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Binde, Fritz - Ich will!

Binde, Fritz - Ich will!

Und wen dürstet, der komme; wer da will, der nehme Lebenswasser umsonst.
Offb. 22,17

Christus Jesus wollen oder nicht wollen, das ist das Entscheidende im Menschenleben. Demgemäß endet auch die Heilige Schrift.

Unerhört Herrliches offenbaren ihre letzten Seiten. Einen neuen Himmel und eine neue Erde enthüllen sie. Die heilige Stadt, ein neues Jerusalem, die Wohnung Gottes bei den Menschen, wird beschrieben. Wie am Anfang der Menschheitsgeschichte, und noch unvergleichlich herrlicher, wohnt Gott wieder bei den Menschen. Der Heilsplan Gottes mit dem verführten und abgefallenen Geschlecht ist grundsätzlich und wesentlich verwirklicht. Aus allen Völkern ist ein durch Christi Blut erkauftes und mit dem Heiligen Geist getauftes Eigentumsvolk (Tit. 2, 14), eine Erstlingsfrucht unter seinen Geschöpfen (Jak. 1, 18), herausgerufen und zusammengebracht. Es ist das Gottesvolk in der Gottesstadt. Alle Tränen von den Augen dieser Erlösten werden abgewischt, kein Tod wird mehr sein, noch Jammer, noch Geschrei, noch Mühsal wird mehr sein; denn was einst war, ist nun vergangen. Und der auf dem Thron sitzt, spricht: „Siehe, ich mache alles neu!“ Und der der Anfang und das Ende ist, läßt unter dies Bild den Lockruf schreiben: „Ich, ich werde dem Dürstenden geben aus dem Quell des Lebenswassers umsonst. Wer überwindet, der soll das ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.“ Doch dicht daneben wird wie auf eine Warnungstafel schaurig geschrieben: „Aber den Feiglingen und den Ungläubigen und Greuelhaften und Mördern und Hurern und Zauberern und Götzendienern und allen Lügnern ist ihr Teil im See, der mit Feuer und Schwefel brennt; und das ist der zweite Tod.“ (Offb. 21,1–8.)

Danach wird dem Seher im Geiste durch einen himmlischen Führer und Erklärer die aus dem Himmel herabgekommene heilige Stadt in der Herrlichkeit Gottes gezeigt. Keine Tempelbeschreibung krönt die geschilderte Pracht; denn Gott, der Allmächtige, ist ihr Tempel und das Lamm. Nie werden ihre Perlentore am Tage geschlossen, und Nacht wird dort nicht sein. Die Herrlichkeit und die Pracht der Völker wird man in sie hineinbringen. Aber Gemeines und wer götzendienerischen Greuel und Lüge verübt, wird nicht hineingehen, sondern nur die geschrieben stehen im Lebensbuch des Lammes. Wiederum folgt der lockenden Beschreibung die unerbittliche Warnung.

Schließlich wird ein wie Kristall glänzender Strom von Lebenswasser gezeigt, der vom Throne Gottes und des Lammes ausgeht. Der Lebensbaum steht an seinen Seiten, der jeden Monat besondere Frucht trägt, und seine Blätter dienen zur Heilung der Völker. Ja, selbst der Thron Gottes und des Lammes wird gesehen. Und der Name Gottes wird auf der Stirn seiner Knechte sein, die Gott der Herr mit seinem Lichte bestrahlen wird; und diese Knechte werden königlich herrschen in Ewigkeit. Aber angesichts dieses lockenden Bildes wird warnend ausgerufen: „Die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, der tue weiter Unrecht, und der Befleckte beflecke sich weiter, und der Gerechte übe weiter Gerechtigkeit, und der Heilige heilige sich weiter. Siehe, ich komme schnell, und mein Lohn mit mir, daß ich vergelte einem jeglichen, wie sein Tun ist.“

Und in schauerlichem Gegensatz klingt die hehre Rede aus: „Ich, ich bin das A und O, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. Selig sind, die ihre Kleider waschen, auf daß sie das Anrecht auf den Lebensbaum erhalten und zu den Toren in die Stadt eingehen. Draußen sind die Hunde und die Zauberer und die Hurer und die Mörder und die Götzendiener und alle, die lieben und üben die Lüge.“ (Offb. 22,13-15)

So stehen gerade am Ende des heiligen Buches neben den herrlichsten Bildern der erhabensten Gottesschau die ernstesten Warnungstafeln. Die unüberbietbarsten, köstlichsten Verheißungen verwandeln sich in die unerbittlichsten, drohenden Abweisungen. Neben der Beschreibung der Bewohner der Gottesstadt steht die Liste derer, die im Feuersee den zweiten Tod erleiden werden! Die himmlische Schilderung der herrlichen Gottesstadt endet mit dem Verzeichnis derer, die draußen sind!

Dann ertönen die letzten Zu- und Aufrufe. Ein dreifaches „Komm!“ Es ist wie ein letztes Trösten und Mahnen, Winken und Warnen, Lieben und Warten.

Jesus, der verklärte Herr, tröstet und mahnt: „Ich komme schnell und mein Lohn mit mir, daß ich vergelte.“

Und der Geist und die Braut sprechen antwortend: „Komm!“ Es ist der Lebensschrei aller Erlösten.

Und wer es hört, der spreche: „Komm!“ Es ist der Erlösungsschrei aller Geschöpfe.

