Bidenbach, Balthasar - Neujahrspredigt (1571)

Bidenbach, Balthasar - Neujahrspredigt (1571)

Text: Psalm 85.

Ein Psalm der Kinder Korah, vorzusingen. Herr, der du bist vormals gnädig gewesen deinem Lande und hast die Gefangenen Jakobs erlöst; der du die Missetat vormals vergeben hast deinem Volk, und all ihre Sünde bedeckt, Sela; der du vormals hast allen deinen Zorn aufgehoben, und dich gewendet von dem Grimm deines Zorns; tröste uns, Gott, unser Heiland, und lass ab von deiner Ungnade über uns. Willst du denn ewiglich über uns zürnen, und deinen Zorn gehen lassen immer für und für? Willst du uns denn nicht wieder erquicken, dass sich dein Volk über dich freuen möge? Herr, erzeige uns deine Gnade, und hilf uns. Ach, dass ich hören sollte, dass Gott der Herr redete, dass er Frieden zusagte seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht auf eine Torheit geraten. Doch ist ja seine Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne; dass Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen; dass Treue auf der Erde wachse, und Gerechtigkeit vom Himmel schaue; dass uns auch der Herr Gutes tue, damit unser Land sein Gewächs gebe; dass Gerechtigkeit dennoch vor ihm bleibe und im Schwange gehe.

Vielleicht ist heut der letzte Tag,
Den du noch hast zu leben.
O Mensch, veracht' nicht, was ich sag:
Nach Tugend sollst du streben.
Wie mancher Mann wird müssen d'ran,
Der hofft noch viel von Jahren,
Und muss doch heint, weil die Sonn' scheint,
Hinab zur Hölle fahren.

Darum, mein' Seel', sei stets bereit,
Tu' allzeit männlich wachen!
Wenn der Tod kommt zu dieser Zeit,
Will dir den Garaus machen,
So kannst du dich frei ritterlich
Mit ihm in Kampf begeben;
Ein' große Kron' trägst du davon,
Wenn er dir nimmt das Leben.

Das 1570. Jahr von der Geburt unsers lieben Herrn und Heilandes Christi gerechnet und nächst verschieden, ist ein namhaft Jahr und wird vor andern vielen einen Namen behalten bis an jüngsten Tag, nicht dass es so gut, sondern dass es bös gewesen. Denn ob es wohl besser, als wir um Gott verdient haben, so hat sich doch viel Unfalls in gedachtem Jahr begeben und sind mancherlei große Plagen eingefallen, die sich auch weit und breit an viel Orten der Welt ausgeteilt. Gegen Orient hat der grausame Erbfeind, der Türke, mit großer Macht die Insel Cypern angriffen und überfallen, und, wie zu befürchten, der Christenheit ein Königreich abgedrungen. Kehren wir uns gegen Occident (Abend), so hat im 70. Jahr nächsthin der langwierige und schwere Krieg im ganzen Königreich Frankreich noch gewährt und viel Leute gekostet. Sehen wir gegen Mittag, so haben sich in Italien grausame und schreckliche Erdbeben begeben, dadurch viele Gebäude und Leute verfallen und große Angst und Schrecken unter dem Volke entstanden. Wenden wir uns gegen Mitternacht, so ist in Niederland solches Gewässer unversehens gekommen, dass es dieselbige Gegend weit und breit überschwemmt, an Land und Leuten, Vieh und Ware großen Schaden getan und also wohl einer halben Sintflut zu vergleichen.

