Bender, Ferdinand - Geschichte der Waldenser - Viertes Kapitel. Die Albigenser.

Bender, Ferdinand - Geschichte der Waldenser - Viertes Kapitel. Die Albigenser.

„Millionen wunde Herzen seh' ich bluten,
So viele Tränenströme seh' ich fluten,
Von frecher Willkür weit die Welt zerrüttet,
Der Menschheit Freudenschlösser rings verschüttet“.

Lenau: die Albigenser.

Der Süden Frankreichs war in Geistesbildung dem Norden vorangeeilt. Der schöne Himmel hatte auf Leben, Geist und Tätigkeit seiner Bewohner wohltätig eingewirkt; das Land war besser gebaut; das Volk, mit seiner reichen und wohlklingenden Sprache, war fleißiger und wohlhabender; seine Freiheit hatte durch den harten Lehensverband weniger als anderwärts gelitten. Feinheit, Sitte, Wissenschaft, Dichtkunst hatten ihren Sitz an den Höfen; eine freiere geistige Bewegung widerstrebte blinder Unterwerfung unter den Zepter der römischen Bischöfe.

Im zwölften und dreizehnten Jahrhunderte war das südliche Frankreich mit den verschiedenartigsten, gegen die herrschende Kirche sich auflehnenden Religionsparteien angefüllt. Vorzüglich aber waren es zwei Lehrbegriffe, welche sich - obgleich in ihrem Wesen gänzlich verschieden - mit gleicher Macht verbreiteten: der Manichäismus und die Lehre der Waldenser. Mani, oder Manes, hatte die persische Religion mit dem Christentum zu verbinden gesucht und Glaubenslehren aufgestellt, die von der Bibel wesentlich abwichen. Er nahm, wie die Perser, zwei Grundwesen an, ein gutes (das Licht) und ein böses (die Finsternis), deren Herrschaft durch die ganze Welt sich erstrecke, und behauptete, in ihm sei der von Christus verheißene Heilige Geist (Paraklet) erschienen. Seine Moral war streng. Die Seele sollte frei werden von den Fesseln des Körpers; daher drang er auf Ausrottung körperlicher Triebe, um den Geist zum Grundwesen des Lichts zurück zu führen. Mani und seine Anhänger ihm Manichäer genannt. hatten grausame Verfolgungen von Heiden und Christen zu ertragen; endlich fiel er dem Sassaniden Könige Sapor in die Hände, der ihn, i. J. 277 n. Chr., lebendig schinden ließ. Damit aber war seine Lehre nicht vertilgt; vielmehr griff sie in allen Ländern, die früher unter dem Zepter der römischen Imperatoren gestanden hatten, allmählig um sich. In der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts gelangte sie ins mittägliche Frankreich. Etwas später drang auch die Lehre des Peter Waldus in diese Gegenden. Sie fand bei hohen und Niederen bedeutenden Eingang, vermischte sich aber teilweise mit dem bereits weit verbreiteten Manichäismus. Aus dieser Verschmelzung des waldensischen und des manichäischen Lehrbegriffs ging das Glaubensbekenntnis der Albigenser hervor, sowie uns dasselbe die Schriften der Inquisitoren überliefert haben. Zur Zeit, als diese neuen Ideen sich mit reißender Schnelligkeit verbreiteten, saß Alexander III. auf dem päpstlichen Stuhl. Fr ließ die Lehre der Ketzer, welche nur mit der allgemeinen Benennung Albigenser abgeleitet von der Provinz Albigeois in Languedoc, als dem Hauptsitz der Häresie bezeichnet wurden, auf den Konzilien zu Tours und im Lateran, in den Jahren 1165 und 1179 verdammen. Allein weder die angedrohte Exkommunikation noch die zwischen der römisch-katholischen Geistlichkeit und den Lehrern der Albigenser abgehaltenen Religionsgespräche hemmten deren Ausbreitung.

Albigeois stand damals unter der Oberhoheit der Grafen von Toulouse, die den ansehnlichsten Teil des Landes Provence im Besitz hatten1). Nach dem Ableben des Grafen Raymund V. (1194) hatte sein Sohn Raymund VI. die Regierung angetreten. Der Charakter dieses Fürsten ermangelte bei vielen lobenswerten Eigenschaften einer strengen Konsequenz. Abwechselnd nachgiebig und mutig, unentschlossen und energisch, schwankend im Angriff und reich an Hilfsquellen zur Verteidigung, gefügig den Anforderungen des Klerus und kühn sich auflehnend gegen die Bannstrahlen der Kirche, konnte er durch das Unglück nie ganz gebeugt werden: je rettungsloser er schien, desto größer erhob er sich wieder.

Unter der Regierung dieses Fürsten machte die Sekte der Albigenser unermessliche Fortschritte. Alle mit den Anmaßungen Roms Unzufriedene ergriffen mit Enthusiasmus den neuen Glauben, öffentlich organisierte sich der Abfall von der alten Kirche in Klöstern und am Hofe des Grafen; kein Geistlicher wagte mehr, dagegen in offenen Kampf zu treten.

In diesem Momente der höchsten Not, im Jahre 1198, empfing das Pontifikat in der Person Innocenz III. den Mann, der von hohem Geist und glühendem Eifer beseelt, auch in der Wahl seiner Mittel in keiner Weise verlegen, die Reform um jeden Preis niederzuschmettern entschlossen war.

