Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XVIII. Capitel.

Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XVIII. Capitel.

Unordentlicher Appetit muß verlaeugnet werden.

Das letzte Stueck von Selbst / das verlaeugnet werden muß / ist der unordentliche Appetit / erwecket durch die Sinne insgmeein/ genannt appetitus sensitivus. Dieser muß nicht an ihm selber vernichtet werden / dann der Appetit ist natuerlich und nothwendig zu unser Wolfarth / sondern die unordentliche Begierde muß verlaeugnet werden / und der Appetit bezwungen / und nicht ferner verlaeugnet werden / als im Worte GOttes zugelassen ist / und durch dieses Mittel muß das unordentliche / das daran ist / getoedtet werden; Ob schon die Selbheit den gantzen Menschen verdorben hat / so ist doch die fleischliche Lust das vornehmste Theil derselben / und darum wircket sie insgemein durch die Sinnen / die da gleichsam sind Thor und Fenster / dadurch die Boßheit in die Seele gehet.

Hie wird nun gefraget / wie weit der Appetit oder die Begierde muß verlaeugnet werden? Resp. 1. Wann er etwas begehret / das verboten ist: und das ist ohne Zweiffel. Unsere Begierde muß nicht erfuellet werden durch den Ungehorsam gegen GOtt. 2. Wann er uns reitzet zu dem / das verboten ist / und wolte vergnueget seyn mit demjenigen / welches da ist eine Lockung und Gelegenheit zur Suende / wo nicht das begehrte Ding in ihm selbst nothwendig ist / so muß er hie verlaeugnet werden / dann Suende und Hoelle sind solche Gefahren / denen kein weiser Mann zu nahe kommen darff. 3. Wann es nicht dienstlich ist zu dem Dienste Gottes / und machet uns nicht geschickt / GOtt oder unserm Naechsten zu dienen / so ist es suendlich / wann wir unsern aeusserlichen Sinnen zu gefallen leben wollen.

Ferner moechte einer fragen: Mag man denn nicht der Creaturen so wol gebrauchen zur Lust und Ergetzlichkeit / als zur Nothwendigkeit? Resp. Die Frage ist nicht wol abgefasset: gleichsam als ob die Ergetzlichkeit selbst offt nothwendig waere: Es ein Ding entweder schlechter Dinge nothwendig / als diejenigen sind / ohne welchen wir nicht koennen selig werden / oder es ist nothwendig zu unserer Besserung und mehrer Versicherung unserer Seligkeit: und in solche Meynung wird nothwendig genannt / welches nur auf einige Weise nuetzlich oder dienlich dazu ist entweder directe oder indirecte. Wir moegen und muessen der Creaturen gebrauchen: erstlich nicht allein fuer unser eigen Nothwendigkeit / sondern vornehmlich zu dem Dienst und Ehren Gottes / 1. Cor. 10/ 31.

2. Nicht allein zu unser absoluten Nothwendigkeit / sondern auch / wann sie auf einige Weise uns befoerderlich seyn in oder zu dem Dienste Gottes / mit diesem Vorbescheid aber / daß sie nicht anderer Ursachen halber verboten sind.

