Beck, Johann Tobias - Rede am Grabe eines kräftigen, rührigen Geschäftsmannes.
Mergentheim, den 27. März 1836.
Innerhalb acht Tagen, Geliebte, ist es nun das drittemal, daß wir zwischen diesen Grabhügeln stehen, und Leichen unsrer Mitpilgrime als Saatkörner für die Ewigkeit darein niederlegen. Zuerst war es eine 72jährige Frau, die als eine reife Frucht in die Todeskammer eingebracht wurde; dann ein 21jähriger Mann, Gatte und Vater, bei dem langes Hinsiechen, so jung er auch noch war, nichts Anderes erwarten und wünschen ließ als endliche Auflösung; jetzt ist es wieder ein Familienvater, mit seinen 51 Jahren gerade in der Mitte stehend zwischen jenen beiden ihm Vorangegangenen, der aber vor einer Woche noch so kräftig und gesund vor Menschenaugen erschien, daß weder er noch Andere es glaubhaft würden gefunden haben, heute werde er beerdigt. So gewiß, meine Freunde, wird au uns Allen wahr, und so unvermuthet schnell kann es wahr werden, das Wort: alles Fleisch, auch das gesundeste, ist wie Gras, und alle Herrlichkeit des Menschen wie Grases Blume; das Gras ist verdorrt und die Blume ist abgefallen; des Mannes Kraft ist gebrochen und des Vaters Vermögen und Kunst ist verwelkt. Wer darf sagen, daß Solches geschehe ohne des HErrn Befehl? denn Er ist's, der da spricht: komm wieder Menschenkind, und wenn Er's einmal spricht, so geschieht es auch, mögen wir dazu denken und sagen, was wir wollen. Es thut freilich wehe den Hinterbliebenen, so auf einmal das Haus verwandelt zu sehen in ein Trauerhaus, und die sichtbare Stütze von Frau und Kindern in eine Leiche verwandelt zu sehen - aber weiß Jemand etwas Besseres zu sagen, als: Gott hat's gethan, und was Gott thut, das ist wohlgethan, es bleibt gerecht sein Wille; wie Er fängt meine Sachen an, harr' ich sein und bin stille. Er bleibt mein Gott, der in der Noch mich wohl weiß zu erhalten: d'rum laß ich Ihn nur walten!
Er waltet über Todte und Lebendige, meine Freunde, auch über uns, die wir jetzt hier noch gesund beisammen stehen, und von diesen Gräbern weg wieder nach unserm Haus gehen - aber hängt's an unsrem Wissen und Wollen, wenn wir aus unsrem Haus heraus auch hieher für immer unter ein Grab müssen? Darum ist's mit dem bloßen Hieherkommen und wieder nach Hause Gehen nicht gethan; Gott gibt uns hier Eines seiner köstlichen Worte mit, die zwar nicht schön lauten, wie es die eitle Welt liebt, aber viel Gutes schaffen, wenn man sie annimmt; „bestelle dein Haus, denn du mußt sterben,“ spricht Er zu Jung und Alt, zu Kranken und Gefunden. Bei dem Haus, das du zu bestellen hast, denkst du wohl zunächst an dein irdisches Hauswesen - nun wohl, du weißt nicht wie schnell und unvermuthet du daraus weggenommen wirst; bestelle es Tag für Tag, halte es immer in solcher Ordnung, daß du mit Ehren es den Deinigen übergeben kannst. Sey fleißig und treu in deinem Berufe, und schiebe Nothwendiges nie auf; wirke Gutes als Gatte, Vater, Geschäftsmann; als Herr oder Knecht thue deine Pflicht, so lange es Tag ist, und sorge für das Deine und für die Deinen; aber halte deine Hand rein vom fremden und ungerechten Gut, denn das verderbt dein Haus und noch mehr dein Gewissen für jenen Tag der Rechenschaft - Segen ist nur, was treue Hand erwirbt. Ein guter Name ist ein schönes Erbtheil für Frau und Kinder - aber weißt du, was noch schöner und besser ist? daß dein und ihr Name angeschrieben ist beim Vater oben im Himmelreich! Darum pflanze Gottesfurcht und Christenthum in dein Haus, und ziehe deine Kinder auf in der Zucht und Vermahnung zum HErrn; dann wird auch Liebe in deinem Hause wohnen und das Band des Friedens sich immer fester um dich und die Deinigen schlingen, und das Kreuz, das man dir auf dein Grab setzt, wird eine Segenskrone sein. Bestelle denn dein Haus gut für die andere Welt, dann ist es auch für diese gut bestellt. Wie Mancher bietet Allem auf, sein Hauswesen wohl zu besorgen für hier unten, verflicht sich, weil er reich werden will, in so vielerlei Sorgen des Handels und Wandels, wird dadurch umgetrieben von mancherlei schädlichen Lüsten und verleitet zu Unrecht, Härte und krummen Wegen, und versenkt damit seine Seele in's Verderben, daß, wenn er stirbt, all' sein mühsamer Erwerb nicht nur ihn im Stich läßt, sondern ihn auch noch verdammt vor Gott. Gott gibt uns zwar das ewige Leben nicht um unsers Verdienstes willen, sondern aus Gnaden - aber es steht ja nirgends geschrieben, daß Er seine Gnade auch den Unwürdigen zuwerfe, auch denen, die nur leben für diese Welt, statt am ersten zu trachten nach Gottes Reich und seiner Gerechtigkeit. Er, der gekommen ist, Sünder selig zu machen, sagt doch auch wiederum: es werden nicht Alle, die zu mir HErr HErr sagen, in's Himmelreich kommen, sondern die den Willen Gottes thun, und dieser Gott läßt uns sagen: thut Buße und heiliget euch mehr und mehr in Jesu Christo, der euch zur Heiligung gemacht ist. Du mußt sterben, wie wohl bestellt dein Haus auch sey für dieses Leben ^ bestelle es auch für's Sterben und ewige Leben! Ergreife die Gnade Gottes in seinem Worte, und erziehe dich und die Deinigen damit zur Verleugnung der weltlichen Lüste und zu einem züchtigen, gerechten und gottseligen Leben. Findest du dich also von irgend einem Laster gefangen, lebst du in Unkeuschheit oder Trunkenheit oder Geiz oder Stolz oder Feindschaft, bekenn' es dir: das bringt mich in's Verderben, wenn ich sterbe; rufe die Barmherzigkeit Gottes an, deiner vergangenen Sünden nicht zu gedenken, forsche in deiner Bibel, wache und bete und wende allen deinen Fleiß daran, dein Herz und Leben zu reinigen und zu wachsen in wahrhaft christlicher Besserung. Mußt du dann sterben, früh oder spät, dann lege ruhig dein Haupt hin, nicht auf das, was du gethan hast - denn das bleibt immerdar Stückwerk - aber auf das, daß du den HErrn deinen Heiland gesucht hast und als ein Jünger ans seine Stimme gehört, So kurz, meine Freunde, unser Leben hier ist: eine Ewigkeit hängt daran!
Ewig, ewig heißt das Wort, das wir wohl bedenken müssen; zeitlich hier und ewig dort, das ist's, was wir Alle wissen; was wir in der Zeit gethan, schreibt die Ewigkeit uns an.
Ewig, ewig: süßer Schall, wenn man hier hat fromm gelebet; ewig, ewig: Schreckenshall, wenn man Gott hat widerstrebet. Steh' mir, Gott, in Gnaden bei, daß das Wort mir Jubel sey.
Diese Erweckung, die uns Gott heute gegeben, wollen wir nützen für unser Herz und im Gebet versiegeln. Amen.