Und wen dürstet, der komme!

Dieses dritte „Komm!“ ist der letzte Zuruf der Liebe Gottes in der Heiligen Schrift an jede noch unerlöste Seele.

Und eben mit diesem dritten „Komm!“, mit diesem letzten und äußersten Heilsruf in der Bibel haben wir es jetzt zu tun.

Es ist nicht mehr ein Aufruf an alle, an die ganze Menschheit. Nein, sondern nur noch an die Dürstenden wendet sich dieser letzte Heilsruf. Wer sind diese Dürstenden? Sicherlich sind zunächst die Bibelleser gemeint, die zum ersten oder zum soundsovielsten Male die Heilige Schrift zu Ende lesen und nun angesichts der geoffenbarten Heilsfülle nach diesem Reichtum der Gnadenherrlichkeit Gottesverlangend geworden sind.

Es sind die Herzen, deren Augen tränen vom Weh ihres Erdenlebens, und sie wissen nun, niemand kann diese Tränen wirklich trocknen als die Hand Gottes.

Es sind die Seelen, die den Jammer und das Geschrei und die Mühsal im Knechtsdienst der Sünde erlebt, erlitten und erkannt haben und sich nun ringend und zitternd sehnen nach der reinen Freudenfülle der Erlösten, nach der Stille und Ruhe am Herzen Gottes.

Es sind die Erwachenden aus der Finsternis, deren Innerstes der erste Schimmer aus der Stadt der goldenen Gasse erreichen konnte, wo das für der Welt Sünde geschlachtete Gotteslamm die Leuchte ist.

Es sind die Verschmachtenden, die nun von der Wüste dieses Erdenlebens aus den Strom des Lebenswassers, der vom Throne, Gottes und des Lammes ausgeht, haben kristallklar blinken sehen, und deren Herz die Worte vernahm: „Ich, ich werde den Dürstenden geben aus dem Quell des Lebenswassers!“ Diese labt kein Trunk mehr aus den löchrigen Brunnen und Pfützen dieser Erde. Ihr Angesicht ist flehentlich erhoben, und über ihre trockenen Lippen kommt es: „Herr, gib mir dieses Wasser!“ (Joh. 4,15)

Sag, teure, kostbare Seele, hat dich dein Bibellesen schon jemals so dürstend machen können?

Wenn du deine Bibel zu Ende lasest, wärest du da auch angelangt am Ende deiner elenden und törichten Welt- und Ichseligkeit?

Fingen deine sündenbeschwerte Seele, o Menschenkind, und dein sündenbelasteter Leib jemals an zu dürsten, zu schmachten, zu seufzen, zu schreien nach dem Heil im lebendigen Gott? (Ps. 42,2-3.)

Und wenn du Gottes Wort hörtest, hat es dich austrocknen und ausdörren können im Dünkel deiner Eigenheit, wie der Südostwind das Gras dörrt, daß dir die Zunge am Gaumen hing in der Dürre und Leerheit deines für Gott fruchtlosen Sündenlebens?

Bebt dein Herz wie des Dichters Herz, dessen Lied seufzt:

Fraget doch nicht, was mir fehle.
Forschet nicht nach meinem Schmerz.
Durst nach Gott fühlt meine Seele,
Drang zu Gott bewegt mein Herz.
Gebt mir alles und ich bleibe
Ohne Gott doch arm und leer,
Unbefriedigt, dürstend treibe
In der Welt ich mich umher.

O, nur wessen Seele so siech hinschmachtete in der Wüste der Gottesferne, der ist ein Gottsucher, ein Wahrheitssucher, ein Heilsuchender! Und denen gelingt es.

Die horchen auf und verstehen, was Jesus meint, wenn er ausruft: „Wen dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Wesen werden, wie die Schrift gesagt, Ströme fließen lebendigen Wassers!“ (Joh. 7,38)

Denn diese Dürstenden, die sind es, die zu Jesus kommen. Es bleibt ihnen ja auf der ganzen weiten öden Welt gar nichts anderes übrig. Wo jemals eine Seele Jesus erlösend erlebte, da trieb sie das zehrende, schmachtende, quälende, mit sonst nichts und niemand zu stillende Dürsten zu Ihm. Wer sich noch mit vergnügtem Behagen an den quellenden Freuden der Lust dieser Welt satt trinken kann, der macht sich nicht auf und kommt zu Jesus. Und wer noch an sich selbst genug hat und sich mit der Süßigkeit der Eigenliebe erquickt, der kommt auch nicht zu Jesus.

Aber glückselig, ihr vom Durst nach Wahrheit, Reinheit, Gerechtigkeit und Frieden wahrhaft Geplagten! Euch tränkt kein Trunk aus irdischer Menschenhand mehr. Ihr kommt zum himmlischen Lebensquell. Ihr kommt zum Blute des Neuen Bundes. Ihr kommt zum für euch geschlachteten Gotteslamm. Ihr entrinnt dem zweiten Tod im Feuersee. Ihr bleibt nicht außerhalb der Perlentore der heiligen Stadt. Ihr findet euren Teil am Lebensbaum. Ihr kommt zu Jesus!

Und wen so dürstet, der komme jetzt!