3. Wir moegen der Creaturen gebrauchen zu unser Ergetzlichkeit / wann die Ergetzlichkeit selbst ein Mittel ist uns zu dem Werck Gottes geschickt zu machen / und nur allein zu dem Ende gebrauchet wird. Aber wir moegen nicht der Creaturen gebrauchen zu anderer Ergetzlichkeit / als derjenigen / die da noethig und nuetzlich ist zu Gottes Dienst / und die Ursach desselben ist klar. 1. Wir wuerden sonsten diese Ergetzlichkeit unser Ende machen / welches bestialisch ist / und einem unvernuenfftigen Thiere zustehet / denn es muß die Ergoetzlichkeit seyn entweder ein Ende oder ein Mittel / gebrauchen wir derselben nicht als ein Mittel zu Gottes Dienst und Ehren / als unserm Ende / so muß sie selber unser Ende seyn / welches ist sie in den Thron Gottes zu setzen. 2. Dasjenige / welches nicht dienlich ist zu dem Ende / darzu wir geschaffen sind / und warum wir leben / ist suendlich / und mißbrauchet der Kraeffte unsers Gemuethes. 3. Es ist ein Mißbrauch der Creaturen Gottes / und ein suendlich Verwerffen derselbigen / dieselben zugebrauchen / zu einem Ende / der da nicht ist ein Mittel zu dem grossen Zweck / darum wir leben. Es ist alles verlohren / das auf keinerley Weise dienstlich ist zu Gottes Ehre oder unser Seligkeit / es ist zugegen dem Ende / dazu beydes sie und auch wir erschaffen sind. 4. Wir berauben GOTT auf suendliche Art und Weise des Gebrauchs seines Pfundes / wann wir desselben gebrauchen zu einigem Ende / der uns nicht leitet zu ihm / als unserm vornehmsten Ende / dann gewißlich machte er alle Dinge vor ihn selbst / und dasjenige / was nicht vor ihn gebrauchet wird / ist unrechtmaeßiger Weise von ihme genommen. Alle Menschen muessen Rechenschafft geben von denen Gaben / die sie empfangen haben / ob sie derselben gebrauchet haben vor GOtt / daß sie ihm sein eigenes wiedergeben koennen mit Wucher. 5. Die fleischliche Begierde ist wegen ihrer Unordnung geworden auffruehrisch gegen GOtt und die gesunde Vernunfft / und sein und unser Feind / keiner aber solte ohne grosse Nothwendigkeit hegen oder ihme gefallen lassen einen so gefaehrlichen Feind; Die Suende hat ihren meisten Eingang durch diesen Weg / und wir sehen vor Augen / daß die meiste in Suenden liegen / indem sie ihren fleischlichen Sinnen allzuviel nachgeben / und wollen wir selber dann rennen in eine so grosse und offenbahre Gefahr / dafuer uns so viele betruebte Erfahrungen warnen? Ja wir wissen / daß wir offt selber durch dieses Mittel beruecket sind / und daß viele Suende durch diesen Weg ist hinein gekrochen / und wollen wir noch unsere Freyheit suchen zu unserm eigenen Verderben? die Gottseligen sind ihnen so wol bewust ihrer Schwachheit / und wie sie so geneigt zu suendigen sind / daß sie sich selbst allezeit im Verdacht halten / und stehet darum denenselben nicht zu ohne Noth etwas zu thun / daß sie zur Suende versuchen / und ihnen leichtlich ein Strick seyn moechte. Wann Paulus muß seinen Leib betaeuben / und ihn zaehmen / damit er nicht andern predige / und selbst verwerfflich werde / 1. Corinth. 9. v. 27. so haben wir vielmehr noethig / daß wir wachen / als die wir viel schwaecher sind. Wir haben den ausdruecklichen Befehl / daß wir nicht sollen des Leibes warten / daß er geil werde. Darum dann diejenigen / die da essen oder trincken um nichtes anders / als daß sie nur den Luesten ihres Fleischen genug thun / und daß sie dasselbe ergetzen / brechen diesen ausdruecklichen Befehl GOttes. Und warum wird gesaget / daß / die Christum angehoeren / creutzigen ihr Fleisch sammt den Luesten und Begierden / wenn sie der Creaturen moegen gebrauchen / nur allein zu der Ergetzlichkeit und Gefallen des Fleisches? Dieses ist nicht seine Lueste und Begierde creutzigen. Gal. 5/ 24. Hiobs Bund mit seinen Augen / daß die nicht herum flattern / und ansehen den verbotenen Baum / Job. 31/ 1. war ein Stueck der Selbst-Verlaeugnung / das andere so wol noethig haben / als Job. Ein solcher Bund mit unserm Geschmack / mit unsern Ohren / und mit allen Sinnen / daß dieselbige nicht getrieben werden / es sey denn durch Bewilligung GOttes und der gesunden Vernunfft / und lassen nicht eine jede Suende ein in unsere Seele / dasselbe ist ein vornehmes Stueck dieses nothwendigen Werckes. Davids Ehebruch undn Mord hat seinen ersten Eingang durch das Auge. Haette Noa mit groessern Verdacht ueber seinem Appetit gewachet / so waere er durch Trunckenheit nicht geworden eine Warnung zu allen Nachkommen. Achans Augen waren es / dies ein Hertz verriethen zu dem Gold und Silber / und den koestlichen Mantel / ob es schon verbannete Dinge waren / Jos. 7/ 20.21. Was ist wol schier fuer eine Suende / die nicht durch diese Thueren eingehet? Darum sehet euch wol vor / daß keiner euer Sinnen ohne Hueter gelassen werde: gewehnet euch selbst dieselbe zu verlaeugnen / so wird die Uberwindung leicht seyn. Ich sage nicht / daß ihr ihnen etwas sollet versagen / das euch nuetzlich seyn moechte zu dem Dienste GOttes / oder ein rechtes Mittel zu eurem heiligen Ende / sondern nur dasjenige / welches euch durch seine Ergoetzung verrathen wuerde. Ihr sollet nicht euren Leib umbringen / sondern ihn zaehmen / betaeuben und unter den Gehorsam der gesunden Vernunfft bringen / und dasselbe muß nothwendig geschehen. Wozu daß ihr desto eher und mehr beweget werdet / so betrachtet mit Fleiß diese folgende Puncta.

