzen: „Ach, Herr, hilf! Ach, Herr, Herr, errette mich, erlöse mich von allen meinen Sünden, von allen meinen Feinden! Ach, reiß los, reiß los! Vertreib die Macht der Finsterniß, und erlöse mich endlich von allem Uebel!“
Es wird nun hier kein Uebel oder Arges mit Namen genennet, und also alles Uebel darunter verstanden. Es wird aber wohl zunächst das Uebel aller Uebel, das ganz böse, arge Wesen, die Sünde, die noch im Herzen liegende böse Lust verstanden, als von welchem wir, wie Jacobus sagt, hauptsächlich versucht werden. Von diesem wolle uns der Herr je mehr und mehr erlösen, daß der Versucher, der Satan, immer weniger bei uns finde, wo er uns könne beikommen. Denn wird die Sünde und böse Luft je mehr und mehr getödtet, so wird er wohl auch noch kommen und uns, wie Christum, auf diese und jene Weise versuchen, ja uns auch alle Reiche dieser Welt vorstellen, er wird aber doch nicht Eingang finden. Ist hingegen noch solche Sündenlust und Begierde da, so hat der Satan freilich gut machen, so kann er uns bald körnen, reizen und locken, er kann uns bald etwas vorlegen, da diese Lust gleichsam anbeißet, daß der Mensch gefangen wird. Darum heißt es: Die da reich werden wollen, die noch die bösen Begierden nach dem Irdischen in sich hegen, die fallen in Versuchung. 1 Tim. 6, 9. Und so geht's mit allen andern sündlichen Begierden. Da beten nun die Gläubigen^ daß sie der Herr immer mehr davon reinigen wolle.
Sie bitten aber auch freilich, daß sie der Herr von dem, welcher der Arge und der Bösewicht heißt, immer mehr erlösen wolle, als der sich hinter das im Herzen liegende arge und böse Wesen (das ohnedem von ihm ist) verstecket, mit demselben ein heimlich Verständniß hat und uns berücken will. Sie bitten auch um Erlösung von Allem, was die Kinder der Bosheit ihnen in Weg legen und sie hindern wollen. Ja, sie bitten um Erlösung von allem Uebel, was aus der Sünde herkommt, es habe Namen, wie es wolle, wohin auch die Erklärung des Catechismi gehet, wie eben Paulus sagt: Der Herr wird mich erlösen von allem Uebel. 2 Tim. 4, 18.
Sie bitten aber nicht, daß Gott bald alle Trübsal wegnehme, welches die Menschen ein Uebel nennen, und auch wohl so ferne ein Uebel ist, weil es aus der Quelle alles Uebels, aus der Sünde, herkommt, und vor dem Fall nicht da war. Aber jetzt, nach dem Fall, muß dieses leibliche Uebel, und so auch Krankheit des Leibes, Armuth, Verachtung und andere Noth, oft eine Arznei der Seele, ein Hilfsmittel zur Genesung der Seele, und also kein Uebel sein. Nun ist das Gebet ja vornehmlich ein Gnaden- und Hilfsmittel zum Heil und Besten unserer Seele, und die Trübsale sind auch ein solches Mittel, in so ferne, daß sie das Fleisch angreifen und den andern ordentlichen Gnadenmitteln zu Hilfe kommen. Da setzen wir nicht ein Gnadenmittel gegen das andere, daß wir das Leiden, als ein vermeintes Uebel, bald weg beten wollen, sondern wir bitten nur, daß der Herr seinen Zweck dadurch erreiche und uns auch dadurch von dem rechten Hauptübel, von der Sünde, immer mehr erlösen wolle. Doch ist es erlaubt, in solcher Ordnung auch um Erlösung von dem leiblichen Uebel zu beten, das liegt allerdings auch mit in dieser Bitte.
Beten wir aber diese Bitte mit rechtem Ernst und auf solche Weise, so können wir sie auch recht gläubig beten und uns im kindlichen Vertrauen zu Gott stärken. Denn wir sehen
- daß wir sollen und mögen um die Erlösung von allem Uebel beten, und da auch nach dem Willen Gottes beten, folglich auch gewiß erhöret werden.