Sogleich ernannte er mehrere Legaten, um die von der Ketzerei angesteckten Länder mit drohenden Breves, unter Aufforderung weltlicher Hilfe, zu durchziehen. Die Versuche in Albigeois waren ohne Erfolg. Die als päpstliche Legaten mit jenem Auftrage betrauten Ordensgeistlichen, der heftige Peter von Castelnau und der sanfte Raoul, waren entschlossen, ihre Sendung aufzugeben und schon auf dem Heimweg begriffen, als ihnen der Bischof von Osma, Don Diego de Azebes, auf der Reise nach seinem Bistum in Spanien begegnete. Dieser weckte von neuem ihren Mut, und gesellte sich auf der Stelle mit einem Gefährten, Dominicus von Osma, ihnen bei, um nicht im priesterlichen Prunke, sondern demütig, wie Christi Jünger, zu Fuße und von Almosen lebend die ketzerischen Länder zu durchwandern, und durch einen tugendhaften Wandel und die Verkündigung der Glaubenswahrheiten die Abgefallenen wieder in den Schoß der Kirche zurück zu führen.

Man versuchte nun eine mehr geistige Einwirkung auf die Ketzer und stellte Religionsgespräche mit den Vorstehern ihrer Gemeinden an. Aber auch dies führte nicht zum Ziele.

Der Bischof von Osma hatte sich unterdessen von seinen Gefährten getrennt, um sich nach seinem Bistum zu verfügen; der Legat Raoul war gestorben, und Castelnau begab sich nach St. Gilles an der Rhone, an den Hof Raymunds. Er stellte diesen Fürsten wegen seines lauen Verfahrens gegen die Ketzer gebieterisch zu Rede, und, da der Graf die Zurechtweisung ungünstig aufnahm, schleuderte er gegen ihn den Bann und belegte sein Land mit dem Interdikt. Darüber aufgebracht, folgte ein anwesender Edelmann dem Mönche, und erschlug ihn am Ufer der Rhone. Diese rasche und strafwürdige Tat hatte für den Grafen die traurigsten Folgen. Sobald der Papst den Mord seines Gesandten erfuhr, erließ er ein drohendes Manifest, worin er die ganze Christenheit zur Ausrottung der Ketzer in der Provence aufforderte. Der Abt Arnold von Citeaux, päpstlicher Legat, ein Mann von großen Fähigkeiten und glühendem Glaubenseifer, predigte durch Frankreich das Kreuz, und allen Streitern ward Vergebung der Sünden verheißen. Es sammelte sich ein Heer, das von gleichzeitigen Chronisten auf 500.000 Pilger angegeben wird. Von Schrecken ergriffen, und um das Ungewitter von seinen Staaten abzuwenden, sandte Raymund eine Gesandtschaft an den Papst, um ihn von seiner Unschuld an dem Morde des Legaten zu überzeugen, und sich gänzlich seinem Willen zu unterwerfen. Der Papst nahm zwar die Unterwerfung an, stellte aber dem Grafen harte Bedingungen: er musste bis nach erfolgter gänzlicher Rechtfertigung sieben feste Plätze seines Landes übergeben, sich zur Vertreibung aller Ketzer aus seinen Staaten verpflichten, mehreren Kirchen und Klöstern Entschädigung bezahlen usw. Dann musste er öffentlich in der Kirche von St. Gilles als reumütiger Sünder Buße tun, worauf er vom Legaten Milon mit Ruten gestrichen, vor den Altar geführt, und nach kniend empfangener Absolution in den Schoß der Kirche wieder aufgenommen wurde. Mit dieser Demütigung hatte Raymund, der erste Pair von Frankreich und Gebieter über vier Millionen Einwohner, seinen Zweck nicht erreicht. Seine direkten Besitzungen waren zwar vor der Hand gesichert, allein die Gebiete seiner Vasallen waren den Verheerungen der Kreuzfahrer gänzlich Preis gegeben: zudem dauerte sein Frieden nicht lange.

Unterdessen rückte das Kreuzheer, den wütenden Arnold an der Spitze, mit Blut und Asche seinen Weg bezeichnend, vorwärts, und wälzte sich auf die Besitzungen des Burggrafen Roger von Trencavel, Neffen und Lehensträgers Raymunds VI. Dieser war zwar der römischen Religion mit aller Treue zugetan, glaubte aber seine friedlichen Untertanen gegen die Raub- und Mordsucht jenes kreuzfahrenden Gesindels schützen zu müssen. Seine Residenz Beziers, eine Stadt von 60.000 Einwohnern, wurde belagert; alle Versuche eines Vergleichs scheiterten an dem Blutdurst Arnolds. Man erzählt, auf die Frage einiger Soldaten, was sie tun sollten, um die Ketzer mit von den Rechtgläubigen zu unterscheiden, habe er kaltblütig geantwortet: „Bringt alle um; der Herr kennt die Seinen.“ Die Stadt in wurde mit Sturm erobert: es erfolgte ein furchtbares Blutbad; in der Kirche der heiligen Magdalena sollen allein 7.600 Menschen erwürgt worden sein.