Wir, die dazwischen liegen, haben im vergangenen Jahre große Missgewächse gehabt, daher beschwerliche Teuerung und gleich Hunger erfolgt, als diesem sonst reichen, fruchtbaren und von Gott Gott wohlgesegneten Land, auch dem ganzen schwäbischen Kreis und andern anstoßenden Ländern solche Teuerung entstanden, dergleichen bei Mannsgedenken und in vielen Jahren zuvor bei uns nicht erlebt oder erhört ist. Demnach man von wegen solcher verderblichen und schrecklichen Strafen und Plagen dieses Jahres vor andern bis zum Ende der Welt wohl wird zu gedenken haben. Nun geht ein andres und neues Jahr ein und hat das alte sein Ende; es haben aber die Strafen und Plagen noch kein Ende, und der liebe Gott weiß, wann und wie sie ein Ende nehmen werden. dass es allerdings und durchaus gut werde in der ganzen Welt, haben wir uns nicht zu getrösten. Denn es sind die letzten Zeiten, und wenn wir es sonst nicht wüssten, so müssten wir es doch bei diesen geschwinden und gräulichen Fällen und Zuständen abnehmen und erkennen. Denn wie Christus von den letzten Tagen geweissagt, es werden kommen Pestilenz und teure Zeit, man werde hören von Krieg und Kriegsgeschrei, die Wasserwogen und das Meer werden brausen, es werden geschehen Erdbeben und den Menschen so angst und bang werden, dass sie verschmachten und verzagen möchten. So wird die Welt zusehnlich und augenscheinlich je länger, je ärger und nimmt die Bosheit und Ungerechtigkeit überhand, die Liebe erkaltet und nimmt der Glaube ab. dass also die Prophezeiungen Christi und St. Pauli zumal erfüllt werden, je länger, je mehr. Denn also schreibt Paulus an Timotheus: Das sollst du wissen, dass in den letzten Tagen werden gräuliche Zeiten kommen; denn es werden Menschen sein, die von sich selbst halten, geizig, ruhmredig, hoffärtig, Lästerer, den Eltern ungehorsam, undankbar, ungeistlich, störrig, unversöhnlich, Schänder, unkeusch, wild, ungütig, Verräter, Frevler, aufgeblasen, die mehr lieben Wollust denn Gott, die haben den Schein eines gottseligen Wesens, aber seine Kraft verleugnen sie. Hier muss nun jedermann bekennen, die Frommen aber klagen's und beweinen's auch, dass es jetzt mit Gewalt also im Schwange geht und man St. Paulum zu keinem Lügner werden lässt, sondern es erfüllen die Gottlosen das Maß ihrer Sünden in oben erzählten und andern dergleichen Untugenden ganz wohl und überflüssig. Weil man sich nun von dem jüngsten Tag keiner Besserung bei der Welt zu versehen, sondern mehr Bosheit und Verkehrung (wo es je nicht aufs höchste kommen) zu besorgen, so kann man sich viel weniger versehen, dass es der Strafen und Plagen halber viel besser werde, sondern müssen größerer und schädlicher in Gefahr und Sorgen stehen. Bei der christlichen Kirche und unter dem Volk Gottes ist auch nicht jedermann fromm und eben diese Leute, davon Paulus sagt, sind in der äußerlichen Versammlung der Kirche mit eingemengt und nicht allein unter den Türken, Heiden und Abgöttern; ja von diesen bösen Geistern, die einen Schein wollen haben eines gottseligen Wesens, redet St. Paulus vornehmlich; denn was gehen uns die an, die draußen sind, 1. Kor. 5. Und die gleich nicht unter die gar Verworfenen und Gottlosen gehören, die haben doch in diesem letzten abnehmenden Alter der Welt auch ihre großen mancherlei Fehler und Gebrechen und können zu gemeinen Landstrafen ihres Teils auch wohl Ursache geben und mit in der Zeche sein. Wie es nun mit der gottlosen verdammten Welt und die mit Gewalt des Teufels sein will (für welche auch Christus nicht bittet Joh. 17), nicht kann gut werden, also wird es mit den christlichen Kirchen und ihren Angehörigen in dieser Welt nicht allerdings in guten, ruhigen, seligen Stand gesetzt, und alles zurecht mögen gebracht werden. Man muss aber tun wie mit einem alten baufälligen Haus; kann man das nicht gar ganz und gut machen, so flickt man doch daran, dass es nicht gar über den Haufen falle, und doch etliche Gemach erhalten bleiben, darinnen man wohnen könne. Desgleichen wenn man eine alte kranke Person nicht wieder jung noch gar gesund kann machen, so sieht man doch, wie man sie noch eine Zeitlang mit der Hilfe Gottes könne aufhalten und die Schmerzen mildern, damit doch die Krankheit etwas leidentlicher sei. Also, ob wir wohl dem Kirchen-, Polizei- und Hausregiment nicht durchaus werden helfen mögen, so muss man's doch etlicher maßen unterstützen und unterfahren, dass es nicht gar um und auf uns falle. Und können wir nicht alles Unglück abwenden, so muss man doch darauf bedacht sein, wie man's möge etwas mildern. Und sonderlich >was für Trost in aller Beschwernis dieser letzten Zeit und täglich vorfallenden Trübsalen wir haben mögen und sollen.