Nun aber sprechen andere kühl: Dann kann ich nie kommen; denn ich spüre kein schmachtendes, qualvolles Dürsten in mir. Mich hat nie ein brennender Durst meiner Seele gepeinigt. Also hat mich die schenkende Liebe Gottes nie besucht und berührt. Ich stehe also außerhalb des Bereiches dieser biblischen Heilsbotschaft.

O geliebte, durstlose Seele, siehe, Gott kennt deine kühle Rede! Siehe, du gehörst zu denen, die durch den Schlußsatz dieses letzten Heilsangebotes in der Bibel eingeladen werden. O horche jetzt auf! Denn Gottes letzter Liebesaufruf in seinem Wort klingt aus:

Wer da will, der nehme Lebenswasser umsonst!

Wer da will! Welch ein Wort! Wer da will! Vielleicht ist dieses letzte Bibelwort Gottes an die Menschheit das weittragendste Wort seiner hilfreichen Barmherzigkeit in der ganzen Heiligen Schrift. Vielleicht ist dies letzte Wort seiner Liebe auch das äußerste Wort seiner Liebe. Und tatsächlich, es ist das äußerste Wort seiner Liebe!

Denn umfassenderes kann einfach nicht gesagt werden. Da gibt es keine einschränkenden Bedingungen mehr. Jedes „Du sollst!“ und „Du mußt!“ und „Es sei denn!“ fällt weg. Gott stellt die Annahme des kostbaren, ewig rettenden Heils mitsamt dem Reichtum des himmlischen Erbes einfach in jedermanns Belieben: Wer da will!

Wunderbar! Denn es ist einfach alles dem menschlichen Willensentschluß überlassen. Siehe, da liegen die heilsamen Gnadengüter: Vergebung deiner Sünden, Versöhnung mit dem heiligen Gott, Gemeinschaft mit Gott deinem Vater, als Gewinn ewigen Lebens vor dir, einfach alles preisgegeben deinem Willen: Wer da will!

Es ist nicht nur wie ein Angebot dieser unvergleichlichen Gnadengüter, man möchte fast sagen, wie zu ermäßigtem Preis, ja, wie zu einem Schleuderpreis.

Nein, noch viel mehr: umsonst gibt Gott alles mit Freuden ab! Geschenkweise sollst du alles erhalten. Der einzige Einsatz, den Gott von dir erwartet, ist dein zugreifender Wille: Wer da will!

Wie ein überaus reicher, überaus wohlwollender Mann steht der allgütige Gott hinter seinen feilgehaltenen, Leben und Seligkeit bringenden Schätzen, auf deren Fülle er mit den ebenso freundlichen wie ernsten Worten einladend hinweist: Bitte, wer da will, der nehme umsonst!

Er sagt nicht: Meine Gnadengüter sind für die besseren, ehrbaren und anständigen Leute, denen will ich sie zum Lohne für ihre Tugenden geben. Er sagt auch nicht: Meine Gnadengüter sind für Sünder geringeren Grades, denen möchte ich aufhelfen. Nein, es ist überhaupt keine Rede mehr von Sünde und Tugend, sondern nur noch vom Willen: Wer da will!

Habe getan, was du getan hast! Sei, wer du auch seiest! Gott sieht ja deine Person gar nicht an! Obgleich er gut weiß, wer du bist, so hat er es doch jetzt mit nichts anderem zu tun als mit deinem Willen: Wer da will!

Nun kannst du nicht mehr sagen: Ich dürste nicht, ich hungre nicht, ich begreife nicht recht, ich spüre und fühle nichts. Das alles ist gar nicht mehr entscheidend. Entscheidend ist nur noch, ob du willst: Wer da will! Zulänglicheres Begreifen kommt mit dem willigen Zulangen und Zugreifen. Spüren und Fühlen kommt mit dem willigen Empfangen und Haben.

Nun gelten überhaupt keinerlei Zweifel mehr. Weder Zweifel gegenüber dem Geber, noch Zweifel gegenüber seinem zusagenden Wort, noch Zweifel gegenüber seiner Gabe. Gott will: Sein Wille ist lauterer, gnädig helfender Liebeswille. Gott verheißt: Sein Wort ist unverbrüchliche Wahrheit. Gott gibt: Seine unaussprechliche Gabe ist der König der Wahrheit, der Träger und Bringer ewigen Lebens, mit dem uns alles gegeben. Dieses Dreifache kannst du über alle deine elenden Zweifel hinaus inne werden, wenn du willst: Wer da will!

Gott will deine Seele zu sich retten: Das ist der Offenbarungsinhalt und Offenbarungswert der ganzen Heiligen Schrift. Alt- und neutestamentliche Heilsbotschaft gipfeln in der Bezeugung dieses Gotteswillens. Und weil Gott will, darum ist von seiner Seite aus alles geschehen, was zu der Errettung deiner Seele notwendig geschehen mußte. Nach Gottes Willen und Gottes Wort starb Christus für deine Sünden. Nach Gottes Willen und Wort steht dir in Christus Jesus der Gnadenhimmel der Gottesgemeinschaft offen. Nun handelt es sich nur noch darum, daß auch du diese deine Rettung willst. Gott will, willst auch du? Wer da will!

Nichts verbindet Gott und die Menschheit so wie der rettende Gottes-Liebeswille im Mittler und Versöhner Jesus Christus. Und nichts trennt den Menschen von Gott so wie der menschliche Eigenwille. O Abgrund des Liebeswillens Gottes! Gott verschont seines eigenen Sohnes nicht, sondern gibt ihn für uns alle dahin, um uns mit Ihm alles zu geben! (Röm. 8, 32), und dann bietet er die Gabe und das Werk seiner Liebe mit den beinahe bittenden Worten an: Wer da will!