1. Aus Mangel dieses Stueckes der Selbst-Verlaeugnung ruehret her / daß die Welt so voll Ergernueß ist / und daß die Gewissen der Menschen so voll Wunden sind / und daß auch diejenige / die Christen seyn wollen / so ungleich wandeln fuer GOtt und fast kein Unterscheid sich zwischen ihnen und andern Menschen ereignet. Hier ist einer der beladet seine Natur mit einem ( so genannten) Ehrentrunck / wo er sich nicht gar darueber vollsaeufft / dorten ist ein ander / der beflecket sich mit Leichtfertigkeit / courtisiren / und denen verwanten Suenden / wo nicht gar mit Hurerey. Ein ander lebet in Fresserey und kan es nicht sehen oder mercken / und thut also auch keine Buß davor. Viele sind ersoffen in geitzigen Begehren und denen Dingen / die ihren Geitz befoerdern/ viele uebergeben sich selbst zu fleischlicher Zeitvertreib / Kurtzweil und Possen / und dieses alles kommt daher / weil sie nicht einen Bund machen mit ihren Sinnen / noch gelernt haben / sich selbst zu verlaeugnen / sondern weil es ihnen gefaellt / gedencken sie / es koenne GOtt nicht mißfallen / und daß keine Suende sey / sondern nur ein Stueck ihrer Christlichen Freyheit: Ja viele meynen / das wir durch diese Lehre der Selbst-Verlaeugnung wolten / daß sie verlaeugnen solten den Gebrauch der Gnaden und Gaben GOttes / und sie folgends verhindern an der Danckbarkeit vor dieselbe: Machen also einen Gottesdienst aus der Vollbringung der Luesten des Fleisches / welches doch ist der toedtliche Feind Gottes / und alles Gottesdienstes / sie bilden sich ein eine Freyheit / die ihnen erworben sey / ihrem Fleische zu gefallen / und dessen Lueste zu vollfuehren. Und darnach als die Gnaden und Gaben Gottes ihrem Fleisch gefallen / halten sie viel oder wenig davon / und sie wollen GOtt fleischlichen Danck geben / fuer seine Gnaden / und opffern ihme / wie die Heyden der Ceres und Bacchus opfferten / da doch das Evangelium von keiner Gnade weiß / als die entweder eine ewige Gnade ist / oder auch ein Mittel zu derselben / so nennet es auch dasjenige nicht eine Gnade oder Gabe Gottes / welches nicht auf GOtt gerichtet ist. So erwarb uns auch Christus keine andere Freyheit / als die da uns befreyet von Suende und derselben Straffe / und uns behuelflich ist zu dem Dienste Gottes: Er litte nicht im Fleisch / daß er uns erwuerbe und zu wegen braechte eine Freyheit / unnuetzlich unserm Fleisch nachzuhaengen und zu gefallen / und unsern Feind zu staercken / und durch Gewonheit ihm die Herrschafft zu uebergheben / da diese Herrschafft verdammet die meisten in der Welt. Wenn die Christen haetten besser gelernet ihre Sinnen zu verlaeugnen / so wuerden sie viel unstraefflicher und unanstoeßlicher wandeln in der Welt / wolten sie sich nur in acht nehmen / daß sie nicht disem Angel zu nah kaemen / oder im Fall sie solches nicht thun koenten / dennoch diese Thuer verschliessen / daß ihr Hertz und Gemuethe nicht moechte beruecket werden. Wie wuerden sie so sicher wandeln / die jetzund sich an jede Creatur stossen / welche ihnen gegeben ist zu ihrer Huelffe und Trost. Die Dinge / damit die Sinne umgehen / sind diese niedrige und irrdische Dinge / die so sehr entgegen sind denen / damit der glaube umgehet / daß je mehr wir das eine lieben / je weniger wir das andere achten. Und dannenher wuercken diese allezeit eines gegen das ander / und gleich wie die Dinge des Glaubens / alsdenn uns am allerlieblichsten sind / und die staerckeste Macht ueber uns haben / wenn unser Glaube sie am voelligsten sihet und ergreiffet / also haben die Dinge / damit unsere Sinne umgeben / alsdann die staerckste Macht uns von GOtt abzuziehen / wann die Thuere der Sinnen weit offen stehen / und der Appetit und die Begierde ohne Zuegel loß gelassen werden.