Das soll uns dieser 85. Psalm lehren, welcher ist ein Klagpsalm, ein Gebetpsalm, und dann auch ein Trostpsalm; und ob er wohl im Titel die Überschrift hat: „Ein Psalm der Kinder Korah“, so weiß man doch aus den Büchern der Chroniken, dass Jedutun, Assaph, Korah rc., deren Namen etliche Psalmen in der Überschrift haben, Davids Sänger und Komponisten gewesen, seine Kantorei in dem Tempel versehen und dem Gesang ausgewartet haben, auch die Psalmen, die David gemacht, auf besondere Weise komponiert und aufgesetzt auf besonderen Instrumenten geschlagen oder vorgesungen haben und nachdem sie einer Partei untergeben und befohlen worden, den Namen daher bekommen, dass sie Psalmen Assaph oder Korah heißen. Es ist aber David selbst, oder vielmehr der Heilige Geist der rechte Meister, von dem sie alle herkommen, wie auch die Evangelisten, Apostel und Christus selbst dieselben alle ohne Unterschied anziehen und sie dem heiligen Geiste zuschreiben.

Es scheint aber, dass dieser Psalm gemacht worden zu einer Zeit, da es beschwerlich und gefährlich in Israel gestanden, wie denn oft auch zu Davids Leb- und Regierungszeiten sich dergleichen zugetragen. Denn obwohl David ein frommer gottseliger König und ein Mann nach dem Willen Gottes war, jedoch so hatte er seine Mängel und Gebrechen auch und tat große und schwere Fälle. Desgleichen obwohl die Religion und Gottesdienst zur selbigen Zeit wohl angerichtet und löblich bestellt waren, auch Gottes Wort im Schwange ging, so hatte dennoch das Volk Gottes, wie gemeiniglich geschieht, da auch die Lehre am reinsten und Gottes Wort am reichsten, seine große und mancherlei Sünde, welche Gott an den Seinigen ebenso wenig und etwa weniger denn an den Heiden vertragen kann und kommt daher, wie die Schrift sagt, dass das Gericht gemeiniglich anfängt am Haus Gottes.

