Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XII. Capitel.

Baxter, Richard – Selbstverleugnung - Das XII. Capitel.

In welchem Respect Selbst muß verlaeugnet werden.

Huetet euch vor Selbst in folgenden Respecten: 1. Selbst muß verlauegnet seyn / als es GOTT ist entgegen gesetzet / und als es ist ein Competitor mit ihme / und der Abgott der Seelen und der Welt. Welches geschiehet auf die zehen Arten / die ich im Anfang angefuehret / weswegen ich selbige auch anjetzo nicht wiederhole. Dieses ist das vornehmste Stueck der Selbst-Verlaeugnung.

2. Selbst muß verlaeugnet werden / als es ist concipiret / als unterschieden von GOtt / und wollte unser Ende seyn. Dann wir selbst und alle Dinge sind erschaffen als Dinge / die nicht von sich selbst bestehen: sondern von einem andern Principio dependiren muessen / und darum duerffen wir nicht einmal Gedancken haben / als waeren wir unser eigen Anfang / oder koennen selbst unser Ende seyn / oder sonst etwas thun / als nur in Subordination gegen GOTT. Selbst wird ein Satan / wann es nicht laenger will GOtt unterordnet seyn / oder etwas anders seyn als sein Werck / und derowegen nicht an Ihme hangen / von Ihme regieret seyn / Ihme leben / Ihn lieben / sein begehren / Ihn suchen / und entweder sich freuen / wenn es Ihn gefunden und Gemeinschafft mit Ihme hat / oder trauren / wann es Ihn verlohren.

3. Selbst muß verlaeugnet werden / als es widerstehet der Warheit des Evangelii / und in blinder Hoffart widerspricht dem Worte / da unser Glaube zur Gerechtigkeit und Seligkeit auffgegruendet ist. Fleischlich Selbst ist der allerungeschickteste Richter von dem Worte GOttes / und dannoch ist es am allerkuehnesten und trotzigsten / wie ungeschickt es auch sey. Und dieses ist der verdammliche Ursprung des Unglaubens. Daß Selbst ein ungeschickter Richter sey des Worts und der Wege GOttes / ist offenbar / dann 1. ist es ein Feind desselben / und ein Feind kan nicht Judex competens seyn. Fleischlich gesinnet seyn ist eine Feindschafft gegen GOtt / sintemal es dem Gesetz nicht unterthan ist / denn es vermags auch nicht / Rom. 9/ 7. Derowegen verlaeugne und versage diesem Feinde die Macht / das Wort GOttes zu richten. Wer einem ungeneiget ist / redet nimmer gut von demselben: Ein Feind glaubet leicht alles uebel / und uebersiehet alles gut / ist eingenommen mit falschem Verdacht / verdrehet ein jedes Wort / und muthmasset oder machet einen uebeln Verstand / da keiner ist / es ist kein aerger Ausleger in der Welt; ist demnach kein Wunder / daß ein solcher Feind Ursach findet unbefriediget zu seyn / ja zu zancken mit der Schrifft / mit einem heiligen Leben / ja mit GOTT selber / denn der ist es vornemlich / da die Feindschafft gegen gehet. Ferner: Selbst ist partheyisch / und kan darum kein Richter seyn. Es ist Selbst / da die Schrifft vornemlich gegen redet: Durch das gantze Gesetz und Evangelium sind alle die Verrachtungs-Worte / und der Todes-Bogen gerichtet gegen Selbst / ihme die Todes-Wunde zu geben. GOtt ruffet daselbst aus / und fuehret einen offenen Krieg gegen ihme: Nun kan ja eine Parthey oder ein verraetherischer Verbrecher nicht Richter seyn. Ein Kind wil schwerlich Gutes reden von der Ruthe / was es auch mag sagen / wann es nicht vorbey kan: Allein das ist nimmer vermuthlich / daß ein Dieb am Galgen den Strick lieben solte. GOttes Wort ist das Gewehr / da Selbst muß mit getoedtet werden / und kan darum nicht Richter seyn. 3. Selbst ist gantz blind in denen Dingen / die GOtt angehen: Der natuerliche Mensch vernimmt nichtes vom Reich GOttes / und kan es nicht erkennen / es muß geistlich gerichtet seyn / 1 Cor. 2/ v. 14. 4. Ein Selbstischer studiret nicht fleißig in dem Gesetze GOttes / und ob er schon die Wort und den Buchstaben lieset / so verstehet oder schmecket er doch nicht den Geist desselben / denn die da fleischlich gesinnet sind / die sind fleischlich gesinnet / die aber geistlich gesinnet sind / die sind geistlich gesinnet / Rom. 8/ 5. Es wuerde fein daher gehen in der Welt / wenn ein jeder Kohlen-Traeger des Koeniges geheimen Rath oder Richter richten / oder wenn ein jeder Dieb seinen Anklaeger und Richter / und ein Verraether seinen Fuersten richten solte / viel ungeschickter ist Selbst / das Wort GOttes zu richten. Und dennoch / wie ungeschickt es auch ist / so ist es ueberaus hochmuethig / und setzet sich auf den Richterstuel ueber jedes Capitel / das gehoeret oder gelesen wird; wenn nun dieser blinde und boshafftige Richter nicht vergnueget ist / da muß die Schrifft dunckel und unverstaendlich seyn / und ihr selbst widersprechen / oder was ihme beliebet. Dieser erschreckliche Hochmuth des Selbst ist es / die so viel Zungen und Federn aufgewiegelt hat gegen die herrliche Lehre von der Seligkeit / und hat so viele in der Welt verursacht abzufallen und bey vielen so viel Zweiffel erwecket ueber dem Wort / dadurch sie zuletzt muessen gerichtet werden / und welches der Grund ihres Glaubens und Hoffnung solte gewesen seyn.