2. Und es ist mercklich / daß fast alle die grobe Suenden in der Welt ihren Anfang haben von einer kleinen Freyheit den Sinnen gegeben / welches wir im Anfang achten als ein zugelassenes freyes Mittelding / die schaendlichste Hurereyen haben ins gemein ihren Anfang in suendlichen Anschauen und unzuechtigen Gedancken und Reden / und gehen so fort zu unzuechtigen Geberden / und endlich zu der Unzucht selbst. Der Fresser und Saeuffer wird gemeiniglich erst verstricket durch das Auge / und denn durch den Geschmack / und gehet so von kleinen zu kleinen endlich so weit / bis ihm zuviel geschiehet: Darum habet euch in Acht / daß ihr euch entziehet von diesem Angel / so weit ihr koennet / und gebietet euren Sinnen / daß sie sich dessen enthalten muessen: Wenn ihr es ansehet / so werdet ihr euch auch schwerlich enthalten / ihr muesset es anruehren / und wenn ihr es anruehret / gar leicht / daß ihr es auch kostet / wo ihr es aber kostet / so gehet es auch leicht hinunter / und wenn ihr es einmal gegessen habet / ist es schwer / bey wenigen alsdenn auffzuhalten / sondern esset mehr und mehr / und alles muß doch wieder heraus / oder es ist mit euch gethan / derowegen hemmet die Begierde im Anfang / und dencket bey euch selbst: Ist die Suende der Gifft meiner Seelen / so ist die Verdauung derselben mein Verderben / und kan ich es nicht verdauen / warum solt ichs essen? Mag ich es nicht essen / warum solt ich es kosten? darff ich es nicht kosten / warum solt ich es anruehren? und darff ich es nicht anruehren / warum solt ich es ansehen? oder demselben Gehoer geben / das mich dazu locken wolte? daß also die Verlaeugnung unserer Sinnen und Appetit ist der sicherste und leichteste Weg diß erschroeckliche Grimmen und Schmertzen / die da folgen moechten / zu verhueten.

3. Ferner: wo ihr nicht verlaeugnet euren Appetit und fleischliche Begierde / so koent ihr nimmer kundig werden oder erfahren die himmlische Sueßigkeiten. Die Seele kan nicht auf einmal zwey widerwaertige Wege gehen zur Erden und gen Himmel / wenn ihr gaffet auf die Dinge dieser Welt / und euren Appetit heget und pfleget mit fleischlicher Lust / so habet und koennet ihr auch nicht haben einige Lust in den Dingen / die droben sind. Es ist diejenige Seele / die sich von den Creaturen abziehet / und von denen Dingen / die die aeusserlichen Sinne einnehmen / die vor GOtt geschickt / und seiner gnaden faehig ist. Ich sage dieses nicht / als ob ich wolte / daß ihr soltet Einsidler oder Muenche werden / und euch absondern von der Gesellschafft aller Menschen / und von allen weltlichen Geschaefften; Nein es ist ein hoeher und herrlicher Lebens-Lauff / den ich euch vorschlage / eben mitten in der Welt zu leben / als ohne und ausser der Welt / gleich als ob nichts in der Welt waere / das eure fleischliche Lueste hegen koente; daß ihr so voellig eurem GOtt lebet in der Welt / daß ihr GOtt in allen Creaturen sehen moeget / und mit Ihm umgehen in allen denenselben Dingen / durch welche die fleischliche Menschen von Ihm abgefuehret werden / daß ihr so moeget leben in dem groesten Uberfluß aller Dinge / als wenn vor euer Fleisch nichts da waere / als Mangel / und solcher Gestalt GOtt in allen Dingen sehen / alles fuer GOtt gebrauchen / und da ihr Gelegenheit haettet Selbst zu gefallen dasselbe dennoch verlaeugnen moeget / dieses ist das edelste Leben auf Erden. Befindet ihr aber / daß ihr dieses nicht erreichen koennet / und daß ihr euch selbst nicht sagen koennet die irrdischen Ergetzlichkeiten / es sey denn / daß ihr euch entschlaget alles dessen / so euch Gelegenheit dazu geben mag / so entziehet euch davon / so viel als bestehen mag mit eurem Gottesdienst / und menschlicher Gesellschafft / aber ihr werdet allezeit befinden / daß es moegen die irrdische Ergetzlichkeiten vor euch seyn / oder nicht / doch euer Gemuethe sich muß entziehen und enthalten von dem / welches das Fleisch reitzet / und ihm zu gefallen ist / wo ihr anderst wollet Gemeinschafft mit GOtt haben / und schmecken die Sueßigkeit eines himmlischen Wandels.

4. Und indeme ihr euren aeusserlichen Sinnen nachhaenget / und selbiger Begehren erfuellet / so machet ihr eure unordentliche suendliche Begierden nur staercker. Je mehr ihr dem Fleisch nachgebet / je mehr wil es fordern: Ihr heget eure Kranckheit / indem ihr solch Begehren erfuellet; duerffet aber niemals gedencken / daß ihr es geruhigen werdet / indeme ihr ihm allezeit seinen Willen lasset: Je mehr das Fleisch hat / je mehr wil es haben: Der einige Weg / fleischliche Begierde zu mindern / ist sie zu verlaeugnen / und sie bestaendig gewehnen zu solcher Verlaeugnung; Es ist die sichere Nahrung und Kleidung / die uns am besten staercket und geschickt machet zum Dienste GOttes / und gibet das geringste Vergnuegen / oder gefaellt am wenigsten unsern fleischlichen Begierden und Appetit / dasselbige muß ich auch sagen von Haeusern / und Land-Guetern / und Arbeit / und Freunden / und allen Creaturen: Das ist der beste Stand des Lebens / welcher GOtt am besten gefaellt / und darin Ihm am besten kan gedienet werden / mit der wenigsten Vergnuegung und Lust unsers Fleisches. Fleischliche und geistliche Ergetzlichkeiten sind einander so zugegen / die eine so heßlich und unflaetig / die ander so herrlich / schoen und rein / daß sie nicht wol zusammen stehen koennen / daß nicht die fleischliche Ergetzlichkeiten solten verderben oder schwaechen die geistliche Sueßigkeiten und Freuden.