Aber warum handelt der allmächtige Gott so überaus wohlwollend und allgütig? Erniedrigt sich der Schöpfer nicht nahezu unter seine Geschöpfe, wenn er so allen Entscheid ihrem Willen überläßt?

O höret, ihr Menschenkinder! Wäre unser Gott der gewaltmäßige Zwangsherrscher, wie so viele irrtümlich ihn sich denken, nie hätte er uns eine Gnade mit den Worten angeboten: Wer da will!

Wäre es unserem Gott nicht ein Leichtes, alle Einwohner einer Stadt in einem Nu zu bekehren? Wäre es ihm nicht ein Geringes, alle Menschen zwangsmäßig in seinen Himmel hineinzubringen?

Und er tut es nicht. Ja, warum denn nicht? Weil er den freien Willen seiner Menschengeschöpfe bis in alle Ewigkeit respektiert.

Gott hat dem Menschen bei seiner Erschaffung Wahlfreiheit verliehen. Als Zwangsherrscher hätte er das nie getan. Aber eben als der wirklich allmächtige Gott konnte er das tun. Als solcher wollte er nicht über Sklaven herrschen. Nein, die Menschen sollten Freiheit haben, sich in Gottes- und Selbsterkenntnis für oder gegen Gott zu entscheiden. Er wollte keine Automaten, keine frommen Puppen, keine Hampelmänner, die geistlos am Schnürchen hüpfen, auf die Erde setzen. Nein, die Menschen sollten in freiwilliger Entschließung ihrem Schöpfer untertan werden. Als ihren liebenden Vater sollten sie Gott erkennen, und als willig abhängige Kinder Gottes sollten sie gott- und glückselig auf Erden leben. Dazu sollten sie sich unterweisen und erziehen lassen und die Erkenntnis Gottes in vertrauendem Gehorsam beweisen. Dies konnte jedoch nicht geschehen ohne Erprobung ihres Gehorsams. Eine übermenschliche, gottfeindliche Macht durfte an unsere Ureltern herantreten und sie mit Zweifel an Gottes Vatergüte und mit Reizung zur Übertretung seines Gebotes versuchen. Und die Menschen erlagen der Versuchung und ließen sich zur Übertretung des Willens Gottes verführen. Seit jenem „Sündenfall“ ist die Willensrichtung aller Nachkommen Adams eine irrselige, eigenwillige, unselige, selbstsüchtige, gottfeindliche. Nun will Gott ihren Willen wiedergewinnen. Aber wiederum nicht mit Zwang und Gewalt, sondern mit Erweisung seiner heiligen und gerechten Liebe.

Diese ewige Gottesliebe hatte ja schon vor Grundlegung der Welt ihren geliebten Sohn Jesus Christus als Liebessühneopfer für unsere zuvorgesehene Sünde ersehen, um ihn, nachdem die Zeit erfüllt war, für der Menschenwelt Sünde ans Kreuz zu geben, damit jede Seele mit Gott versöhnt würde. Denn der allwissende Gott ist ja nie durch der Menschen Sündenfall überrascht worden. Er hat ja immer gewußt, daß unsere Ureltern die ihnen verliehene Wahlfreiheit gegen ihn gebrauchen würden. Und daß Gott trotzdem unser Geschlecht ins Leben gerufen hat: welch eine Liebe! Wie mancher irdische Vater würde seinen Sohn nicht gezeugt haben, wenn er vorher gewußt hätte, welch einen Taugenichts er sich großzieht. Aber unser himmlischer Vater kannte unseren schrecklichen Irrgang zuvor, und dennoch schenkte uns seine Liebe das Leben. Und der Retterwille dieser Liebe ist es, der um unseren Willen wirbt in der Verkündigung der Heilsbotschaft. Die Liebe Christi ist es, die den Willen Gottes offenbart, um unseren Willen liebend für Gott zurückzugewinnen.

Nie war Gott der Menschen Feind. Nie hegte er Vernichtungsgedanken gegen uns. Immer war heimsuchende Liebe der Inhalt seiner Gnadengerichte mit der Menschheit. Liebe war der Grundton aller Bußrufe an dies verirrte Geschlecht. Liebe trug und ertrug uns durch die Jahrtausende. Liebe bezahlte unsere Sündenrechnung am Kreuz. Liebe lockt jede Menschenseele durch die Kunde von der Tat der Liebe am Kreuz. Rettende Liebe wirbt und ringt auch jetzt um dich!

Und welch einen Reichtum der Liebe, Güte, Geduld und Langmut Gottes hat diese Menschheit unbußfertig verachtet? (Röm. 2,4) Immer widerstanden die einzelnen, die Familien, die Völker in zähem, halsstarrigem, ichtrotzigem, selbstherrlichem, feindseligem, ja lästerndem Eigenwillen dem liebesschwangeren, rettenden Gotteswillen. Und wohin ist diese Menschheit mit ihrem fluchvollen Eigenwillen gelangt? O wie anders sähe es auf Erden aus, wenn Gottes Wille durch Hingabe des Menschenwillens auf Erden geschehen könnte, wie er im Himmel geschieht! Weder Brudermord noch Gewalttat, noch irgendwelche Ungerechtigkeit füllten die Er-de. Wahrlich, alles innere und äußere Elend des Menschenlebens auf dieser blutgetränkten, qualbeschwerten, weil fluchbeladenen Erde ist nur die schauerliche Folge des Abweichens des Menschenwillens vom guten, wohltätigen, heilsamen Gotteswillen! Nie hat es Gott seinen Geschöpfen schwer machen wollen, schwer hat es ihnen nur gemacht ihr gottwidrig verirrter, hochmütig verblendeter Eigenwille.

