Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Brief des Paulus an Timotheus

Blumhardt, Christoph - Andachten zum 2. Brief des Paulus an Timotheus

2. Timotheus 1,9.

Gott hat uns selig gemacht (gerettet) und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach Seinem Vorsatz und Gnade.

Mit diesen Worten an Timotheus will Paulus sagen: Zwar ist es mit ihm und andern Gläubigen anders geworden, als sonst die Menschen sind: Sie dürfen sich jetzt als die Seligen (Geretteten) fühlen. Aber das kommt nicht davon her, daß sie besser gewesen wären als andere Leute, nicht davon, daß sie verdienstliche Werke getan und mit ihrem rechtschaffenen Wesen es verdient hätten, von andern Menschen unterschieden zu werden. Sondern es kommt von Gottes Vorsatz und von Seiner Gnade her.

Wenn die Gläubigen das recht bedenken, so nimmt ihnen das das unrechte Selbstgefühl, zu dem der Mensch so gerne geneigt ist, da er sich auch das zugut schreiben möchte, was er nur empfangen hat. Auch könnten sie, wenn sie das recht bedächten, schneller wieder zurechtkommen, wenn sie Fehltritte getan haben: indem sie sich nur wieder zu derselben Gnade flüchten würden, durch die sie zuerst angenommen worden sind. Sie bräuchten jetzt nicht zu verzweifeln, daß alles verloren wäre, weil sie nicht treu gewesen seien. Von ungemeinem Wert ist es, daß man es nie aus dem Auge verliere, daß alles immer wieder aus Gnaden gehe, und nicht aus Verdienst der Werke, die etwa ein Mensch tue!

Wenn von einem „Vorsatz“ Gottes hier die Rede ist, so müssen wir uns vor der Auffassung hüten, als ob gesagt sein wolle, Gott sei nur nach Seiner Wahl - wie Er sich's nach Willkür vorgesetzt - den einen gnädig, den andern nicht. Diese persönliche Erwählung oder Verwerfung ist nicht schriftgemäß.

Und mit Recht wird von einer solchen Auslegung ein kindliches Gemüt abgestoßen. Der Vorsatz Gottes ist eben der, daß Er aus Gnaden berufen wollte, und nicht aus Werken, die wir getan haben mögen. So hat Er sich's vorgenommen. Und der „heilige Ruf“ an die Menschen ist der, daß Er ihnen sagen läßt: „Es ist Mein Vorsatz, aus Gnaden selig machen (erretten) zu wollen!“ Wir haben also nur uns willig finden zu lassen, in den Plan und Vorsatz Gottes einzugehen. Denn nicht von den Werken hängt es ab, sondern von unsrer Willigkeit, es uns so gefallen zu lassen, wie Er sich's vorgenommen hat.

Es unterscheiden sich also die Christen von der Welt in dem, daß die Christen es annehmen, die Welt es abweist. Jene fühlen sich zu schwach und sind froh an dem Vorsatz Gottes; diese halten sich für stark und finden sich nicht in eine Gnade, die ihre Selbstgerechtigkeit nicht achtet. Man kann es auch wohl erkennen, wie es nur jenen ein Ernst ist, mit Gott wieder vereinigt zu werden. Diese aber wären gerne etwas aus sich selbst und sind und verbleiben so doch eigentlich wider Gott gestimmt. Dadurch hat der Vorsatz Gottes selbst auch wieder etwas sehr Erklärliches.

Denken wir uns denn in diesen Vorsatz Gottes recht fleißig hinein! Er ist so tröstlich für uns. Denn was wäre es, wenn es Gottes Vorsatz wäre, auf die Werke zu sehen und nach diesen uns selig zu machen! Wo wollte es da mit uns hinaus? Darum, wenn du dich auch schwach und elend fühlst, mitunter unfest und verkehrt - ist nur Böswilligkeit und Mutwillen von dir fern, so verzage nicht und denke: „Aus Gnaden soll's gehen! So ist's der Vorsatz Gottes!“

2 Tim. 1, 10.

JEsus Christus hat dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen an das Licht gebracht durch das Evangelium.

Das Evangelium predigt uns wohl, daß Christus von den Todten auferstanden ist, also an Seiner Person dem Tode die Macht genommen hat, und daß seiner Zeit durch Ihn auch wir von den Todten auferstehen werden, da es dann heißt „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ Aber an was sehen wir's denn, daß dem Tode die Macht genommen, daß wirklich Leben und unvergängliches Wesen an's Licht gebracht worden ist? Müssen wir doch alle sterben und müssen alle Grauen des Todes über uns kommen lassen, wie es vorher gewesen ist. Woran sehen wir's, daß es jetzt anders ist? Allerdings sehen wir es in der Regel nicht; aber wenn doch der Heiland sagt: „Wer an Mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe,“ und wenn es in der Offenbarung heißt „Selig sind die Todten, die in dem HErrn sterben,“ so muß es doch um den Tod, wie er auch äußerlich sei, jetzt etwas Anderes seyn, als es zuvor war.

Der Mensch hat eigentlich den Tod noch nie gesehen. Er hat nur das Sterben gesehen und das Verwesen des Leibes, nicht den Tod. Zum Tod gehört wohl noch mehr, als das Sterben. Wenn's dem Leibe so übel geht nach dem Sterben, wie wird's der Seele gehen, der Ursächerin des Todes des Leibes? Wir lesen so viel im Alten Testament von einem Hades, einer Todtenwelt, auch Hölle genannt, davon uns gar kein liebliches Bild gemacht wird. David sagt: Wer wird dir in der Hölle danken?„ und wiederum: „Im Tode gedenket man Dein nicht.“ Wer weiß, wie viel Macht an den armen Menschen vor Christus der Tod noch ausübte, auch nach dem Tod, oder, um mit dem Hebräerbrief (2,14) zu reden, „der Teufel, der des Todes Gewalt hatte?“ Ging doch die Seele in den meisten Fällen mit unvergebenen Sünden in die Ewigkeit; und so verblieb über dem Menschen die Macht des Todes und der Hölle und des Teufels.

In Solchem aber muß es doch anders geworden seyn; ja, es muß durch Christum eine ganze Veränderung mit dem Tode vorgegangen seyn, wenn es heißt, daß Christus durch den Tod die Macht nahm dem, der des Todes Gewalt hatte, d. i. dem Teufel,“ und in unsrer Stelle, daß JEsus Christus dem Tode die Macht nahm und Leben und unvergängliches Wesen an's Licht gebracht habe, wenn überhaupt der HErr sagt: „Wer an mich glaubt, wird leben, ob er gleich stürbe.“ Wer in dem HErrn stirbt, mögen wir zuversichtlich sagen, erfährt nur die diesseitige Macht des Todes an sich nicht mehr die jenseitige. Für ihn kommt wirklich mit dem Tode das Leben und das unvergängliche Wesen. Es kommt für ihn das Licht mit dem Erlöschen des irdischen Lebenslichtes, ein himmlisches Licht, daß er sagen kann: „Tod, du hast nichts mit mir zu schaffen, kannst mich nicht weiter plagen, quälen und beunruhigen; ich bin frei von dir, wenn ich auch noch harren muß auf die Auferstehung meines Leibes,“ gerade wie es auch von Christo heißt (1 Petr. 3,18): „getödtet nach dem Fleisch, aber lebendig gemacht im Geist“ (im Leben ohne Leib). Wie über Ihn der Tod keine weitere Macht hatte, als er entschlafen war, selbst ehe er auferstanden war, so auch nicht über die, welche in Ihm entschlafen, wenn sie gleich bis zu ihrer völligen Vollendung noch harren müssen auf den Tag der Auferstehung.

Wie Großes also ist uns da schon geworden! und wie freudig können die, die des HErrn sind, ihre Augen schließen, beim Anblick auf den großen Sieger, der dem Tode die Macht genommen hat! Wir können es auch oft wie mit Augen sehen, mit welchem Triumphe die scheidende Seele das kommende Leben erfaßt.

Mel. Christ Tag in Todes Händen.

JEsus Christus, Gottes Sohn,
An unsrer Statt ist kommen,
Und hat die Sünde abgethan,
Damit dem Tod genommen
All sein Recht und sein Gewalt;
Da bleibt nichts denn Tod'sgestalt,
Den Stachel hat er verloren,
Hallelujah!

Zusatz. (Des Todes Macht.)

Wenn so bestimmt angedeutet ist, daß durch Christum mit dem Tode und der Wirkung des Todes eine wesentliche Veränderung vorgegangen ist, so liegt auch etwas Erschütterndes darin, hieraus zu ersehen, daß es doch zuvor etwas recht Grauenvolles um den Tod gewesen seyn muß. Erschütternd ist Solches, wenn wir zugleich daran denken, daß auch jetzt noch nicht für alle Sterbende dasselbe gelten werde, also jene Grauen des Todes bei denen, die in üblen Stande des Herzens hinfahren, immer noch seyn könnten. Dieß kann uns vorsichtig machen, nicht so leichthin überhaupt den Tod selbst einen Erlöser von allem Uebel zu nennen, so lange wir nicht gleichsam den zweiten Act des Todes kennen.

In unsrem Spruch heißt es, durch das Evangelium sei dem Tode die Macht genommen, d. h. für die, welche durch das Evangelium, das sie angenommen, geistlich umgewandelt werden zu einem neuen Menschen in Christo. Die nicht so stehen, oder gar Muthwillens die ihnen angebotene Gnade zurückgewiesen haben, über die mag wohl der Tod seine Macht behalten, wie die diesseitige, so auch die jenseitige, wie weit etwa, das wissen wir nicht. Der Tod aber kann sie nicht verlassen in Sterben, geht ihnen nach, auch über's Sterben hinaus. Unterschiede mag es geben, wie es auch Unterschiede in Stande des Herzens gibt. Auch läßt sich eine zuvorkommende Gnade Gottes denken, die vom Sterben JEsu her besonders solche Seelen bekommen, die noch nicht bekannt gemacht sind mit dem Evangelium, oder ohne ihre Schuld diesem fremd geblieben sind. Unter diesen sind ja Viele, die an jüngsten Tag noch angenommen werden, eine Hoffnung, die wir schon aus der Aeußerung des HErrn über die Sodomiter erfassen können; und so mag von der Macht des Todes über solche Seelen schon von vorn herein etwas genommen seyn, wie überhaupt durch Alles hindurch in's Ganze der Heiland mag viel zu Stande gebracht haben, an das wir gar nicht denken.

Dagegen aber werden die, die im Glauben stehen, wohl auf der Hut seyn müssen, daß der Tod nicht irgendwelche Macht über sie behält, noch nach dem Sterben. Wenn Petrus (2 Petr. 1,11) von einen reichlichen Darreichen des Eingangs zum ewigen Reiche redet, so kann es auch ein spärliches geben; und dieß mag seine Hauptbedeutung haben zunächst nach dem Sterben. Es mag nicht einerlei seyn, wie wir im Glauben stehen, wenn wir scheiden aus dieser Welt, ob wir doch noch nach dem Fleische, oder nach dem Geiste gewandelt, ob wir auf das Fleisch oder auf den Geist gesäet haben, ob wir in der Eigenliebe und Selbstgerechtigkeit, oder in der Demuth und Buße stehen, ob wir lauter die Gnade ergriffen. oder gar selbst wieder aus dem Glauben eine Art Eigengerechtigkeit gemacht haben. Gott ist ein gerechter Gott und richtet ohne Ansehen der Person; und wie Manchen mag noch, wenn's an der Lauterkeit und Demuth fehlt, oder wenn sie nicht allerwärts sich versöhnt, oder über große Verschuldungen nicht Buße gethan, oder nur auch noch in testamentlichen Verfügungen Geiz und irdischen Sinn, Lieblosigkeit und Rücksichtslosigkeit, oder gar Härte und Unversöhnlichkeit zu erkennen gegeben haben, mehr oder weniger Pein und Schmerz von der Macht des Todes, die nicht ganz über ihnen gebrochen ist, widerfahren, mitunter bis auf den Tag JEsu Christi, wenn ihnen auch da noch, vielleicht mit genauer Noth, die Gnade des ewigen Lebens zukommen darf. Darum sagt Petrus (1 Petr. 1,17), und es wohl zu beachten: „Führet euren Wandel, so lange ihr hier wallet, mit Furcht,“ und Paulus (Phil. 2,12): „Schaffet, daß ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.“ Denn wer möchte gerne, wenn er auch am Ende selig wird, zuvor noch von der Macht des Todes gehalten werden!

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