Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 20. Von der Versöhnung des Menschen mit Gott.

Beste, Wilhelm - Wegweiser zum inneren Frieden - 20. Von der Versöhnung des Menschen mit Gott.

Die Grundlehre unserer Kirche ist die von der Zurechnung des Verdienstes Christi und von der Annahme der Gläubigen zu Gnaden um Christi willen.

„Von diesem Artikel“ so heißt es in unseren Bekenntnissen1) - „kann man nicht weichen oder nachgeben, es falle Himmel und Erde.“ Es wird mir nicht mehr schwer, diesen Artikel zu glauben. Denk' ich mir die Menschheit vor und ohne Christus, so erscheint sie als ein Gegenstand des göttlichen Missfallens. Denn alle Menschen, außer Christus, sind Sünder. „Sie sind Alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist Keiner, der Gutes tue, auch nicht Einer.2)“ Seitdem der Sohn Gottes Mensch geworden, kann Dieses nicht mehr gesagt werden. Es ist ein Mensch da, welcher mit Gott im Einklange und ein Gegenstand Seines Wohlgefallens ist. Die Menschheit hat ein Mitglied, auf welchem das Wohlgefallen Gottes ruhen kann. Sie ist mit Gott versöhnt in Christo; wie geschrieben steht: „Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung3).“ Freilich muss anerkannt werden, dass die Vermittlung zwischen Gottheit und Menschheit zunächst nur in Einer Person vollzogen ist, nämlich in Jesu Christo. Aber diese Person kann nicht isoliert bleiben, kann nicht ein totes, in sich beschlossenes Dasein haben. Wir haben nicht einen toten, sondern einen lebendigen Christus. Christus ist Leben gebend. In Seinem Sohne sieht demnach der Vater den Bürgen einer neubelebten Menschheit. Auf Ihn schauend sieht Er nicht bloß Ihn, sondern alle Die, welche durch Ihn das Leben haben werden in Ewigkeit. Ihn, den Ahnherrn und Urheber einer neuen Welt, schaut Er mit dieser neuen Welt in Einem Blick zusammen. Die Menschheit ist Ihm wieder angenehm in dem Geliebten4). Himmel und Erde sind versöhnt durch den Mittler Jesus Christus.

Aber ist dadurch jeder Einzelne schon selig? Nein, die Versöhnungsanstalt ist wohl da; aber wer nicht in sie eintritt, genießt ihres Segens nicht. Ich denke an eine irdische Versicherungsanstalt. Je mehr sie von Land zu Land, von Stadt zu Stadt sich ausbreitet, desto mehr Länder und Städte sind in ihren Verband aufgenommen. Fasst sie Fuß in meiner Vaterstadt, so sage ich: Meine Vaterstadt hat sich der Versicherungsanstalt angeschlossen, ist mit ihr vereinigt. Wir haben eine Versicherungsanstalt. Ist dadurch jeder Einwohner schon versichert? Nein, nur der, welcher eintritt.

So ist wohl die Erde in den Verband mit dem Himmel aufgenommen durch Vermittlung Christi; aber jeder Einzelne, der im Verbande sein will, muss sich dem Mittler anschließen. Diesen Anschluss an Christus nennt die Schrift Glauben. Der Glaube ist demnach die Bedingung der Versöhnung mit Gott. Bin ich ohne Glauben, so ist Christus für mich vergeblich erschienen. Was kann mir Christus helfen, wenn ich mich Ihm nicht anschließe? Kann mir auch ein Arzt, und wäre er der beste, zu Etwas helfen, wenn ich ihn nicht annehme? Kann mir auch eine Schule, und wäre sie weltberühmt, förderlich werden, wenn ich nicht sie, sondern eine andere oder gar keine besuche? wenn ich kein Vertrauen zu jener habe?

Ist demnach wirklich das Heil in Christo, wie kann ich es erlangen, wenn ich an Christus nicht glaube, d. h. wenn ich mich Ihm nicht anschließe!

Oder sollte ich mich an der Zurechnung des Verdienstes Christi stoßen? Nein, dann müsste ich es auch verwerflich finden, dass die Siege und Triumphe des Heerführers den Bundesgenossen zu Gute kommen. Der Glaube ist ja nichts Anderes, als der Eintritt in den Bund mit Christus. Was das Bundesoberhaupt durch seinen vollkommenen Gehorsam bis zum Tode am Kreuz sich errungen hat, das gewährt er zum Mitgenuss seinen Bundesgenossen.

Ja, nur recht innig muss ich die Verbindung Christi und der Seinen fassen, um zu begreifen, dass von der Herrlichkeit Christi die Herrlichkeit der Seinen unzertrennlich ist. Ich muss sie erfassen als eine Korporation, als einen Leib, dessen Haupt Christus ist. So will es die Schrift. Sie spricht: „Wir sind Glieder Seines Leibes5).“ „Ihr seid der Leib Christi und Glieder, ein Jeglicher nach seinem Teil6).“ „Christus ist das Haupt des Leibes, nämlich der Gemeine7).“ Wie folgerecht knüpft sich daran die Wahrheit: „Und er ist Seines Leibes Heiland8)!“ Denn wer wird seinen eigenen Leib hassen? Wer wird ihn ausschließen vom Genuss seiner Güter? Nun weiß ich, dass zur Anteilnahme an Christi Verdienst und Herrlichkeit Alles allein darauf ankommt, dass ich gliedlich eingefügt werde in Seinen Leib, in die von Ihm begründete und in Ihm gipfelnde Korporation. Solches aber geschieht durch den Glauben; denn der Glaube ist nach Scrivers sinniger Erklärung „die Einverleibung des Christen in Christus.“ „So halten wir es nun, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben9).“ „Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es nicht aus den Werken, auf dass sich nicht Jemand rühme10).“ Aber ich weiß, dass, wenn ich durch den Glauben Christo einverleibt bin, Sein Geist in mir lebt und webt und wirkt. Dann tue. ich gute Werke, ja, dann bin ich Sein gutes Werk, als Seine neue, werkkräftige Kreatur. Darum sagt Paulus: „Wir sind Sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken11).“

1)
Die Schmalkaldischen Artikel, 2, 1.
2)
Ps. 14, 3
3)
2 Kor. 5, 19.
4)
Eph. 1, 6.
5)
Eph. 5, 30
6)
1 Kor. 12, 27.
7)
Kol. 1, 18.
8)
Eph. 5, 23.
9)
Röm. 3, 28.
10)
Eph. 2, 8. 9.
11)
Eph. 2, 10.
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