Aber gerade dieser jammervollen menschlichen Verblendung und Verirrung wegen kann Gottes Liebeswille nicht aufhören, sich mit immer neuer Güte und Strenge an den Menschenwillen zu wenden, um ihn dennoch wiederzugewinnen. Alle Bemühungen der Gnade Gottes an den Gewissen der einzelnen und der Völker verfolgen ja nur den einen Zweck, die demütige Beugung des Menschenwillens unter den rettenden, heilsamen Gotteswillen zu erzielen. Gott kann ja gar nicht anders; er muß weiter und weiter um des Menschen Willen werben. Denn des Menschen Wille ist der Rest von des Menschen Göttlichkeit.

Jene Wahlfreiheit, mit der der Mensch in Gottebenbildlichkeit geschaffen wurde, ist ihm gelassen worden bis zur Stunde. Mag der Mensch noch so schaurig viel von der Gottebenbildlichkeit verloren haben, das Eine ist ihm dennoch zu eigen geblieben: er kann Gott wollen oder nicht wollen. Das kann kein Tier!

O Mensch, bedenke dies!

Gerade in unserer, vom äußerlichen Wissen so ruhmredig aufgeblähten Zeit, wo jeder Aufgeklärte lieber ein veredelter Affe als ein heruntergekommener Adam sein möchte, sollst du wissen: daß du Gott wollen oder nicht wollen kannst, das unterscheidet dich auf ewig vom Tier, das allein ist deine wahre Menschenwürde; denn das allein ist der Beweis für deinen hohen göttlichen Ursprung, und das allein ist und bleibt tatsächlich der Rest deiner Gottebenbildlichkeit.

Darum kann dich Gott nicht höher und göttlicher ehren, als wenn er sich um die Gewinnung deines Willens bemüht.

Ja, es ist wahr: des Menschen Wille ist sein Himmelreich, nämlich, wenn er Gott will; und des Menschen Wille ist seine Hölle, nämlich, wenn er Gott nicht will. Beides ist in deine Brust gelegt, und die Tage deines Erdenlebens sind dir gegeben, um wählen zu lernen. Siehe, welch eine hohe, herrliche Bestimmung dir geworden und geblieben ist! Wirst du sie erkennen und erreichen?

Gott will es!

Also wolle auch du!

Höre! Der Wendepunkt deines Lebens zum ewigen Heil, zum Bewußtwerden deiner tiefsten Schmach und zugleich höchsten und freiesten Würde, ist erreicht in dem Augenblick, in dem du überwältigt von der Liebe Gottes, die dich, den elenden, abscheulichen, selbstsüchtigen Sünder, durch die Gotteskraft des Kreuzes Christi retten will, dich dem Willen dieser dich, gerade dich suchenden Liebe mit der seligen Antwort ergibst: Ich will!

Im Himmel und auf Erden gibt’s kein freudigeres Ereignis als dieses rettende Bekenntnis. Endlich, endlich sind gebrochen alle Thronstützen deines irrigen, hochmütigen, gottfeindlichen Eigenwillens. Nie bist du willenloser als in diesem Augenblick; denn dein Wille, dein kostbarster Besitz, liegt zerbrochen in seiner starren selbstsüchtigen Stärke, hingegeben, ausgeliefert zu Gottes Füßen. Und nie bist du zugleich willensmächtiger; denn du tatest mit entschlossenstem, bewußtestem Willen das Größte, das ein Mensch wollen und tun kann; du wolltest und willst dich beugen dem Willen Gottes!

Man hat gesagt: Nur Charaktere bekehren sich. Und wirklich, es gehört zu nichts mehr Willenskraft als dazu, die Kraft des Eigenwillens brechen zu lassen und Gottes Willen zu wollen.

O welche Arbeit und Mühe hat die Liebe Gottes, bis sie uns auf den Wegen ihrer besonderen Führung und Fügung zu dieser höchsten Willensentscheidung bringt! Wahrlich, die Erschaffung von Himmel und Erde mit allem, was darinnen ist, muß leichter gewesen sein; denn die Materie bot keinen Widerstand, wie ihn das Menschenherz bietet! Denn es gibt im Leben eines jeden bekehrten Menschen ein zweifaches: „Ich will!“