Graf Roger von Trencavel hatte sich nach Carcassonne begeben, um diese sehr feste Stadt aufs äußerste zu verteidigen. Bald erschien das Kreuzheer vor den Wällen und suchte sich der befestigten Vorstädte zu bemächtigen; allein der Graf schlug alle Stürme ab, und die Gräben füllten sich mit den Leichen der Pilger. Da gebrauchte Arnold schändliche List. Unter dem Versprechen sicheren Geleites wurde Roger zu einer Unterhandlung in das feindliche Lager gelockt, wo man sich alsbald seiner Person bemächtigte. Ihres Anführers beraubt, verließen nunmehr sämtliche Einwohner bei dunkler Nacht durch einen unterirdischen Gang die Stadt und verbargen sich in verschiedenen Gegenden des Landes, während die Kreuzfahrer von der öden Stadt Besitz nahmen und unermessliche Beute gewannen. Der unglückliche Roger wurde in einem Turm in Carcassonne verwahrt, und bald darauf mit Gift aus dem Wege geräumt.

Der Hauptanführer des Heeres, der Abt von Citeaux, fand nun für nötig, einen Oberbefehlshaber für die weltlichen Eroberungen zu bestimmen; und da der Herzog von Burgund und die Grafen von Nevers und von St. Paul die Ernennung abgelehnt hatten, weil sie sich mit ungerechtem Gut nicht bereichern wollten, so fiel die Wahl Arnolds auf den Grafen Simon von Montfort und Leycester. Dieser zeigte sich bereit, den Oberbefehl zu übernehmen und die geraubten Länder aus der Hand des päpstlichen Legaten zu empfangen.

In allen ritterlichen Übungen geschickt, in hohem Grade tapfer, unermüdlich, beredt, von unersättlichem Ehrgeiz erfüllt, listig, rachsüchtig, grausam, gewissenlos in der Wahl seiner Mittel, dabei von empfehlendem Äußeren und großer Leibesstärke war Simon ganz der Mann, der sich zum Anführer eignete.

Der Graf Raymund VI. war nach der Einnahme von Carcassonne in seine Staaten heimgekehrt; aber kaum in Toulouse angelangt erhielt er vom Abte und vom Grafen von Montfort eine Aufforderung, bei Strafe wiederholter Exkommunikation, alle Einwohner von Toulouse auszuliefern, welche man ihm mit Namen bezeichnen werde, damit sie sich von der Beschuldigung der Ketzerei reinigten; im Weigerungsfalle wurden seine Staaten mit einem Angriff des Kreuzheeres bedroht. Aufgebracht über diese ungerechte Anmutung erklärte der Graf, dass er über die fortwährenden Aktionen des Glaubensheeres und insbesondere wegen dieses neuen Vorwandes zum Krieg persönlich Beschwerde beim Papste führen werde. Er reiste auch deshalb noch im Jahre 1209 nach Rom, wo er von Innocenz III. gnädig empfangen und reichlich beschenkt wurde, und nochmals vollkommene Absolution erhielt, unter dem Vorbehalt, dass er die ihm von der Kirche gestellten Bedingungen vollziehe. Diese Klausel gab dem Abte von Citeaux Veranlassung, die gänzliche Freisprechung des Grafen von einem neuen Konzil abhängig zu machen, das 1210 zu St. Gilles gehalten werden sollte. Hier wurde seine Rechtfertigung nicht angenommen, da der Graf die Austreibung aller Ketzer aus seinen Staaten - eine Unmöglichkeit - noch nicht erfüllt habe. Hierauf folgte eine strenge Mahnung des Papstes an den Grafen und neue Unterhandlungen zu Narbonne, im Jahre 1211, die aber zu keinem Resultate führten, da die Prälaten unterdessen ihre Bedingungen gesteigert und folgende wahrhaft empörende Forderungen gestellt hatten: er solle alle Ketzer aus seinen Ländern verjagen, seine festen Plätze schleifen, darauf halten, dass in seinen Staaten bei Tisch nur zweierlei Fleisch aufgetragen werde; alle ihm bezeichneten Personen auf Verlangen der Legaten ausliefern; alle Einwohner, Adelige, wie Bauern, dürfen keine Kleider von Wert und nur gemeine schwarze Kapotte2) tragen; Adelige dürfen nicht in Städten wohnen; der Graf von Montfort und seine Leute können überall zehrfrei herumreisen; endlich, wenn Raymund alle Bedingungen erfüllt habe, solle er sich ins Heilige Land begeben, um dort bei den Hospitalitern von St. Johann Dienste zu nehmen, bis ihm der Legat die Erlaubnis zur Rückkehr werde zukommen lassen. Dann erst sollen ihm seine Staaten zurückgegeben werden, wenn es dem Legaten und Montfort beliebt. Raymund, über die Frechheit dieser Bedingungen aufgebracht, verwarf dieselben. Die Legaten belegten ihn nunmehr zum zweiten Male mit dem Bann, den der Papst am 17. April des Jahres 1211 bestätigte.

Das Kreuzheer hatte sich von Carcassonne aus weiter über das Land verbreitet, Städte und Schlösser erobert, die Länder der lehenspflichtigen Vasallen des Grafen von Toulouse mehrenteils besetzt, und die aufgefundenen Ketzer überall verbrannt. Zwei für uneinnehmbar gehaltene Festungen, Minerve und Termes, wurden nach langer Belagerung eingenommen, und die Pilgerschar war endlich an die Grenzen der Staaten des Grafen Raymund gelangt. Dieser, den Krieg unvermeidlich sehend, hatte seiner Unschlüssigkeit, seinem Zaudern und Schwanken entsagt, und traf seine Vorkehrungen als erfahrener und einsichtsvoller Feldherr. Seine Vasallen eilten herbei, unter ihnen die Zierden der Ritterschaft, die Grafen von Foix und von Comminges. Die Städter griffen gleichfalls zu den Waffen.