So hat nun David erlebt, dass Zicklag, die Stadt, welche Achis ihm, dem David, zu bewohnen eingegeben, von den Amalekitern überfallen, geplündert, verbrannt, auch Weib und Kind, darunter auch David die Seinen hatte, daraus weggeführt wurden; dass die Philister Israel schlugen. Saul und seine Söhne und viel Volks tot blieb, und ein groß Blutvergießen geschah. 1. Sam. 31. Er hat erlebt zwo Aufruhre in Israel, da sein eigner Sohn Absalom das Volk an sich hängt, den Vater aus dem Königreich verjagt und ihm nach dem Leben trachtet, und obwohl David wieder einkommt, so kostet es doch manchen Mann und viel Blut. Die andern erweckt einer seiner Untertanen, Saba, und macht einen solchen Lärm und Schrecken, dass David selbst mit großen Sorgen sagt: Nun wird uns Saba mehr Leids tun, denn Absalom. Er hat erlebt die geschwinde und grausame Pestilenz, dass in dreien Tagen starben 70.000 Mann im Königreich Israel. Er hat erlebt eine harte beschwerliche Teuerung, welche drei Jahre aneinander währet und das Land dermaßen drückt, dass David seines Rats nicht weiß, sondern muss das Angesicht des Herrn suchen und ihn fragen, womit man's sonderlich verschuldet, und wie es zu wenden. Das sind nur etliche und nicht alle Strafen und Plagen, die innerhalb wenig Jahren über Israel gegangen. Denn David ist 70 Jahre alt worden und hat regiert 40 Jahre und sind die oben erzählten Heimsuchungen fast alle in die 40 Jahre seiner Regierung geraten und gemeine Landstrafen gewesen. Jetzunder zu geschweigen, was David sonst für besondere Beschwerden und heimliche Anliegen und Anfechtung gehabt, davon er im 73. Psalm sagt: Herr, ich bin geplagt täglich und meine Strafe ist alle morgen früh da. Wie hält sich nun David in dem allem? Nach herzlicher wahrer Reue und Leid über die Sünde, tut er sein Gebet zu Gott und schreit zu ihm: Tröste uns, Gott unser Heiland, nun lass ab von deiner Ungnade über uns! Herr, erzeige uns deine Gnade und hilf uns! Warum darf David solches von Gott bitten und sich noch einer Gnade zu ihm versehen? Herr, du bist vormals gnädig gewesen deinem Land und hast die Gefangenen Jakobs erlöst. Ja, Herr, es hat dein Volk zuvor mehr gesündigt, auch in der Wüste, mit Abgötterei, mit fremden Weibern, Ungeduld, Murren und Ungehorsam, und du hast sie gestraft mit dem Schwert, mit den feurigen Schlangen, mit jähem Tod und in andre Wege, dass unter 60 000 Mann, die aus Ägypten ziehen, nur zwei in das gelobte Land kommen; die andern sind niedergeschlagen in der Wüste und in vierzig Jahren darauf gegangen. -

Zur Zeit der Richter hat man auch gesündigt mit Abgötterei und andern Sünden; du hast abermals gezürnt und gestraft, und dein Volk verkauft in die Hände ihrer Feinde, die sie gezwängt und bedrängt und wohl gemartert, etwa manch und viel Jahr. Du hast vormals auch Teuerung und Hunger lassen kommen ins Land, dass etliche von Haus und Hof, von Hab und Gütern gezogen sind und haben sich an andern Orten in der Nachbarschaft niedergelassen. „Aber, Herr, du hast auch die Missetat vormals vergeben deinem Volk und alle ihre Sünde bedeckt. Du hast vormals allen deinen Zorn aufgehoben und dich gewendet von dem Grimm deines Zorns. Ja, Herr, du hast nicht ewiglich gezürnt (Ps. 103) und in deinem Zorn hast du deiner Barmherzigkeit nicht vergessen, Hab. 4. Du hast die Sünde deines Volkes geworfen in die Tiefe des Meeres, Mich. 7, und bist deinem Volk wieder gnädig worden. Du hast die Gefangenen Jakobs erlöst, nicht allein aus Ägypten, sondern sie auch aus der Wüste geführt in das verheißene Land, und hast du sie etwa ihren Feinden verkauft, so hast du ihnen doch allewege einen Helden und Heiland erwecket und geschickt, der das Joch gebrochen und sie wieder frei gemacht hat. Du hast auch dein Volk wieder heimgesucht und ihnen Brot gegeben, dass die Verscheuchten wieder aus der Fremde in ihr Vaterland und zu ihrem Volke kommen sind rc. Herr, wir haben auch gesündigt und haben deinen billigen Zorn und gerechte Strafe wohl verdient! Aber, Herr, willst du ewiglich über uns zürnen und deinen Zorn gehen lassen immer für und für? Willst du uns denn nicht wieder erquicken, dass sich dein Volk über dich freuen möge? Ach, dass ich sollte hören den Herrn reden, der sein Angesicht eine Zeitlang vor uns verborgen, und uns nicht überantworten wollen und dass er mit uns redet nicht in seinem Zorn, sondern von Frieden sagt und den selbigen zusagt seinem Volk und seinen Heiligen, auf dass sie nicht auf eine Torheit geraten, sich ärgern, kleinmütig werden, in Unglauben fallen, und gedenken, es sei kein Gott, der sich ihrer annimmt, oder wider Gott murren, lästern und zuletzt gar verzagen.

