Arndt, Friedrich - Wert der Bibel - Die Kraft der Bibel.

Arndt, Friedrich - Wert der Bibel - Die Kraft der Bibel.

Jede Kraft in der Natur wird an ihren Wirkungen erkannt, und diese Wirkungen können zerstörender oder heilbringender Art sein. Das beweist uns die bewusstlos wirkende Kraft des Windes und Sturmes, sowohl wenn er die Lüfte reinigt, als durch seine Heftigkeit Bäume und Häuser vernichtet. Das beweist die Kraft des Wassers, des Feuers, des Dampfes; aber das zeigt sich nicht minder in der Wirksamkeit der Geisteskräfte in der Menschenwelt, welche nicht bewusstlos wirken, sondern willkürlich bestimmt werden können. Pflegen wir nicht zu sagen: Gewalt geht vor Recht; wer die Macht hat, hat den Einfluss; Worte wecken, Exempel trecken; wie der Hirt, so die Herde, wie der Fürst, so das Volk? War es darum nicht natürlich, dass die Heiden die mächtig auf sie einwirkenden Kräfte der Elemente, der Sterne, der nützlichen oder schädlichen Menschen und Tiere vergötterten und anbeteten? und imponiert nicht noch immer Energie und Konsequenz im Handeln, auf welchem Gebiet sie sich auch offenbaren? Insbesondere kann das Wort eine große Wirkung üben auf nah und fern; der Hauptmann zu Capernaum sagte: „Wenn ich zu einem meiner Kriegsknechte sage: gebe hin, so geht er, zu einem andern: komm her, so kommt er, und zu meinem Knechte: tue das, so tut er's“ (Matth. 8,9), und Salomo behauptet: „Ein Wort geredet zu seiner Zeit, ist wie ein goldener Apfel in silberner Schale“ (Sprüche Sal. 25,11). Wenn aber Menschenwort schon so wirkt, sollte das Wort des lebendigen Gottes nicht noch viel mächtiger wirken? Wenn jenes menschliche Wirkungen hervorbringt, sollte dieses nicht göttliche Wirkungen erzeugen?

Wir lassen den Streit der Theologen bei Seite liegen, ob das Wort Gottes an sich wirkt, unabhängig vom Geiste, oder ob es der heilige Geist ist, der durch das Wort redet und wirkt; beide sind ja unzertrennbar mit einander verbunden: wo das Wort ist, da ist auch der Geist, und wo der Geist ist, da wirkt er durch das Wort, das geschriebene wie das ungeschriebene. Eben so wenig soll uns die Frage aufhalten: ob die Wirkung des Wortes Gottes in der Bibel eine natürliche ist, wie sie auch einer gewaltigen menschlichen Rede einwohnt, vermöge ihrer Überzeugungskraft, oder eine übernatürliche; denn da die Bibel ihre göttliche und ihre menschliche Seite hat, so findet das Eine wie das Andere Statt; in ihrer Form und Sprache wirkt sie natürlich, in ihrem Wesen und Geist übernatürlich und göttlich. Sie schreibt sich selbst diese Kraft zu, denn Jesaja 55,10.11 heißt es: „Gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin kommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, also soll das Wort, so aus meinem Munde gebet, auch sein; es soll nicht wieder leer zu mir kommen, sondern tun, das mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende.“ Jeremias 23,29 spricht der Herr: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ Paulus nennt das Evangelium eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben (Röm. 1,16); er sagt: „So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Gottes (Röm. 10,17); alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, dass ein Mensch Gottes sei vollkommen, zu allem guten Werk geschickt (2 Timoth. 3,16); das Wort Gottes ist lebendig und kräftig, und schärfer, denn kein zweischneidig Schwert, und durchdringet, bis dass es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens“ (Hebräer 4,12) und stellt zusammen das Wort Gottes und die Kräfte der zukünftigen Welt (6,5). Petrus bezeichnet die Christen als Menschen, die da wiedergeboren sind, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Worte Gottes, das da ewiglich bleibt (1 Petri 1,23), und Jakobus als solche, die Gott gezeugt hat nach seinem Willen durch das Wort der Wahrheit, auf dass sie wären Erstlinge seiner Kreaturen (1,18). Auch muss wohl die Bibel eine übernatürliche Kraft besitzen: sonst wäre sie nicht das in der Welt verbreitetste Wort, nicht in so viele Sprachen übersetzt, nicht so oft gedruckt und wieder gedruckt worden; sonst würden die Menschen nicht immer wieder zu ihr zurückkehren, wie oft sie sich auch von ihr lossagen; sonst würde der Unterschied zwischen den Völkern und Menschen, die eine Bibel haben und lesen, und denen, die sie nicht besitzen und gebrauchen, nicht so grell und offenbar sein, wie zwischen Tag und Nacht, Leben und Tod; sonst würde das Sprichwort nicht sagen: was du für ein Buch liest, davon kommt ein Geist in dich; ist es ein unheiliges, ein unheiliger, ist es ein heiliges und göttliches, ein heiliger und göttlicher Geist.

Wende Niemand ein: „Aber warum bewährt es denn an Vielen diese Kraft nicht? Sie lesen Jahr aus Jahr ein die Bibel von ihrer Kindheit an und bleiben doch immer, wie sie sind? nicht einmal einen menschlich guten Eindruck scheint sie auf sie zu machen, geschweige einen göttlichen?“ Der Grund dieser betrübenden Erscheinung liegt nicht in der Bibel, sondern in den Menschen, dass sie teils nicht forschen in der Schrift, um darin das ewige Leben zu suchen, sondern eher alles Andere, teils dass sie ungläubig und ungehorsam sich dagegen verhalten, dass sie bald wie Felix sprechen: „Gehe hin auf diesmal, wenn ich gelegene Zeit habe, will ich dich her lassen rufen,“ bald wie Herodes Johannem wohl gern hören, aber sich nicht nach seinen Worten richten. Oder ist es die Schuld der Sonne, dass sie das Lebendige noch mehr belebt, bei dem Toten aber den Verwesungsprozess fördert? Ist es die Schuld der Medizin, wenn sie von den Kranken falsch angewandt wie Gift wirkt, dagegen recht gebraucht die Krankheit hebt und zur Genesung hilft? Ist es die Schuld des heiligen Abendmahls, dieses sichtbaren Wortes Gottes, wie die Kirche es nannte, dass es den würdigen Kommunikanten zum Segen, den unwürdigen zum Gericht gereicht? Je nachdem die Menschen sind, danach wirkt das Wort Gottes auf sie, wie eine Salbe, dem Einen ein Geruch des Lebens zum Leben, dem Andern ein Geruch des Todes zum Tode, den Griechen eine Torheit, den Juden ein Ärgernis, denen, die berufen sind, göttliche Kraft und göttliche Weisheit. Wo es daher nicht wirkt und die Menschen trotz alles Bibellesens bleiben, wie, sie sind, da ist solches eine Strafe und ein Gericht Gottes, um ihres Missbrauchs und ihrer Entweihung des heiligen Wortes Gottes willen, und solches Gericht die furchtbarste Wirkung, welche das Wort Gottes üben kann, gleich der zerstörenden und vernichtenden Wirkung des Feuers, des Wassers, des Sturmes, des Dampfes in der Natur.

Wende ferner Niemand ein: „Aber warum macht es denn auf uns, die wir uns bemühen, es für uns fruchtbar und gesegnet zu gestalten, in den verschiedenen Zeiten einen so verschiedenen Eindruck, bald kräftig und anregend, bald schwach und matt, bald so gut wie gar keinen?“ Das Evangelium am Sonntag Sexagesima gibt uns die Antwort: der Grund dieser auffallenden Erscheinung liegt wieder nicht am Samen, der sich immer gleich bleibt, sondern am Acker und Boden, der verschieden ist. Das Wort wirkt je nach unserer Herzenstemperatur günstig oder ungünstig, vorteilhaft oder nachteilig; es muss anders auf uns wirken, wenn unser Herz der harten Straße gleicht, anders, wenn es ein Felsboden ist, oder Unkraut und Weizen zugleich treiben will, oder gutes Land ist, ein feines, gutes Herz, das da trägt dreißig, sechzig, hundertfältig.

Wende weiter Niemand ein: „Wenn die Bibel Gottes Wort ist und als Gottes Wort wirkt, warum sagt sie uns bloß, was wir tun sollen, gibt uns aber nicht auch die Kraft, es zu halten?“ Dass wir es nicht erfüllen können, sagt die Schrift selbst; aber sie sagt auch, dass es doch erfüllt sein muss, und lehrt uns darum Den kennen, durch den wir es erfüllen können, ja der es für uns erfüllt hat, und es kommt nun nur darauf an, ob und wie eng wir uns mit Ihm verbinden.

Spreche endlich Niemand: „Wie Mancher liest in der Bibel und lebt doch sehr übel! Im Munde die Bibel, im Herzen das Übel!“ Von wem solch Wort gilt, der ist ein Heuchler, der den Schein des gottseligen Wesens hat, aber seine Kraft verleugnet, ein Gräuel vor Gott und Menschen; aber solch ein empörender Missbrauch hebt niemals den rechten Gebrauch auf.

Doch es ist Zeit, dass wir die Kraft der Bibel in ihren Wirkungen selbst näher beobachten. Es ist keine Frage und wird von aller Welt auch zugestanden, dass die Bibel lauter gute Lehren enthält, die, gehörig befolgt, die Menschen notwendig zu guten Menschen, guten Kindern, guten Geschwistern, guten Schülern, guten Nachbarn, Freunden und Untertanen machen müssen. Wohin die Bibel gekommen ist, zu welchem gebildeten oder wilden Volk der alten und der neuen Zeit, hat sie auch immer diese Früchte gezeitigt; alles Große und Herrliche, was in Kunst und Wissenschaft, in feiner Bildung und guter Sitte, in trefflichen Gesetzen und deren Beobachtung in der Welt geleistet worden ist, alles Heil in den Staaten und in den Familien, alle Wohlfahrt und alle Blüte der Länder und der Nationen, es ist die Folge und die gesegnete Wirkung der Bibelherrschaft gewesen. Wo sie sich geltend gemacht hat, hat sie eine wahre Wiedergeburt der Menschheit bewirkt. Mit Recht rühmt Petrus ihr nach (2 Petri 1,19): „Wir haben ein festes, prophetisches Wort, und ihr tut wohl, dass ihr darauf achtet, als auf ein Licht, das da scheinet in einem dunkeln Ort, bis der Tag anbreche und der Morgenstern aufgehe in eurem Herzen“; sie ist überall das Buch der wahren Aufklärung und des rechten Fortschritts gewesen, und wo sie weicht, wird es alsobald wieder Nacht, Barbarei, Untergang aller Bildung und Zivilisation, ja alles Rechts und aller Sittlichkeit. Da sitzen denn die hölzernen Schriftgelehrten und Weisen dieser Welt vor ihren Pulten und quälen sich mit unnatürlichen Beweisen, wie dieses und jenes Stück des Jesaja, des Daniel, der Evangelien und Episteln nicht echt sei, erklären diese und jene Geschichte der Bibel für leere Dichtung, Fabel und Mythos, und dreschen leeres Stroh, während die übersetzten Bibeln über das große Totenfeld der Menschheit hinfahren und die Götzentempel umstürzen, und hinter ihrem Rücken eine neue Welt schaffen und ihre Echtheit beweisen durch die Siege und Triumphe, die sie feiern. Wie? Ist der Kannibale auch ein Mythos und eine Fabel, der gestern noch ein wildes Tier war, und heute schon, nachdem er das Wort Gottes vernommen, das diese vermeinten Christen und Gelehrten mit Füßen treten, eine neue Kreatur in Christi Armen liegt? Sind die Sandwichs- und Gesellschaftsinseln auch eine Fabel, die vor fünf Jahrzehnten noch eine Behausung des Teufels und aller Schande und Finsternis waren, in Mord und Totschlag, Hurerei und Ehebruch, Giftmischerei und Zauberei, Kindermord und Menschenopfern ihre Tage verlebten, deren Weiber Hunde ihrer Männer waren und draußen vor der Tür auf dem Erdboden saßen, wenn der Vater mit den Söhnen im Hause bei Tische saß, und warten mussten, bis ihnen etwas gereicht wurde, deren Kinder wie nichts geachtet und auf die leichtsinnigste Weise grausam gemordet wurden, und die jetzt, nachdem das Lebenswort vom Kreuz zu ihnen gedrungen, ihre Götzen zerstört, ihre heidnischen Gräuel abgeschafft, die Vielweiberei und Vielmännerei verboten, christliche Kirchen sich erbaut, die Sonntagsfeier, milde Gesetze, reine Sitten, nützliche Tätigkeit eingeführt, und den früher herrschenden Lastern siegreich ein Ende gemacht haben, deren Fürst zu den Branntweinhändlern gesprochen: An Pferde, Rindvieh und Schweine mögt ihr dergleichen verkaufen, aber an wirkliche Menschen nicht? Ist es auch ein Mythos und eine Fabel, dass das Christentum unter Verfolgungen und Widersprüchen ohne Gleichen sich ohne Schwert, ohne Macht von außen, ohne Verheißung irdischen Glückes, ohne prunkende Gelehrsamkeit fort und fort erhalten und ausgebreitet hat, dass Millionen seine Verheißungen wie seine Drohungen erfahren, dass die ganze Erdenzeit aufgeht in ihrer Erfüllung, die ganze Welt- und Kirchengeschichte, ja die Ewigkeit mit ihren beiden Entfaltungen für das Menschengeschlecht in Seligkeit und Verdammnis, die Wahrheit und Göttlichkeit unserer heiligen Urkunden bewährt und preist? Wie erbärmlich und vernichtet stehen doch diese verneinenden Geister mit ihrer Leugnung der Geschichten, der Wunder und Offenbarungen Gottes solchen tagtäglich vor unsern Augen sich erneuernden Geschichten, Wundern und Offenbarungen Gottes gegenüber! Wahrlich, die Sache der Bibel wird durch diese fortgehenden Wirkungen ihrer Gotteskraft als Sache Gottes bestätigt und besiegelt, und wir müssen uns von Grund unserer Seele darüber freuen, dass, während beim Beginn des jetzigen Jahrhunderts etwa vier Millionen Bibeln und Testamente auf der ganzen Erde waren, seitdem von der englischen Bibelgesellschaft allein 39 Millionen, von allen zusammen genommen über 70 Millionen Bibeln verbreitet worden sind.

Dieselbe Wirksamkeit hat die Bibel bei den einzelnen Menschen geoffenbart und nachdrücklich bewiesen, dass sie nütze sei zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit. Sie ist nütze zur Lehre: welche Schätze der Weisheit und der Erkenntnis hat sie über Gottes Ratschluss und des Menschen Fall, über Erlösung und Rechtfertigung, über Wiedergeburt und Heiligung, über Gericht und ewige Entscheidung geoffenbart, die vorher kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hatte und die in keines Menschen Herz gekommen waren, die aber Gott bereitet hat denen, die ihn lieben! Sie ist nütze zur Strafe; denn sie sagt Jedem die Wahrheit und schmeichelt nie, bringt die Werke des natürlichen Menschen ans Licht und rügt sie und spricht das Urteil der Verdammnis über alle aus: „Es ist hier kein Unterschied, sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den sie an Gott haben sollten; da ist nicht, der gerecht sei, auch nicht Einer; sie sind alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden; darum tut Buße und bekehret euch, dass eure Sünden getilget werden; es sei denn, dass Jemand von Neuem geboren werde, kann er das Reich Gottes nicht sehen. Leget den alten Menschen ab, der durch Lüste in Irrtum sich verderbet und ziehet den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist, in rechtschaffner Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Sie ist nütze zur Besserung, denn sie treibt wie nichts Anderes zur Heiligung und ändert das Herz in allen seinen Neigungen. Wie es Menschen genug gegeben hat und gibt, die, weil sie bibellos und bibelleer lebten, und entweder Bibelschläfer oder Bibelverächter und Bibelverfolger waren, geistig und sittlich zu Grunde gegangen sind, und ohne Halt und Kraft ein trost- und friedenloses Leben geführt, und bewiesen haben, dass das Schrecklichste der Schrecken der Mensch ist in seinem Wahn, so hat es andererseits noch keinen Menschen gegeben, der durch die Bibel wäre schlechter oder unglücklicher geworden, wohl aber Millionen, die all ihre Tugend, ihre Redlichkeit, ihre Mäßigkeit, ihre Friedfertigkeit, ihre Dankbarkeit, ihre Zufriedenheit und ihr Glück der Bibel danken mussten. Sie ist nütze zur Züchtigung, d. h. zur Erziehung in der Gerechtigkeit, und erzieht mehr durchs Evangelium als durchs Gesetz, erzieht vor allem durch die frohe Botschaft, dass des Menschen Sohn gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, dass wir an Ihm haben die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden, dass wir vor Gott gerecht werden ohne des Gesetzes Werk allein durch den Glauben und dass Gott um Jesu willen unsere Sünde tilgen will, wie eine Wolke, und unsere Missetat, wie den Nebel; und durch alle die Beweggründe der Gegenliebe und Dankbarkeit, der Selbstverleugnung und Hingabe, die sich aus jener frohen Botschaft ergeben. Sie erzieht insbesondere durch die neuen großartigen Anschauungen, die sie uns über Kreuz und Widerwärtigkeit aufschließt, und durch die Lust und Bereitwilligkeit, es zu tragen, die sie in uns erweckt, indem sie in die tiefsten Höhlen des Elendes die Tröstungen und Verheißungen des Herrn bringt, dass alle Haare auf unserm Haupte gezählt sind, dass Er alle Tage bei uns ist bis an der Welt Ende, dass Er uns niemals verlassen und versäumen will, dass wir alle unsere Sorge auf Ihn werfen sollen, der für uns sorgt, dass wenn auch eine Mutter könnte ihres Kindes vergessen, Er doch unsrer nicht vergessen will, und nachdem Er seines eingebornen Sohnes nicht hat verschonet, sondern Ihn für uns dahingegeben hat, Er uns auch nun mit Ihm Alles zu schenken bereit ist. Sie erzieht uns, je länger, je mehr durch die immer stärker wurzelnde Neigung, der Welt abzusterben, und durch die immer tiefer strebende Liebe zu Christo für den Himmel, so dass wir voll der Verheißung, dass Er dereinst den Seinen das ewige Leben geben wird und sie sollen nimmermehr umkommen, und Niemand soll sie aus seiner Hand reißen, friedlich unsere Hände falten können zum letzten Schlummer und sprechen: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und Er wird mich hernach von der Erde auferwecken.“ Summa: Die Bibel hat - das ist Tatsache - allüberall und immer Seelen, welche hart waren wie Stein, gebrochen, Herzen, welche kalt waren wie Eis, zerschmolzen, Geister, welche dunkel waren wie die Nacht, erleuchtet, Gemüter wie Mördergruben in Tempel Gottes verwandelt und wo die bösen Geister hausten, Hütten Gottes bei den Menschen erbaut. Wie viele Beispiele solcher gesegneten Wirksamkeit könnten wir euch vorführen! Es möge aber an zweien genügen: eins aus den höheren, das andere aus den niederen Ständen.

Vor Weihnachten 1848 kaufte eine Dame, mehr aus Liebhaberei als aus Bedürfnis, ein neues Testament. Sie liest darin, und stößt bald auf den Namen Jesus; der war ihr verhasst, sie konnte und wollte ihn nicht aussprechen, und deshalb wird das Büchlein bei Seite gelegt. Es war aber gar niedlich ausgestattet, und so nimmt sie es, fast unbewusst, von Zeit zu Zeit vom Bücherschrank herunter. Endlich wird ihr vor diesem und jenem Worte in demselben bange, ihr Herz fängt an zu zittern. Manche Stunde hatte sie bis dahin mit Romanlektüre zugebracht, jetzt findet sie keinen Gefallen mehr daran. Ihren Freunden entgeht diese auffallende Änderung in der Gesinnung nicht, und deshalb halten sie dieselbe an, noch fleißiger als sonst Theater und Bälle zu besuchen, um die melancholische Laune zu vertreiben. Aber vergebens! die innere Unruhe der Dame wächst mit jedem Tag, endlich fasst sie sogar in Verzweiflung den Entschluss, ihrem elenden Dasein ein Ende zu machen. Schon hat ihr unstetes Auge die Tiefe eines nahen Wassers gemessen, sie eilt hin, aber - da tritt der Herr dazwischen, von Schrecken fühlt sich die Verirrte nach Hause getrieben. Es ist das unglückliche Buch, das dich so elend macht! ruft sie aus, als sie das neue Testament auf dem Tische liegen sieht, und noch ein Augenblick - so hat sie dasselbe ins Feuer geschleudert. Aber wehe! wehe! Die Flammen vermehren ihre Angst, schauerlich hell leuchten sie in das umnachtete Herz hinein. Sie nimmt ihr Gesangbuch zur Hand, aber siehe! wieder findet sie den ihr verhassten Jesusnamen. Da greift sie. wieder nach ihren Romanen, indem sie zu Gott betet, Er möge ihr noch einmal die Ruhe schenken, die sie so oft beim Lesen derselben empfunden habe.

„Wagst du deine Augen gen Himmel zu erheben, du, die du Gottes heiliges Wort verbrannt hast?“ dieses Wort glaubt sie als Antwort auf ihre Bitte im Innern zu vernehmen; sie sieht, wie die Funken, um Rache schreiend, himmelwärts fliegen, in der auflodernden Flamme eröffnet sich ihrem Blick ein gähnender Abgrund, der sie zu verschlingen droht. Nun hat ihre Not den höchsten Gipfel erreicht, länger kann sie diese Qual nicht tragen, sie sinkt auf die Knie und ruft aus: „Um Jesus willen sei mir gnädig, o Gott, und errette mich aus dieser Qual!“ und ihr war geholfen; erfüllt mit Friede und Freude im heiligen Geist durfte sie sich wieder aufrichten. Diese Dame ist jetzt ein lebendiges Glied am Leibe Jesu Christi; ihr Wandel ist ein Beweis ihrer geistlichen Auferstehung, sie erfreut sich der Liebe ihres Heilandes, nur Eins bereitet ihr noch Schmerz, das, dass sie ihres Herrn Wort verbrannt hat.

Vernehmt ein Weiteres, meine Lieben: Ein Kolporteur fand in einem Dorfe eine kalte Aufnahme; jedoch glückte es ihm, einer katholischen Frau ein neues Testament zu verkaufen. Die Frau zeigte das Buch ihrem Priester, der es ihr zu lesen verbot, und ihr zugleich erklärte, dasselbe müsse vernichtet werden. Auf dieses Wort gibt sie es mit einer Schere in die Hände ihres kleinen Mädchens, um es zur Unterhaltung in Stücke zu zerschneiden. Das Kind verschneidet mehrere Blätter, wird dann aber der einförmigen Beschäftigung müde. Am folgenden Tage besucht dasselbe eine kranke Nachbarin, und nimmt das verstümmelte Testament mit sich, um neue Figuren auszuschneiden. Die Kranke nimmt zufällig das Buch ihrer kleinen Besucherin in die Hand, blickt auf die erste Seite, die sich ihr darbot, und gerät über das, was hier geschrieben steht, in Erstaunen. Sie liest weiter; der Inhalt des göttlichen Wortes macht einen so tiefen Eindruck auf ihr Herz, dass sie beschließt, durch ein dem Kind dargebotenes Geschenk sich in den Besitz des zum Teil zerschnittenen Buches zu setzen. Das Mädchen geht auf das Anerbieten freudig ein, und so war die Sache bald abgemacht. Von diesem Augenblick an findet die Kranke eine immer größere Freude am Lesen des neuen Testaments; ihr Herz wird von der Kraft des Lebenswortes ergriffen, sie wird gläubig an den Herrn Jesum. Doch die Freundlichkeit des Herrn ging noch weiter; die kranke Person wird sogar zu einer Missionarin unter ihren Nachbarn. Diese finden sich bald bewogen, den Kolporteur wieder aufzusuchen, dem man alsdann eine große Anzahl vollständiger Exemplare der heiligen Schrift abkauft. Von diesem kleinen Anfang ist eine Erweckung ausgegangen, welche täglich mehr Bestand erhält, und durch welche viele Seelen dem Herrn Jesus zugeführt werden.

Was die wunderbare Gottestraft der Bibel vor allem ins Licht setzt, ist der Umstand, dass sie nicht nur als Ganzes, sondern auch einzelne Sprüche derselben tausendfache Früchte getragen, bei Vielen das ganze Leben entschieden, wie Losungen in ihren Schicksalen immer wieder nachgeklungen, und eine tausendjährige Geschichte voll Gnade, Licht und Segen aufzuweisen haben. Zu solchen gesegneten Kraftsprüchen gehört an der Spitze aller der reiche Spruch, den man das Evangelium im Evangelium genannt hat (Joh. 3,16): „Also hat Gott die Welt geliebt, dass Er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben,“ von welchem Herzog Ernst der Fromme sagte: Ich wollte diesen einigen Spruch nicht für die ganze, ja nicht für tausend Welten geben, da er ein solcher Glaubensgrund ist, dass auch der stärkste Teufel ihn nicht umstoßen kann. Ferner Matth. 11,28: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken,“ welchen Spruch Kurfürst Friedrich der Weise sehr liebte und mit dessen mehrfacher, lauter Wiederholung er selig entschlafen ist. Ferner der Spruch Matth. 16,26: „Was hilft es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele, oder was kann der Mensch geben, dass er seine Seele wieder löse?“ welcher am 30. Januar 1814 den späteren Apostel der Südsee John Williams in London erweckte, sein hartes Herz brach und zur ewigen Beute dem Herrn zu Füßen legte. Ferner der Spruch Johannes 14,27: „Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt, euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht“, welchen am 18. Juni 1815 ein in der Schlacht bei Waterloo tödlich verwundeter Soldat von einem seiner Kameraden einige Schritte hinter die Front unter einen Baum getragen, von demselben aus seiner im Tornister befindlichen Bibel sich vorlesen ließ, und dann ausrief: „Ja, das ist es, was ich noch einmal hören musste; nun sterbe ich ruhig, ich habe den Frieden Christi; ich bin durch Ihn im Frieden mit Gott, in Frieden, der über alle Begriffe ist.“ Da sprengte ein Offizier heran und fragte ihn: warum er da liege? „Ich sterbe, erwiderte er, aber ich sterbe ruhig im Frieden mit Gott durch den Glauben an das Evangelium seines Sohnes Jesu Christi.“ Der Offizier eilte wieder in die Schlacht, und ehe sie noch zu Ende war, hatte auch ihn ein Schutz tödlich getroffen. Als er nun sterbend dalag, bekannte er seinen um ihn her stehenden Kameraden, dass er von großer Angst gequält werde. Auch ich sterbe, rief er, aber wie sieht es so ganz anders mit mir aus, als mit einem Soldaten, den ich heute unter einem Baum sterben sah. Er starb ruhig, weil er, wie er sagte, den Frieden Gottes hatte, und diesen Frieden hatte er durch die Bibel erhalten. Ach, auch ich hatte eine Bibel, aber ich las sie nicht, sondern verwarf sie nun bin ich des Friedens beraubt, den sie in die Seele spricht, und sterbe, ein Raub der Verzweiflung.

Einzelne Geschichten haben sich unzählige Mal wiederholt, z. B. die Geschichte Josephs in seiner Erniedrigung und Erhöhung, die Geschichte Petri auf dem Meer, wie er beim Blick auf sich und auf die Wellen ruft: „Herr, hilf uns, wir verderben“, beim Blick auf den Herrn aber getrost zu Ihm hin auf den Wellen einherschreitet und keine Gefahr mehr kennt; namentlich die Geschichte Petri im Vorhofe des Caiphas, wie er Jesum dreimal verleugnet, und wiederum am See Tiberias der prüfenden Frage gegenüber: „Simon Johanna, hast du mich lieb?“ O, wer kennt unter uns diesen Petrus in seinem Herzen nicht? Begegnen uns doch nicht selten Personen im Leben, bei deren Anblick oder Schicksal uns unwillkürlich Charaktere der heiligen Schrift oder Bibelsprüche einfallen, die bei ihnen buchstäblich eintreffen!

Könnten sie vor uns auftreten alle die selig Vollendeten, die durch den Glauben an dieses Wort zum Schauen der göttlichen Herrlichkeit gelangt sind, wo die Patriarchen wohnen, die Propheten allzumal, wo auf ihren Ehrenthronen sitzet die gezwölfte Zahl, wo in so viel tausend Jahren alle Frommen hingefahren, wo wir unserm Gott zu Ehren ewig Halleluja hören; könnten die Kammern und die Sterbebetten reden, in denen dies Wort Trost und himmlischen Frieden gespendet, die Kanzeln und Altäre, von denen es Hunderte und Tausende, ergriffen, erschüttert, erweckt, zum Himmel erhoben hat, die Märtyrer und Missionare, die es in ihrem Leiden und in ihrem Wirken gestärkt, die Witwen und die Waisen, die es beruhigt und zufrieden gestellt, die Greise, die kraft dieses Wortes mit Simeon gesprochen: „Herr, nun lässt Du Deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen,“ welche Wolke von Zeugen aus allen Jahrhunderten würde wie aus einem Munde von diesem Buche bekennen, was einst die Juden von Jesu bekannten: „Es hat noch nie ein Buch geredet, wie dieses Buch; es geht eine Kraft von ihm aus und es hilft Jedermann; an seinen Früchten kann man es erkennen.“

Und doch trägt es nicht immer solche Früchte und nicht bei Allen! Es kommt also darauf an, dass wir es auf die rechte Art gebrauchen, um seine Kraft und Wirkung zu erfahren.

Da heißt es nun zunächst: „Der Herr gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögen: den, seine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ (Jesaja 40,29. 2 Korinther 12,9). Soll also die Bibel ihre Gotteskraft an uns beweisen, so müssen wir sie als Müde, Unvermögende, als Schwache in die Hand nehmen, die in einer solchen hilf- und trostlosen Lage, in solcher Geistesarmut und solchem Herzenselend sich befinden, dass sie durchaus der Kraft von oben bedürfen, wenn es mit ihnen besser werden soll, und unaufhörlich zu sich selbst sprechen: „Ich bedarf des Lichts, denn in mir ist es finster; ich bedarf des Friedens, denn ich bin unruhig in mir selbst und in der Welt; ich bedarf der Ermunterung, denn ich bin träge zu allem Guten; ich bedarf eines Vorbildes, damit ich weiß, wie ich wandeln soll; Tausenden hat die Bibel das Alles gegeben, warum sollte sie es mir nicht auch verleihen?“

Es heißt sodann: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln, wie die Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden“ (Jesaja 40, 31). Soll die Bibel ihre Gotteskraft an uns beweisen, so dürfen wir einerseits nicht immer gleich sie bei uns erwarten, denn wir sollen harren; aber andrerseits sie unbedingt und in zuversichtlichem Glauben vom Herrn erflehen, denn wir sollen auf den Herrn harren; kurz, wir müssen sie mit Andacht und Gebet lesen, müssen mit Samuel flehen: „Rede, Herr, Dein Knecht höret,“ mit David: „Herr, lehre mich, unterweise mich,“ mit Moses die Stimme vernehmen: „Ziehe deine Schuhe aus, denn der Ort, wo du stehest, ist heiliges Land,“ mit Luther an der Losung festhalten: „Wohl gebetet ist halb studiert,“ und uns auf die Verheißung verlassen: „So Jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich Jedermann und rücket es Niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden“ (Jakobus 1,5); je mehr Betens, je mehr Segens.

Es heißt weiter: „Herr, Du bist meine Stärke und meine Kraft, meine Zuflucht in der Not“ (Jeremia 16,19) und: „So Jemand will des Willen tun, der mich gesandt hat, der wird inne werden, ob diese Lehre von Gott sei, oder ob ich von mir selber rede“ (Joh. 7,16.17). Soll die Bibel ihre Gotteskraft an uns beweisen, so müssen wir sie lesen mit Anwendung auf uns selber und mit persönlicher Aneignung ihrer Verheißungen, Gebote und Geschichten, dass wir bei Allem, was wir lesen, gleich denken: „das hat Gott zu dir gesprochen, das geht dich an, das ist deine Verheißung und deine Zukunft.“ Was nützt die Bibel im Gehirn und auf der Zunge, wenn sie nicht im Herzen ist, wenn sie nicht in uns lebt und wir in ihr, wenn wir aus ihrem Brunnen nicht für uns schöpfen wollen? Je mehr wir schöpfen und je tiefer wir graben, desto mehr Wasser finden wir. Je gehorsamer wir sind, desto besser verstehen wir, und erhalten denselben Segen beim Lesen der Bibel, den die Propheten und Apostel hatten, als sie sie schrieben.

Es heißt endlich: „Gebet, so wird euch gegeben; lass dein Brot übers Wasser fahren, so wirst du es finden nach langer Zeit“, nämlich mit reichem Lohn und Zins (Prediger Sal. 11,1). Soll die Bibel ihre Gotteskraft an uns beweisen, so müssen wir sie auch fleißig mitteilen und verbreiten, zunächst bei unsern Kindern, Lehrlingen und Schülern, und bei ihnen früh schon die Liebe zur Bibel wecken, damit sie ihre tägliche Speise auf ihrer Lebensreise werde, und müssen ihnen einen Vorrat sammeln, damit sie haben, wann sie darben sollen; dann aber auch bei denen, die draußen sind und noch ferne stehen, bei Heiden, Juden und Unchristen aller Art durch das Werk der Mission, damit ihr Segen unser Segen werde, ihr frischer Glaube unsern ermattenden, alten Glauben stärke, ihre Glut unsere Kälte, ihr jugendlicher Eifer unsere Erschlaffung, ihr neues Leben unsern Tod belebe und anfeure.

Wir sind zu Ende mit unsern Betrachtungen. Wie? Wollen wir unsere Bibel nicht mit neuer Liebe an unser Herz drücken? Wollen wir den Vorzug nicht erkennen und würdigen, den wir vor den Millionen haben, die sie entweder ganz entbehren oder denen sie hartherzig vorenthalten wird? Wollen wir das Gebot des Herrn nicht beobachten: „Behalte meine Gebote, so wirst du leben, und mein Gesetz wie deinen Augapfel (Sprüche Salomonis 7,2), und lass dies Buch deines Gesetzes nicht von deinem Munde kommen, sondern betrachte es Tag und Nacht, auf dass du haltest und tust alle Dinge, nach dem, das darin geschrieben steht: alsdann wird dir's gelingen in allem, was du tust, und wirst weislich handeln können“? (Josua 1,8.) Um uns her begibt sich alle Tage so viel Niedriges, Geringes, Gewöhnliches, Gemeines, und was etwa erhaben und edel ist, ist dem Gesetz der Wandelbarkeit und der Veränderung unterworfen: wollen wir da nicht gern und wiederholt nach dem Buch greifen, das unwandelbar und ewig erhaben ist, und uns erhebt über die Zeit in die Ewigkeit, über die Menschenwelt zu Gott, über den Streit der Erde zum Frieden des Himmels? In uns wohnt so viel Armut und Leere, Jammer und Elend: wollen wir da nicht oft und gern die Hände ausstrecken nach dem Buch, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis, und das uns als Geschichts-, Religions-, Kirchen- und Lebensbuch reich macht in Gott, so dass wir mehr haben, als wir bedürfen, und aus unserer Fülle abgeben können denen, die noch darben? Das äußere Leben mit seinen Sorgen und Pflichten zieht uns unaufhörlich in die Äußerlichkeit und Oberflächlichkeit der sichtbaren Erscheinungen und Auffassungen: wollen wir da nicht oft und gern mit unserm ganzen Sinnen, Denken und Wesen uns versenken in die unergründliche Tiefe dieses Buches, um mehr erfüllt zu werden mit geistlichen Segnungen und himmlischen Gütern durch Christum? Wir sind allezeit schwach, oft recht schwach, und alle unsere menschlichen Stützen brechen und verlassen uns: wollen wir da nicht täglich uns neue Lebenskraft holen aus den Quellen, die ewige Jugend und ewige Frische erzeugen? Augustinus sagt: „Unsere Augen sehen nur so weit in der Schrift, als sie dieser Welt absterben; so weit sie aber dieser Welt leben, sehen sie nichts.“ Möge Gott der Herr denn fort und fort den Gebrauch der Bibel unter uns zu solchem Sterben und zu solchem Leben segnen und uns durch solchen Sinn und Wandel zu lauter lebendigen Zeugen für die Erhabenheit, den Reichtum, die Tiefe und die Kraft der heiligen Schrift machen, die eindringlicher sind, als viele Beweise, und Andere wiederum locken, in gleiche Erfahrungen einzugehen! Das Geheimnis alles Wohlstandes und aller Freiheit, aller Tugend und aller Sittlichkeit, alles Glücks und Friedens, im gesellschaftlichen und häuslichen Leben ist in der Bibel enthalten; von dem Tage an, wo sie wieder das Hauptlese- und Lebebuch der Menschen, der Familien, der Völker würde, würden die Quellen des Lasters und der Verirrung sich schließen, die Strafanstalten sich leeren, Güte und Treue einander begegnen, Gerechtigkeit und Friede sich küssen, die Wüsten sich in Paradiese verwandeln, und der schönste Ruhm, schöner als der Ruhm der Waffen, des Gewerbfleißes, der Zivilisation, den Einzelnen wie den Massen erblühen, der Ruhm der echten tatkräftigen Frömmigkeit und Gottesfurcht; wir würden stark sein in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke, bomben- und feuerfest allen listigen Angriffen des Teufels und seiner Genossen gegenüber und schon hienieden die Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrheit mit hellen Glaubensaugen schauen, dereinst aber in das Jubellied der Seligen im Himmel einstimmen: „ Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht unseres Gottes seines Christus worden, weil der Verkläger unserer Brüder verworfen ist, der sie verklaget Tag und Nacht vor Gott, und sie haben ihn überwunden durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses, und haben ihr Leben nicht geliebt bis an den Tod.“

Groß und mächtig ist die Kraft,
Die Gott der Natur gegeben;
Doch was sie auch wirkt und schafft,
Es vergeht schon hier im Leben.
Nur der Bibel Kraft allein
Können wir uns ewig freu'n.

Auch dem Menschenwort verleiht
Gott hier oft viel Kraft und Stärke,
Doch es währt nur kurze Zeit,
Und dahin sind Wort und Werke;
Nur der Bibel Kraft besteht,
Da auch Alles hier vergeht.

Ja, die Kraft der Bibel bringt
Selbst in tief verstockte Seelen,
Die, von Lastern nur umringt,
Stets die finst'ren Wege wählen.
Durch der Bibel Kraft allein
Wird auch ihre Seele rein.

Schon ein einziges Gotteswort,
Wie beglückt's so viele Herzen!
Wie stillt's durch Jahrtausend fort
Hier so Vieler Not und Schmerzen!
In der Bibel Kraft allein
Darf sich auch der Ärmste freu'n.

Wo vom herben Schmerz erfüllt
Witwen oft und Waisen weinen,
Wo kein Freund die Tränen stillt,
Keine Hilfe will erscheinen:
Da ist's auch der Bibel Kraft,
Die auch ihnen Trost verschafft.

Ja, selbst in der letzten Not
Wird uns ihre Kraft erheben,
Und dann ist für uns der Tod
Nur der Eingang zu dem Leben.
Ja, der Bibel Kraft allein
Wird noch sterbend uns erfreu'n!

Wo keine Bibel ist im Haus,
Da sieht es öd' und traurig aus;
Da kehrt der böse Feind gern ein,
Da mag der liebe Gott nicht sein.
Drum Menschenkind, drum Menschenkind,
Dass nicht der Böse Raum gewinnt,
Gib deinen blanksten Taler aus,
Und kauf ein Bibelbuch ins Haus.
Schlag's mit dem ersten Lächeln auf,
Hab' all' dein Sehnen und Sinnen drauf,
Fang' drin die A-B-C-Schul an,
Und buchstabier' und lies sodann,
Und ließ dich immer mehr hinein,
Auf dass darin dein Kämmerlein,
Und lies dich immer mehr heraus,
Mach dir ein wahres Bollwerk draus,
Und pflanze still hoch oben drauf
Die allerschönsten Sprüchlein auf;
Hell lass sie flattern, mutig weh'n,
All deine Banner lass sie seh'n,
All deinen Schild drück's an dein Herz
Und halt dich dran in Freud' und Schmerz.
du, mein liebes Menschenkind!
Hast du noch kein's, so kauf's geschwind,
Und ging dein letzter Groschen drauf,
Geh', eile, flieg' und schlag' es auf,
Lies mit Gebet und schlag' es du
Nur mit des Sarges Deckel zu.
Des Lesens und des Lebens Lauf
Beginn' und höre mit ihm auf.

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