Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 31. Von der Anschaulichkeit des Christentums.
Im Christentum gründet sich Alles auf Tatsachen, und die einzelnen christlichen Lehren sind nicht bloß Lehren Christi, sondern auch Lehren von Christo. Man hat die christlichen Gedanken in die Dreiheit Gott, Tugend, Unsterblichkeit zusammenfassen wollen und in diesen Gedanken das Wesen des Christentums zu haben gemeint. Aber jene Gedanken schweben in der Luft, bis sie in anschaulicher Tatsächlichkeit lebendig vor unserer Seele stehen. Und für das Letztere sorgt das Christentum. Christus lehrt uns nicht bloß einen Gott, sondern zeigt ihn uns, und zwar in Sich. Wer mich sieht,“ sagt er, „der sieht den Vater.“1) Christus lehrt nicht bloß die Tugend, sondern lebt sie dar. Er wäscht seinen Jüngern die Füße und spricht dann: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, dass ihr tut wie ich euch getan habe.“2) Und vor Allem haben wir daran erkannt „die Liebe, dass er sein Leben für uns gelassen hat; und wir sollen auch das Leben für die Brüder lassen.“3) Auch den Gedanken der Unsterblichkeit hat Er uns nicht durch eine nackte Lehre gegeben; sondern Er ist auferstanden von den Toten, und durch Seine Auferstehung werden in den Seinen die Worte lebendig: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben!“4) „Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“5) „Vater, ich will, dass, wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast.“6) So predigen im Christentum lauter Tatsachen und alle Lehren nur auf deren Grunde. Alle Gedanken haben Fleisch und Bein. So allein sind sie anschaulich und wirksam. Wer das Menschenherz kennt, wird Solches begreifen. Gedanken aber ohne geschichtlichen Leib entfliehen und verflüchtigen sich wie wesenlose Schatten und Gespenster.