- Wir sehen aber dabei zuvörderst auf die schon einmal durch Jesum Christum geschehene ewige Erlösung, dadurch ist allem Uebel, der Sünde, dem Tode und der Hölle, oder dem Teufel schon das tödtende Gift und die große Kraft benommen. Dahin gehen die schönen Worte, Hos. 13, 14.: „Ich will sie erlösen aus der Hölle, und vom Tode erretten. Tod, ich will dir ein Gift sein! Hölle, ich will dir eine Pestilenz sein.“ Ingleichen was Paulus 1 Cor. 15, 55-57. sagt: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg, Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Aber der Stachel des Todes ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum.“
- Es ist aber nicht nur die ewige Erlösung durch Jesum geschehen, und dadurch uns alles Heil, alle Hilfe und Erlösung erworben worden, sondern der Herr hat uns auch, da wir uns zu ihm bekehret haben und an ihn glauben, dieser ewigen Erlösung wirklich theilhaftig gemacht, und uns schon von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöset, auch durch die heilige Taufe in den Besitz dieser Erlösung gesetzet, daß uns diese Feinde nicht verdammen, noch beherrschen können. Er hat uns schon aus dem Diensthause des höllischen Pharao herausgeführet, und aus der großen Gefangenschaft erlöset, da wir Sclaven der Sünde waren; so wird er uns ja auch nun durch diese Wüsten noch vollends durchführen. Wir sind schon jetzt im neuen Bunde die Erlöseten des Herrn, erlöset aus der Hand unserer Feinde, von der Sünde, von der Gewalt und Macht des Todes und des Teufels, wohin die tröstlichen Worte gehen, Jes. 35, 10.: „Die Erlöseten des Herrn werden wieder kommen und gen Zion kommen mit Jauchzen, ewige Freude wird über ihrem Haupte sein; Freude und Wonne werden sie ergreifen, und Schmerz und Seufzen wird weg müssen.“ Und Cap. 62, 12. heißt es: „Man wird sie nennen das heilige Volk, die Erlöseten des Herrn.“ Indessen hoffen wir doch auch noch die endliche, völlige Erlösung und Einführung in jenes ewige, himmlische Leben; doch ist unser geistliches Leben schon der Anfang des ewigen Lebens.
- Er hat uns auch, nachdem er uns zu sich gezogen nach der Zeit, bald aus dieser, bald aus jener großen Seelen- und Leibesnoth, Versuchung und Anfechtung erlöset, und uns schon so oft geholfen, daß wir durch Erfahrung hoffen können, der Herr werde uns auch noch ferner erlösen, und also auch mit Paulo aus 2 Cor. 1, 10. sagen können: „Er hat uns erlöset aus solchem Tode“ (aus dieser und jener Noth) „und erlöset uns noch täglich, und wir hoffen, er werde uns auch hinfort erlösen. Da bringt Erfahrung Hoffnung, Hoffnung aber lässet nicht zu Schanden werden.“ Röm. 5, 4. 5. Da werden wir den richtigen Schluß machen und denken: Der Herr hat mir bis hieher geholfen und mich so oft erlöset, auch in den verworrensten Umständen und gefährlichsten Versuchungen, wo ich weder aus noch ein wußte, und es schien, als wenn ich schon gefangen wäre, dennoch meinen Fuß aus dem Netze gezogen und der Noth und Versuchung einen Ausgang gemacht. Er wird nun von diesem seinem Vornehmen von Alters her, von seiner alten Weise, den Seinigen zu helfen, nicht ablassen, und nicht heute anfangen mich stecken zu lassen, sondern wird mir noch ferner helfen und mich auch aus der jetzigen Versuchung oder Noth erlösen, denn aus sechs Trübsalen, heißt es, wird er dich erretten, und in der siebten (in allen folgenden) wird dich (auch mich) kein Uebel rühren. Hiob 5,19. Ja er wird auch mich noch erlösen, und herausreißen von allem Uebel und mir aushelfen zu seinem himmlischen Reiche, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 2 Tim. 4, 18.