Das feindliche Heer war endlich, am 11. Juni 1211, vor Toulouse erschienen. Die Belagerung dieser Stadt, die damals 200.000 (jetzt 50.000) Einwohner zählte und den Höhepunkt ihres Glanzes erreicht hatte, brachte dem Kreuzheer so viele und harte Verluste, dass Montfort dieselbe bereits am 27. Juni wieder aufheben musste. Aus Rache verheerte er die Besitzungen des Grafen von Foix, regte aber damit die Nationalen so sehr auf, dass sein Gegner es nun wagen konnte, an der Spitze des Aufgebots von Toulousain und in Verbindung mit dem Landesadel, den Grafen von Montfort selbst anzugreifen, und ihn, dessen Heer durch den häufigen Abgang der Pilger sehr geschwächt war, in Castelnaudary zu belagern: doch musste er auf die Nachricht, dass ein neues beträchtliches Kreuzheer im Anzug sei, die Belagerung aufheben, und hinter den Mauern von Toulouse Schutz suchen, weil wiederholte Zuzüge von Pilgern Montfort in den Stand setzten, die verlorenen Gebiete wieder zu erobern.

Diese Lage seines Schwagers und Lehensmannes bewog endlich den König Peter II. von Aragonien, demselben mit einem Heer zu Hilfe zu ziehen. Montfort, dessen Streitkräfte durch den Abgang der Pilger abermals sehr vermindert waren, hatte sich in Muret eingeschlossen. Hier forderte ihn Peter II. zum Kampfe auf, trotz der inständigen Bitten und Vorstellungen Raymunds, kein Treffen zu wagen, da die Feinde, in wenig Tagen vom Hunger besiegt, sich würden ergeben müssen. Am 13. September des Jahres 1213 kam es vor Muret zu einer allgemeinen Schlacht. Der Angriff begann von Seiten des Königs mit Ungestüm. Er warf sich mitten in die Feinde, ward von den Seinigen getrennt, umringt und nach der tapfersten Gegenwehr getötet.

Bei seinem Fall ergriffen seine Aragonesen und Katalanen die Flucht, und rissen auch die Abteilungen der Grafen von Foix und von Toulouse mit sich fort. Die Bürger von Toulouse suchten die Schiffe zu erreichen, mit welchen sie auf der Garonne vor Muret angekommen waren; allein vom Feinde hart bedrängt fanden die meisten in den Wellen den Tod, viele wurden gefangen. Die Grafen von Toulouse, von Foix, von Comminges, der Prinz von Bearn mit ihren Reiterscharen retteten sich hinter die Mauern von Toulouse. Die Grafen zogen sich nun in ihre Schlösser zurück, Raymund begab sich mit seinem Sohn zu seinem Schwager nach England. Montfort aber verheerte das platte Land in den Grafschaften Feix und Comminges, sowie die Umgebung von Toulouse auf schreckliche Weise.

Zu Anfang des Jahres 1214 sandte Innocenz III. auf die Bitte der nationalen Grafen und der Einwohner von Toulouse, die sich mit der Kirche auszusöhnen wünschten, einen Legaten, den Kardinaldiakon Peter, nach der Provence, um dafür zu sorgen, dass sie nach bewirkter Lossprechung vom Bann fürder nicht vom Grafen von Montfort und Anderen beunruhigt würden. Sie versprachen, den Ketzern keine Hilfe zu leisten, die Kirche in Fällen, wo dieselbe sie dazu auffordere, zu unterstützen, und einige feste Plätze auszuliefern. Härtere Bedingungen wurden dem Grafen von Toulouse gestellt. Er musste geloben, sich dahin zu begeben, wohin es der Legat für gut finde, und sein Land nebst seinem Sohne den Händen der Kirche zu überlassen usw.

Nach solchen Opfern schien der Friede hergestellt; allein nachdem die Kirche alle von ihr bezeichneten festen Plätze übernommen hatte, setzte Montfort seine Eroberungen fort. Mit einem neuen Anzug von Pilgern verstärkt bemächtigte er sich schnell der Staaten Raymunds in Aquitanien, und besetzte Rouergue, Querci, Agenois, Teile von Perigord und das Land des Grafen von Rodez.

Alle diese Besitzungen des Grafen Raymund wurden auf dem Konzil von Montpellier, am 8. Januar 1215, dem Grafen Simon von Montfort zugesprochen, derselbe zum Fürsten des Landes erwählt und der heilige Vater ersucht, diese Wahl zu bestätigen.

Den 15. November 1215 eröffnete Innocenz III. eine Kirchenversammlung im Lateran. Ohne Rücksicht auf alle Demütigungen des mit seinem Sohne gegenwärtigen Grafen von Toulouse, und gegen die Wünsche des Papstes, der einen milderen Beschluss vorgeschlagen hatte, wurde hier entschieden: Graf Raymund VI. I solle seiner Länder auf ewig entsetzt sein, weil er sie nicht nach den Regeln des wahren Glaubens zu regieren verstanden; alle von Ketzern und ihren Helfern und Gönnern abgenommenen Länder, nebst den Städten Toulouse und Montauban, verbleiben dem tapferen und rechtgläubigen Grafen Simon von Montfort, zum Lohn seiner Arbeiten. Die übrigen Länder bleiben unter der Obhut guter Katholiken, bis es sich gezeigt haben wird, ob der einzige Sohn des Grafen von Toulouse dieser Länder ganz oder zum Teil würdig ist.

