Blumhardt, Johann Christoph - Über die Lehre von den Engeln - 1. Von den Bezeigungen Gottes überhaupt.
Von oben, in Christo Geliebte, sollte der verfallenen Menschenwelt Hilfe kommen. Gott selbst will Seinen Kindern nahe treten und Seine helfende Hand ihnen bieten. Kann denn das sein? so fragen Viele; und weil es für sie undenkbar ist, verweisen sie Erzählungen obiger Art ohne Weiteres in den Nebel einer Fabelwelt, in welchen irgendwie die heilige Geschichte überhaupt, so auch die evangelische, eingehüllt worden sei. Sie meinen, es lasse sich mit vernünftigen Begriffen von Gott nicht vereinigen, wenn Gott nicht stets, gesetzt auch, man nehme Ihn persönlich, Seinem Wesen und - Seiner Person nach ein verborgener, ungesehener, ungehörter, unbezeigter Gott bleibe. Nur die Gesetze, sagen sie, wie Er sie in die Welt gelegt habe, sollen und können eine wahre Offenbarung Gottes an die Menschen sein, dazu man etwa auch noch ein im tiefsten Dunkel gehaltenes Walten Gottes nehmen könne. Gott sei, denken sie, viel zu groß und erhaben, viel zu heilig, viel zu unbegreifbar, als dass eine persönliche Annäherung von Ihm aus an den Menschen Statt finden könnte. Wir erwidern auf eine solche Auffassung Gottes und der Weltregierung vorerst nur mit dem Einen, dass sie uns eigentlich Gott ganz wegnimmt, Ihn unserm Gemüte völlig entreißt. Oder sollte denn der große, heilige, unbegreifbare Gott in gar nichts an den Menschen kommen können? Sollte Er sich nicht dem angemessen, wie Er den Menschen auf Erden zu seiner Erziehung gestellt hat, bezeigen können, ohne dass Seine Würde und Erhabenheit darunter Not litte? Wenn so, dann wäre Gott dem Menschen wie gar nicht vorhanden, worauf es auch bei den Zweiflern geradezu hinauskommt. Aber wahrlich, der Mensch bedarf seines Gottes; und weil er Seiner bedarf, gibt sich ihm Gott auch, so weit es nötig ist. Denken wir uns, Geliebte, eine Anzahl Kinder, etwa über der zartesten Unmündigkeit und Unbeholfenheit erhoben, von ihren Eltern in einen herrlich ausgeschmückten Garten versetzt, und in einem mit allen Hilfsmitteln für Nahrung, Kleidung und Lebensfreude ausgestatteten Hause wohnend, wie wir den Menschen, dem übrigens im Anfang nicht Alles so offen da lag, in die Welt gestellt erblicken, - was würden wir von den Eltern, die das Alles ihren Kindern zubereitet haben, denken, wenn sie durchaus die Kinder sich selbst überließen, und ihnen auf keine Weise persönlich sich bezeigten, wie es die Tiere in kürzester Zeit mit ihren Jungen machen? Was würden wir von diesen Eltern denken, wenn sie nicht einmal leitende und helfende Personen an ihrer Statt Dienste leisten und Weisungen geben ließen? Wie viel würde dem Gemüte der Kinder abgehen? und wie klein müsste nicht den Kindern bei allem Überfluss, der sie umgibt, mit der Zeit die Freude sein, und wie schmerzlich die Sehnsucht, wenn sie in gar nichts Anderem, als in dem, was sie äußerlich vor sich sehen, eine Empfindung von der Liebe und Zuneigung ihrer Eltern bekämen! Wenn dann vollends die Kinder ihre Sachen ungeschickt machten, erhaltene Verbote und Gebote missachteten, und so sich empfindlichen Schaden zuzögen und nach Seele und Leib sich verderbten, besonders verborgenen Feinden gegenüber, die ihnen listig nachstellten, was würden wir von den Eltern denken, wenn sie in keiner Weise helfend und rettend beispringen wollten?
Eine solche Vergleichung freilich erscheint den Zweiflern kindisch, aber nur darum, weil diese den Menschen, der doch Spuren seiner ursprünglichen Gottähnlichkeit genug an sich trägt, die es ihm begreiflich machen, wenn von ihm gesagt wird, er sei nach dem Ebenbilde Gottes geschaffen und habe einen Gott verwandten Odem und Geist in sich, dem Wesen nach zu ferne von Gott stellen, und weil sie von Gott bezüglich der nach Seinem Bilde geschaffenen Menschen alle Gemütlichkeit, ich weiß es mit keinem andern Worte zu bezeichnen, weg denken.
Möchte man aber nicht schon in dem, dass Gott den Menschen für den Anfang hilfloser als andere Geschöpfe in die Welt stellt, einen Beweis erkennen, dass eben Gott sich's vorbehalten hatte, persönlich ihm etwas zu sein, weil das im Menschen Schlummernde nicht wie der mechanische Instinkt der Tiere hervor treten, sondern mit einer durch Anleitung sich bewusst werdenden Selbständigkeit unter Denken und Kämpfen sich entfalten sollte? Machen wir doch auch Erfahrungen genug, dass Menschen, die ohne alle Anleitung aufwachsen, je nach dem Grade entbehrter Hilfe, in grauenhafte Verwilderungen geraten. Wie begreiflich werden uns schon darum die Erzählungen der Schrift aus der Kindheit des Menschengeschlechts, nach welcher Gott der HErr, wie das zu nehmen sei, werden wir später sehen, - zu den ersten Menschen in den Garten kommt, sie warnt und straft, selbst einem Kain, dem Brudermörder, noch sich persönlich bezeigt, und wie wir es sonst geschrieben finden. Man kann dergleichen Erzählungen mit einer Unbefangenheit lesen, bei welcher auch nicht das Geringste gegen sie im Herzen sich regt, weil ein Gefühl der Notwendigkeit eines solchen Verkehrs Gottes mit dem Menschen, zum Zweck der Erhaltung der Seelengemeinschaft des Menschen mit Gott, jede Einwendung verdrängt.
Man kann sich's, Geliebte, nun schon denken, dass, was im Anfang häufig und fast regelmäßig vorkam, in der Folge immer sparsamer wurde, weil einer verdorbenen Menschenwelt gegenüber, die Gott von sich gestoßen, sich Gott nicht nur so hinwerfen konnte. Man kann sich auch denken, dass, nachdem einmal Erinnerungen von dem Bezeigen Gottes unter den Menschen sich forterben konnten, nach folgende Geschlechter mehr an diesen Erinnerungen sollten genug haben, so dass die unmittelbaren Bezeigungen Gottes nur aufs Nötigste sich beschränkten. Aber, wenn wir noch ein Kindesgefühl zu Gott haben wollen, sollte es uns unmöglich sein, zu denken, dass alle Bezeigungen Gottes schon bald nach den ersten Zeiten müssten aufgehört haben, und dass darum selbst, was von dergleichen in der Schrift fortlaufend erzählt wird, ohne Weiteres als etwas Kindisches oder gar als betrüglich und abergläubisch Erfundenes müsste in die Fabelwelt zu versehen sein? Unmöglich sollte man sich ein gänzliches Aufhören der Bezeigungen Gottes denken können, wenn sich's namentlich um eine Einleitung zur Rettung der Menschen aus einem unaufhaltsamen Verderben handelte. Mit welcher Unbefangenheit und welchem Sicherheitsgefühl können wir daher alle Berichte der heiligen Schrift, so auch die Geschichte mit den Eltern Johannis des Täufers lesen, weil sich's als etwas unumgänglich Notwendiges dem Gemüte des Menschen aufdrängt, dass Gott selbst sich irgendwie bezeuge, wenn dem Menschen soll eine Bürgschaft für seine wirkliche Errettung gegeben werden. Darum mag wohl auch eine Zeit kommen, da die Bezeigungen Gottes abermals notwendig werden, wenn auch nur, um die zu beschämen und unschädlich zu machen, welche dergleichen so kühn in den Winkel werfen, wenn es sich um den Abschluss des großen Erlösungswerkes handelt, bei welchem der Kampf wahrlich sich nicht wie im Sand verlieren, sondern mit einer Stärke hervortreten wird, welcher selbst den Erfolg alles bisher Geschehenen in Frage stellt. Denn es heißt (Mark. 13, 20): „So der HErr diese Trübsalstage nicht verkürzt hätte, so würde kein Mensch gerettet.“ Lassen wir uns daher unsern kindlichen Glauben an die ehrwürdigen, so rein und edel gehaltenen Geschichten, wie sie auch an der Spitze der großen Heilsbotschaft stehen, nicht rauben. Freuen wir uns vielmehr, dass wir in Gott einen Vater uns denken dürfen, der nach uns sieht, und wo es sein muss und zur Rettung dient, sich Seinen geängstigten Kindern nahe zu machen weiß. Denn was hat der, bedenkt's wohl, ihr Lieben, der's nicht glauben kann und mag?