Da wird unsere Hoffnung als ein sicherer Anker sich in das Heiligthum, in das Wort und Herz Gottes, in die Wunden Jesu versenken, daß uns auf dem unruhigen Meer dieser Welt die Wellen der Trübsal nicht überwältigen. Da werden wir, in Hoffnung der völligen Erlösung, unter Allem geduldig aushalten, beständig und treu sein bis an den Tod. Da werden wir auch den 46, Psalm je mehr und mehr im Glauben und in der Hoffnung von Herzen nachsprechen und uns nicht mehr so sehr fürchten, ob auch das Meer wüthete und waltete und von seinem Ungestüm die Berge einfielen, sondern es wird auch nach dem 5. und 6. Vers heißen: Dennoch soll die Stadt Gottes sein lustig bleiben mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind. Gott ist bei ihr drinnen, darum wird sie wohl bleiben; Gott hilft ihr frühe. Da sind wir in der Stadt, in dem Hause Gottes sicher und wohl beschirmet. Da hat nach dem 84. Psalm in dem Vaterherzen Gottes und in den Wunden Jesu der Vogel ein Haus und die Schwalbe ihr Nest gefunden. Wir werden auch nach dem 6. Vers den Herrn für unsere Stärke (oder unsere Kraft) halten, und von Herzen ihm nachwandeln, und ob wir hier nach dem 7. Vers auch durch das Thränenthal mancherlei Versuchungen und Trübsal noch hindurchgehen, dennoch einen Sieg nach dem andern erhalten, und nach dem 9. und 10. Vers gläubig sagen können: „Herr Gott Zebaoth, höre mein Gebet, vernimm's, Gott Jakobs, Sela, Gott, unser Schild, schaue doch: siehe an das Reich deines Gesalbten.“ Das ist eben das, was nun im Schluß des heiligen Vater Unsers steht: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.“
Nun, lieber Vater im Himmel, du hast uns einmal schon durch deinen lieben Sohn erhören lassen, da er mit seinem Blut in das Heilige eingegangen, und eine ewige Erlösung erfunden, da er sich selbst für Alle zur Erlösung dahingegeben, den Tod für uns geschmecket, dich versöhnet, und uns also von dem Fluch des Gesetzes, von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöset, und alle Seligkeit uns wieder erworben hat. Sei gelobet, o lieber Vater, für diese große Erlösung, sei gelobet, daß du uns auch zur Gemeinschaft deines Sohnes gebracht, und dieser durch Christum geschehenen Erlösung auch wirklich theilhaftig gemacht, daß wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Sünden, haben, und also von der Verdammung und Herrschaft der Sünde befreiet sind.
Sei gelobet, daß du uns auch nach der Zeit so oft geholfen, und aus mancher geistlicher und leiblicher Noth erlöset, und uns bis hieher gebracht und erhalten. O, erlöse uns noch ferner fort und fort von aller List und Macht unserer Feinde, die uns ja sonst viel zu geschwinde und zu mächtig sind. Erlöse uns zuvörderst je mehr und mehr von dem großen innerlichen Uebel und Verderben, das uns oft noch hart gefangen hält, oder so tief im Herzen steckt, und davon wir uns selbst nicht können frei machen. Du hast uns doch aber deinen Sohn zu unserm mächtigen Erlöser, wie auch deinen heiligen Geist gegeben; und es heißt ja: „So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei, und wo der Geist des Herrn ist, ist Freiheit.“ O, so mache doch uns von allen, auch den subtilsten Banden los und frei, und reiße uns mit Gewalt und Macht heraus, und hilf uns so, daß wir nicht allein vor schädlichen Versuchungen und neuen Verstrickungen bewahret, sondern auch von dem innern, sündlichen Wesen, dem Grunde und der Wurzel nach, je mehr und mehr erlöset und davon gereiniget werden. Das Verderben, mein Gott, steckt tief im Herzen, und will nicht bald weichen; o, so greif' auch tief in unser Herz, und zerstöre es je mehr und mehr, daß der Feind und Versucher immer weniger an uns finden möge, womit er uns versuchen könne. Ach. laß uns täglich immer mehr aus seinem Gehege und den Grenzen der verderbten Natur herausgehen, und also mit allen rechten Christen immer besser entfliehen des Teufels Listen. Gib uns indessen unter allem Uebel, so wir noch zu leiden haben, ausharrende Geduld und Hoffnung, daß wir dir nicht aus der Schule laufen, oder unser Vertrauen, unsere Hoffnung wegwerfen. Laß uns nicht das, was du uns zu unserer heilsamen Züchtigung zuschickest, als ein Uebel ansehen, und vor der Zeit, oder in Eigenwillen und Ungeduld es abgethan wissen wollen, sondern laß uns geduldig tragen, und deinen Zweck an uns erreichen, daß wir keine Stunde eher Hilfe und Erlösung haben wollen, wenn uns an unserer ewigen Freude etwas sollte abgehen, weil wir doch lieber hier eine kurze Zeit leiden, und uns dort ewig desto mehr erfreuen wollen. Laß uns nur nicht selbst durch Eigenwillen und auf andere Weise uns ein Uebel zuziehen, oder das, was uns drücken soll, schwerer machen. Laß uns aber auch unter Allem im Glauben nicht schwach werden, und unser Vertrauen wegwerfen, sondern durch den heiligen Geist auf den Tag der Erlösung so versiegelt, getröstet und gestärket werden, daß wir auf dich, den lebendigen Gott, hoffen, und gewiß sind, du, unser treuer Gott und Vater, der du uns so oft erlöset und bis hieher geholfen, werdest uns auch noch forthin erlösen, ja, du werdest uns endlich auch erlösen von allem Uebel, und uns aushelfen zu deinem himmlischen Reiche. Und das bitten wir ganz besonders, o lieber Vater, daß du uns endlich auch im Tode mächtig und treulich beistehest, alle Schrecken des Todes in uns überwindest, den Satan mit seinen Anfechtungen ferne von uns treibest, und unsere Seele in das Bündlein der Gerechten einbindest und in deine Hände aufnehmest, ja in deinem Herzen tragest, und zu dir im Frieden heim holest in deine ewige Freude, Amen.