4. Ferner: Selbst muß verlaeugnet werden / als es widerstehet dem HErrn JEsu Christo. Wenn Christus sich praesentiret in seiner wunderbaren Herniederlassung / Menschwerdung / geringen verachteten Leben / und schaendlichen Tod; da aergert sich hoffaertig Selbst an eienm so schlechten Seligmacher / bespottet die Erniedrigung / die seine eigene Noth erforderte / und verachtet CHristum / weil er wurde verachtet / und ein Mensch voller Sorgen und Leidens an unser Staette. Wann er vorgeschlagen wird als das Mittel vor unsere elende Seele / und unser einiges Leben / Gerechtigkeit und Hoffnung / so verfuehret Selbst die Seele / Ihn geringe zu achten: Selbst wil sich nicht ueberweisen lassen / daß es solte so elend seyn / und solches Mittels beduerffen / es ist viel zu gesund / daß es solchen Artzt hoch schaetzen solte; Es ist viel zu gerecht / die Gerechtigkeit eines Mittels so hoch zu halten: Es hat allzuviel Hoffnung und Leben bey sich / in seiner eignen vermeynten Unschuld und Vollkommenheit / daß es so theur und werth achten die Hoffnung / die CHristus erworben und in ihme leben solte. O heruner mit Selbst / auf daß Christus euer Christus seyn moege. Wie sol er hinein kommen / wann Selbst der Thuerhueter ist? wie soll Er euch vergeben / wann Selbst euch nicht wil vergoennen / daß ihr erkennen moeget den Mangel und die Wuerdigkeit seiner Vergebung / wie sol Er eure Hertzen heilen / wann Selbst nicht zulassen will / daß sie gebrochen werden? wie sol Er euch bekleiden mit Gerechtigkeit / wenn Selbst eure faule und zerissene Lumpen nicht wil ablegen: Darum herunter mit Selbst / auf daß CHristus erhoben werde. Hinweg mit eurer eingebildeten Gerechtigkeit / auf daß Christus eure Gerechtigkeit seyn moege; Herunter mit eurer eigenen thoerichten Weißheit / daß die vermeynte Thorheit GOttes eure Weißheit sey: Machet eben diesen Berg / welchen Satan hat auffgeworffen in Feindschafft gegen den heiligen Berg des HErrn.

5. Ferner: Selbst muß verlaeugnet seyn / als es widerstehet dem Heiligen Geist. Der Heiligmachende Geist hat keinen groesseren Feind (ausgenommen den Teuffel selbsten) das halbe Werck der Heiligmachung ist diß fleischliche Selbst zu toedten / daher es nicht zu verwundern / wann dasselbe sich m haertesten gegen ihme setzet. Es kan keine heilige Bewegung in der Seelen gemachet werden / Selbst ist dawider: Alles was der Geist GOttes in uns wircket / dem widerspricht Selbst / und thut das Gegenspiel. Demnach wenn dieser Tod-Feind strebet gegen dem Geist GOttes /verunehret ein heiliges Leben / haelt euch ab von euren Christlichen Gebuehren / reitzet euch zur Suende / so muß er herunter / und verlaeugnet werden / wo ihr anders dem Geist der Warheit wollet getreu seyn.

6. Ferner: Selbst muß verlaeugnet seyn / als es verraetherischer Weise sich verbindet mit den Feinden Christi / und eurer Seligkeit; wenn es mit Satan haelt / und Suende vertheidiget / und redet wie die Gottlosen pflegen / und tritt in einen Bund mit denen / die euch verderben wolten / und diß alles unterm Vorgeben / es geschehe zu eurem Besten. Wenn es Suende vertheidiget / so moeget ihr euch gewiß versichern / daß es alsdann redet gegen GOtt und euch / und ist demnach billich / daß ihrs alsdann soltet verlaeugnen. So muß es auch verlaeugnet werden / wenn es sich setzet gegen die vermeynte Verdrießlichkeit und Schwierigkeit des Christlichen Wandels / wann es murret gegen ein heilig Leben / und saget: was ist hier all zu thun? was ist diß ein verdrießlich Leben? was habe ich davon / daß ich GOtt so emsig diene? Alsdann ist Selbst ein Verraether Gottes und euer / und darum verlaeugne es.

7. Ferner: Wenn es sich auffsetzet gegen Leiden / und bildet euch ein / es sey unertraeglich / und dß es gar ungereimt sey / daß einer alles soll verlassen aus Furcht eines suendlichen Wortes / oder suendlichen That / da wir ja alle Tage suendigen / ob wir noch so behutsam wandeln; alsdann ist es Zeit / Selbst den Mund zustopffen / denn es treibet des Teuffels Spiel gegen GOtt und euch / und wolte euch gerne bereden / ein kurtzes / ungewisses und Jammer-volles Leben dem ewigen Leben vorzuziehen / und daß ihr euch selbst soltet Freyheit geben zu wissentlichen Suenden / weil Gott die Suenden aus Schwachheit in den Menschen ertraeget. Es ist hoechst billich / einen so unbillichen Feind gegen GOtt und euch / zu verlaeugnen.

8. Ferner: Selbst muß verlaeugnet seyn / wenn es sich aufflehnet gegen die Ordnungen GOttes: wenn es streitet gegen die Gruende / so aus dem Worte Gottes genommen sind / und Mangel findet an dem Gesetze deme es gehorchen solte / und ist murrisch gegen dem Gebet und andern Christlichen Gebuehren / und wolte alle eingesetzte Mittel zu unserer Seligkeit krafftlos machen / so ist es Zeit / daß man es verlaeugne.

9. Wenn Selbst sich erhebet gegen die Bedienten Christi / und euch einbilden wolte / eure Lehrer waeren Narren und Thoren / ihr aber weise / sie fehlten der Warheit / ihr aber waeret im rechten Wege: oder daß sie gegen euch reden aus Boßheit / aus Singularitaet / oder aus andern dergleichen Affecten; und wolte also euch berauben der seligen Gutthaten ihrer Lehre und Amtes / so ist es Zeit Selbst zu verlaeugnen / wo ihr anderst wisset / was zu eurem Frieden dienet. Und ob ich schon dieses zugebe / daß ihr keinem Lehrer oder Prediger muesset in einer wissentlichen Suende nachfolgen / oder irren / wenn sie irren; dennoch / wenn es nicht GOtt / sondern selbst ist / das sich auffsetzet gegen eure Lehrer / und nimmt euch ein mit einem Geist der Bitterkeit / Ungehorsams und Boßheit / dieses selbst muß verlaeugnet werden.

10. Letztlich / Selbst muß verlaeugnet seyn / als es ist gegen unsers Naechsten / oder des gemeinen Besten Wohlfarth. Dann wir muessen unsern Naechsten lieben als uns selbst / das ist / beydes selbst und unser Naechster muß geliebet seyn in einer gebuehrlichen subordination unter GOtt / als Mittel zu seiner Ehren Befoerderung / und unter dieser Notion als ein Mittel solte die Liebe gleich seyn. Ob auch schon eine natuerliche Liebe / uns selbst zu erhalten von dem Schoepfer in uns geleget ist / welcher die Liebe so wir zu unsern Naechsten haben sollen / nicht gleich ist in dem Maß oder gradibus; so solte dennoch unsere Liebe zu gantzen Gemeinen und Gesellschafften dieselbe uebertreffen / und unsere Liebe zu dem Naechsten solte jener so nahe kommen / daß wir solten diligere proximum proxima dilectione, unsern Naechsten lieben mit der naechsten Liebe / ihne lieben als unser Selbst / und so seine Wohlfarth suchen / als selbige unserm Vermoegen nach zu befoerdern / und nicht uns geluesten lassen / etwas von ihme an uns selbst zuziehen / ihme auch kein Unrecht thun. Dieses ist die Meynung des neundten und zehenden Gebotes / und die Summa der andern Tafel.

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