Baur, Gustav Adolph - Der Segen der Himmelfahrt Christi.

Baur, Gustav Adolph - Der Segen der Himmelfahrt Christi.

Am Himmelfahrtsfeste.

Ich sag' es jedem, daß er lebt
Und auferstanden ist;
Daß er in unserer Mitte schwebt
Und ewig bei uns ist.

Der dunkle Weg, den er betrat,
Geht in den Himmel aus;
Und wer nur hört auf seinen Rath,
Kommt auch in Vaters Haus.

Er lebt und wird nun bei uns sein,
Wenn Alles uns verläßt;
Und so soll dieser Tag uns sein
Ein Weltverjüngungsfest! -

Amen.

Nun, in Christo geliebte Festgemeinde, ein Weltverjüngungsfest, wie wir mit den Worten eines christlichen Sängers unser schönes Himmelfahrtsfest soeben genannt haben, ein Weltverjüngungsfest haben wir ja in diesen Wochen schon gefeiert im Reiche der Natur. Unser volles, von dem Drucke des langen Winters befreites Herz ist freudig bewegt worden von dem Gefühle, welches der Dichter so einfach und so schön ausdrückt in den Worten:

Die Welt wird schöner mit jedem Tag,
Man weiß nicht, was das werden mag,
Das Blühen will nicht enden!

Mit dankbarem Gemüthe haben wir unsere Freude darüber ausgedrückt, daß der Frühling in diesem Jahre unsere Erde so wunderschön verjüngt hat. Aber eben indem wir sagen „in diesem Jahre“, sprechen wir es auch aus, daß es in anderen Jahren anders ist. Und das erinnert uns an die Unbeständigkeit aller irdischen Herrlichkeit, wie der von den Bäumen schon wieder herabwehende Blüthenschmuck uns an ihre Vergänglichkeit erinnert. Bei dem Weltverjüngungsfest im Reiche der Gnade aber, welches die christliche Gemeinde an dem heutigen Tage der Himmelfahrt ihres Herrn und Erlösers feiert, da ist das Alles ganz anders. Die Sonne der Gerechtigkeit, deren lichter und warmer Strahl diese Weltverjüngung zu Stande gebracht hat, kennt keinen Wechsel von Licht und Finsterniß, und sie wird denen, welche ihr Augen und Herzen aufschließen, leuchten in alle Ewigkeit. Ihr himmlisches Licht führt uns heraus aus dem finsteren Thal, in welches die Macht der Sünde und der Schrecken des Todes uns gebannt hat; und im Aufblicke zu ihr können wir erst mit ganzem Herzen und mit gutem Grunde den vorhin angeführten Dichterworten die weiter folgenden hinzufügen:

Es blüht das fernste tiefste Thal,
Nun, armes Herz, vergiß der Qual;
Nun muß sich Alles, Alles wenden!

Ja, Geliebte, dadurch hat unser Herr und Heiland die Welt verjüngt, daß er den Bann der Sünde und des Todes, welcher der Sünde Sold ist, von ihr genommen hat. Und damit er das vermöge, hat er selbst von dem Verderben der Sünde frei sein und die Macht des Todes überwinden müssen. Darum hat der barmherzige Gott das ewige Wort, welches von Anfang an bei Gott gewesen ist, da die Zeit erfüllet war, in Jesu von Nazareth Fleisch werden lassen, auf daß. wer den Sohn sehe, den Vater im Himmel selbst sehe. Und nachdem dieser Gerechte dadurch, daß er durch die Sünder und doch für die Sünder gestorben ist, die Macht der Sünde gebrochen hatte, hat ihn der Gott der Allmacht auch aus den Banden des Todes befreit und an dem Tage, den wir heute feiern, ihn wieder erhoben zu seiner himmlischen Herrlichkeit, die er um unserer Erlösung willen in seiner selbstverläugnenden Liebe verlassen hatte. An diesem Tage hat sich das Wort erfüllt, welches er in unserem vorigen Evangelium zu den Seinen gesprochen hat: „Ich bin vom Vater ausgegangen und gekommen in die Welt; wiederum verlasse ich die Welt und gehe zum Vater.“ Damit war das Werk vollendet, welches er nach dem Willen seines Vaters in der Zeit seines irdischen Wirkens ausrichten sollte. An uns aber, meine theure Festgemeinde, richtet nun unser Himmelfahrtsfest die Frage, ob denn sein Werk an uns nicht verloren ist, ob auch wir lebendigen Antheil haben an der Weltverjüngung, welche der um unserer Sünde willen erniedrigte und um unserer Gerechtigkeit willen erhöhte Heiland zu Stande gebracht hat. Gott wolle uns seine Gnade geben, daß wir diese ernste Frage jetzt zu unserem Heile erwägen.

Lied: 212. 3.

Ach, Herr, laß diese Gnade mich
Von deiner Auffahrt spüren,
Daß mit dem wahren Glauben ich
Mag meine Wallfahrt zieren,
Und darauf einst, wenn dir's gefällt,
Mit Freuden scheiden aus der Welt.
Herr, höre dieß mein Flehen!

Text: Marc. 16. 14-20.

Zuletzt, da die Elf zu Tische saßen, offenbarte er sich, und schalt ihren Unglauben, und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubet hatten denen, die ihn gesehen hatten auferstanden; und sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt, und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden. Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: In meinem Namen werden sie Teufel austreiben, mit neuen Zungen reden, Schlangen vertreiben, und so sie etwas Tötliches trinken, wird es ihnen nicht schaden; auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden. Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward er aufgehoben gen Himmel, und sitzet zur rechten Hand Gottes. Sie aber giengen aus, und predigten an allen Orten; und der Herr wirkte mit ihnen, und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.

Nach den Worten also, welche Christus hiernach zu seinen Jüngern geredet hatte, wurde er aufgehoben in den Himmel zur rechten Hand Gottes; und in der That beziehen sich jene Worte des Herrn schon auf die große Thatsache seiner Himmelfahrt. Sie erhalten durch diese erst ihr rechtes Licht und ihre volle Bedeutung, so sehr, daß wir die Rede Christi in unserm Texte geradezu als die Darlegung des Segens seiner Himmelfahrt auffassen können. Es besteht aber nach ihm der Segen der Himmelfahrt Christi für seine Gemeinde darin, daß durch die Himmelfahrt erstens unser Glaube vollendet, zweitens die Predigt belebt und drittens unser Leben verklärt wird.

I.

Zuerst also offenbart sich der Segen der Himmelfahrt Christi darin, daß durch sie unser Glaube vollendet wird. - Wir glauben an Christum als an unseren Erlöser von der Sünde und unseren Versöhner mit Gott, Um uns von der Sünde zu erlösen, mußte er selbst von der Sünde frei sein. Keine Seite seines Wesens, keine Regung seines Lebens durfte, wie das bei uns sündigen Menschen der Fall ist, sich in Widerspruch befinden mit dem Wesen und Willen des heiligen Gottes. Er mußte mit dem Willen seines Vaters im Himmel in der vollständigsten Uebereinstimmung sein und leben. Und um uns mit Gott zu versöhnen, mußte er selbst mit Gott in der innigsten Gemeinschaft stehn. In dem menschlichen Wesen Jesu mußte die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig wohnen und zur Erscheinung kommen. Er mußte von dem Wesen und der Kraft des unsichtbaren Gottes vollständig erfüllt, durchdrungen und verklärt sein. Unser Erlöser und Versöhner muß mit Einem Worte ein Gottmensch sein. -

Es hat nun Zeiten in der Kirche gegeben, in welchen man die göttliche Seite in Christi Person einseitig hervorhob, so daß sein menschliches Leben und Wesen in einen bloßen Schein sich zu verflüchtigen drohte. Und darum ist unsere Zeit in einem gewissen Recht, wenn sie auf das Menschliche in Christo einen besonderen Nachdruck legt. Aber sie verfällt wieder in ein schweres Unrecht, wenn sie ihn darüber seiner göttlichen Würde entkleidet, ohne welche wir doch keinen Grund hätten, ihn als den, welcher allein die Macht hat, uns zu erlösen, in vollkommener Einzigkeit von uns allen zu unterscheiden, welche die Erlösung, deren wir alle bedürfen, von ihm nur empfangen sollen. Man weist heutzutage hie und da mit Vorliebe darauf hin, daß Jesus sich am liebsten des Menschen Sohn genannt habe. Aber wenn das zum Beweise dafür dienen soll, daß er selbst seine göttliche Würde nicht behauptet habe; so wissen die, welche diesen Beweis versuchen, wirklich nicht, was sie reden und was sie thun, denn Christus nennt sich des Menschen Sohn mit Beziehung auf ein Wort des Propheten Daniel (7, 13. 14), wonach dieser in nächtlichem Gesichte Einen kommen sah in des Himmels Wolken, wie eines Menschen Sohn, welchem Gott Gewalt, Ehre und Reich gab, daß ihm alle Völker, Leute und Zungen dienen sollten, und dessen Gewalt ewig sein und dessen Königreich kein Ende haben soll. Dieser Menschensohn ist also gerade der von Gott gesandte und mit Gottes Geist und Kraft ausgerüstete Erlöser und ewige König der Menschen. Und wenn darum Christus diesen Namen sich beilegt, so will er sich damit bezeichnen als den wahren Menschensohn, wozu er eben dadurch wird, daß das in allen anderen Menschen durch die Sünde zerstörte Ebenbild Gottes in ihm auf das vollkommenste wieder hergestellt ist, und daß die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes voll Gnade und Wahrheit in ihm sich offenbart. Ueberall, wo der Herr diesen Ausdruck von sich braucht, bezeichnet er damit nicht die menschliche Knechtsgestalt, in welcher er auf Erden wandelte, sondern gerade seine göttliche Würde und Machtvollkommenheit. Darum sagt er (Matth. 9, 6), daß des Menschen Sohn Macht habe, auf Erden die Sünden zu vergeben, und daß er ein Herr sei auch über den Sabbath (12, 8); daß des Menschen Sohn sitze zur Rechten Gottes und kommen werde in den Wolken des Himmels (26, 64), und daß ihm Macht gegeben sei, das Gericht zu halten (Joh. 5, 27). Der Sache nach bezeichnet also der Ausdruck des Menschen Sohn und der Ausdruck Gottes Sohn Eins und Dasselbe. Aber wie sie die wahre Bedeutung jenes Ausdruckes verkennen, so vermögen so manche sich überhaupt nur in das zu finden, was die Heilige Schrift von der menschlichen Liebe des Heilandes, und nicht auch in das, was sie von seiner göttlichen Würde und Macht berichtet. Darum trifft ihr Zweifel auch die großen Thatsachen seiner Auferstehung und Himmelfahrt. Und was Christus nach unserem Texte damals seinen Jüngern that, das wäre auch heute noch am Platze: „Er schalt ihren Unglauben und ihres Herzens Härtigkeit, daß sie nicht geglaubt hatten denen, die ihn gesehen hatten auferstanden.“ In der That, meine geliebten Freunde, ist die Härtigkeit unseres Herzens der eigentliche Grund solchen Unglaubens. Ist erst unser Herz weich geworden im Gefühle unserer Sünde und Hülfsbedürftigkeit, in aufrichtiger Buße und sehnlichem Verlangen nach Versöhnung mit Gott; dann ist es auch der Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes vom Vater erschlossen, welche in Jesus Christus uns entgegentritt und Gottes Gnadenhülfe uns darbietet. Und haben wir erst seine erlösende, versöhnende und seligmachende Gotteskraft in lebendigem Glauben selbst erfahren so müßte uns ja etwas fehlen zur Vollendung dieses Glaubens, wenn nicht der, dessen göttlicher Reinheit die Macht der Sünde nichts anhaben konnte, auch in der Kraft seines göttlichen Lebens die Macht des Todes überwunden hätte, welcher der Sünde Sold ist, und wenn nicht der, welcher nur, um uns aus den Banden der Sünde und des Todes zu erlösen, aus der Herrlichkeit, welche er bei dem Vater hatte, zu uns herabgekommen ist, nach Vollendung seines Werkes auch wieder aufgefahren wäre über alle Himmel, auf daß er Alles erfüllete.

II.

Wenn der Apostel Paulus im Briefe an die Epheser (4, 10) das Wort ausspricht, auf welches ich so eben hingedeutet habe: „Der hinuntergefahren ist, das ist derselbige, der aufgefahren ist über alle Himmel, auf daß er Alles erfüllete;“ so ist es sehr beachtenswerth für uns, daß er daran unmittelbar das weitere Wort anknüpft: „Und er hat etliche zu Aposteln gesetzet, etliche aber zu Propheten, etliche zu Evangelisten, etliche zu Hirten und Lehrern, auf daß die Heiligen zugerichtet werden zum Werke des Amtes, dadurch der Leib Christi erbauet werde.“ Und es führt uns das zu unserem zweiten Punkte: Wie durch die Himmelfahrt unseres Herrn unser Glaube an ihn, als an den eingeborenen Sohn Gottes, an das unsichtbare Haupt seiner Gemeinde und den ewigen König seines himmlischen Reiches, vollendet wird, so ist es ein weiterer Segen seiner Himmelfahrt, daß durch sie die Predigt in seiner Gemeinde erweckt, belebt und gekräftigt wird. - Auch in unserem heutigen Evangelium folgt auf die Mahnung des Herrn an seine Jünger, daß sie an ihn und seine Auferstehung glauben sollten, sogleich der Befehl: „Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Creatur!“ Der Glaube kommt freilich, wie der Apostel sagt, aus der Predigt (Röm. 10, 17); aber die Predigt kommt auch wiederum aus dem Glauben. Ein rechtschaffener Prediger muß mit dem Apostel sprechen können (2. Tim. 1, 12. 2. Kor. 4, 13): „Ich weiß, an wen ich glaube; und weil ich glaube, darum rede ich.“ Und wiederum, wer in lebendigem Glauben die beseligende Kraft der Gnade Gottes in Christo erfahren hat, der kann es gar nicht lassen, daß er nicht sollte reden, was er gesehen und gehört und an seinem eigenen Herzen erfahren hat (Apostelg. 4, 26). - Die Predigt aber, meine geliebten Freunde, ist etwas Anderes, als eine bloße Belehrung. Predigt bedeutet so viel als Verkündigung, und eine Verkündigung bezieht sich immer auf eine bestimmte Thatsache, mit welcher der Mensch durch seine natürliche Erkenntniß allein nicht bekannt werden kann, und welche ihm eben deshalb ausdrücklich verkündet werden muß. Es kann und wird sich freilich mit einer solchen Verkündigung, also auch mit der Predigt, die Belehrung verbinden, um eben über die Nothwendigkeit des Eintrittes der Thatsache aufzuklären, um ihre Bedeutung und ihren Werth auseinanderzusetzen und um zu zeigen, wie man diesen Werth sich zu nutze zu machen hat. Aber eine Hauptsache bei der Predigt bleibt doch immer die Verkündigung der Thatsache selbst, und diese ist die größte That der ewigen Liebe unseres Gottes, die durch die Sendung feines eingeborenen Sohnes Jesu Christi begründete große Thatsache unserer Erlösung und Versöhnung mit Gott. Diese große Thatsache aber ist erst durch die Himmelfahrt Christi vollendet worden. Allerdings hat der Herr auch am Kreuze schon, da er sein Haupt neigte und verschied, das große Wort ausgesprochen: „Es ist vollbracht!“ Er hatte damals vollbracht, was er im Stande seiner Erniedrigung im Gehorsam gegen den Willen seines Vaters im Himmel durch sein unschuldiges Leiden und Sterben zu unserer Erlösung zu vollbringen hatte. Nun aber mußte Gott noch das Wort seiner Allmacht an ihm vollbringen, indem er ihn, welcher sich selbst erniedrigt hatte, wieder erhöhete und ihm einen Namen gab, der über alle Namen ist. Und dadurch, daß der Vater im Himmel seinen Sohn wieder erhoben hat zur Rechten seiner Kraft, hat er selbst uns bezeugt, daß das Werk nun vollkommen vollbracht sei, zu welchem er ihn in die Welt gesandt hat. Wie der Grund unseres Glaubens dadurch erst vollständig und fest gelegt worden ist, so ist damit auch der christlichen Predigt erst ihr voller ewiger Inhalt gegeben. In guter Zuversicht dürfen wir nun verkündigen (1. Tim. 1, 15): „Das ist je gewißlich wahr und ein theures, werthes Wort, daß Christus Jesus gekommen ist in die Welt, die Sünder selig zu machen“, auf daß aller Creatur kund werde die große Thatsache, das gottselige Geheimniß des Gnadenrathes unseres Vaters im Himmel 1. Tim. 1, 15): „Gott ist geoffenbaret im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, geprediget den Heiden, geglaubet von der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.“ -

Ja, Geliebte, mit guter Zuversicht darf diese Predigt verkündigt werden in der Gemeinde und von der Gemeinde Christi. Denn sie bezieht sich ja nicht bloß auf ein längst vergangenes Ereigniß, auf einen Erlöser, der einmal vor fast zweitausend Jahren auf der Erde gelebt und gewirkt hat, der aber, nachdem er von der Erde hinweggenommen ist, die Seinen sich selbst überlassen hat. Vielmehr verbürgt uns seine Himmelfahrt, durch die er zur rechten Hand Gottes aufgehoben worden ist, daß er alle Dinge träget mit seinem kräftigen Wort, und daß er die Seinen nicht als Waisen zurückläßt, sondern ihnen immerdar nahe ist mit seiner ewig lebendigen Gotteskraft. Wir haben einen Heiland, der nicht allein für uns gestorben ist, welcher vielmehr auch auferwecket ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns (Röm. 8, 34). Er hält den Seinen sein Wort, daß er ihnen den heiligen Geist von dem Vater senden wolle. Wenn wir nicht wissen, was wir beten sollen, wie sich's gebühret; so vertritt der Geist selbst uns auf's beste vor unserem Vater im Himmel mit unaussprechlichen Seufzern. Und wenn wir nicht wissen, was und wie wir reden sollen zur Ehre unseres Gottes und unseres Erlösers und zur Förderung seines Reiches, so steht wieder der Heilige Geist unserer Schwachheit bei, legt uns das rechte Wort auf die Lippen, oder legt auch auf das in großer Schwachheit gesprochene Wort seinen Segen, schließt ihm die Herzen auf und läßt es über unser eigenes Bitten und Verstehen hinaus Frucht bringen. So bezeugt unser zur Rechten Gottes erhöhter lebendiger Heiland denen, die ihn suchen und an ihn glauben und im Glauben an ihn die seligmachende Gotteskraft seines Evangeliums verkündigen, daß er nicht ferne von ihnen, sondern allezeit bei ihnen ist. - O möchte doch die Gemeinde Christi mit gläubigem Herzen die Verkündigung der Himmelfahrt ihres Herrn vernehmen, damit er seine lebendige Gegenwart in ihr bezeuge in der Kraft seines Heiligen Geistes! Möge er die Prediger seines heiligen Wortes anziehen mit der Kraft aus der Höhe, daß sie des Amtes, das die Versöhnung prediget, rechtschaffen warten! Möge er alle Glieder der Gemeinde beleben, daß sie mit voller Ueberzeugung sich zu verantworten und wirksames Zeugniß zu geben wissen über den Grund ihres Heiles und ihrer Hoffnung. Ja möge seine ganze Gemeinde je mehr und mehr als eine Stätte Gottes unter den Menschen hineinleuchten in die Finsterniß dieser argen Welt und als eine lebendige Predigt bezeugen, daß in keinem Andern Heil, auch kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darin sie sollen selig werden, denn Jesus Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene und zur Rechten Gottes Erhöhete, damit er herrsche über Alles, was genannt werden mag nicht allein in dieser, sondern auch in der zukünftigen Welt.

Und wenn so, meine liebe Gemeinde, durch die Himmelfahrt unseres Herrn unser Glaube vollendet und die Predigt des Evangeliums lebendig und wirksam gemacht wird, so bleibt endlich auch der dritte Segen der Himmelfahrt Christi nicht aus: unser Leben wird durch sie verkläret. - Das ist ja der Zweck, zu welchem der Aufgang aus der Höhe auf Erden erschienen ist, das ist das Ziel, welchem er, zu seiner himmlischen Macht und Herrlichkeit zurückgekehrt, die Seinen entgegen leitet, daß wir zu ihm erhoben werden und daß unser Leben durch ihn verklärt werde. Darum soll ja das Evangelium in aller Welt denen gepredigt werden, die in Finsterniß und Schatten des Todes sitzen, damit das Licht des höheren, wahren Lebens ihnen aufgehe. Und durch den Glauben, welcher aus solcher Predigt kommt, sollen wir wiedergeboren werden zu diesem neuen, verklärten Leben. „Wer da glaubet und getauft wird, so verheißt der Herr daher in unserem Texte, der wird selig werden.“ Wer durch die heilige Taufe aufgenommen wird in den Gnadenbund Gottes und die Kräfte der unsichtbaren Welt, welche ihm dadurch angeboten werden, in lebendigem Glauben sich aneignet, dessen Leben soll aus einem unseligen, der Sünde und dem Tod unterworfenen vergänglichen Scheinleben verklärt werden in ein wahres, seliges Leben, in welchem die Herrschaft der Sünde gebrochen und dem Tode seine Macht genommen ist. Dieses verklärte Leben aber ist nur der Abglanz des göttlichen Lebens, in dessen volle Herrlichkeit der Sohn nach der Vollendung seines Werkes in der himmlischen Gemeinschaft mit seinem Vater wieder eingetreten ist, und welches erst, nachdem er den Schranken des Erdenlebens entnommen war, die ganze Fülle seiner beseligenden Kraft entfalten konnte. - Zugleich aber verkündet seine Himmelfahrt denen, die an ihn glauben, daß durch ihn die Mächte der Finsterniß überwunden sind, welche uns hindern wollen, zu der himmlischen Klarheit des wahren Lebens hindurchzudringen. Darauf deutet Christus hin, wenn er in unserem Texte sagt: „Die Zeichen aber, die da folgen werden denen, die da glauben, sind die: in meinem Namen werden sie Teufel austreiben und mit neuen Zungen reden; Schlangen vertreiben und so sie etwas Tödliches trinken, wird es ihnen nicht schaden. Auf die Kranken werden sie die Hände legen, so wird es besser mit ihnen werden.“ Die Himmelfahrt des Herrn verkündet uns seinen Sieg über den Fürsten dieser Welt. Wer unter das Zeichen des Kreuzes Christi sich stellt, das ja auch durch seine Auferstehung und Himmelfahrt aus einem Zeichen des schmählichsten Todes in ein Zeichen des herrlichsten Sieges und des ewigen Lebens verklärt worden ist, und wer in seinem Namen den Kampf unternimmt, der gewinnt Kraft, den Versucher zu überwinden und alle feurigen Pfeile des Bösewichts auszulöschen. Und während er sonst in sündiger Verblendung die Güter dieser Welt als das Höchste gepriesen, oder unter dem beängstigenden Drucke im Dienste des vergänglichen Wesens geseufzt hat: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“ - so preist jetzt sein seliges Herz in einer neuen Sprache die großen Thaten Gottes, welcher ihn erlöst hat von der Obrigkeit der Finsterniß und versetzt in das Reich seines lieben Sohnes. Die listigen Anläufe der alten Schlange, die ihn locken will mit der Lust dieser Welt, bestehet und vertreibt er, da er von seinem Herrn gelernt hat, Gott seinen Herrn anzubeten und ihm allein zu dienen. Und was sein äußeres Leben und Wohlsein bedrohen mag, das fürchtet er nicht, da es doch seinem inwendigen Menschen nichts anhaben kann, welche r in der Gemeinschaft mit seinem erhöhten Heiland des ewigen Lebens gewiß ist. Dieser inwendige Mensch aber, der unter dem Verderben der Sünde krankt, ist von seinem schweren Siechthum durch die Gnadenhand des Erlösers befreit und gewinnt unter den Wirkungen der lehrenden und strafenden, der tröstenden und züchtigenden Gnade von Tag zu Tage neue Kraft. So schreitet das durch den zur Rechten Gottes erhöhten Heiland verklärte Leben seiner Vollendung entgegen. Durch die Kraft seines Heiligen Geistes wird es je mehr und mehr verklärt in sein Bild von einer Klarheit zur andern, bis an der gläubigen Seele erfüllt wird die Fürbitte unseres himmlischen Hohenpriesters (Joh. 17, 22): „Vater ich will, daß wo ich bin, auch die bei mir seien, die du mir gegeben hast; daß sie meine Herrlichkeit sehen, die du mir gegeben hast; denn du hast mich geleitet, ehe denn die Welt gegründet ward.“

O, meine liebe Gemeinde, laßt uns doch unsere Herzen dem Segen der Himmelfahrt unseres Herrn und Erlösers aufschließen, damit unser Glaube vollendet werde, damit die Predigt des Evangeliums in seiner Gemeinde lebendig und wirksam werde, und damit unser Leben verklärt werde zum ewigen Leben. Möge unser ganzes Leben ein lebendiges Zeugniß, eine lebendige Predigt werden von der heiligen Gotteskraft unseres Heilandes, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, damit, wenn wir von diesem Feste scheiden, auch von uns gesagt werden könne, was das Schlußwort unseres Textes von den ersten Zeugen seiner Himmelfahrt sagt: „Sie aber giengen aus und predigten an allen Orten. Und der Herr wirkete mit ihnen und bekräftigte das Wort durch mitfolgende Zeichen.“ - Amen.

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