Von allem Uebel uns erlös',
Es sind die Zeit und Tage bös!
Erlös uns von dem ew'gen Tod,
Und tröst' uns in der letzten Noth;
Bescheer uns, Herr, ein selig's End',
Nimm unsre Seel' in deine Händ'!
Der Beschluß.
Der Schluß des heiligen Vater Unsers hält nun ein Lob- und Dank-Gebet in sich, aber auch zugleich eine kräftige Glaubensstärkung und ein desto gläubiger und kindlicher Eindringen in Gottes Vaterherz. Paulus ermahnet uns. Phil. 4. 6.: „daß wir sollen unser Gebet mit Danksagung vor Gott kund werden lassen,“ das ist, in der gewissen Hoffnung der Erhörung Gott schon zum Voraus danksagen. Und dieß geschiehet nun auch in dem Vater Unser. Wie wir auch fast mit gleichen Worten ein solches Lob- und Dank-Gebet 1 Chron. 30, 10-13. finden, wodurch sich David im Glauben kräftig stärkete. Wenn wir im Glauben und Vertrauen Gott schon zum Voraus danken, so kann Gott nicht anders als hören und helfen, und uns sodann immer weiter helfen und immer mehr Gnade geben, wenn wir ihm auch für die schon empfangenen Wohlthaten Dank sagen, wie man saget: Gratiarum actio est ad plus dandum invitatio. Durch die Danksagung bewegen wir Einen, daß er uns mehr gibt und wohl thut. Also sollen wir bei unserm Gebet ja nicht das Loben und Danken vergessen; denn, wenn wir auch noch so elend und gebrechlich wären, so haben wir doch schon vor viel tausend andern Menschen solche hohe Wohlthaten und Gaben empfangen, daß wir Gott wohl billig loben und preisen müssen.
Es haben aber schon Andere angemerkt, daß das Vater Unser im Loben und Danken, der Sache nach, sich so endiget, wie es im Bitten angefangen, denn es heißet: „Dein Name werde geheiliget, dein Reich komme, dein Wille geschehe rc.“ Und nun heißt es im Beschluß: „Denn dein ist das Reich rc.,“ du bist und bleibest doch Herr ans dem Erdboden, und ob dir noch so Viele widerstehen und deinen Namen verunehren, dein Reich verhindern und deinen Willen nicht vollbringen und dir dienen will, es muß doch endlich Alles weichen und dir das Reich lassen. Ob es auch durch vieles Gedränge, durch diele Versuchungen und Uebel hindurchgeht, so kannst und wirft du uns doch endlich von allem Uebel erlösen und uns aushelfen zu deinem himmlischen Mich. Denn dein ist das Reich und die Kraft, so wirst und so kannst du ja deine armen, bedrängten Unterthanen und Reichsgenossen erlösen j denn du bist doch ein mächtiger König, von großer Kraft, Macht und Gewalt. So sind diese Worte mit der siebten Bitte verbunden, gehören aber auch zu allen andern Bitten, und die Gläubigen stärken sich dadurch bei jeder Bitte im Glauben, daß sie solche desto zuversichtlicher beten. Sie dringen aber auch damit desto mehr in's Vaterherz Gottes, und halten ihm diese Worte vor, wie eben David in den vorher angeführten Worten unserm Gott sein Reich vorhielt und sagte: „Gott, unser Schild, schaue doch, siehe an das Reich deines Gesalbten.“ Wie es auch Ps. 68, 29. heißt: „Gott hat dein Reich aufgerichtet, dasselbige wolltest du, Gott, uns stärken, denn es ist dein Werk.“ Wohin auch die folgenden Verse, wie auch der 19., 20. V. gehen, die von der großen Kraft, Macht und Herrlichkeit Gottes zeugen, die sie eben Gott, oder vielmehr ihren eigenen Herzen vorhalten, und sich versichern, Gott, der Herr, werde, nach dem 19. Vers, doch bei ihnen bleiben, als Her Gott, der da hilft, der auch vom Tode erretten und von allem Uebel erlösen kann.
Es scheinet oft, als wenn Gott nicht mehr Herr und König bleiben sollte, als wenn Christus ausgerottet wäre; aber es scheinet nur so. Er bleibet Herr und König, und sein Reich und Werk muß wohl bestehen, so daß es auch alle Pforten der Höllen nicht überwältigen können, ob sie auch noch so wüthen und toben. Das ganze Reich, „die ganze Stadt Gottes soll dennoch sein lustig sein mit ihren Brünnlein, da die heiligen Wohnungen des Höchsten sind, denn Gott ist bei ihr drinnen, als ihr König.“ Ps. 46, 5. Er ist recht in ihrer Mitte, als in seinem Heerlager, wie er dort in der Stiftshütte, in dem Heerlager der Israeliten, recht in der Mitte war; so ist unser Gott in der ganzen Stadt Gottes und so auch bei einer jeden gläubigen Seele, als welche eben eine Wohnung Gottes ist, und da wird diese Stadt Gottes und jede gläubige Seele auch wohl bleiben.
Je mehr die Feinde, Sünde, Welt und Satan wüthen und toben und die Noth auf's Höchste gestiegen ist, je mehr soll nur da eben Gottes Name, Gottes Kraft, Ehre und Herrlichkeit offenbar werden, wie es im 76. Psalm, V. 11, heißt: Wenn Menschen wider dich wüthen, so legest du Ehre ein; und wenn, sie auch noch mehr wüthen, bist du auch noch gerüstet. Also auch, wenn Sünde und Satan toben, wenn unser sündliches, stinkendes Sünden Elend noch so groß ist, daß wir uns ganz erstorben finden, ja uns selbst anstinken, und der Feind mit seinen feurigen Pfeilen auch dazu kommt; so will und wird doch auch da der Herr uns helfen und desto größere Ehre einlegen, oder seine Herrlichkeit sehen lassen, wie dort, da er Lazarum erweckte, da er schon vier Tage im Grabe gelegen und zu stinken anfing; da sagte auch Christus zu Martha: So du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen. Joh. 11, 40. Vorher sagte er: Die Krankheit ist nicht zum Tode (daß er im Tode bleiben sollte), sondern zur Ehre Gottes, daß der Sohn Gottes dadurch geehret werde, wenn nämlich die Noth auf's höchste gestiegen wäre, und er doch hülfe und ihn wieder lebendig machte. Da hieß es wohl recht: „Des Herrn Rath ist wunderbarlich, und führet's herrlich hinaus.“ Jes. 28. 29. Und so geht's noch immer mit uns durch wunderbare Wege hindurch, da der Herr nicht bald hilft, nicht bald uns von dieser und jener Seelen- und Leibesnoth oder Versuchung erlöset, oder diese und jene uns doch so nöthig scheinende Gabe gibet, sondern oft die Noth und den Mangel je länger je ärger werden, ja immer höher steigen lässet, aber endlich, endlich hilft er doch gewiß, und da wird auch seine große Kraft, Macht und Herrlichkeit desto mehr erkannt, und sein Name darüber verherrlichet, gelobet und gerühmet. Die Armen und Elenden, bei denen oft die Noth auf's Höchste kommen ist, die geben auch sodann Gott erst recht seine Ehre, schreiben ihm allein Alles und sich nichts zu, und Rühmen seine Herrlichkeit, dahin die schönen Worte gehen im Büchlein Baruch: „Eine Seele, die sehr betrübt ist, und gebückt und jämmerlich hergehet, und ihre Augen schier ausgeweinet hat, und hungrig ist, die rühmet, Herr, deine Herrlichkeit und Gerechtigkeit.“ Baruch 2, 18.
In dem Anfange des Vater Unsers suchen sich die Gläubigen, wie wir gesehen, durch die Worte: „Unser Vater, der du bist im Himmel“, kräftig im Glauben zu stärken, und das thun Je nun auch durch die von Christo ihnen in den Mund gelegten Schlußworte: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen.“
Sie denken und sollen billig so denken: Ob mein Verderben oder meine Noth noch so groß, oder das Reich des Satans noch so mächtig ist, und noch so wüthet und tobet, wir aber noch so schwach, arm und elend sind, so heißt es doch: Der Herr ist König ewiglich, oder ein ewiger König, und seines Königreichs wird kein Ende sein.“ Luc. I, 33. Er ist groß von Rath und mächtig von That, daß ich ihn auch zum Voraus schon loben und sagen kann: Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Oder, wie David sagt in den angeführten Worten, 1 Chron. 30. 11-13.: Dein ist das Reich, und du bist erhöhet über Alles zum Obersten rc. Nimm, unser Gott, wir danken dir und rühmen den Namen deiner Herrlichkeit.