Das eine „Ich will!“ heißt: Ich will mich aufmachen und nach meinem eigenen Willen auf eigenen Wegen mein eigenes Leben leben! Aber das andere „Ich will!“ heißt: „Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt am Himmel und vor dir; ich bin nicht wert, daß ich dein Sohn heiße.“ (Luk. 15, 18.) Und mit welchem alles Denken übersteigenden Erbarmen kommt uns der heilige Gott in Jesus Christus, dem erschienenen Mittler und Versöhner, entgegen, wenn das zweite „Ich will!“ in unserem Herzen reift! Und wie hallt es durch die Himmel, wenn endlich ein Menschenmund vor Christi und Gottes Angesicht dies zweite „Ich will!“ ausspricht! Denn einer, der auf der Flucht vor Gott war, hat nun seine Zuflucht zu Gott genommen. Einer, der verloren war in Selbstsucht, hat nun Gott gesucht, der immer ihn suchte, und hat ihn gefunden und ist gefunden worden. Einer, der tot war in dem ersten „Ich will“, ist nun lebendig geworden, als der Lebensschrei des zweiten „Ich will!“ seinem Munde entströmte. Der Eigenwille ist gerichtet, der Wille Gottes gewählt: Das ist der Schritt ins Reich Gottes hinein; denn das Reich Gottes ist nur da, wo der Wille Gottes wirklich gewollt wird und geschieht.

Und nun beginnt das gottselige Nehmen des Lebenswassers.

Wer Gott den Willen gibt, dem gibt Gott jeden zugesagten Gnadenzufluß. Wer sich selbst Gott gibt, indem er sein kostbarstes Gut, den Eigenwillen hingibt, dem gibt Gott sich selbst mit jeder Gottesfülle. Wer nach Gottes Willen will, der darf auch nach Gottes Willen nehmen.

Das ist dann kein eigenwilliges, eigenmächtiges Nehmen mehr. Denn wer da meint, er könne mit eigenwilliger Gewalt nehmen und das Reich Gottes an sich reißen, der hat ein falsches „Ich will!“ im Herzen. Wem selbstsüchtig nach Himmelsschätzen gelüstet oder wer im Selbstgenuß mit Gott oder Christus buhlen möchte, wer selbstgefällig nach Geistesgaben und Größe im Himmelreich schielt, wer nur sein geliebtes Ich am Feuersee vorbeiretten möchte, wer nur seine Sündenschuld loswerden und dann weiter sich selbst leben möchte, dessen „Ich will!“ bleibt unzulänglich vor Gott. Das gottgewollte „Ich will!“ zielt auf nichts anderes ab als auf das Tun des Willens Gottes. Und mit der Befolgung des Willens Gottes will es nichts Geringeres als Gott selbst, wissend, daß uns mit Gott in Christus alles gegeben ist. Nie kommt zu kurz, wer Gott um Gottes willen will.

Das erste selige Nehmen nach dem rechten gottgewollten „Ich will!“, der erste himmlisch erquickende Labetrunk aus dem Strome des Lebenswassers ist dann die zweifelsfreie Annahme der Sündenvergebung. Wer diese wirklich nehmen will, wie Gott sie nach seinem Wort geben will, der empfängt und hat sie für alle Ewigkeit.

Das zweite selige Nehmen ist die befreiende Annahme der Versöhnung mit Gott. Das ist nichts Geringeres als der Empfang des Friedens mit Gott durch den Friedebringer Jesus Christus. Und wiederum muß ich sagen, wer diesen Frieden so nehmen will, wie Gott ihn durch das Blut des Kreuzes Christi geben will (Joh. 16,33; 20,19; Kol. 1,20; Röm. 5,1; Eph. 2,14), der empfängt und hat ihn für alle Ewigkeit.

Das dritte selige Schöpfen aus dem Heilsbrunnen (Jes. 12,3) ist die Annahme und Aufnahme Christi und Gottes selbst. Das ist die freudenreiche Aufnahme der neugebärenden Kraft aus der Höhe, in der Gott durch den Heiligen Geist seinen eigenen Geist, sein eigenes Wesen, sein eigenes Leben, seine eigene Liebe mitteilt (Joh. 14,23; 1,12; Röm. 5,5). Dieses dritte Nehmen und Empfangen ist ein unaufhörliches, ewiges. Es ist so unbegrenzt wie die Gnadenfülle in Christus, ja, so unermeßlich reich wie Gott selbst ist (Joh. 1,16; Eph. 1,19; Kol. 2,9; Luk. 11,13; Tit. 3,5-6).

O in Christus geliebte Seele, laß los und greif zu, gib hin und empfange, wolle und habe; denn es ist alles für dich! Wohl kann sich niemand etwas nehmen, es werde ihm denn gegeben vom Himmel (Joh. 3,27). Aber sieh, der Himmel ist ja für dich offen, Gott will dir ja geben, alles geben, was du brauchst, um dich in Übereinstimmung mit deiner göttlichen Bestimmung zu bringen! Wer da will, der nehme Lebenswasser umsonst! Nun sprich das mächtigste, das größte Wort deines Lebens! Gib deinem Gott und Heiland die erwartete, die errettende, die alles bringende Antwort: „Ich will!“

Alles, alles wird sich dann durch Den erfüllen, der ein gutes Werk in dir beginnen konnte und der allein auch die Gewähr für seines Werkes Vollendung in dir ist, sofern du immer wieder und ewig willst (Phil. 1,6; Joh. 10,26–30; 1. Petr. 5,10).

So. Was wird aber nun werden aus denen, die nicht wollen?

Da fragt es sich zunächst: Wer sind denn die, die nicht wollen?

Das sind zuerst einmal die Unwissenden. Sie kennen Gottes Wort viel zu wenig, als daß es entscheidende Bedeutung in ihrem Leben hätte gewinnen können. Sie sinnen nur auf Irdisches und haben für die himmlische Heilsbotschaft noch gar kein Verständnis. Wie könnten sie wollen, was sie gar nicht kennen?

Dann kommen die Zweifler. Sie haben bereits gehört, aber ihr Wille blieb geteilt. Ihr Verständnis ist nur ein halbes. Halb möchten sie wollen, halb sind sie unfähig dazu. Vielleicht ist ihnen ihr Verstand, der ja Göttliches nicht zu begreifen vermag, im Wege. Gottes Wort zu bezweifeln, ist ja das Natürlichste, was der Mensch aufzubringen vermag, besonders in unseren Tagen der hochnäsigen Zweifelsucht.

Nun erst kommen die eigentlichen Nichtwollenden. Dazu gehören alle Abgöttischen; denn wer irgendetwas oder irgendwen mehr liebt als Gott, der kann unmöglich wollen, was Gott will. Viele zwar wollen wohl ihren Abgott und Gott zugleich in ihren Willen aufnehmen, aber eben das will Gott nicht. Weiter gehören hierher die Unaufrichtigen. Sie lügen, wenn sie sagen: „Ich will!“, denn sie sind sich wohl bewußt, daß sie eigentlich nicht wirklich wollen. Irgend etwas, das sie nicht nennen wollen, hält sie vom entscheidenden „Ich will!“ ab. Schließlich kommen die entschieden Ablehnen- den. Zu diesen gehören allezeit alle stolzen, selbstweisen, selbstgerechten, selbstgefälligen Leute, die keine Heilsbotschaft brauchen; denn sie sind ihr eigener Herrgott und Heiland. Hierher gehören auch die verstockten Sünden- und Lasterknechte, die, um ihrer Sünden willen, Gott, sein Wort, sein Heil und sein Gericht leugnen müssen. Aber auch die Oberflächlichen und Leichtfertigen und alle Spötter gehören hierher.

Was geschieht nun mit diesen Nichtwollenden?

O alle, alle will Gottes rettende Liebe gewinnen! Den Unwissenden soll die gute Botschaft verkündigt, den Zweiflern sollen die Zweifel genommen werden, indem sie Gott zur Verzweiflung an ihren Zweifeln hinleiten will. Die Abgöttischen sollen ihre elenden Götzen, die Unaufrichtigen ihren Lügengeist preisgeben. Die stolzen oder verstockten oder leichtfertigen Ablehnenden sollen erniedrigt, erschüttert und aufgeschreckt werden. Ach, wie treulich arbeitet Gottes Erbarmen an allen; und täglich werden ungezählte Nichtwollende, wer sie auch sein mögen, Wollende.

Aber die beharrlich Nichtwollenden?

Jetzt höre!

Wer bewußt und dauernd Gottes Gnaden- und Heilsangebot trotz aller heimsuchenden Güte und Strenge Gottes ablehnt, dem läßt Gott zuletzt geschehen nach dessen eigenem Willen. Das heißt, Gott gibt einen solchen Menschen dahin. Dahin seinen verkehrten Gedanken! Dahin seinem Hochmut! Dahin den Gelüsten seines Herzens! Dahin seinem eigenen Willen.

Gottes Ratschluß über einen solchen Menschen lautet: Mensch, du willst nicht, daß mein Wille geschehe. Gut, so geschehe jetzt dein Wille!

Schlimmeres kann keinem Menschen widerfahren. Gott überläßt den Menschen sich selbst. Gott läßt ihn laufen. Gott hört auf, den Menschen zu strafen. Schrecklichere Strafe gibt’s nicht. Gott setzt einfach den Schlußpunkt hinter des Menschen Eigenwillen. Er läßt dem Menschen geschehen, wie der Mensch will. Der Mensch wollte nicht, nun anerkennt Gott sein Nichtwollen; nun versiegelt er dieses Nichtwollen mit einem furchtbaren Siegel. Nun wird aus dem Nichtwollen des Menschen ein Nicht-mehr-können! Gott redet nicht mehr mit einem solchen Menschen: Gott schweigt.

Schauriges Schweigen!

Denn nun hat der Mensch völlig freien Spielraum für seinen Eigenwillen. Er kann nun machen, was er will. Gott tritt ihm nicht mehr in den Weg. Gott redet ihm nicht mehr drein. Gott scheint ohnmächtig, der Mensch allmächtig geworden zu sein. Ja, Gott scheint verschwunden und tot und der Mensch der unumschränkte Herr und Gebieter des eigenen Lebens geworden zu sein. Alles geht nach Wunsch. Seine Anschläge gelingen. Sein Vermögen wächst. Er und die Seinen haben rote Wangen. Sein stolzer Mund rühmt sich frech gegen Gott, den er leugnet und nicht braucht. Kein Feuer fällt vom Himmel, um den Höhnenden zu verzehren, keine Spalte der Erde tut sich auf, um ihn zu verschlingen. Überlegen bläht sich sein Dünkel auch gegen die dummen Frommen. Er ist ja tugendhaft ohne Gott und Himmelslohn. Ja, wer ist ihm gleich? Oder aber er wälzt sich in offenbaren Sünden und rühmt sich, daß er seit langem nichts mehr wisse von einem Gewissen. O ja, denn Gott schweigt.

Und so stirbt der Selbstsichere.