Bald darauf verließ Raymund Rom und begab sich vorläufig nach Genua, wo er, von aller Welt verlassen, auf die Ankunft seines Sohnes harrte, der noch in Rom geblieben war.

Dieser junge Fürst wurde vom Papst in seiner Abschiedsaudienz wohlwollend aufgenommen. Innocenz III. gab ihm seinen Segen mit einem Breve, das ihm den Vorbehalt von Venaissin und der anderen Domänen der Grafen von Toulouse in der Provence, die auf dem linken Rhoneufer lagen, bestätigte.

Was die Monarchen Europas zu tun unterlassen hatten, das taten die Bürger mehrerer Städte der Provence: Marseille, Avignon, Tarascon, Beaucaire, Saint Gilles, Toulouse. Sie trotzten dem Kirchenbann und den Kreuzfahrern, erklärten sich für die zwei Grafen, und machten ihnen Mut, die Waffen zu ergreifen gegen ihre Unterdrücker. Mehrere Vasallen der Grafen folgten dem Beispiel der Städte; es sammelte sich ein Heer. An der Rhone fing der junge Graf noch im Jahre 1216 den Krieg an.

Sein Vater war inzwischen noch Aragonien geeilt, um dort ein Heer aufzubringen und damit nach Toulouse vorzudringen. Hier aber langte Montfort früher an. Die Stadt, die sich noch keine Feindseligkeit gegen Montfort erlaubt hatte, wurde unter Mitwirkung ihres eigenen Bischofs, angeblich wegen versuchter Empörung, mit unerhörter Grausamkeit behandelt und endlich ihrer Befestigungswerke beraubt. Während aber Montfort genötigt war, gegen den jungen Raymund nach den Rhoneländern zu ziehen, gelang seinem Vater, am 13. Sept. 1217, die Einnahme von Toulouse. Die Stadt empfing den heißersehnten Fürsten mit Jubel, und dieser schlug alle Angriffe des herbeigeeilten Montfort mit Erfolg zurück. Unter den notdürftig hergestellten Festungswerken kam es, am 25. Juni 1218, zum Entscheidungskampfe. Der Vorteil blieb den Belagerten. Montfort, von einem Schleuderstein getroffen, stürzte tot vom Pferde, und die Seinigen hoben bald darauf die Belagerung auf.

Nunmehr fiel eine Stadt nach der andern in die Hände ihres alten Landesherrn; die Kreuzfahrer kämpften überall mit Nachteil und sahen sich am Ende auf den Besitz einiger festen Städte beschränkt.

Innocenz III. war das Jahr vor Simon gestorben. Mit dem Abtreten dieser beiden Männer von der Weltbühne war das Glück von ihrer Partei gewichen, und die Kirche sah sich mit einemmale aller Vorteile beraubt, welche sie von diesen Kreuzzügen erwartet hatte. Da forderte Papst Honorius III. den König Philipp August II. auf, mit seinen Staaten alle Länder zu vereinigen, welche der Graf Montfort von Toulouse von der Krone Frankreich zu Lehen besessen, weil dessen Sohn und Nachfolger Amauri nicht im Stande sei, sie zu behaupten. Allein der König ging nicht auf die Sache ein. Sein Sohn Ludwig war zwar an der Spitze eines zahlreichen Kreuzheeres in der Provence angelangt, hatte aber, nach manchen günstigen Erfolgen, die am 16. Juni 1219 begonnene Belagerung von Toulouse aufgeben müssen und war wieder heimgekehrt, ohne dem Grafen Raymund einen wesentlichen Verlust zugefügt zu haben.

Graf Raymund VI. und sein treuester Vasall und Bundesgenosse, Raymund Roger, Graf von Foix, waren im Juli 1222, jeder in seiner angestammten Hauptstadt, gestorben. Der Sohn des ersteren konnte beim Papste, trotz wiederholter Bitten, die Erlaubnis zur Beerdigung des Vaters nicht erwirken, da dieser im Banne gestorben war. Obgleich die Berichte der päpstlichen Kommissarien, die sein Leben zu prüfen hatten, so sehr zu seinen Gunsten ausfielen, dass er zu anderer Zeit in den Ruf der Heiligkeit gelangt wäre, wurde dennoch dem ersten Lehenträger Frankreichs eine Spanne Erde zu seinem Grabe verweigert.

Raymund VII., im Bunde mit dem Grafen von Comminges und dem Grafen Roger Bernhard von Foix, sah sich 1223 im Besitz des größten Teils seiner Staaten und nahm mit dem Erbe den Titel seines Vaters als Herzog von Narbonne, Graf von Toulouse, Marquis von Provence an. Philipp August unterstützte zwar die Kreuzfahrer mit Geld, Waffen und Truppen, wies jedoch die Aufforderungen des Papstes zur Besitznahme der ketzerischen Länder zurück. Durch seinen am 14. Juli des Jahres 1223 erfolgten Tod leuchtete aber der Kirche ein neuer Hoffnungsstrahl. Sein ihm unähnlicher Sohn Ludwig VIII. zeigte sich gefügiger gegen die Kirche, und Amauri von Montfort, der sich in seiner dringenden Not im Jahre 1224 zum König nach Paris begeben hatte, trat ihm förmlich seine Besitzungen im südlichen Frankreich ab. Der König nahm diese Abtretung bedingungsweise an, und da bedeutende Anstände durch den Papst gehoben worden und Raymund feierlich in den Bann getan worden war, so ließ der Legat durch ganz Frankreich von neuem das Kreuz predigen, nahm den König unter den Schutz der Kirche und überließ ihm auf fünf Jahre den zehnten Teil der geistlichen Einkünfte aus den Provinzen seiner Legation. Die meisten Vasallen und Städte entzogen ihrem Oberherrn, dem Grafen Raymund, ihren Beistand; der Graf von Comminges war unterdessen gestorben, sein ihm unähnlicher Sohn war auf feindliche Seite getreten; nur der Graf von Foix, die Stadt Toulouse und einige andere Städte bewahrten die alte Treue.

Raymund hatte zwar, um das Ungewitter von seinen Staaten abzuwenden, auf dem Konzil zu Bourges den Legaten ersucht, sich an Ort und Stelle selbst zu überzeugen, dass seine Untertanen katholisch seien, er hatte strenges Gericht über Andersglaubende angelobt; der Legat verwarf aber jede Bedingung, und der Graf, so gut katholisch er sein mochte, fand keine Gnade, so lang er nicht auf seine Länder verzichtete. Der Krieg ist nunmehr aus einem religiösen ein rein politischer geworden; man will nicht eine irrgläubige Bevölkerung zur Einheit der katholischen Lehre zurückführen; man will einen bedeutenden Länderstrich für die Einheit der Monarchie gewinnen.

Die feindliche Armee erschien im Jahre 1226 vor Avignon, das nach dreimonatlicher Belagerung zur Übergabe gezwungen wurde. Als Herr des größten Teils von Raymunds Staaten kehrte Ludwig beim Herannahen des Winters aus der Provence zurück. Auf dem Heimweg ereilte ihn, am 8. Nov. 1226, der Tod zu Clermont in Auvergne, und sein erst 12 Jahre alter Sohn bestieg, als Ludwig IX., den Thron von Frankreich. Um dieselbe Zeit starb auch Papst Honorius III., dem Gregor IX. folgte. Der Krieg wurde unterdessen von dem zurückgebliebenen Teil des Heeres fortgeführt; aber Raymund konnte auf die Dauer der feindlichen Übermacht nicht widerstehen, da der Feldherr des königlichen Heeres, Humbert von Beaujeux, das flache Land nach jeder Richtung hin systematisch verheerte und damit der Stadt Toulouse alle Mittel des Unterhaltes abschnitt.

Obgleich der Kampf nicht gerade zu Raymunds Nachteil ausfiel, so nahm dieser doch in seiner damaligen verlassenen Lage, und des fruchtlosen Krieges müde, die Anträge des Cardinallegaten an, um auf einer Zusammenkunft in Meaux über den künftigen Frieden zu unterhandeln. Erschöpft an Hilfsquellen, mit dem Bann belastet und den Ruin des Landes, so wie der wenigen ihm treu gebliebenen Vasallen voraussehend, erklärte er sich zu jedem Opfer bereit. Die Forderungen der Kirche und der Krone waren ungerecht, empörend, grausam; dennoch willigte Raymund ein. Er beschwor vor dem Portale der Kirche Notredame zu Paris am 12. April 1229 die ihm vorgelegten Punkte.

Hierauf wurde Raymund barfuß und halb entkleidet von dem Legaten unter Rutenhieben zum hohen Altare der Notredame geführt, und daselbst kniend des Bannes entledigt.

Die sogenannte Ketzerei aber war nicht vertilgt. Nur durch eine geordnete, systematische Verfolgung aller Andersgläubigen glaubte die Kirche ihren unnatürlichen Zweck am sichersten erreichen zu können. Die auf dem vierten lateranischen Konzil festgesetzten grausamen Verordnungen wurden daher auf der Kirchenversammlung zu Toulouse im November des Jahres 1229 in ein System gebracht, durch strengere Verfügungen geschärft und damit jene furchtbare Anstalt ins Leben gerufen, die unter dem Namen der Inquisition während fünf Jahrhunderten in einzelnen Staaten Europas bestanden hat. Nach den Bestimmungen dieser Kirchenversammlung wurde die Übersetzung der Bibel in die Volkssprache untersagt, den Laien das Lesen derselben verboten; die Bischöfe sollen in allen Gemeinden einen Priester und mehrere unbescholtene Personen anstellen, um die Ketzer aufzuspüren. Dem Angeklagten ward der Verteidiger und die Konfrontation mit den Anklägern und Zeugen verweigert, die Prozedur in den Schleier des tiefsten Geheimnisses gehüllt; die Angeberei auf empörende Weise hervorgerufen, begünstigt, ja zur Pflicht gemacht; endlich die Kunst, mittelst verfänglicher Fragen, geistiger und körperlicher Torturen Schuldige auszukundschaften, in ein System gebracht. Keinem schon Verurteilten durfte, auch wenn er wiederrief, der Richter vor dem Volke Gnade angedeihen lassen. Wer einen Ketzer verhehlte, galt für einen solchen.

Dennoch genügten auch diese Verordnungen nicht. Die Bischöfe, durch die Bande des bürgerlichen Lebens gehalten, ließen sich bisweilen von den Gefühlen der Menschlichkeit leiten. Papst Gregor IX. entzog ihnen daher im Jahre 1233 die Ketzergerichte, und gab sie in die Hand des Dominikanerordens, welcher bereits seine Geschicklichkeit im Verfahren gegen die Ketzer erwiesen hatte. Die Inquisitoren bildeten nun eigene Gerichtshöfe: sie hatten die Untersuchung zu leiten und das Urteil zu fällen; die Vollstreckung war der weltlichen Obrigkeit anbefohlen, weil es der Kirche nicht zieme, Menschenblut zu vergießen. Durch ein schlau eingeleitetes Spioniersystem waren jetzt alle Mittel an die Hand gegeben, in die geheimsten Gedanken zu dringen, auf leisen Verdacht hin zu verfolgen, die heiligsten Rechte der Natur zu verletzen, und unter dem Vorwande, dem wahren Glauben zu dienen, Verirrungen des menschlichen Verstandes als Verbrechen zu behandeln.

Durch das empörende Verfahren der Inquisitoren gegen Lebende und Tote wurde 1234 und 1235 die Erbitterung des Volks aufs höchste gesteigert. Denn obgleich der Erzbischof von Vienne, Johann Burnin, in seiner Eigenschaft als päpstlicher Legat, auf die Vorstellungen des Grafen von Toulouse, den ungestümen Inquisitor Peter Cellani von seiner Stelle entfernt hatte, so trieb doch sein College Wilhelm Arnoldi die Sache so weit, dass der gräfliche Statthalter und die Konsulen von Toulouse den Inquisitor samt seinen Helfershelfern aus der Stadt wiesen und in der Folge alle Predigermönche nachsandten, wofür der Inquisitor aus Rache elf Capitouls von Toulouse und den Grafen Raymund selbst, als Begünstiger der Ketzerei, exkommunizierte. Ähnliche Szenen ereigneten sich in Narbonne, Carcassonne, Albi usw. Endlich, als das ganze Land sich in drohender Weise gegen die Ketzerrichter erklärt hatte, gebot ihnen der Papst Einhalt, und ihre Funktionen ruhten von 1237 bis 1241, in welchem Jahr Gregor IX. starb. In letzterem Jahr, also während der päpstliche Stuhl unbesetzt war, und demnach ohne jede Ermächtigung, begannen die Inquisitoren ihr Amt von neuem mit der früheren Härte, und gegen die Einwohner von Avignonet im Laureguais übten sie solche Strenge, dass eine Verschwörung gegen sie ausbrach, an deren Spitze der Baillif (Amtmann) des Grafen von Toulouse, Raymund von Alfaro, stand. In der Nacht vom 28. Mai 1242 drangen die Verschworenen in das Schloss, wo die Inquisitoren ihren Sitz hatten, und machten sämtliche Beamte des Officiums, neun an der Zahl, nieder; die Mörder aber retteten sich durch die Flucht. Da Raymund den gegen dieselben geschleuderten Bann nicht schnell vollziehen konnte, so verfiel er gleichfalls in diese Kirchenstrafe. Erst im Jahre 1243 wurden die Täter ergriffen und mit dem Strang hingerichtet. Die Beschwerden Raymunds gegen die Inquisitoren blieben auch bei Gregors Nachfolger in der Schwebe und teilweise ohne Erfolg. Obgleich dem Grafen persönlich gewogen, entsprach dennoch Innocenz IV. seinem Wunsche, dass den Bischöfen die Gerichtsbarkeit wieder übertragen werde, in keiner Weise; vielmehr befahl er im Jahre 1243 dem Ordensprovinzial in der Diözese Toulouse sein Amt wieder auszuüben. Er suchte zwar die Missbräuche durch zweckmäßige Verordnungen zu beseitigen; aber die Ketzerrichter wussten die Letzteren meist schlau zu umgehen.

Auf dem um diese Zeit in Narbonne abgehaltenen Konzil wurden mehrere Anstände der Inquisitoren entschieden und unter anderem in dem Protokolle bemerkt: da die Zahl der zu ewiger Gefangenschaft Verurteilten so groß ist, dass man nicht Kalk und Steine genug findet, um Gefängnisse zu bauen, so wird den Inquisitoren geraten, darüber päpstliche Entscheidung abzuwarten. Die Strenge, mit welcher jetzt die Mönche von Neuem verfuhren, bewog viele Angeklagte, an den Papst zu appellieren; sie erhielten von Rom Pönitenz-Breves, um sich gegen weitere Verfolgung zu schützen; aber auf die Vorstellung der Inquisitoren nahm der Papst die Breves wieder zurück. Die Ketzer hielten sich immer mehr versteckt, oder flüchteten in fremde Länder. Nach den noch vorhandenen Untersuchungsprotokollen kommen mehr Waldenser vor als Manichäer. Der Inquisitor Rainerus zählte um das Jahr 1250 in der Diözese Toulouse kaum noch 200 Katharer.

Der Papst suchte damals die Härte mancher Strafen zu mildern. Unter anderem sandte er im März des Jahres 1249 seinen Caplan Algisii in Raymunds Staaten mit der Ermächtigung, die Strafen der Inquisitoren in Geldstrafen umzuwandeln, die zum Besten der Kirche und des heiligen Landes bestimmt sein sollten, eine Bewilligung, von welcher viele Verurteilte Gebrauch gemacht haben.

„Während Raymund sich im Jahre 1248 in Agen aufhielt,“ so berichtet dessen Caplan und Almosenier Wilhelm von Puylaurens im 48. Kapitel seiner Chronik - „ließ er bei diesem Orte 80 vollkommene3) Ketzer verbrennen, welche in einem, in seiner Gegenwart abgehaltenen Verhör sich der Ketzerei schuldig oder überwiesen bekannt haben.“

Das Gehässige dieser Handlung fällt auf die Inquisitoren zurück, indem der Graf zur Vollstreckung ihrer Urteile als weltliche Macht verbunden und dem geistlichen Arm untergeben war, dessen Schwere er oft genug empfunden hatte.

Raymund VII. verschied zu Milhaud am 27. Sept. 1249, zweiundfünfzig Jahre alt. Unter der Regierung seiner Nachfolger, des Grafen Alfons von Poitou4) und Johannas von Toulouse, ging die Verfolgung der Ketzer ihren geregelten Gang fort. Mit ihrem im Jahre 1271 erfolgten Tode fiel die Grafschaft Toulouse ihrem Neffen, dem König Philipp III., und sonach der Krone anheim. In dem Verfahren gegen die Ketzer wurde dadurch nichts verändert. Jedoch Philipp IV., der Sohn, der im Jahre 1285 den Thron bestieg, sandte auf häufige Klagen über die Missbräuche, namentlich Torturen ganz unschuldiger Menschen, von Zeit zu Zeit Kommissarien nach Languedoc, um diesen Bedrückungen abzuhelfen. Unter Andern erließ derselbe 1291 und 1301 sehr strenge Befehle gegen das unmenschliche Treiben der Inquisitoren Nicolaus von Abbeville und Folco. Die Kommissarien des Königs versicherten sich der Gefängnisse, befreiten mehrere Gefangene, nahmen einige Diener der Inquisitoren gefangen und suchten überhaupt die schreiendsten Missbräuche der Offizialen zu heben. Obgleich die Inquisitoren sie mit dem Banne belegten, so setzte es der König dennoch durch, dass auf dem Konzil zu Vienne (1309) den Inquisitoren förmlich verboten wurde, allein und ohne Einvernehmen mit den Diözesan-Bischöfen zu verfahren.

Die letzten Glaubensakte, deren die Register der Inquisitoren erwähnen, wurden abgehalten zu Carcassonne, 1357, zu Toulouse, 1374 und zu Carcassonne, 1383. Von da an verlieren sich alle weiteren Spuren. Die Albigenser waren so weit vertilgt, dass es, bei der Überwachung der gerichtlichen Prozeduren durch die königlichen Beamten, den Inquisitoren unmöglich war, noch fernere Opfer für ihre Glaubensgerichte aufzuspüren. Die Sekte war erloschen, oder hatte doch für Staat und Kirche alle Bedeutung verloren. Auch scheint es, dass die Päpste sich gegen diese Unglücklichen, die ihnen nun nicht mehr gefährlich werden konnten, zu milderen Gesinnungen hinneigten, wie aus mehreren allgemeinen und speziellen päpstlichen Verordnungen nachgewiesen werden kann.

Die letzten Auto-da-Fe waren übrigens weniger gegen eigentliche Albigenser -die ja bereits vertilgt waren - als gegen andere vom römischen Ritus abweichende Sektierer gerichtet.

1)
Provence im weiteren Sinne des Worts begriff zu Ende des XI. Jahrhunderts jene Länder in Südfrankreich, in welchen die provenzalische Sprache geredet wurde, und wovon die Grafschaft und das Marquisat Provence auf dem linken Rhoneufer nur Teile waren. Die Provence reichte von den Alpen an einzelnen Stellen bis ans atlantische Meer, und vom mittelländischen bis nach Auvergne. Ganz Languedoc, Gascogne, Teile von Guyenne und vom Burgundischen Reich wurden dazu gezählt, und erst gegen Ende des XIII. Jahrhunderts kam diese Bezeichnung außer Gebrauch, wo die Benennung Languedoc an ihre Stelle trat.
2)
Entlehnung aus dem Französischen vom Substantiv capote fr „Kapuzenmantel; Damenhut“, das auf den spätlateinischen Ausdruck cappa la „eine Art Kopfbedeckung; Mantel mit Kapuze“ zurückgeht
3)
Je nachdem die einzelnen Glieder der Sekte mehr oder weniger in den Geist der Lehre eingedrungen waren, wurden unterschieden: Perfecti, Vollkommene, welche durch das Consolamentum (die Geistestaufe) wirkliche Mitglieder geworden waren, und die Imperfecti, Unvollkommene, welche man in Credentes und Auditores unterschied. Rainerus contra Waldenses haereticos in Bibl. Max. vet. patrum etc. Lugd. 1677. XXV. f. 268.
4)
Alfons von Poitou war der dritte Bruder des Königs Ludwig IX. Johanna war die einzige Tochter Raymunds VII.
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