Je größer die Noth ist, je mehr wird Gottes Name verherrlichet und gepriesen werden; da er nun will, daß ich ihn anrufen und hernach, wenn er mich errettet, auch preisen soll, so wird er mich auch erhören und erretten, und mir also um seines Namens Ehre willen helfen. Denn je größer die Noth ist, je mehr wird und kann er Ehre einlegen, oder seine große Kraft und Macht und seine Herrlichkeit sehen lassen, und desto mehr Lob und Preis bekommen, und also durch seine herrliche Hilfe auch seinem herrlichen Lob und Ruhme zu statten kommen, wie es in einem Liede von dem heiligen Geist, der auch ein Geist der Herrlichkeit ist, also ausgedrückt wird:
Geist aus der Höh', komm', mich zu überschatten,
Komm' meiner Bitt' und deinem Lob zu statten,
Gott will aber, daß ich ihm allezeit und für Alles danke und ihn lobe. So will und wird er mir auch gewiß allzeit helfen, damit ich ihn hier noch allzeit und für Alles, sonderlich aber dort in alle Ewigkeit loben und preisen könne. Denn auf die Ewigkeit ist Alles angefangen. Ob es also hier in der ohnedem so kurzen Zeit noch durch mancherlei Gedränge geht und seine Kraft und Herrlichkeit noch nicht so völlig erkannt und gepriesen wird, dort, dort in der Ewigkeit wird sich's schon zeigen, wie er alles Gebet erhöret, und was er für ein Reich hat, oder wie er von so großer Macht und Herrlichkeit ist. Er hat ein ewiges Reich, eine ewige Kraft, und alle seine Hilfe geht auf ein ewiges Heil in den Himmel hinein, da werde ich finden, daß kein Seufzer verloren ist. Er wird mich schon noch erlösen von allem Uebel, und mir aushelfen zu seinem ewigen, himmlischen Reiche, und mich dort in der Ewigkeit noch unsträflich darstellen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit mit Freuden. Auf die Ewigkeit zielet doch Alles in der so kurzen Zeit. Dort ewig werde ich schon Alles besser einsehen, als hier; da werde ich schon ausruhen von aller meiner Arbeit; da wird's mir ewig wohlergehen, und ich ernte von meinen hier ausgesäeten Seufzern und Thronen ohne Aufhören; da wird Seufzen und Schmerz völlig weg müssen, und ewige Freude über meinem Haupte, sein. Darum kann ich nun mit einem gläubigen Amen schließen und gewiß sein, daß alle meine Seufzer und Bitten dem Vater im Himmel angenehm und erhöret, Ja und Amen sind, denn er, sein lieber Sohn, hat uns selbst geboten, also zu beten, aber auch verheißen, daß er uns wolle erhören; so kann er nicht anders, als hören und helfen, oder er kann und will seinen Befehl und seine Verheißung nicht zurücknehmen. Alle Verheißungen Gottes sind schon in Christo, der selbst Amen heißt, und also auch indem Vaterherzen Gottes Ja und Amen. Darum soll auch Alles in meinem Herzen Ja und Amen sein, und ich soll von Herzen sagen: Amen, Amen, das heißt: Ja, Ja, es soll also geschehen.
Das erste Wort: Vater, und das letzte Wort: Amen, schicken sich wohl zusammen. Beide sollen uns gegen den lieben Vater recht vertraut und kindlich machen. Und mit solchem kindlichen, gläubigen Herzen sollen wir alle Bitten vor den Vater bringen, oder sie alle in unserem Herzen mit einem Amen verbinden, und uns dadurch au Gottes Herz binden lassen, Gottes Vaterherz zu uns ziehen und unser Herz in seines ziehen lassen, und also recht vertraut mit Gott, als unserem lieben Vater, umgehen, ihn immer als einen solchen guten, gnädigen und freundlichen Vater ansehen, der zu allen Bitten, wenn sie auch kaum ausgesprochen sind, Ja und Amen spricht, ja von sich schreiben läßt: „Ehe sie rufen, will ich antworten, und wenn sie noch reden, will ich hören.“ Jes. 65, 24.
Der Vater will Vater bleiben, und Alles geben, was den Kindern nöthig ist, denn in seinem Vaterherzen ist, wie jede Verheißung, so auch jede Bitte Ja und Amen. Dieß Amen, Amen schallt aus dem Vaterherzen Gottes und ist die göttliche Antwort auf unser Gebet. Da soll denn auch in dem Herzen des Kindes lauter Ja und Amen erschallen, und durch den heiligen Geist Alles mit einem Amen versiegelt werden. Denn der heilige Geist lehrt uns Abba, lieber Vater, aber auch A m en sprechen, und darin concentrirt sich oft Alles, was wir bitten und glauben. Wie man denn Seelen weiß, die zuletzt noch auf ihrem Sterbebette fast nichts als Amen, Amen gesprochen, und mit einem solchen glaubensvollen Amen in die selige Ewigkeit gegangen sind.
Nun, du ewig gnädiger Gott und lieber Vater in Jesu Christo, deinem lieben Sohne, wir fallen hier auch vor dir nieder, beschließen unser Gebet mit Lob und Preise deines heiligen und herrlichen Namens, und danksagen dir, dem Vater des Lichts, daß du auch uns errettet hast von der Obrigkeit der Finsterniß, und versetzt in das Reich deines lieben Sohnes; wir geben auch deinem heiligen Namen allein alle Ehre. „Denn, Herr, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen.“ Wir sagen auch von Herzen: „Dir, dir, unserem Gott und lieben Vater, unserem herrlichen und mächtigen Könige, gebühret die Majestät und Gewalt, Herrlichkeit, Sieg und Dank. Denn Alles, was im Himmel und auf Erden ist, das ist dein. Dein ist das Reich, und du bist erhöhet über Alles zum Obersten. Dein ist Reichthum und Ehre vor dir, du herrschest über Alles; in deiner Hand steht Kraft und Macht, in deiner Hand steht es. Jedermann groß und stark zu machen. Nun, unser Gott, wir danken dir und rühmen den Namen deiner Herrlichkeit.“ Und, wie sollten wir dich nicht rühmen, lieben und preisen, denn du, großer, heiliger und herrlicher Gott, hast ja auch Großes an uns gethan. Wir sind Staub und Asche, ja schnöde Sünder, und du hast dich so hoch über uns erbarmet, hast uns, deinen Feinden, deinen lieben Sohn, und mit ihm Alles gegeben, hast uns gebracht zur Gemeinschaft deines lieben Sohnes, in dein Reich, in deine Gnade wieder aufgenommen, und uns Alle unsere Sünden vergeben, so, daß nun jetzt lauter Gnade und Barmherzigkeit über uns waltet, und du dich über uns erbarmest, wie sich ein Vater über Kinder erbarmet. O, gelobt sei dein heiliger und herrlicher Name, und alle Lande, auch unser Herz und Haus müssen deiner Ehre voll werden. O, daß wir dich immerdar mit fröhlichem Herzen und Munde loben sollten, weil wir hier sind! O, daß wir nimmermehr vergessen möchten, was du an uns gethan hast! O, daß wir deines Lobes und Ruhmes nimmer satt würden, sondern dich auch mit David für jede Wohlthat besonders lobeten, und da deine Güte und Treue alle Tage und Stunden über uns auf's Neue aufgeht, dir auch täglich, ja stündlich ein immer neues Lob brächten und dich immer fröhlicher, herzlicher und höher loben möchten, bis wir dort zu dir kommen, und da ohne Sünde vollkommen dich loben und preisen können. Herr, würdige uns deines Lobes und Ruhmes, und wirke selbst in uns das rechte Lob, daß wir auch mit Wort und Wandel dich loben und preisen, und daß unser ganzes Leben nichts als lauter Dankbarkeit, als lauter Lob und Preis deines Namens sei, daß du durch deine unzähligen Wohlthaten noch recht unsere Herzen gewinnest und in innigem Lobe zu dir neigest, und zu deinem immerwährenden Lobe erweckest, so daß, wie wir in deinen Wohlthaten, Gütern und Gaben leben, wir auch in deinem Lobe leben und schweben, und also auch unser Herz dein rechtes Lobethal sei, aus welchem man nichts als dein Lob erschallen höret. O, es ist eine große, hohe Würde und eine Seligkeit für uns, ja der Vorschmack der ewigen Seligkeit, wenn wir dir, dem heiligen, herrlichen und majestätischen Gott, hier zu den Füßen liegen, dir allein alle Ehre geben, und dir allezeit und für Alles Dank sagen, dir alles Gute allein zuschreiben und von Herzen sagen: Nicht uns, Herr, nicht uns, Herr, sondern deinem Namen gib Ehre.
Nun, wir danken dir, o lieber Vater, auch insbesondere, daß du uns durch deinen Sohn selbst gelehret, wie wir beten sollen, und daß du auch uns dieses Gebet hast betrachten, und auch uns erwecken lassen, unser Herz vor dir auszuschütten. Wir lassen nun auch dieß unser Gebet mit Danksagung vor dir kund werden, und danken dir auch zum Voraus, daß du unser Gebet nicht verschmähest, sondern uns gewiß erhörest, und Alles geben und uns durch Alles hindurchhelfen wirst. Denn dein ist und bleibt doch das Reich, du bist und bleibest König auf Erden, und wirst daher deine armen Unterthanen und Reichsgenossen gnädig regieren und mächtig schützen. Wir halten uns doch ja zu dir wider die Macht aller unserer Feinde, und haben zu dir allein unsere Zuflucht, der du uns auch allein nur helfen willst und kannst; denn dein ist auch die Kraft, du bist ein mächtiger König, von großer Kraft und Macht, daß dir Niemand widerstehen mag, und du darfst nur ein einziges Wort sprechen, so muß Alles geschehen: Denn du bist im Himmel, und kannst schaffen, was du willst. Darum, ob wir für uns selbst noch so arm, elend und unmächtig sind, so sollen wir doch von dir Kraft bekommen nach dem Reichthum deiner Herrlichkeit, daß wir stark werden durch deinen Geist an dem inwendigen Menschen, ja Christum selbst, den starken Gott, durch den Glauben in uns wohnend haben; da wir ja sollen mit allerlei Gottesfülle erfüllt werden, und da du also auch an uns überschwänglich thun kannst und wirst, über Alles, was wir bitten und verstehen, nach der Kraft, die da in uns wirkt; darum rühmen und preisen wir auch in der Gemeine, die in Christo Jesu ist, deine Ehre und Herrlichkeit, zu aller Zeit und. bis in Ewigkeit, denn dein ist auch die Herrlichkeit in Ewigkeit, Amen. Wenn du uns hörest und hilfest auch da, wenn Niemand helfen kann, und die Noth auf's Höchste gestiegen ist, so wirst du desto mehr deine Herrlichkeit sehen lassen, und dein Name wird hochgelobt und verherrlicht werden. Darum wirst du uns doch, ob wir es gleich nicht würdig sind, um deines Namens Ehre willen erhören und helfen, und ob es hier noch durch mancherlei Gedränge geht, doch Alles in die ewige Herrlichkeit gehen lassen, daß wir doch Alles dort ewig wieder finden, und keinen Seufzer, keine Thräne verloren haben, sondern dort ewig in der Herrlichkeit dich erst noch recht dafür loben und preisen werden. Denn du, o himmlischer Vater, hast doch in dieser Zeit in Allem mit uns deine Absicht auf die Ewigkeit. Dahin laß nun auch unsers Herzens Dichten und Trachten gerichtet stehen, und von Allem dort ewig nur eine Frucht finden, daß uns hier nichts betrübe, noch erfreue, davon wir nicht ewige Freude haben sollten. Und so wirst du nun, o lieber Vater, nach deinem Vaternamen und Vaterherzen, zu allen unseren Bitten Ja und Amen sagen, und darum können auch wir von Herzen das Amen sprechen. Denn alle Bitten, die uns hier dein lieber Sohn gelehret, haben nicht nur einen Befehl, eine Vorschrift, sondern auch zugleich die Verheißung mit bei sich, daß Alles soll erhöret, Ja und Amen sein, indem alle deine Verheißungen Ja und Amen sind in Christo Jesu. Also beten wir, o lieber Vater, recht im Glauben, und schließen unser Gebet mit einem gläubigen Amen. Denn wir halten uns an deinen Vaternamen, an dein Vater-Herz, wir halten uns an deinen Befehl und an die Verheißung deines lieben Sohnes, und beten auch nichts Anderes, als in seinem Namen, nach seiner Vorschrift, nach seinem und deinem Herzen, aber auch auf sein theures Verdienst und seine Fürbitte. Wir halten uns an dein Reich, an deinen gnädigen Willen, an deine Kraft, Macht und Herrlichkeit. Wir halten uns an das, von deinem lieben Sohne uns selbst in den Mund gelegte Amen, und wollen erhöret sein, gehen nicht von dir und lassen dich nicht, du erhörest und segnest uns denn, ja thust auch au uns überschwänglich mehr, als wir bitten und verstehen. Dir allein sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen.
Amen, das ist, es werde wahr,
Stärk' unsern Glauben immerdar.
Auf daß wir ja nicht zweifeln d'ran,
Was wir hiemit gebeten han;
Auf dein Wort, in dem Namen dein.
So sprechen wir das Amen fein.