Ob nun Gott mit uns also werde reden und Frieden zusagen, kann ich nicht wissen, wenn ich uns ansehe und bedenke, wie der Bösen mehr als der Frommen, und dass unsre Sünde und Undankbarkeit groß und solches Segens nicht wert; jedoch so kann es auch nicht gar fehlen, oder allerdings nicht sein. Denn es ist ja des Herrn Hilfe nahend denen, die ihn fürchten, dass in unserm Lande Ehre wohne. Es hat Gott dennoch etliche im Lande, die ihn fürchten, und um deren willen, wie wenig ihrer auch sind, wird er uns seine Hilfe lassen erscheinen. Und obwohl die Heiligen haben abgenommen und der Gläubigen wenig sind unter den Menschenkindern, so hat doch Gott deren. etliche ihm vorbehalten und um ihretwillen wird er verschaffen, dass in unserm Lande Ehre wohne. Was ist aber des Landes höchste und seligste Ehre? Wenn es hat Gottes Wort, die rechte Religion und reinen Gottesdienst und das Volk weiß, wie es Gott recht anrufen und ihm dienen und was es sich zu ihm versehen, auch wie es dort ewig selig werden soll. Das rühmet Moses selbst für die größte Ehr' des Volkes; wo ist so ein herrlich Volk, zu dem die Götter also nahend sich tun als der Herr, unser Gott, so oft wir ihn anrufen? Desgleichen erkennet und preiset es auch David: So tut er keinem Volk, dass er sie seine Rechte ließe wissen, wie Israel rc. -

Und wohl dem Volk, des der Herr sein Gott ist! Die nächste Ehr' des Landes ist, wenn man hat gute Regenten und die Regierung allenthalben wohl bestellt, angerichtet und geordnet ist, Gericht und Gerechtigkeit im Frieden geschafft und gehandhabt wird. Das erkennet die Königin von Mittag und rühmet es an Salomos Untertanen und sagt ihm, dem König, unter die Augen, ohne Heuchelei, sondern in ihrem Herzen dessen überzeugt: Selig sind deine Leute und deine Knechte; gelobet sei der Herr, dein Gott, der zu dir Luft hat, dass er dich auf den Stuhl Israel gesetzt, darum dass der Herr Israel lieb hat ewiglich rc. Es ist auch des Landes. Ehre, wenn Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen. Das ist und geschieht, wenn die Untertanen gottselig, gehorsam und ehrlich unter beiden Regimenten leben und gegeneinander sind wahrhaftig, redlich, friedlich und freundlich, einander geben und tun, was sie schuldig, und ein jeder dem andern lässt widerfahren, was er gern von demselbigen hätte, und dass man einander also unter Augen gehe und begegne zu beiden Teilen und tue es über den Zaun und wieder herüber im Kaufen, Hantieren, Leihen, Zahlen, Raten, Helfen rc. Denn das heißt begegnen und sich miteinander küssen, dass auch Treue auf Erden wachse, Ehrbarkeit, Wahrheit, Treue und Glauben zunehmen, im Schwange gehe und unverhindert bleibe; und dann die Gerechtigkeit vom Himmel schaue und solche Leute schütze und schirme vor dem Bösen. Denn wenn Gott den Boshaften verhängt über die Frommen und sie die Oberhand gewinnen, die Frommen plagen und zermalmen, so bedünkt uns, die Gerechtigkeit habe ihr Angesicht verborgen und abgewandt und schaue nicht vom Himmel. In dem Land aber wohnet Ehre, da Gott vom Himmel schaut und ein solch Einsehen hat, dass die Frommen vor den Bösen bleiben können. Endlich ist auch das des Landes Ehre, wenn Gott demselbigen Gutes tut und gibt guten Frieden, gute gesunde Luft, fruchtbare Jahre, dass das Land sein Gewächs gut und dessen viel gibt, und man im Frieden bei gesundem Leib die Nahrung haben mag, sich wohl bessert, aufgeht und zunimmt. Und in einer Summa, so wünschet und bittet David von Gott, wie der Mann Gottes und Psalmenfreund Luther hier bei diesem Text vorgezeichnet hat, dass es löblich zugehe und die Leute fromm seien gegeneinander.

Bei dem allem steht uns zu bedenken, dass wenn David anschaut seine und des Volkes viele und große Sünde, wie man gegen die Guttaten Gottes so undankbar, unter seinen Heimsuchungen so ungeduldig und allenthalben so unbußfertig, roh und sicher, dass er nicht gewiss schließen kann, dass Gott werde Frieden zusagen und geben. Aber dennoch darf David noch bitten, Gott wolle von seiner Ungnade ablassen, die Seinen wieder erquicken und dem Land seine Ehre geben. Er schöpft und fasst auch deshalb noch gute Hoffnung aus zwei Ursachen:

Erstlich, dass Gott gnädig sei, barmherzig und von großer Güte, ja ein Vater der Barmherzigkeit, und dass das sein Name sei von alters her, da er zuvor oft gnädig gewesen, sich gewendet von seinem Zorn und sich bald lassen gereuen die Strafe und des Unglücks, das er über sein Volk geführt und kommen lassen, und dass er sich selbst nicht können oder werde, wie in andern auch in diesem Fall, nicht gegen die Seinen verleugnen. Wie auch David derhalben auf sich und seine Nachkommen eine Verheißung hatte, wenn sie würden sündigen, so wolle Gott gleichwohl ihre Sünden heimsuchen mit Menschen, Ruten und zeitlichen Plagen; aber seine Barmherzigkeit wolle Gott nicht von ihnen nehmen, wie er sie Saul entwendet hatte.

Die andre, dass dennoch noch etliche Gottesfürchtige und Heilige auf Erden, welchen Gottes Hilfe müsse nahe sein, die auch bei Gott dermaßen angesehen, dass Gott umgehe Gerechter willen, wo sie gefunden werden, Sodom und Gomorrha wollte verschont haben. So stand dagegen ihrethalben die Gefahr darauf, dass Gottes Zorn also fortgehen und insgemein jedermann und immerdar treffen sollte, dass solche Heiligen in Torheit, Ärgernis und Zweifel an Gott, seiner Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit, möchten geraten, wie denn David gar nahe selber geschehen, dass sein Fuß in dieser Ärgernis ward geglitscht und auch bei den Frommen und Heiligen gewiss solche Gedanken und Anfechtungen nicht ausbleiben, wie David von sich selber bekennt Ps. 73.

Hieraus und aus angeregten Ursachen wird David wiederum guter Hoffnung, Gott werde solche seine Heiligen nach seiner väterlichen Treue nicht lassen versucht werden über ihr Vermögen, sondern sie wieder trösten und erquicken, dass sie sich über ihn erfreuen mögen. Das sind aber dem David die rechten Heiligen, die Gott fürchten. Und die rechten Heiligen auf Erden, die fürchten Gott, wie Pred. 34 sagt: „Fürchtet Gott, den Herrn, ihr seine Heiligen“ rc. -

Bei dieser seiner Hoffnung ist David nicht zu Schanden worden, denn hat er schon die obgesagten Plagen, die über Gottes Volk gegangen und deren ein groß Teil war, alle erlebt, so hat er doch auch erlebt, dass sie ein seliges Ende erreicht, und der treue Gott ein solches Auskommen gegeben, dass es wieder gut darauf geworden und widerfuhr Israel mehr Gnaden und Segen von Gott, als David wünschen oder bitten, oder sich zu Gott versehen und hoffen durfte, nachmals aber dasselbe dankbar erkannte, sich selbst und Israel zur Dankbarkeit ermahnte und anhielt, und sagte hernach im 103. Psalm: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen, der dein Leben vom Verderben erlöst, der dich krönet mit Gnade und Barmherzigkeit. Er handelt nicht mit uns nach unsern Sünden und vergilt uns nicht nach unsrer Missetat. So fern es vom Morgen ist bis zum Abend, lässt er unsre Übertretung von uns sein. Wie sich ein Vater über seine Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten. Und im 147. Psalm: Treu sei Jerusalem dem Herrn; lobe, Zion, deinen Gott, denn er macht fest die Riegel deiner Tore und segnet deine Kinder drinnen. Er schaffet deinen Grenzen Frieden und sättigt dich mit dem besten Weizen rc. Und wie ihm die beschwerliche und gefährliche Zeit haben Ursache gegeben zu vielen schönen und andächtigen Gebetpsalmen, also hat ihm die Erlösung und erfolgter Trost und Segen zu vielen schönen, herrlichen Dankpsalmen Stoff und Anlass genug gegeben, wie wir es in den selbigen ewiglich finden; sonderlich aber ist es zu Salomos Zeiten und unter desselbigen Regierung mit dem Volk Gottes wiederum so viel besser geworden, dass zu selbiger Zeit kein Krieg über Israel ergangen, sondern man guten Frieden gehabt und der Nahrung halber also beschaffen gewesen, dass des Silbers so viel zu Jerusalem war, wie Steine auf den Gassen. Also ist ja kein Zweifel zu haben, und bedarf nicht viel Beredens, sondern man muss erkennen und bekennen, dass Gott auch mit uns zürne, und wer nicht gar ein Unchrist und ganz verstockt, der muss es ja bei so vielem Elend und Jammer, der uns auf dem Hals liegt, merken und fühlen und möge hierauf wohl mit herzlichem Seufzen und Sehnen David nachsprechen und sagen: Ach, dass wir den Herrn sollten hören reden, dass er seinem Volk Frieden und Gutes zugesagt rc. Aber bei dieser Welt und ihrer Weise lässt es sich eher sagen als glauben, eher wünschen als hoffen, nachdem man wenig Besserung bei den Leuten spürt, sondern erleben und sehen muss, dass der größere Haufe je länger je ärger wird und dazu recht haben und ungestraft sein will. Nun droht Gott der Herr ganz ernstlich: Werdet ihr euch nicht bessern und bekehren, so will ich euch entgegen wandeln mit meiner gerechten Strafe und will's siebenmal ärger machen und noch siebenmal ärger und aber siebenmal ärger, bis ich euch vertilge und ausreute! Da uns nun dergleichen auch widerführe, könnten wir über Gott nicht klagen, sondern müssten bekennen, dass wir das alles und die ewige Verdammnis dazu mit unsern Sünden wohl verschuldet haben, und müssen allbereit mit Jeremias bekennen: Es ist Gottes Güte schuld, dass wir nicht gar verderbt und aufgeräumt sind. Jedoch wollen wir an Gottes Güte und Hilfe nicht gar verzagen, sondern mit David die Hoffnung haben, es möge besser und leidentlicher werden, wenn nicht durchaus und in allen Enden und in allen Stücken, doch etlicher maßen. Und die Hoffnung wollen wir uns machen und nehmen nicht vom großen, unbußfertigen, ruchlosen Haufen, sondern von unserm treuen Gott und Vater und aus dankbarem und getröstetem Herzen sagen: Herr, du bist vormals auch gnädig gewesen unserm Lande zu Kriegszeiten, zu Sterbenszeiten, zu Teurungszeiten; und hast uns schon mit diesen Ruten heimgesucht, so hast du uns doch erfahren lassen, was der Psalm sagt: Sein Zorn währet einen Augenblick, und er hat Lust zum Leben rc. Herr, so wollest du jetzund auch nicht ewig zürnen, sondern eingedenk sein deiner Barmherzigkeit und uns wieder trösten und erquicken, dass wir uns über deiner väterlichen Güte und reichen Segen freuen mögen. Wir wollen uns auch dessen trösten, dass, obwohl der Sohn Gottes, wenn er wieder kommt, nicht viel Glauben auf Erden finden wird, und es sich leider augenblicklich dazu anlässt, dass er dennoch seine Heiligen und, die ihn fürchten, noch unter uns habe. Und ist schon bei uns und unter uns auch Sünde und Gebrechen, so haben wir doch den Vorteil vor den Abgöttischen und Ungläubigen, weil Gottes Wort lauter und rein bei uns gepredigt, die Sakramente nach der Ordnung Christi gebraucht und Gott recht angerufen wird, so kann es nimmer fehlen, es muss Gott eine Kirche bei uns haben, und, ist schon in derselben äußerlichen Versammlung nicht jedermann fromm, so hat und kennt doch der Herr die Seinen, und die rechten auserwählten Kinder Gottes, die wird der Herr nicht lassen auf eine Torheit geraten und um ihretwillen auch andre verschonen und Gutes tun. Hierauf wollen wir gern und von Herzen unsre Sünden vor Gott und, dass wir seinen Zorn und Strafe in allen Teilen wohl verdient haben, erkennen und bekennen, und mit dem Propheten Micha sagen: „Ich will des Herrn Zorn tragen, denn ich habe ihm gesündigt.“ Und mit dem Propheten Daniel, „Herr, wir haben gesündigt und sind gottlos gewesen, wir und unsre Väter, König, Propheten und alles Volk.“ Daher trifft uns auch der Fluch. Ja, Herr, du bist gerecht, aber wir müssen uns schämen. Jedoch liegen wir vor dir mit unserm Gebet, nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit. Herr, hilf und tue es um deiner selbst willen, denn dein Volk ist nach deinem Namen genannt rc. Sonderlich wollen wir dem gehorchen, zu welchem David hier sein Gebet tut, und nennet ihn Gott, unsern Heiland; und ist kein andrer, als der David verheißene und ist jetzund 1571 Jahre, dass er geleistet, auf diesen Tag beschnitten, und des Namens Jesus genannt worden, darum, dass er sein Volk soll erlösen und selig machen von seinen Sünden, von welchem auch Simeon nachmals sagt und bekennt: „Meine Augen haben deinen Heiland gesehen,“ und David lang zuvor im Geist ihn sieht und anspricht: „Du hast mich erlöst, du treuer Gott!“ (Ps. 31.) Es ist auch in keinem andern Heil und ist auch kein andrer Gott des Heils, denn dieser unser Heiland Jesus Christus. Den wollen wir anrufen und in seinem Namen den Vater, dass er mit dem alten Jahr seinen alten Zorn und die alte Schmach seiner Christenheit wolle ablegen, dass seine arme Christenheit nicht ewig die Schmach tragen und von den Heiden und Ungläubigen hören müsse: „wo ist ihr Gott?“, dass sie nicht immer sei und bleibe unter den Gottlosen und Abgöttern, eine Fabel und Sprichwort und über die man das Maul aufsperre, sondern wolle nun seinen Zorn gehen lassen und ausstoßen über die Heiden, die ihn nicht kennen und seinen Namen nicht anrufen. Uns aber wolle er wieder trösten und erfreuen, seinem Volk Frieden zu setzen und unserm Land seine Ehre wieder geben und beständiglich darinnen wohnen lassen; ja die Ehre, dass man sage: „Da ist Gott, da wohnet Gott; da hat man Gottes Wort lauter und rein, da steht es wohl in der Polizei; da geht es recht zu; da lebt man gottselig, ehrbarlich, friedlich, nüchtern und bescheiden“ rc. Er wolle auch unserm Land, wie zuvor, mehr Gutes tun, dass die Erde ihre Früchte und Gewächse reichlich gebe und wir dieses seines väterlichen milden Segens im Frieden bei gesundem Leib dankbarlich genießen mögen und ein still, ehrbar, christlich Leben führen in aller Gottseligkeit. Und ist kein Zweifel, wenn dies Gebet aus rechtem, bußfertigem, gläubigem Herzen werde herfließen und bei Gott streng anhalten, es werde der treue Gott, der Gott unser Heiland, der vormals so oft und viel gnädig gewesen, solch Gebet ansehen und erhören. Denn es bleibt ja dabei, dass der Heilige Geist in diesem Psalmen schließt und sagt: Doch ist ja des Herrn Hilfe nahe denen, die ihn fürchten, dass in unserm Land Ehre wohne. Der werde uns auch auf unsre Buße und Besserung seine Hilfe dermaßen erscheinen lassen, dass er uns mehr gebe, als wir von ihm bitten und hoffen dürfen, und wir ihn hierüber nicht allein in diesem angehenden neuen Jahr, sondern für und für, die Tage unsers Lebens und dort in alle Ewigkeit zu loben, zu preisen haben. Amen.

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