Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 61. Beicht- und Abendmahlsandacht.

Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 61. Beicht- und Abendmahlsandacht.

1 Kor. 11, 23-32.

„Ich habe es von dem Herrn empfangen, dass ich euch gegeben habe. Denn der Herr Jesus in der Nacht, da er verraten ward, nahm er das Brot, dankte und brach's und sprach: Nehmt, esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird; Solches tut zu meinem Gedächtnisse. Desselbigen gleichen auch den Kelch nach dem Abendmahle und sprach: Dieser Kelch ist das Neue Testament in meinem Blute; Solches tut, so oft ihr's trinkt, zu meinem Gedächtnis. Denn so oft ihr von diesem Brote esst und von diesem Kelche trinkt, sollt ihr des Herrn Tod verkündigen, bis dass er kommt. Welcher nun unwürdig von diesem Brote isst oder von dem Kelch des Herrn trinkt, der ist schuldig an dem Leibe und Blute des Herrn. Der Mensch prüfe aber sich selbst und also esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche. Denn welcher unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt ihm selbst das Gericht, damit, dass er nicht unterscheidet den Leib des Herrn. Darum sind auch so viele Schwache und Kranke unter euch, und ein gut Teil schlafen. Denn so wir uns selbst richteten, so würden wir nicht gerichtet. Wenn wir aber gerichtet werden, so werden wir von dem Herrn gezüchtigt, auf dass wir nicht samt der Welt verdammt werden.“

Ich soll mich selbst richten. Dazu ist eine Untersuchung, eine Prüfung meiner Selbst notwendig. Der Mensch prüfe sich selbst, und also esse er von diesem Brote und trinke von diesem Kelche. Mein Heiland mag mir helfen zur Selbstprüfung im Lichte Seines Bildes!

In unserm Gemüte sind tiefe Abgründe. Sie liegen im Dunkel; darum durchschauen wir sie nicht und sehen auch nicht, was darinnen ist. Wenn aber das Bild Christi hineinleuchtet, dann werden ihre Tiefen erhellt, und es wird uns klar, was darinnen ist, und wir erschrecken darüber.

Das ganze Bild Christi ist aber zu reich. Darum will ich mich heute weisen lassen an die Nacht, da Er verraten ward und es betrachten, soweit es aus jener Nacht mich anblickt und in mich hereinblickt. Christus beginnt in jener Nacht Seine Liebesergießung mit den Worten: „Mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich leide.1) Er sah im Geist all den Segen voraus, den Sein Bundesmahl stiften würde. Weit hinaus sah Er über den Kreis Seiner damaligen Jünger. Und wie Er in Seinem hohenpriesterlichen Gebete spricht: ich bitte nicht allein für sie, sondern auch für die, so durch ihr Wort an mich glauben werden,“2) so hat Er bei der Stiftung des heiligen Abendmahles die Christen aller Zeiten, also auch uns auf Seinem Herzen getragen. Nun begreifen wir vollständiger das Wort: Mich hat herzlich verlangt, dies Osterlamm mit euch zu essen; dies Osterlamm, nach dessen Genuss er unmittelbar das heilige Abendmahl einzusetzen bestimmt hatte. Das Verlangen, von dem Er spricht, ist ein Verlangen nach der Beseligung der Menschheit. Und dieses Verlangen richtet uns. Oder verlangt dich auch so herzlich, segensreich zu wirken, ehe du leidest? ehe es Nacht für dich wird? Kannst du im Angesicht großer Leiden so dich selbst vergessen und im Segenstiften leben? Und wenn du es weißt, dass du für deine letzten Stunden nicht einstehen kannst, müsstest du nicht umso mehr die Gegenwart zum Segnen benutzen? Und weil du nicht weißt, wann deine letzte Stunde kommt, müsstest du dich nicht jetzt schon als einen Sterbenden betrachten? Aber hast du Alles auch nur in Angriff genommen, was du Heilsames zu tun hast? Und weil die Zeit deines Zusammenseins mit deinen Brüdern und deines Einwirkens auf sie auch von ihrem Leben abhängt: müsstest du dich nicht als einen Sterbenden unter Sterbenden ansehen? Aber du schiebst den Dienst der Liebe auf, und ehe du ihn geübt, stirbt dein Nächster dahin. O lerne von Christus die Zeit deines Zusammenseins mit deinen Brüdern benutzen und erkenne, wie du sie bis jetzt vergeudet hast. Erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast.“3)

Blicke weiter in jene Nacht, da Er verraten ward, und siehe, wie Er den Rangstreit unter Seinen Jüngern dadurch schlichtet, dass Er ihnen die Füße wäscht und die Lehre hinzufügt: „Der Vornehmste soll sein wie ein Diener.“ Hast du nie deine Vorzüge gebraucht, vor deinen Brüdern zu glänzen? Hast du sie gebraucht als von Gott dir anvertrautes Pfund? Hast du sie zum Dienen gebraucht? - Erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast!

Blicke weiter in jene Nacht, und siehe, wie Er den Judas ertragen kann in Seiner Nähe, ob's möglich wäre, ihn noch zu bekehren. Aber Judas geht hinaus in die Nacht, Ihn zu verraten. Der Herr weiß es. Aber was hören wir aus Seinem Munde? „Nun ist des Menschen Sohn verklärt!“ Siehe, Er erkennt in Seinen Leiden Seine Verklärung. Wie sehen wir unser Leiden an? Als ein Unglück will es uns scheinen, trotz der Belehrungen des heiligen Wortes, und nicht als die Schule der Läuterung und Stärkung. Und das trotzige und verzagte Herz murrt am Wasser der Trübsal, das nur ein verhüllter Freudenquell ist. Erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast.

Siehe weiter, wie Christus in jener Nacht von allen Jüngern verlassen wird und doch die Liebe zu ihnen behält. Er zitterte und bebte und hätte so gern gesehen, dass sie bei ihm geblieben wären. Aber Er musste seufzen: Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen? Wollt ihr nun schlafen und ruhen? Siehe, er ist da, der mich verrät. Seht, wie sie bei Seiner Gefangennahme fliehen; wie Keiner bei Ihm ist, als das Todesurteil über Ihn gesprochen wird, und wie Petrus Ihn verleugnet. Und doch hat Er die Liebe bewahrt. Zu den Häschern spricht Er: Wen sucht ihr? Ich bin‘s. Sucht ihr mich, so lasst diese gehen. Zu Petrus spricht Er schon vor der Verleugnung, aber die Verleugnung voraussehend: Ich habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre; wenn du dich dermaleinst bekehrst, so stärke deine Brüder! Und nach der Verleugnung hat Er für ihn nur jenen traurigen Blick, der eben so sehr die tiefste Liebe, als den strafenden Ernst ausdrückt, eben so hoffnungsvoll als klagend ist. Was tun wir? Wir zerfallen mit unseren Freunden, wenn sie nicht unter allen Umständen treu sind. Verlassen sie uns in der bangen Stunde, so geben wir sie auf. Wir sehen nicht den verborgenen Kern, der dennoch in ihnen ist, obwohl sie gegen uns fehlten, den Kern der Liebe, der dennoch wieder keimen und Frucht bringen kann zu seiner Zeit durch Gottes Gnade zu unserer Freude. Erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott gesündigt hast.

Und nun tu' zu deiner Buße noch einen Blick in das hohepriesterliche Herz deines Heilandes. Lies Sein hohepriesterliches Gebet.4) In der Nacht, da Er verraten ward, im Angesicht Seines Todesleidens hat er für die Seinen und für die geistigen Nachkommen der Seinen in Ewigkeit gebetet. Dieses Gebetes Innigkeit und Tiefe hat noch kein Mensch ausgekostet; aber je öfter du es liest, desto mehr spürst du von der göttlichen Liebe und heiligen Andacht, die jedes seiner Worte gebar und durchleuchtete. Es ist ein Gebet für das Reich Gottes und wunderbar tröstlich für Alle, die hineinkommen mögen. Aber es ist zugleich eine Bußpredigt. Denn es richtet zugleich die Frage an dich: Betest auch du für das Reich Gottes? Trägst auch du die Kirche des Herrn betend auf deinem Herzen? Und ist dein Gebet auch gründlich, tief und innig? Du kennst als Christ die Kraft des Gebetes. Glaubst du nicht, dass du mit dem echt gläubigen Gebete die Kirche Gottes auf Erden fördern kannst? Du musst es glauben, wenn du nicht zerfallen willst mit der Schrift. Und doch trägst du nicht die Kirche betend auf deinem Herzen. Es gäbe weniger ungläubige und dürre Prediger, wenn sie unterstützt würden von den Gebeten der Gemeindeglieder. Die Gemeinden sind mitverschuldet an der Lauheit und dem inneren Tode ihrer Seelsorger. Betest du für deine Prediger? Betest du für sie aus innerstem Grunde des Herzens? Erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn deinen Gott, gesündigt hast.

Aber die Erkenntnis der Sünde genügt nicht. Das Wort „wir sind allzumal Sünder“ ist bei Manchen ein sehr kaltes Zugeständnis, bei Manchen sogar zu einer bloßen Redensart geworden. Wir müssen die erkannte Sünde verabscheuen, richten. Würdig, das heilige Abendmahl zu genießen ist nur, wer sich für unwürdig hält, vor Gott zu bestehen. So wir uns selbst richten, so werden wir nicht gerichtet. „Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewig wohnt, des Name heilig ist: der ich in der Höhe und im Heiligtum wohne, wohne bei denen, die zerschlagenen und demütigen Geistes sind, auf dass ich erquicke den Geist der Gedemütigten und das Herz der Zerschlagenen. Ich will nicht immerdar hadern, noch ewig zürnen!“5) „Die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist; ein geängstetes und zerschlagenes Herz, wirst du, Gott, nicht verachten.“6)

O ihr Mühseligen und Beladenen, kommt her zu Christo; Er will euch erquicken.

Mein Heiland nimmt die Sünder an,
Die unter ihrer Last der Sünden
Kein Mensch, kein Engel trösten kann,
Die nirgends Ruh' und Rettung finden.
Den'n selbst die weite Welt zu klein,
Die sich und Gott ein Gräuel sein,
Den'n Moses schon den Stab gebrochen
Und sie der Hölle zugesprochen,
Wird diese Freistatt aufgetan:
Mein Heiland nimmt die Sünder an!

Kommt her in die heilige, selige Freistatt, reuige Sünder. An Christi Sühnaltar eröffnen sich ihre Pforten! Siehe, im heiligen Abendmahle teilt Sich Christus selbst Dir mit, und wenn du Ihn würdig, d. h. in Buße und Glauben aufnimmst, so lebt Er in dir mit Seinem beseligenden Wesen. Wer Christum empfängt zum gedeihlichen Leben, wie kann der noch gerichtet werden? Das hieße ja Christum richten, der von ihm unzertrennlich ist. Wer demnach das heilige Abendmahl würdig genießt, der ist befreit vom Gericht. Er wird aber auch freier von den fortwährenden Ursachen und Gründen des Gerichts. Schon die Lust an der Sünde muss ihm vergehen. Er hat so viel Liebe empfangen; sollte er nicht Liebe geben? Er hat so viel Vergebung empfangen; sollte er nicht Vergebung üben?

Aber aus dem Genuss des heiligen Abendmahles fließt nicht bloß Lust, sondern auch Kraft zum Guten. Mit Christo ziehen alle Tugenden Christi ein. Wer Christum hat, der hat auch den Geist Christi. Ja, wir haben hier noch mehr. „Das ist mein Leib; das ist mein Blut!“ spricht Christus. Und der Apostel spricht: „Der gesegnete Kelch, welchen wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi?“7) Hier steht deutlich geschrieben, dass wir empfangen sollen Jesu Blut und Leib; und wenn derselbe Apostel sagt: „wer aber unwürdig isst und trinkt, der isst und trinkt sich selbst das Gericht damit, dass er nicht unterscheidet den Leib des Herrn!“ so möchte ich wissen, wie man hier ohne Künstelei den Leib des Herrn aus dem Abendmahl hinausdisputieren könnte. Drum will ich festhalten an der Lehre, dass ich den ganzen, ungeteilten geistleiblichen Christus im heiligen Abendmahl empfange.

Mein Leib ist unrein; meine Glieder sind durch Lüste entweiht! O Herr, durchdringe mich mit Deiner heiligen Leiblichkeit, dass mein Leib ähnlich werde Deinem verklärten Leibe! Mein Blut strömt in trüber, aufgeregter Wallung! Teile mir mit Dein lauteres Blut. Dann werde ich ein Blut haben, das in stiller, liebreicher Wallung durch meine Adern flutet. Die sündliche Leidenschaft wird sterben. Dein Blut, o Jesu Christe, macht mich rein von allen Sünden.

1)
Luk. 22, 15.
2)
Joh. 17, 20.
3)
Jer. 3, 13.
4)
Joh. 17.
5)
Jes. 57, 15. 16.
6)
Ps. 51, 19.
7)
1 Kor. 10, 16.
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