5. Zum letzten / betrachte was es fuer ein schaendlich und unmenschlich Ding ist / ein Sclave zu seyn seines Appetites und seiner Begierden. Eben wie das Pferd gemachet ist / daß es soll regieret werden durch den Reuter / und alle Thiere / daß sie sollen unter dem Menschen seyn / also solte auch der Appetit und alle aeusserliche Sinne regieret werden durch die Vernunfft / und solt keinem Sinne gegeben werden / was er fordert / wo nicht die Vernunfft damit einwilligte. Ein unvernuenfftig Thier wird von seinem Appetit gefuehret und regieret in Essen und Trincken / und darum muß der verstaendige Mensch ihm sein Futter austheilen: Der Mensch aber hat einen bessern Leiter und Fuehrer / dem er folgen muß / denn der Appetit oder die Sinne: Ihr soltet nicht einen Bissen essen / oder einen Tropffen trincken / bloß allein darum / weil ihr Lust und Appetit dazu habet / sondern die Vernunfft mueste erstliche zu Rathe gezogen / und selbige muß GOtt um Rath fragen. Ein Schwein das von den Hefen saufft / bis ihm der Bauch berstet / ist nicht Straffwuerdig / denn es wuste nicht die Gefahr / und hatte keine Vernunfft / die es regieren moechte. Ein Mensch aber / der Vernunfft hat / und wil dennoch essen und trincken und schlaffen / und gebrauchen der Creaturen nur allein seinem Lust / Appetit und Begierden zu gefallen / der hat gar keine Entschuldigung: Was? muß das Licht der Vernunfft ausgeloeschet / oder unter dem Deckel der fleischlichen Begierde verborgen werden? Muß eine Natur die den Engeln verwand ist / ein Sclave werden einer viehischen Natur? Der ist unwuerdig der Ehre und Herrlichkeit eines Heiligen / der da von sich wirfft die Ehre seiner Menschlichkeit / und macht sich selbst zum Vieh. Was anders thut ein solcher Mensch / welcher / wenn er siehet ein Essen vor ihm / das er gerne isset / fraget nimmer ob es gesund oder ungesund sey / sondern frist es wie das Pferd sein Futter / nur allein weil er Appetit dazu hat: Ja vielleicht / da er weiß / daß es ungesund ist / und ist ihm gesaget worden / daß es ihme nicht diene / dennoch so lange es seinem Geschmacke wol gefaellt / fraget er nichts darnach? Was anders thut ein solcher Mensch / welcher / wenn er siehet den Becher vor sich / muß er nothwendig kosten / er trincket es gerne / und das ist ihm Ursach genug; wie ein schaendlich und unmenschlich (vielmehr unchristlich) Ding ist es / ein Sclave zu seyn seines fleischlichen Appetites / wolte einer von diesen Reichen und Vornehmen / Wol-Adelichen Fressern / Saeuffern / Huren-Hengsten oder wolluestigen Epicurern / die nothwendig muessen haben was ihnen geluestet / zufrieden seyn / daß er ein Sclave seines Viehes wuerdeß woltet ihr euren Hund oder Schwein zu eurem Herren erwehlen / demselben dienen / gehorchen / und thun was solcher unvernuenfftiger Herr haben wolte? woher kommt es denn / daß viele unter euch Hochgebohrnen / Wohl-Adelichen / Wohl-Ehren-Besten Schweinen nicht sehen / daß sie eben dasselbe thun / oder was noch wol schaendlicher ist? Worinn ist euer fleischlicher Appetit besser / denn der Appetit eines Viehes? ein Hund hat eben so guten / ja bessern Geruch als ihr; Ein Schwein hat eben so guten Geschmack / Gesicht / und eben so starck treibende Lust als ihr / und was Unterscheid ist denn / ob ihr eurem / oder eines andern Fleische dienet? ob ihr dienet dem viehischen Theil das in euch ist / oder einem andern Viehe das neben euch ist? Wo euch die Liebe GOttes nicht bewegen kan / wo ihr die ewige Verdammniß nicht achtet / so soltet ihr doch noch eure Ehre in der Welt fuer vernuenfftigen Menschen betrachten / und ihr / die ihr nicht leiden koennet ein schimpflich Wort / oder eine Ohrfeige erdulden: koennet doch von euch selbst annehmen eine so gar viehische Beschimpffung / daß ihr eure vernuenfftige und unsterbliche Seele dem viehischen Fleisch unterwerffet / welches erschaffen war derselben zu dienen.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/baxter/baxter_von_der_selbstverleugnung/18.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain