Baur, Wilhelm - Jesus Christus, unsere Versöhnung - Sonntag Judica.

Baur, Wilhelm - Jesus Christus, unsere Versöhnung - Sonntag Judica.

Ach, was du Herr erduldet,
Ist alles meine Last,
Ich hab' es selbst verschuldet,
Was du getragen hast.

Schau her, hier steh ich Armer
Der Zorn verdienet hat,
Gib mir, o mein Erbarmer,
Den Anblick deiner Gnad! Amen.

Geliebte im Herrn! Von der Versöhnung der Welt mit Gott, die Gott selber in Christo gestiftet, hab ich vor acht Tagen gesprochen. Nachdem der Mensch gegen den heiligen Gott, der doch lauter Liebe ist, sich durch die Sünde empört was sollte geschehen? Gott hätte sich selbst aufgegeben, er wäre der Heilige nicht geblieben, wenn er die Menschen in der Sünde gelassen und nicht eine Sühne gesucht hätte. Gott hätte die Menschen aufgegeben, er wäre die Liebe nicht geblieben, wenn er den Menschen ihre Sünde zugerechnet und sie durch den ewigen Tod hätte bezahlen lassen. Da hat die Liebe einen Weg gefunden, auf welchem Gott der Heilige blieb, aber die Menschen mit ihm versöhnt werden konnten. Gott stellte in seiner Liebe den Sohn Gottes, welcher der Liebe zu Willen war, selbst als Sühnopfer dar, und Gott war in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber. Er hat den der von keiner Sünde wusste, für uns zur Sünde gemacht, auf dass wir würden in ihm die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. So hörten wir aus Paulus Mund. Aber wie die Juden, da ihnen der Heiland sagte, dass sie nur durch ihn und zwar durch eine persönliche Gemeinschaft mit ihm von der tiefsten Art, durch das Essen seines Fleisches, durch das Trinken seines Blutes das Leben haben könnten, riefen: Das ist eine harte Rede, wer mag sie hören? so dünkt selbst vielen Christen das Wort von der Versöhnung, wie es die Botschafter an Christi Statt ausrichten, eine harte Rede, die sie nicht hören mögen. Sie haben sich so sehr einer ernsten Betrachtung des göttlichen Wesens in seiner unwandelbaren Heiligkeit und ihres eigenen Wesens in seiner durchgängigen Sündhaftigkeit entwöhnt, dass sie auch vor dem Blick in den Abgrund der göttlichen Barmherzigkeit, in welchem doch die Perle unseres Friedens gesucht werden muss, zurückschaudern. Es ist aber kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, wenn wir die Heiligkeit Gottes, die uns die Schrift bezeugt, nicht mehr zu denken wagen. Es ist keine Aufklärung, sondern eine Verdunkelung, wenn wir unser sündliches Verderben nicht mehr in seiner Tiefe und all unser Wesen durchdringenden Macht erkennen. Und es ist keine Bereicherung, sondern eine Verarmung, wenn wir oberflächlichen Sinnes, ohne Schauer der Ehrfurcht vor Gott, ohne Angst der Sünde im Gewissen, nicht nach der vollen Liebe begehren, die sich in dem versöhnenden Tod unsers Heilandes über uns ausgegossen hat, um uns zum Frieden zu helfen. Selbst durch das Heidentum geht das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit, die Klage über den Zwiespalt im Gemüt, die Sehnsucht nach Versöhnung, und in dem Priestertum und Opfer, in der Selbsthingabe und Selbstvernichtung der Heiden, wenn sie auch in der unvollkommensten, traurigsten und widerlichsten Gestalt erscheinen, muss doch das Verlangen nach der Versöhnung mit der Gottheit anerkannt werden. Dem Bedürfnis des Menschen kam die Liebe Gottes im alten Bunde entgegen. Durch das Gesetz ward die Erkenntnis der Sünde, das Gefühl des Zwiespalts, das Sehnen nach Versöhnung gemehrt. Und während die Propheten den verkündigten, der unsere Gerechtigkeit und unser Frieden sein sollte durch sein sühnendes Leiden, gab die Ordnung des Priestertums und des Opfers eine vorbildliche Versöhnung. Das Priestertum zeigte sich im Hohenpriester, das Opfer in dem Opfer des Versöhnungstages in seiner tröstlichsten Gestalt. Es war doch für den Sünder, der das Weh der Sünde fühlte, ein Trost in der Verheißung des Herrn, welche auf der Besprengung der verklagenden Gesetzeslade mit dem Opferblut ruhte. Aber was ist ein Hoherpriester, der für seine eigene Reinigung zuerst Opfer bringen soll, für den, welcher nach einem heiligen Versöhner mit Gott verlangt? Was ist das Blut geschlachteter Tiere für den, welcher nur in der Darbringung eines heiligen Menschenlebens eine Sühne für die Sünde der Menschen erblicken kann? Selig sind die Augen, dass sie sehen, was wir sehen - den Hohenpriester des neuen Bundes, den Gottes- und Menschensohn, der im Himmel und auf Erden daheim ist, der durch seine völlige Sündlosigkeit Zugang hat bei dem Vater und der, nachdem er für uns sich dargebracht, uns allen einen freien Zugang zum Vater erworben hat. Wir hoffen heute über die Versöhnung der Welt mit Gott durch Christum neue Aufschlüsse zu erhalten durch das Wort von dem Hohenpriestertum Christi, das die Epistel bringt. Lasst uns zuvor diesen Hohenpriester anrufen:

Höchster Priester, der du dich
Selbst geopfert hast für mich;
Lass doch, bitt' ich, auch auf Erden
Noch mein Herz dein Opfer werden.
Denn die Liebe nimmt nichts an,
Was du Liebe nicht getan;
Was durch deine Hand nicht gehet,
Wird zu Gott auch nicht erhöhet.

Text: Hebr. 9,11-15.
Christus aber ist gekommen, dass er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter, durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht ist, das ist, die nicht also gebaut ist; auch nicht durch der Böcke oder Kälber Blut, sondern er ist durch sein eigenes Blut einmal in das Heilige eingegangen, und hat eine ewige Erlösung erfunden. Denn, so der Ochsen und der Böcke Blut, und die Asche von der Kuh gesprengt, heiligt die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit; wie vielmehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den heiligen Geist Gott geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott? Und darum ist er auch ein Mittler des neuen Testaments, auf dass durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen.

Der Brief an die Hebräer, meine lieben Freunde, ist wahrscheinlich an solche Christen aus dem Volk Israel geschrieben, welche in den um Christi willen über sie gekommenen Leiden weich wurden und sich nach der Herrlichkeit des Gottesdienstes im alten Bund zurücksehnten. Sie konnten sich in die Ordnung, die im Reich Gottes gilt: durch Leiden zur Herrlichkeit, schwer finden. Und doch hatte Gott diese Ordnung ein für allemal aufgerichtet, indem er seinen Sohn für uns hatte leiden lassen. Dem Versucher in der Wüste, der dem Heiland die Herrlichkeit vor dem Leiden verhieß, hatte er sein: Hebe dich weg von mir, Satan! entgegengerufen. Und selbst Petrus, als er den Herrn vom Marterweg zurückhalten wollte mit der Bitte: Schone dein selbst, das widerfahre dir nur nicht! musste sich das Wort gefallen lassen: Hebe dich von mir Satan, du bist mir ärgerlich, denn du meinst nicht was göttlich, sondern was menschlich ist. Er trank den Kelch, den ihm der Vater eingeschenkt. Und als der Herr am Kreuz hing, da hatte er für die, welche sonst ihm fröhlich nachgefolgt waren, keine Gestalt noch Schöne mehr. Erst als der Vater den Sohn auferweckt und ihm den Namen über alle Namen gegeben, und als die Predigt von dem Gekreuzigten, der wieder auferstanden war, durch das Land scholl, da kamen die Menschen wieder herzu, um mit dem Herrn die Herrlichkeit zu erben. Aber was für den Meister gegolten hatte: Christus musste solches leiden, um zur Herrlichkeit einzugehen, das sollte nun auch für die Jünger gelten. Die Christen konnten nicht ohne Verfolgung sein. Und die Trübsal ist ja immer eine Versuchung zum Abfall. Da wurden viele, welche zuvor an den schönen Gottesdiensten zu Jerusalem Anteil genommen, zweifelhaft, ob denn Gottes Volk in Kammern und Winkeln zur Anbetung des allein Gewaltigen sich versammeln dürfe, ob das Wort vom Kreuze ein Ersatz sei für die Herrlichkeit des Tempels, ob denn überhaupt der als Messias könne anerkannt werden, der die Seinen unter dem Drucke ließ und das Reich Gottes säumte zu vollenden. Solche Christen zu trösten und zu befestigen, ist der Brief an die Hebräer geschrieben. Und das ist des Briefes Kern, dass alles, was im alten Testamente gegeben war, von dem, was wir in Christo haben, so weit übertroffen werde, wie die Weissagung von der Erfüllung, die Vorbereitung von der Vollendung, der Schatten vom Wesen, das Bild von der Wirklichkeit. So ist der Brief, aus welchem unsere Epistel entlehnt ist, eine kräftige Hinweisung der Christen aus dem Äußerlichen ins Innerliche, aus dem Unvollkommenen ins Vollkommene, aus dem Gleichnis in die Herrlichkeit dessen, dem nichts gleicht. Auf Christum, auf seine erbarmende Liebe, auf die Versöhnung, die durch ihn zu Stande gekommen, werden wir gewiesen und in unserer heutigen Epistel insbesondere auf sein Hohenpriestertum. Lasst uns denn betrachten:

Die Herrlichkeit des Hohenpriesters Jesu Christi, in der Vollkommenheit des Opfers, das er bringt, des Wandels, den er wirkt und des Erbes, das er verschafft.

I.

Die Herrlichkeit des Hohenpriesters Jesu Christi sehen wir zuerst in der Vollkommenheit des Opfers, das er gebracht. Davon zeugt unser Schriftwort: Christus ist gekommen, dass er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter nicht durch der Böcke oder Kälber Blut, sondern er ist durch sein eigenes Blut einmal in das Heilige eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden. Denn so der Ochsen und der Böcke Blut und die Asche von der Kuh gesprengt, heiligt die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit; wieviel mehr wird das Blut Christi, der sich selbst ohne allen Wandel durch den heiligen Geist Gott geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken zu dienen dem lebendigen Gott! Hier ist Vieles zu bedenken, meine Lieben! Zuerst ist es offenbar, dass die Reinigung durch die Asche eines verbrannten Tieres, die Versöhnung durch das Blut der Opfertiere gar nicht zu vergleichen ist mit dem Blut eines Menschen, der sich für die Versöhnung der Brüder dahingibt. Freilich gab die Ordnung Gottes, die er im alten Bund aufgerichtet, auch solchen Opfern einen Wert. Aber wenn Gott selbst aus dem Schatten ins Wesen führte, was sollte der Schatten noch? Aber nicht bloß, dass ein Mensch sein Blut für die Menschen vergoss, macht das Opfer Christi so groß. Es war ein reines Blut, das auf Golgatha floss, es war ein heiliges Leben, das dort in den Tod gegeben ward, ein Leben ohne allen Wandel, ohne Wechsel des Lichts und der Finsternis, des Gehorsams und der Übertretung, ein Leben, das ganz Liebe und darum vollkommen war. Aber noch mehr gehört zur Vollkommenheit des Opfers Christi: Er hat sich selbst durch den heiligen Geist geopfert, in völlig freier Liebe hat er sich unter die Last gestellt, die ihm aufgebürdet ward, hat sie ans Kreuz hinaufgetragen und sie dort durch seinen Opfertod vernichtet. Man darf, wenn von Christi Tod die Rede ist, nie vergessen, meine Lieben, dass Christus ein heiliges Leben geopfert hat. Das Wort von der Versöhnung, von dem Kreuz, vom Blut Christi wird ja immer ein Ärgernis für die Einen und für die Andern eine Torheit bleiben, aber wir Christen dürfen doch nicht selbst dazu beitragen, indem wir das Wort nicht richtig verkündigen. Es wird aber nicht richtig verkündigt, wenn man den Tod Christi von seinem Leben trennt, als ob das Blut an und für sich die reinigende Kraft habe. Das allein ist die richtige Aussage von der Versöhnung, dass der Tod Christi durch das heilige Leben versöhnende Kraft hat, dass das Blut Christi, als des Leibes Leben, darum reinigt, weil es nicht durch sündliches Fleisch geflossen, sondern durch den Geist Gottes heiliges Leben geworden war. So gehört das Sterben des Herrn mit seinem Leben unaufhörlich zusammen. Aber das wäre auch nicht richtig, wenn man sagen wollte, dass Christus, einmal in die sündliche Welt als Sündloser eingegangen, dem Geschick, durch die sündliche Welt aus ihr gewaltsam herausgetan zu werden, nicht hätte entgehen können, dass Christus gestorben sei, weil er auf die Erde gekommen, und nicht vielmehr, auf die Erde gekommen sei, um zu sterben. Es war ja die Liebe, die ihn zu uns hernieder trieb, und in der Liebe hat er das reine Leben für die Sünder, nicht durch Zwang des Geschickes, sondern freiwillig dahingegeben. Seht also darin die Vollkommenheit des Opfers Christi, dass in ihm Tun und Leiden Eins war, weil es ein freiwilliges Tun und Leiden war. Wenn es nur ein Tun gewesen wäre, wenn er zwar ein vollkommenes Leben geführt hätte, wenn er es seine Speise hätte sein lassen, den Willen des Vaters zu erfüllen, so wie er allen Menschen geoffenbart ist zur Erfüllung aber vor dem Kreuz hätte er still gestanden und hätte gebetet: weil ich deinen Willen, o Vater, allezeit getan, so lass nun meinen Willen geschehen und lass mich den Tod nicht schmecken, der nur für die Sünder ist, dann wäre sein Leben uns nichts nütze, es ließe uns durch seinen heiligen Glanz nur schreckhafter unsere Werke der Finsternis erkennen, aber eine versöhnende Kraft läge nicht in ihm, wir kämen durch dasselbe dem heiligen Gott nicht näher. Oder wenn er nur gelitten hätte, wenn zuvor die Fülle der Schmach und des Schmerzes sich über ihn ausgegossen hätte, wenn alle Glieder ihm wären zerrissen worden, wenn er für jeden Tropfen Bluts einen eigenen Tod hätte schmecken müssen, aber sein Tod wäre das Ende eines sündigen Lebens gewesen, dann wäre er der Sold für die eigene Sünde gewesen, er zeigte uns nur, was wir selbst zu erwarten hätten, aber eine versöhnende Kraft hätte sein Tod nicht für uns und über unsere Sünde würden wir durch ihn nicht getröstet. Aber, Gott sei Dank für seine Gnade! Es war ein Leiden in seinem Tun und ein Tun in seinem Leiden. Hat er nicht in allem seinem Tun auch ein Leiden getragen? Da er unser Fleisch und Blut an sich nahm, trat er da nicht sofort in die Gemeinschaft all unseres Wehs ein? Ging er nicht wie Einer über die Erde hin, den selbst die, welche ihm anhingen, nicht verstanden? Ward ihm nicht von seinen Feinden die Wohltat selbst als Übeltat angerechnet? Was für ein Leiden ergriff ihn, als er des Todes Verwüstung an Lazarus sah and ihm die Augen übergingen! Was für ein Jammer erfüllte seine Seele, da er Jerusalem ansah in ihrer Verstockung und über die heilige Stadt weinte. Wer ist unter euch, der je versucht hätte, mitten in der Welt ein Leben in Gott zu führen und hätte nicht erfahren, dass mit solchem Leben ein immer dauerndes, wenn auch stilles, verborgenes Leiden verbunden ist? Wie viel mehr muss Christi Gottseligkeit mitten in der gottlosen Welt, seine Liebe mitten im Hass, seine Reinheit mitten im Schmutz der Sünde ein Leiden gewesen sein!

Sein Leiden aber war zugleich ein Tun. Es kam nicht über ihn wider seinen Willen. Mit völliger Klarheit der Erkenntnis, mit ruhiger Festigkeit des Willens hat er es auf sich genommen. Der Vater sendete, aber der Sohn ging. Der Vater legte auf, und der Sohn sprach: Ich wills gern tragen! Der Versucher zeigte ihm einen andern Weg: Er ging den des Kreuzes. Seine Lieben hielten ihn zurück, er ging den Kreuzesweg weiter. Das Volk wollte ihn zum Könige machen, da entwich er. Die Häscher wollten ihn greifen, da sprach er: Ich bins! Es gehörte freilich zu seinem Leiden, weil es die Sünde der Menschen sühnen sollte, das Zittern und Zagen und das Gefühl der Gottverlassenheit, aber das schließt nicht aus, dass in seinem Leiden doch sein Tun war, er durfte am Ende sprechen: Es ist vollbracht, und als Einer, der des Vaters Willen getan, den Geist in seine Hände befehlen. Seht da, liebe Christen, die Vollkommenheit des für euch gebrachten Opfers ein heiliges Leben, einen freiwilligen Tod, göttliches Wesen im Fleisch und Blut, ans Kreuz geheftet, damit menschliches Wesen aus des Fleisches Gewalt durch den Geist befreiet, auf den Thron könnte erhoben werden. Nun seht hinein in euere Sünde und lasst euch von der Sehnsucht nach der Versöhnung ergreifen, dann durchzieht die ganze Welt und betrachtet euch alle Reinigung und Versöhnung, die Menschen erfunden und sehet euch an die Vorbilder, welche Gott im alten Bund gegeben und dann kommt an das Kreuz zurück und umfangt es und gestehet ein und preiset Gott, dass allein das Opfer, das dort gebracht worden ist, euer Friede ist.

II.

Die Herrlichkeit des Hohenpriesters Jesu Christi sehen wir ferner in dem vollkommenen Wandel, den er bei uns wirkt. Es ist ein gewichtiges Wort, das wir in unserer Epistel lesen: Denn so der Ochsen und der Böcke Blut, und die Asche von der Kuh gesprengt, heiligt die Unreinen zu der leiblichen Reinigkeit; wie vielmehr wird das Blut Christi, der sich selbst, ohne allen Wandel, durch den heiligen Geist, Gott geopfert hat, unser Gewissen reinigen von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott? Reinigung des Gewissens von den toten Werken zum Dienst des lebendigen Gottes das wäre also die Frucht, welche aus dem Opfer Jesu Christi reifen soll, da hätten wir unsers Wandels Ausgang, Fortgang und Ziel. Der Ausgang ist die Reinigung unseres Gewissens. Das Gewissen ist die Stelle in dem Menschen, da die Stimme Gottes gehört und beantwortet wird, da der Mensch sich mit Gott am unmittelbarsten berührt. Darum ist jede Reinigung, welche nicht ins Gewissen hinabreicht, nur eine vollständige, die vor Menschenaugen gelten mag, aber nicht gilt vor dem lebendigen Gott. Das ist aber des Opfers Frucht, welches unser treuer Hoherpriester für uns gebracht hat, dass auch die letzte, tiefste, verborgenste Sünde, welche nur von den Augen Gottes erkannt wird, abgewaschen, ausgetilgt, versöhnt wird. Hier inwendig, wo die Sünden geboren werden, ehe sie in die Welt hinausgehen, hier inwendig, wo auch die Drohungen Gottes gegen die Sünden ihren Widerhall finden, hier inwendig muss die Reinigung beginnen. Ehe hier inwendig alles im Reinen ist, kann's mit unserm Christenwandel nichts werden. Es muss einmal all der alte, vielleicht seit langen Jahren aufgehäufte Sündenwust aufgerührt, es muss einmal durch die Liebe, die am Kreuz für die Sünde geblutet hat, ein Hass gegen die Sünde hier inwendig erweckt werden, es muss einmal die gekreuzigte Liebe auf das Gebet des herzlichsten Vertrauens Vergebung zugesagt haben, es muss einmal alle Sünde in den Tiefen der Barmherzigkeit Gottes in Christo versenkt sein: da wird das Gewissen rein und gut und kindlich und freudig, und wie eine Harfe, durch welche Gottes Geist weht und aus welcher der Ton klingt: Abba, lieber Vater! Seht, welch' eine Liebe hat uns der Vater erzeigt, dass wir Gottes Kinder sollen heißen! - Hast du solchen Frieden in reinem Gewissen durch das Opfer Jesu Christi? Ist aber das Gewissen gereinigt, so ist der Anfang des rechten Wandels da. Und jein Fortgang geschieht in Werken, die den Tod nicht an sich tragen. Seltsam! Nicht nur von den offenbaren Sünden müssen wir gereinigt werden, sondern auch von Werken, die gut scheinen, aber es nicht bis in den Grund sind. Wir müssen beten, nicht nur, dass der Herr unsre Sünden, sondern dass er auch unsre guten Werke vergebe. Nicht nur die Sünde, die sich als Sünde ohne Scham zeigt, müssen wir meiden, sondern auch die Werke, die nicht aus dem Leben und für das Leben sind. Tote Werke - das ist ein Wort, vielen unverständlich, und doch ist die Welt toter Werke voll. Was ist tot? Was nicht aus der Lebensquelle getrunken und die Verheißung des ewigen Lebens empfangen hat, was nicht aus Gott kommt, in Gott ist, zu Gott führt. Siehe das Tun und Treiben der meisten Menschen an, was hat es mit Gott zu schaffen? Bringen sie nicht ihre Jahre zu wie ein Geschwätz? Was tun sie, dessen sie sich freuen können, wenn die Larve, mit der sie vor der Welt ihr wahres Wesen verborgen haben, abfällt und sie nun bloß und entdeckt vor Gottes Augen stehen? Was richten sie aus, das segenbringend in die Ewigkeit hineinwirkt? Sie arbeiten, ja, aber ohne Gott. Sie suchen Freude, ja, aber nicht in Gott. Sie sorgen für ihre Familie, ja, aber nicht um sie zu Gott zu führen. Sie bilden ihren Geist aus, ja, dass er sich mehr und mehr von Gott frei mache. Siehe deine eigenen Werke an, ob sie nicht tot sind. Du klagst über die Kürze deines Lebens, aber wie viele Zeit geht hin, da du nicht lebst, weil du ohne Gott bist. Du rühmst dich dessen, was du ausgerichtet, aber welch' ein gefährlicher Wurm nagt an deinen Werken, dass du sie nicht in Gott getan hast. Wir müssen in Buße die toten Werke abtun und in solcher Reinigung des Gewissens, in solchen lebendigen Werken sollen wir Gott dienen, das ist das Ziel unseres Wandels, das wir immer vor Augen haben müssen. Glaubt nicht, meine Lieben, dass ich euch durch die Vorsteckung dieses Zieles aus dem Kleinen ins Große, aus den gewöhnlichen Werken eures Berufes in ein absonderliches Tun einführen will. Das Große ohne Gott wie sinkt's in Staub zusammen! Und das Kleinste in Gott getan wie sorgfältig schreibt es Gott ins Buch des Lebens ein! Tue, was dir befohlen ist, ob dein Beruf dir Macht über viele Menschen gibt oder der Kreis deines Wirkens sich auf eine kleine Kammer beschränkt, ob du die Geister zu pflegen oder die geringsten Dienste des Haushalts zu versehen hast. Tue es mit reinem Gewissen, in Gemeinschaft mit Gott, aus Liebe zu den Brüdern, tue es aus frommen Gemüt heraus und es wird dein Tun die Gemüter der Menschen ansprechen und Gott wird seine Freude an dir haben, wie an einem Kinde, das aus Liebe tut, was der Vater will. Aber wie dein Hoherpriester ein Ganzes für dich gewirkt in Tun und Leiden, so wirke du ein Ganzes aus dankbarer Liebe. Wie klein es scheine, lass es ein Ganzes sein. Vereinige in ihm Glaube und Liebe, Ruhe in Gott und Arbeit für die Brüder, lass dir nicht genügen mit Laufen und Rennen in der Woche, füge dazu die Sabbatstille und anbetende Versenkung, tue deinen Gottesdienst nicht ab in einer Stunde, lass dein ganzes Leben ein Freudenopfer sein, leide gern in deinem frommen Tun, tue Gottes Willen in frommen Leiden. Wie der Heiland sich ganz in des Vaters Willen gegeben hat für dich, so gib du dich ganz in deines Vaters Willen für ihn, gib Herz für Herz zum Opfer! Das ist der vollkommene Dienst, den Christi Opfer von dir verlangt.

III.

Die Herrlichkeit des Hohenpriesters Jesu Christi sehen wir endlich in dem vollkommenen Erbe, das er uns erwirbt. Lasst uns noch einmal in unser Schriftwort sehen, was von diesem Erbe darin gesagt ist. Christus aber ist gekommen, dass er sei ein Hoherpriester der zukünftigen Güter, durch eine größere und vollkommenere Hütte, die nicht mit der Hand gemacht ist, das ist, die nicht also gebaut ist. Darum ist er auch ein Mittler des neuen Testaments, auf dass durch den Tod, so geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Testament waren, die, so berufen sind, das verheißene ewige Erbe empfangen. wie überstrahlt doch nach diesen Worten die Herrlichkeit unseres Hohenpriesters Jesu Christi den Glanz des Hohenpriestertums im alten Bunde! Im alten Bund bestand des Hohenpriesters Würde darinnen, dass er allein in das Allerheiligste der Stiftshütte und des Tempels mit dem Blut der Versöhnung eintreten durfte Christus ist einer vollkommenen Hütte, eines von Menschenhänden nicht gemachten Tempels Priester, er ist in das Allerheiligste des Herzens Gottes für uns eingegangen, wo er ursprünglich war, dahin ist er, nachdem er Mensch geworden und für uns gestorben, wieder eingegangen mit dem Werk, das er für uns vollbracht! Was der Hohepriester im alten Bund mit fremden Blut verrichtete, das Opfer der Versöhnung musste jedes Jahr erneuert werden - aber unser Hoherpriester ist durch sein eigenes Blut einmal ins Heilige eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden! Die Versöhnung des Alten Testaments gab für eine Zeit lang den Frommen den Trost, dass Gott ihre Sünden nicht ansehen wolle, aber zukünftige ewige Güter hat uns Christi Opfer erworben und gewonnen. Ein köstliches Glück verschafft er uns - Erlösung, neuer Bund, zukünftige Güter, ein ewiges Erbe - welch' ein Schatz liegt in diesen Worten! Erlösung, das ist's, wonach unser gebundenes Wesen seufzt und verlangt. Wie ein Bann hält die Sünde das Gemüt, dass wir nicht frei und kindlich aufschauen mögen. Und wenn wir heute unter der Zusicherung Gottes: Dir sind deine Sünden vergeben, den Mut fassten, weiter zu gehen, aber ohne Christum, die innerliche Gebundenheit der bösen Lust würde uns bald wieder in die alten Fesseln zurückbringen. Und müssen wir nicht, so lange wir unter diesem Bann leben, unser ganzes Leben durch Furcht des Todes Knechte sein? Und was wird in der Ewigkeit werden? Erlösung bedürfen wir. Gibt sie uns der Hohepriester Jesus Christus? Siehe den Heiligen ins Herz, die sich ihm ergeben haben. Wie fröhlich ruft Paulus aus: So ist nun nichts Verdammliches an denen, die in Christo Jesu sind (Röm. 8,1), bezeugend, dass in Christo Jesu Vergebung der Sünde ist durch sein Blut. Und dass mit der Vergebung der Sünde auch neues Leben in Christo Jesu ist, wie stark bezeugt das Paulus: Nun lebe ich, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. (Gal. 1,20). Und der Bann des geistlichen Todes, der in der Lieblosigkeit liegt, ist er nicht gelöst, wenn Johannes sagen kann: Wir wissen, dass wir aus dem Tod ins Leben gedrungen sind, denn wir lieben die Brüder (1 Joh. 3,14). Aber diese Erlösung wird sie wirklich eine ewige sein? Bürgschaft haben wir in dem neuen Bund, den Gott, mit uns gemacht durch das Blut seines Sohnes. Gott gibt uns nicht bloß ein einzelnes und zeitliches Gut, er gibt uns alles, er gibt es uns ewig: denn der Bund mit ihm ist neu geschlossen durch den Mittler, den Gottmenschen Jesus Christus. Es war eine große Liebe, dass uns Gott uranfänglich zum Bund mit ihm erschuf; es war eine todbringende Verletzung seiner Liebe, dass der Mensch in der Sünde sich von ihm losriss; es ist der Liebe Triumph, dass der Bund hergestellt ist, dass Gott spricht: Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein; dass der Sohn sein Blut vergießt zur Bundeserneuerung; dass der Gläubige sprechen darf: Ich bin hinfort gewiss, dass nichts mich scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist. Aber im Bund sein mit Gott, sprechen zu können: Du bist mein, ich bin dein verbürgt das nicht die zukünftigen Güter? Wer die Person, die Liebe, das Herz hat, sollte der nicht auch das Haus, das Gut, das Erbe haben? Der Herr, unser Heiland, ist ins Allerheiligste eingegangen, da er gen Himmel fuhr und hat sich gesetzt zur Rechten Gottes werden wir, die wir in Gottes Herz haben Eingang gefunden, in seine ewigen Wohnungen nicht Eingang finden? Lässt auch ein Haupt sein Glied, welches es nicht nach sich zieht? Fürwahr, liebe Brüder und Schwestern! Die Versöhnung am Kreuz ist der Schlüssel zur Herrlichkeit. Wir werden auf Christi Tod in Frieden hinfahren; wir werden, wenn wir das verwesliche Kleid des Leibes abgelegt, bei Christo sein, unversucht durch Fleisch und Welt und Teufel; wir werden harren des großen Tages der Auferstehung; wir werden hervorgehen Gräbern im verklärten Leib, der ähnlich ist dem verklärten Leib Jesu Christi, nach der Wirkung, mit welcher er kann auch alle Dinge ihm untertänig machen; wir werden mit allen Gläubigen und Auserwählten vor Gott stehen in Freude und Wonne, in Ehre und Herrlichkeit. Und so wird es bleiben von Ewigkeit zu Ewigkeit! Seht da, was das Opfer unseres Heilandes bedeutet! Aus der ewigen Liebe stammt es, ewiges Leben wirkt es! O dass wir nicht so kalt wären! Wir würden die Gabe, die uns geboten wird, inniger erfassen, tiefer uns eindrücken wir würden hienieden wandeln angeglänzt von dem Aufgang aus der Höhe und kein Mangel könnte uns schmerzen, weil unser Erbe so groß und weil es ewig ist. Ergreift denn die Hand des Hohenpriesters, liebe Christen, dass er euch einführe in das Allerheiligste der Erbarmungen Gottes, wo der Quell der Verjüngung fließt zum ewigen Leben. Amen!

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/b/baur_wilhelm/baur-judica.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain