Blumhardt, Johann Christoph - Über die Lehre von den Engeln - 2. Das Bezeigen Gottes durch Engel.
Sehen wir nun an, auf welche Weise sich Gott dem Zacharias bezeigte. „Es erschien ihm aber“, lesen wir, „der Engel des HErrn und stund zur rechten Hand am Räuchaltar“. Es geschah also das Bezeigen Gottes durch eine Engelerscheinung. Mögen sich Viele, die in Engelerscheinungen sich nicht schicken können, daran aufhalten, so liegt doch sicher klar auf der Hand, dass gerade dadurch das Bezeigen Gottes ein persönliches wird. Er selbst, der Ewige, Unnahbare, von dem es heißt (1 Tim. 6,16): „Er wohnt in einem Licht, da Niemand zukommen kann, welchen kein Mensch gesehen hat, noch sehen kann“, kann nicht zu den Menschen herzutreten, wenn Er mit ihnen reden will. Nun kann Er auch wohl durch verborgene geistige Eindrücke auf den Menschen wirken, und diesen Gedanken, Gefühle, Willensbewegungen eingeben, die als unmittelbar von Gott kommend angesehen werden dürfen, wie man es bei Simeon sich denken kann, wenn er aus „Anregen des Geistes in den Tempel kam“ (Luk. 2,27), und wie überhaupt im Neuen Bunde „der heilige Geist die Kinder Gottes treibt“ (Röm. 8,14). Aber wenn es darauf ankommt, dass sich der Mensch der Annäherung und wirklichen Offenbarung Gottes bewusst werde, so macht Gott Seine Bezeigung eben durch Engel zu einer persönlichen, sofern diese Engel als Seine Boten Seine Stellvertreter sind. Da gibts ein Reden von Angesicht zu Angesicht; und der Eindruck, dass Gott selbst vermittelst des Engels dem Menschen nahe komme, ist ein bestimmter und durch und durch ergreifender, daher der anfängliche Schrecken und die Furcht, wie es auch den Zacharias befällt. Kaum sollte man es denken, dass sich gegen dergleichen Engelerscheinungen überhaupt etwas einwenden ließe, da man mit ihrer Verwerfung geradezu alle Offenbarung Gottes von sich weist.
Ob indessen die Bezeigung Gottes durch Engel in unsrer Zeit und schon lange her wirklich ganz aufgehört habe, wer mag das behaupten? Wohl liegt gegenwärtig mehr Gefahr in der Anerkennung der jetzt vorkommenden Engelerscheinungen, als in der Nichtanerkennung. Denn die Zeiten der Kindlichkeit und Unterscheidungsgabe sind längst vorüber; und Paulus lehrt uns (2 Kor. 11,14), dass auch „Satan in einen Engel des Lichts sich verstellen“ könne. Die Geschichte menschlicher Verirrungen weist auch Beispiele genug vor, da sich selbst anfänglich bessere Leute durch vermeintliche Erscheinungen, seien diese offenbar oder im Traume, in schauerliche Abgründe verlocken ließen. Grundsätzlich aber alle Engelerscheinungen jetzt für unmöglich halten, geht um so weniger an, da eben damit auch über die in der Schrift vorkommenden der Stab gebrochen wird, gleichwie, wer die Möglichkeit der Wunder in jetziger Zeit rundweg in Abrede stellt, damit seinen wirklichen Glauben an die Wunder der Schrift nicht beurkundet. Ohnehin ist die Offenbarung durch Johannes von Bezeugungen Gottes durch die Engel, wie sie für den Abschluss der großen Reichsgeschichte Statt finden werden, so erfüllt, dass man an eine eigentliche Wiederkehr von Engelerscheinungen zu glauben wenigstens nicht unberechtigt ist.
Was es jedoch um diese Engelwesen sei, könnten wir, Geliebte, noch fragen wollen. Aber viele Auskunft ist uns in der Schrift nicht gegeben, wenn wir namentlich den Ursprung der Engel wissen möchten, und ihre Beschaffenheit. Was den Ursprung betrifft, so werden sie nur unter die Kreaturen, dass also ihr Dasein einen zeitlichen Anfang hatte, gezählt (vergl. besonders Psalm 148,2.3); und ihrer Beschaffenheit nach werden sie Feuerflammen und dienstbare Geister genannt (Hebr. 1,7, vergl. mit Psalm 104,4). Sie sind, wenn sie erscheinen, im Nu da, und im Nu wieder verschwunden. Vorhanden sind sie schon gleich nach der Erschaffung der Menschen, da ihrer etliche Cherubs, d. h. die Starken, genannt werden (1 Mos. 3,24). Sie kommen später bei Abraham vor (1 Mos. 18 und sonst), und ganz besonders bei Jakob, dem sie im Traume (1 Mos. 28,12 ff.) an der Himmelsleiter, mit dem HErrn, der an der Spitze der Leiter stand, verbunden, erscheinen; sodann in Mahanaim, in zwei große Heerhaufen verteilt (1 Mos. 32,1.2). Ihrer ist eine große Menge, wie es bei Daniel (7,10) heißt: „Tausend mal tausend dienten Ihm, und zehntausend mal tausend standen um Ihn“. Hierauf bezieht sich auch die Bezeichnung Gottes als eines Gottes Zebaoth, d. h. der Heerscharen.
Gegen die Vollendung der Dinge hin haben wir auch die Auserwählten und Gerechten der Menschen, die ja „sein werden wie die Engel im Himmel“, wie der HErr sagt (Mark. 12,25), unter die Engel gemischt uns zu denken, wie es (Hebr. 12,22-24) heißt; „wir seien gekommen zu der Menge vieler tausend Engel und zur Gemeine der Erstgebornen“, und sonst, dass „der HErr kommen werde mit viel tausend Heiligen“ (Judä V. 14), und dass „Er herrlich erscheinen werde mit Seinen Heiligen und wunderbar mit allen Gläubigen“ (2 Thess. 1,10), während es sonst nur heißt: „Er werde kommen und alle heiligen Engel mit Ihm“ (Matth. 25,1). Solches gibt dem Gedanken Raum, dass auch vollendete Gerechte könnten in der Kampfzeit vom HErrn als Engel gebraucht werden, weil sie nach dem Angeführten dem Wesen nach von diesen nicht verschieden sein können. Man denke nur an Mose und Elias bei der Verklärung Christi (Mark. 9,4). Daraus ließen sich auch bei weiterem Nachdenken Rückschlüsse auf die Entstehung aller Engel machen, wenn man nämlich von dem Gedanken ausgehen wollte, dass nach der uranfänglichen Schöpfung Himmels und der Erde (1 Mos. 1,1) verschiedene Weltenbildungen nach einander Statt gefunden haben, deren letzte uns von Moses beschrieben worden sei. Doch können wir dieses nur als einen Gedanken aussprechen, für den wir in der Schrift kaum weitere Beweise finden möchten. Dass aber Engel über uns sind und die ganze Welt erfüllen, kann uns nur den Begriff des Personlebens, das durch die ganze Schöpfung verbreitet ist, und, sofern alle Engel in unmittelbarster Beziehung zu Gott stehen und ganz von Seinem Willen und Sinne abhangen, den Begriff der Einheit der ganzen Schöpfung unter dem, der Alles in Allem ist oder werden soll, deutlich machen.