Doch nein, so stirbt er nicht. Denn kein Mensch stirbt in Gottesferne. Es kann wohl ein Mensch ein Leben lang in Gottesferne leben, aber er kann nicht in Gottesferne sterben. Denn wenn die Seele sich vom Leibe löst, wenn das helle Licht der Ewigkeit durch das dunkle Tor des Todes ihr entgegenblitzt, dann weiß die Seele um Gottes Gerichtsnähe, auch wenn die Sinne und Glieder des Leibes dies erschreckliche Wissen des Sterbenden den Umstehenden nicht mehr widerspiegeln. O, welche Seelenkämpfe mögen da zum Austrag gelangen, ohne daß der sterbende Leib es noch auszudrücken vermag! Du sagst: O, der ist so friedlich gestorben und hat doch auch nichts geglaubt! Du irrst dich. Im Sterben weiß jede Seele, daß Gott ist! Im Sterben weiß jede Seele, wer Christus ist! Im Sterben weiß jede Seele, wer sie selbst ist! Sterben ist das Ende aller Selbsttäuschung. Solche, die im Sterben lagen und wieder zum irdischen Leben zurückkamen, haben es bezeugen müssen, wie sie in Blitzeshelle und mit Blitzesschnelle ihr ganzes Erdenleben vor sich gesehen und damit zu schauerlicher, aber heilsamer Selbsterkenntnis gelangt waren.

Die Welt der Ewigkeit ist die Welt der enthüllten Wahrheit.

Was wird also die Ewigkeit dem Menschen bringen, der Gottes rettende Liebe nicht gewollt hat?

O, die Ewigkeit wird diesem Menschen nur bringen, was er gewollt hat. Das heißt: Er wird drüben die Ernte seines Eigenwillens finden. Höre! Christus war auch für ihn der Weg. Aber der Mensch wollte Jesus Christus als Weg zum Vater nicht. Nun ist er in wegloser Gottesferne. Hat es Gott so gewollt? Nein, aber der Mensch wollte es ja so! Christus war auch für ihn die Wahrheit. Aber der Mensch wollte ja Christus als Wahrheit nicht! Nun ist er in der Qual des ewigen Irrtums. Hat es Gott so gewollt? Nimmermehr! Gott will, daß jeder Mensch zur Erkenntnis der Wahrheit komme. Aber der verblendete Mensch wollte es so! Nun hat er seinen Willen. Christus war auch für ihn das Leben. Aber der Mensch wollte Jesus nicht als sein Leben, sondern verblieb im eigenwilligen Selbstleben. Nun ist er in der Ewigkeit ohne ewige Lebensgemeinschaft mit Christus und Gott. Hat es Gott so gewollt? Niemals! Aber so war es ja des Menschen Wille! Christus war auch für ihn das Licht. Aber der Mensch liebte ja die Finsternis mehr als das Licht; denn seine Werke waren böse. Nun ist er in der Ewigkeit in der äußersten Finsternis. Hat es Gott so gewollt? Nie und nimmermehr! Aber der Mensch hat es ja so gewollt! Und Christus war auch für ihn die Tür, die Tür hinein in das Reich Gottes. Aber der Mensch wollte ja durch diese Tür nicht eingehen. Nun ist er draußen! Hat es Gott so gewollt? Keineswegs! Aber der Mensch hat es so gewollt!

Siehe, so wird Gott den Nichtwollenden geschehen lassen nach ihrem Willen! Siehe, so respektiert Gott in Ewigkeit den freien Willen seiner Menschengeschöpfe! Nun weißt du, was Hölle sein wird: Die Ernte seines Eigenwillens, das wird in der Ewigkeit des Menschen Hölle sein! Und die Ernte des Willens Gottes, das wird in der Ewigkeit aller Gottwilligen Himmel sein!

Die einen erleben das Feuer der göttlichen Liebe als Seligkeit des Himmels, die andern erleben dasselbe Feuer als Qual der Hölle. Gott aber ist und bleibt in alle Ewigkeit Liebe. Geheiligt sei und bleibe sein Name!

Nun noch ein Letztes.

Geliebte Seele, du könntest jetzt seufzen: „Ich will ja, aber ich kann nicht!“ Siehe, da möchte ich dir noch einen recht wohltuenden Liebesdienst erweisen, nämlich dir sagen: Gott erwartet von dir keine Kraft. Er weiß, daß du von dir selbst aus nicht fähig bist, zu können, was er will. Du bist wie ein Mensch, der mit gebrochenen Gliedern am Boden liegt. Wenn ich dem gebieten würde: „Stehe auf!“, so könnte er mit Recht jammern: „Ich kann nicht!“ Kämen aber zwei starke Männer mit einer Tragbahre und fragen: „Wollen Sie, daß wir Sie ins Spital tragen?“, so wäre es grundfalsch, wenn er weiter jammern würde: „Ich kann nicht!“ Denn die Träger können, und er braucht nur zu wollen. So steht Jesus vor dir, dem gebrechlichen Sünder. Er kann. Darum fragt er dich nicht, ob du kannst, sondern ob du willst. Und nie hat er gesagt: „Ihr habt nicht gekonnt, sondern ihr habt nicht gewollt!“ Eben, weil er für alle kann. So will er von dir erbitten deinen Willen, und du sollst von Ihm erbitten Seine Kraft. Denn indem Gott durch Christus mit dir will, kannst auch du durch Christus wollen, was Gott will.

Siehe, so muß recht gelingen dein: „Ich will!“

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