Arndt, Friedrich - 66. Andachten zur Offenbarung
Offenbarung 1
Welche majestätischen Erscheinungen! Welche überirdischen Worte! Vor allem das Glanzwort aus des verklärten Gottessohnes Munde: „Fürchte dich nicht, ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige; ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit, und habe die Schlüssel der Hölle und des Todes.“ So kann kein Sterblicher von sich rühmen. Das sind Worte des göttlichen Erlösers, Worte voll Hoheit und Macht, die den Fürsten des Lebens vor allen seinen Erlösten im Himmel kennbar und anbetungswürdig machen. Zwar der ewige Sohn Gottes, der so unsterblich wie Gott ist und keine andere Zeit kennt als das ewige Heute, Er konnte sich nie anders nennen als: Ich bin der Lebendige. Aber was hülfe es zu wissen, dass Er lebt, Er, der Erste und der Letzte, unser Gott und Richter, wenn wir nicht auch wüssten, dass Er als unser Erlöser lebt? Gott lebt dem Sünder zum größten Schrecken ewig, und wäre der Sohn Gottes auch bloß göttlich und ewig, wie könnten wir uns Sein getrösten? Aber uns zum unaussprechlichen Trost und Ihm selbst zum ewigen Ruhm wird Er es durch alle Himmel ausbreiten und den Ewigkeiten noch sagen: „Ich war tot, den armen Sterblichen zum Besten ward ich auch ein Mensch wie sie, und unter die Toten gerechnet, die im Grabe liegen; ob ich gleich nicht sterben durfte, so bin ich doch freiwillig gestorben: aber nur einmal gestorben. Ich war tot, und siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit; die Bande des Todes sind längst von mir zerrissen, die Gräber geöffnet und durch mein Blut die Gefangenen ausgeführt.“ Wahrlich, ein hehres Siegeslied des mächtigsten Überwinders der Hölle und des Todes! Er kann den Himmel auftun und verschließen, selig machen und verdammen, töten und lebendig machen! Auf sein Geheiß muss einst Erde und Meer ihre Toten wiedergeben. Er wird sie mit allmächtiger Stimme aus den Gräbern hervorrufen, und dann soll es erst recht offenbar werden vor aller Welt, dass Er über Todte und Lebendige Herr ist. – Herr, ich liege zu Deinen Füßen und bete an. Amen.
Offenbarung 2,8-11.
Smyrna ist ein Bild der Gemeinden und einzelner Christen, die äußerlich unglücklich, doch, um ihrer Treue willen überschwänglich glücklich sind; denn sie ist mit allem ihrem Unglücke, mit ihrer Krankheit und Verlegenheit, ihren misslungenen Hoffnungen, ihrem nicht fortgehenden Geschäfte, mit den Einbußen ihrer Güter und den Verlusten ihrer Liebe, ja, mit dem Schmerzgefühl, dass viel, sehr viel ihr mangele, ehe sie zur Vollkommenheit gedrungen, dass sie aus sich selber nichts Gutes habe und in eigener Kraft auch nicht vermögend sei, sich irgend etwas davon zu verschaffen; mit dem Hass und der Schmach der Welt und der Heuchler und den Anklagen des eigenen Herzens dem Herrn bekannt, dem treuen Hohenpriester, der wohl Mitleid haben kann mit unserer Schwachheit; Er spricht zu ihr: „ich weiß deine Armut;“ und das ist schon ein großer Trost! sie wird dabei von Ihm geliebt und gelobt; kein einziges Strafwort kommt im ganzen Sendschreiben vor, Alles haucht von Anfang bis zu Ende nur Liebe. Zu der geistlicharmen, blöden und verzagten Smyrna sagt der Erste und der Letzte: du bist reich! Wenn sich kein Mensch um sie kümmert, Jedermann sie vielmehr ausstößt, Jesus hat das alte Herz für sie. Wollen wir Ihm nicht mehr glauben als uns selbst? Lasst unser Herz uns verdammen, wenn wir uns an Ihn halten, so spricht Er uns immer wieder los. Wird Smyrna auch fort und fort heimgesucht, so geschieht auch das nur aus Liebe, und wenn sie treu bleibt bis in den Tod, wird sie von Ihm mit seiner Krone gekrönt. Seine Krone ist die Lebenskrone. Lockt sie dich nicht, meine Seele? O schrecke dich wenigstens das glühende eiserne Stirnband, das der zweite Tod Macht hat, dir anzulegen. Vor dem fürchte dich denn, nach dem ewigen Leben sehne dich, und aus beiden Ursachen sei treu, meine Seele! Wie es Smyrna ging, so geht es auch dir im treuen Nachbilde von Smyrna. Amen.
Offenbarung 2,12-17.
Pergamus ist ein Bild einer solchen Gemeinde und Seele, welche stark ist, wenn der Versucher mit Schrecknissen kommt, von der ein Teil aber schwach sind, wenn er mit Lockungen erscheint. Die Stärke ist wohl lobenswert; aber wegen solcher Schwäche eines Teils ist der Herr mit der ganzen Gemeinde nicht zufrieden; darum soll die ganze Gemeinde Buße tun, wenn die schweren Gerichte auch nur dem schuldigen Teile drohen; denn nur so kann die Gemeinde endlich zu wirklich hohen Gnaden kommen. Die Lehre der Nicolaiten ist 2. Petri 2 und im Briefe Judä dargelegt. Es muss irgend ein Mann, mit Namen Nicolaus, so etwas zuerst aufgebracht und gelehrt haben, dass man ein Christ sein und doch dabei an den Mahlzeiten zu Ehren der Götzen Teil nehmen, doch in der frechsten, ausgelassensten Fleischeslust leben könne. Was auf Griechisch Nicolaus heißt, ist auf Hebräisch Bileam. Eine solche unheilige Freundschaft mit der Welt und ihrer unreinen Lust kann aber der Herr Jesus nicht dulden; Er ist der, der das scharfe, zweischneidige Schwert hat, der jedes halbe Wesen, jedes Hinken nach beiden Seiten verabscheut. Wer Ihm nicht ganz dient, der dient Ihm gar nicht, und wenn auch noch so viele Tugenden sonst sich finden, Ein Gräuel diese Art zerstört sie alle. – Ach, müssen nicht auch wir sagen: was den Schrecknissen der Welt nicht gelungen ist, das haben oft die Lockungen derselben bei mir ausgerichtet? O lasst uns Buße tun: dann können wir nicht bloß dahin wieder zurückkommen, wo wir früher waren, sondern ein neuer Name wird uns gegeben, und die Herrlichkeit des zweiten Tempels (wir sind der Tempel) wird überschwänglich viel größer, als die des ersten war. Lasst uns Alle auffahren mit Flügeln wie Adler, laufen und nicht müde werden, wandeln und nicht matt werden, und in dieser Weise säen, damit wir einst ernten ohne Aufhören. Amen.
Offenbarung 2,18-29.
Über Smyrna fiel die Welt mit Trübsal und Gefängnis und Lästerung her, in schreckender Gestalt, weshalb es zu ihr hieß: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Mit Pergamus versuchte sie es in lockender Gestalt, indem sie durch die Nicolaiten aufforderte, Götzenopfer zu essen und Hurerei treiben. Thyatira verachtete die Lockungen, so lange die Welt als Welt sie aussprach; denn da wusste sie: was hat Christus mit Belial? was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Aber die Welt verstand es, auf neue List zu sinnen, und sie fand sie, blieb nicht mehr stehen an den Grenzen der Kirche, sondern drängte sich mitten in sie hinein, kam in Prophetengestalt, mit Königsgewalt. Das war der Fallstrick, darum auch der Kampf für die Gemeinde zu Thyatira: der Verführer verstellte sich zum Engel des Lichts, - da ließ sie sich berücken. Der Herr verkündigt nun: Wer nur aus Unwissenheit sündigt, weil er nicht Kenntnis genug hatte, die Verführerin Jesebel als falsche Prophetin zu durchschauen, der muss freilich das Gericht des Herrn deshalb tragen; aber sobald seine Seele treu dem Herrn anhängt, und es sein heiliges Verlangen ist, nur Ihm zu dienen, so hilft Er selbst immer weiter und weiter und befreit von jener Last. Wer den Verführer aber durchschaut und sich doch verführen lässt, der muss doppelt Streiche leiden. Darum gilt es, an dem Maßstabe der Heiligen Schrift die Geister zu prüfen. Wer sich nur treu so weit an Gottes Wort hält, als es ihm aufgeschlossen ist, dem schließt es der Herr immer wieder auf; er bekommt den Morgenstern, d.h. eine Einsicht in die göttlichen Dinge, die so viel heller ist als die bisherige, wie der Morgenstern heller ist als das Licht, das wir in der Nacht brennen. Hinaus denn, ihr Verführer, herunter, Satanas, mit deinem Lichtengelskleide. Rein ab und Christo an, so ist die Sach’ getan. Bei der Welt ist ewiger Schade, bei Christo ist ewiges Heil! Amen.
Offenbarung 3,1-6.
Wenn in den bisherigen Gemeinden immer Lob und Tadel gemischt war, so wird von den drei kommenden im dritten Kapitel Sardes im Ganzen keines Lobes von ihrem Meister würdig befunden, Laodicäa empfängt dagegen nur Tadel, Philadelphia nur Lob. Bisher waren die Gemeinden nur gewarnt, als die erst noch in der Gefahr standen, verweltlich zu werden; Sardes und Laodicäa werden behandelt, als die schon verweltlicht wären; Philadelphia, als wenn sie alles Weltliche bereits überwunden hätte. Sardes ist das Bild einer Gemeinde, die von Andern für besser gehalten wird, als sie ist; Laodicäa stellt die dar, die sich selbst für besser halten; Philadelphia wird von Andern geachtet, und achtet sich selbst für nichts als für gering, aber gerade da sie so sich erniedrigt, wird sie von dem Menschensohne erhöht. – Der Herr schmeichelt Sardes nicht, Er sagt’s ihr, sie haben den Namen, dass sie lebe, und sei tot, ihr Christentum sei nur ein Scheinleben; aber doch trägt Er sie noch in Liebe, und möchte sie gern noch retten und stärken. Nur dass diese tragende Liebe bei dem unbußfertigen großen Haufen endlich ihre Grenze findet; unter welchem der Herr die kleine Anzahl der Frommen wohl herauszufinden weiß und überhaupt der Bußfertigen sich auch hier annimmt mit treuer Gnade. Die Feinde, welche da überwunden werden müssen, sind die Schläfrigkeit und die Widerspenstigkeit; denn einschläfernd ist es, wenn man beständig uns lobt und sich von allen Seiten zufrieden bezeigt, und es kommt dann mit uns dahin, dass wir nicht aufstehen mögen, auch wenn der Herr selber uns weckt; andererseits tut’s wehe, einen Zustand für schlimm und gefährlich zu erklären, den man so lange selbst für vortrefflich gehalten und der von Allen gelobt wird. O Herr, bewahre mich vor solcher Seelengefahr, dass es mir nicht wie Sardes gehe; gib mir selbstverleugnende Demut und Kindeseinfalt. Noch steht unser Name im Lebensbuch: o dass er niemals ausgelöscht werde! Amen.
Offenbarung 3, 7-13.
„O mein Gott, wie wunderlich führst Du Deine Heiligen, unter wie viel Schwachheit des Fleisches, Gefühl ihrer kleinen Kraft, Kampf und Druck und Verachtung gibst Du diejenigen herunter, aus denen Du sogar etwas Anderes dereinst in Deinem Tempel zu machen beschlossen hast! Ach, mit diesem Ziel unserer Hoffnung ermuntere uns immer wieder, auf dass wir nicht in unserm Mute matt werden, sondern beharren bis ans Ende und Niemand unsere Krone nehme. Amen.“ So hat ein verabschiedeter Knecht Christi gebetet, da er aufhörte, über dieses Wort zu sprechen. Ich bete es ihm nach, und bitte ihn, dass Er mir etwas vom Philadelphiageist und Segen geben möge. Das ist eine Gemeinde, die wenig geachtet und der auch wirklich wenig gegeben ist, die aber in diesem Wenigen Treue beweiset. Der Herr fordert von Keinem mehr, als Er ihm selber gegeben; aber dem Treuen gibt Er immer mehr. Die Verachtung, welche solche Seelen trifft, ist nur eine jeweilige, - endlich wird auch an ihnen der Herr verherrlicht; und sie selbst kommen auch durch das Allerschwerste unbeschädigt hindurch; nur müssen sie nie von ihrer Treue lassen und halten, was sie haben, dass niemand ihre Krone nehme. Dann soll Philadelphia sein ein Pfeiler, eine unveränderliche Stütze im Gottestempel, daran Andere sich anlehnen; dann soll es wie der Hohepriester auf der Stirn den Namen Gottes als Vater tragen, auf den Schultern den Namen des neuen Jerusalem, und auf dem Brustschildlein den Namen seines Jesu, aber den neuen. Herr, gib mir denn den demütig stillen Kindersinn, der mit seiner Ohnmacht sich auf die Allmacht wirft, mit seinen Gebrechen sich auf die Gnade verlässt, nur auf die Gnade. Ich strecke meine Hände nach Dir aus; Herr Jesu, fülle diese Hände, mache mich immer kleiner und immer treuer im Kleinen, und lass mich halten, was ich habe, bis ans Ende, damit die Philadelphiakrone mein bleibe. Amen.
Offenbarung 3,14-22
Laodicäa ist das Bild der Lauheit im Christentum oder des Herzenszustandes, wo die anfänglich warme, innige, lebendige Liebe zu Jesu abgenommen hat, wo sie zwar nicht ganz verschwunden, aber so matt und schwach geworden ist, dass das Herz von dieser Liebe nicht mehr erwärmt und beseelt wird. Der Glaube ist dem Herzen dann nur noch eine Meinung, keine feste Herzensüberzeugung, die Liebe zu Jesu nur noch im Äußern sich zeigende, steife Achtung, kein Drang, für Ihn zu zeugen und seine Liebe zu Ihm auszusprechen; man fühlt wohl gar eine Abneigung gegen die lebendigen Christen; das Andenken an Jesum erlischt je mehr und mehr; das Lesen des göttlichen Worts ist teilnahmslos, das Kirchengehen tote Gewohnheit, das Abendmahl wird höchstens einmal des Jahres noch gefeiert, und wenn es gilt, Opfer der Liebe für Jesum zu bringen, so werden sie karg abgemessen. Ein gefährlicher Zustand! Er macht den Menschen unwahr, falsch, heuchlerisch; er bildet ihm ein, es stehe viel besser mit ihm, als es wirklich ist, und lässt ihn in seiner traurigen Lage; er macht ihn unfähig, Andere zu erwärmen und zu erwecken; er ist dem Herrn ein Gegenstand des Ekels und des Widerwillens. Jesus möchte aber gern helfen und retten; darum deckt Er erst den Grund des Uebels auf, dann gibt Er die Heilmittel. Der Grund des Uebels ist der leidige Eigendünkel, die Selbstgefälligkeit und Selbstbespiegelung, der geistliche Hochmut. Die Heilmittel sind das Gold heiliger, lauterer Liebe, das Kleid der Gerechtigkeit Jesu Christi und die Selbsterkenntnis der Buße. Bist du auch lau, meine Seele? dann befolge den gegebenen Rat und lass dich heilen. Quälst du dich aber nur mit der Furcht, du könntest es sein? dann höre: ist dir die Sprache bis zum Tod zuwider: „ich bin reich und gar satt und darf nichts,“ kommst du dir in deinen eignen Augen erbärmlich vor, so gehörst du noch nicht zu den Lauen, der Herr wird sich dein erbarmen und dich weiter fördern. Amen.
Offenbarung 4
Die heilige Offenbarung, besonders vom 4. Kapitel an, eröffnet uns einen Blick in die Ewigkeit hinüber. Was wäre es für ein Segen, wenn wir jetzt auch den Johannes begleiten dürften! Aber vor diesem Hause, darin man so große und wichtige Dinge sehen kann, stehen sieben Wachen, die Jeden anhalten, der hinein will, ob er sich auch ausweisen kann, dass er ein Recht hat einzutreten. Darum hat der Herr den jetzt beginnenden Gesichten sieben Briefe vorausgeschickt: das sind die sieben Wachen vor dem Hause. Die erste fragt: stehst du auch noch in der ersten Liebe? Die zweite: stehst du unter den Leiden, die dir begegnen, im ausharrenden Glauben? Die dritte: stehst du auch wohl im Verleugnungssinn oder regiert dein Herz noch der Sinn Bileams und der Nicolaiten? Die vierte: wird nichts Falsches im Herzen und in der Gemeinschaft geduldet? Die fünfte: hast du ein geistliches Leben in dir und sind deine Werke völlig vor Gott erfunden? Die sechste: stehst du in der Treue, die beharrt bis ans Ende? Die siebente: bist du brennend im Geist oder lau, verlegen, träg und kalt? Wenn wir vor dem Herrn uns geprüft haben nach diesen h. Briefen und Er deckt mit vergebender Gnade unsere Sünden zu; dann heißt es aus dem Himmel: jetzt steige her, ich will dir zeigen, was geschehen soll. Es offenbart sich uns der unsichtbare Gott in seiner Herrlichkeit, der erhabene König und Richter der Welt, vergleichbar nur mit dem lichthellen Jaspis und dem feuerroten Sardius, den Sinnbildern der göttlichen Herrlichkeit und Heiligkeit; um den Thron die Häupter der neuen himmlischen Gemeinde, mit weißen priesterlichen Kleidern angetan und als königliche Sieger mit den Kronen der Gerechtigkeit geschmückt; an den vier Ecken vier Cherubim. Alle beten an Den, der da lebet von Ewigkeit zu Ewigkeit, Gott den Allerhöchsten, und preisen, dass die ursprüngliche Endabsicht der ganzen Schöpfung nun erreicht und wiederhergestellt sei durch die Erlösung und Heiligung. Herr, mache auch uns tüchtig zu solchem Lobgesang durch Erlösung von jeder Gefangenschaft der Sünde. Amen.
Offenbarung 5
Eine erhabene Himmelsscene, die Johannes gewürdigt ward, schon hienieden bei Leibes Leben zu sehen und durchzumachen! Wie musste bei seiner brennenden Liebe zu Jesu Ihm das Herz höher schlagen bei solchem Anblick? Wie musste ihm sein, als er seinen Herrn, in dessen Brust er hienieden drei Jahre lang gelegen, wiedersah in strahlend himmlischer Herrlichkeit, als er hört den Lobgesang der Engel, der Menschen und aller Kreaturen, und dieser Lobgesang nur einen Gegenstand feierte: das Lamm, das erwürget war? Da sah er denn im Himmel verwirklicht, was Jesus auf Erden gefordert hatte: „Es sollen Alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren.“ Dieser Lobgesang ward aber Christo von allen Wesen dargebracht, nicht etwa bloß um seiner Gottheit, sondern besonders ums einer Verdienste willen, die Er in der Hülle der menschlichen Natur zur Erlösung der sündigen Welt sich erworben hatte, weil Er Lammes- und Löwentat zugleich vollbracht hatte hienieden; auch im Himmel hatte Er die menschliche Natur nicht abgelegt, auch dort noch leuchten seine Wundmale, auch dort noch ist er der Gottmensch in der Herrlichkeit beider Naturen vor den Augen der ganzen Welt. – Wie? Wollen wir nicht auch einstimmen in die Anbetung des Sohnes Gottes? Oder hätte unser Schweigen und Widersprechen irgend einen Sinn, einen Erfolg? Würde darum das Halleluja aller Wesen und der Ewigkeiten verstummen? Oder Christus etwas dadurch verlieren? Alles, Alles fordert uns ja auf zu Seiner Verherrlichung, die Taufe und das Abendmahl, die Jesuslieder im Gesangbuch, die flammendsten Gebete der Kirche, die Kirchen selber mit ihren Kreuzen und Altären, die Kirchhöfe sogar, die Ungewissheit des Todes und der Gnadenzeit, das Schwert über unsern Häuptern in den ernsten Ereignissen der Gegenwart. Lamm Gottes, ich stelle mich unter Deine Siegesfahne, ich stimme ein in die Anbetung der ganzen Welt und freue mich unaussprechlich auf den Tag, wo ich zu Deinen Füßen mein ewiges Lob Dir darbringen werde. Amen.
Offenbarung 6
Jesus ist vom 5. bis 19. Kapitel der Offenbarung Johannis dargestellt als das geschlachtete Lamm und zugleich als der Löwe aus dem Stamm Juda, der durch sein geduldiges Leiden und Sterben Alles überwunden hat. In dieser Eigenschaft übernimmt er die Ausführung der sieben Siegel. Bei der Eröffnung dieser Siegel durfte Johannes im Geiste zusehen. Sie weisen hinaus bis auf das große Ziel, wovon es heißt: „Es werden Dir danken, Herr, alle Deine Werke.“ (Ps. 150,10.) Im sechsten Kapitel kommen sechs von diesen Siegeln vor; vier von ihnen gehen auf die sichtbare Welt, die andern auf die unsichtbare. Darum ist der Inhalt der vier ersten durch vier mächtige Reiter vorgestellt, mit verschiedener Farbe ihrer Pferde: weiß, rot, schwarz, fahl. Es ist also allemal eine irdische Macht darunter abgebildet, und zwar, wie unter der Leitung des Lammes Gottes stehen 1) alle Siege der Könige auf Erden, 2) alle Kriege, die so viel Blut kosten, 3) alle teuren Zeiten, 4) alle Sterbefälle. Und in der Tat sind gleich in der ersten Zeit, nachdem die heilige Offenbarung gegeben war, von dieser vierfachen Vollmacht des Lammes augenscheinliche Proben auf Erden vorgekommen. Das fünfte und sechste Siegel führt in die unsichtbare Welt. In jenem sah Johannes die seligen Toten, wie sie unter der gnädigen Macht des Lammes stehen; aber noch nicht im Zustand der letzten Vollendung, wohl aber um eine Stufe wieder seliger geworden. In diesem sah er die unseligen Toten noch unseliger werden, bis der jüngste Tag die völlige Entscheidung bringt. So bleiben also die Menschen in der Trennung, in der sie aus der Zeit in die Ewigkeit gehen und rücken darin immer weiter fort. Wollen wir uns darum nicht in der Zeit der Gnade entscheiden? Wenn wir den Tag des Gerichts immer im Gesicht hätten, so würden wir uns in unserm Tun und Lassen gewiss oft ganz anders bezeugen. Wer zu Zion gehört, der höre, was der Heiland sagt: Wachet und betet! Amen.
Offenbarung 7
Was der Tod des Leibes für jeden Einzelnen der Menschen ist, das ist für die ganze Christenheit die Zeit der letzten Gerichte Gottes. Es graut der Natur davor, dass Fleisch und Geist soll geschieden werden: darum enthält das siebente Siegel, das bis ans Ende dieser Weltzeit reicht, viel Schreckendes für unsere Natur. Wenn man aber an eine schwere Operation geht, so schenkt man oft dem Kranken zuvor ein Glas voll stärkenden Wein ein, ehe man die scharfen Messer herauslegt. Fast eben so stärkt der treue Jesus hier die Seinigen zuvor, indem Er sie wissen lässt, wie Er sich seine Auserwählten mitten in der argen Welt versiegeln kann vor der großen Versuchungsstunde. Ein Soldat hat das Wappen seines irdischen Königs, und Niemand darf ihn ungestraft beleidigen: wie vielmehr sind die Gläubigen durch das Siegel ihres himmlischen Königs sicher gestellt, wenn man es schon nicht mit Augen an ihnen sieht! – Johannes sah neben den Versiegelten aber noch eine andere, große Schaar aus allen Heiden, Völkern und Sprachen, mit weißen Kleidern angetan und Palmen in den Händen als Zeichen des erlangten Sieges, so wie ihrer Freude, ihrer vollen, nie getrübten Seligkeit, Alle bekennend: Heil sei Gott und dem Lamm! Auf Ihn, den großen Urheber, tragen sie ihre ganze Rettung lobpreisend zurück; kein Einziger sagt: Gottlob, ich habe meinen Weg so eingerichtet, dass ich dies Ziel erreicht habe; mein Wohlverhalten hat mich hierher gebracht. Das ganze Erdenleben war ihren um die Seligkeit besorgten Herzen zur großen Trübsal geworden; unter den schwersten leiden sind sie aber immer bei Jesu geblieben, sie haben ihre Kleider in Seinem Blute waschen und bleichen lassen, und nun dienen sie ihm in Seinem Tempel Tag und Nacht. Vollende an mir auch das Werk Deiner Erbarmungen, mein Heiland; Jesu, steh mir bei im Ringen, zieh die Hand nicht von mir ab; gib mir Glauben, durchzudringen, bis dass ich’s ergriffen hab! Kommen Viele nicht hinein, lass mich’s unter Wenig sein. Amen.
Offenbarung 8
Unter den sieben Siegeln ist das siebente das größte und wichtigste. Das haben wir an der Vorbereitung desselben merken können, die im siebenten Kapitel erzählt ist, und nun auch an der ehrfurchtsvollen Stille, die bei seiner Eröffnung im Himmel eintrat. Alles laute Loben und Danken hörte auf; Alles war in stiller, gespannter Erwartung, und gerade dieses Stillschweigen war die tiefste Verehrung Gottes und seines heiligen Rats. Merken wir es uns wohl: die Verehrung des Herrn besteht nicht nur im Loben und Danken, sondern auch im Stillschweigen, in der wahren inneren Stille. – Und warum ist es so still geworden in der oberen Gemeinde? Man erwartete neue Aufschlüsse und Offenbarungen Gottes. Ohne innere Stille kommt kein Mensch zu einem reinen Wahrheitsgrund. – Aber es gehört auch eine gespannte und unablässige Aufmerksamkeit dazu. Bei allen Seligen war nur ein Blick, der war auf das Lamm gerichtet; Alles sah gleichsam Christo auf die Hände, der die Eröffnung und Ausführung dieser Siegel bis zum letzten übernommen hatte. Da blasen die Posaunen: es gilt jetzt die Vernichtung des Weltreichs, die Wegräumung aller der Hindernisse, die dem Reiche Gottes entgegenstehen. Bei jeder Posaune bekommt das Weltreich einen neuen Schlag. wo der Herr Jesus einziehen will, da geht es auf die Vernichtung des alten Menschen los, und das geht nicht ohne Krieg ab. Aber was wird auch alles geschehen müssen, bis die so tief verfallene Christenheit gereinigt ist! Wir können es an uns wahrnehmen: wie viel Kaltsinn und Lauheit ist noch unter uns, wie sind wir so fleischlich und irdisch beim Anhören des Wortes Gottes! Immer wieder laufen unsere Sinne in die Welt hinaus. Das wird noch viele Versuchungsstunden und Gerichte geben müssen, bis das Reich des Herrn in die Welt kommen kann und alle Reiche der Welt Gottes und seines Christus werden. Wir haben alle zu beten, dass wir der Aufsicht des Herrn Jesu nicht entrissen werden. Das hilf uns, Herr Jesu. Amen.
Offenbarung 9
Die Ausleger verstehen meist unter der ersten und zweiten Posaune, welche von außen her die Kirche angreifen, die Völkerwanderung, und unter der dritten und vierten, die von innen die Kirche angreift, die arianische Irrlehre und das große Elend der Völker im fünften Jahrhundert. Die fünfte Posaune bedeutet dann die Entstehung des Papsttums, so wie die sechste die des Mohammedanismus, oder wie in vielen alten Bibeln die Überschrift lautet: „vom Antichrist im Okzident und Orient.“ Die Heuschrecken sind die von den Päpsten betriebenen Kreuzzüge. Der Euphrat ist das Hauptwasser und zugleich Bild der mohammedanischen Länder und Religionslehren: der Herr erweckte letztere besonders zur Bußzucht und Bestrafung der abgefallenen, toten morgenländischen Kirchen. Abaddon = Apolyion heißt zu Deutsch der Verderber. – Der Herr hat eben die Gewalt im Himmel und auf Erden; darum hat auch alle Kreatur Ihm gehuldigt, als Er das Buch mit sieben Siegeln in seine Hand nahm, wie man einem Königssohn huldigt, wenn ihm sein Vater das Reich überträgt, obwohl seine Rechte, die in dem Buch enthalten sind, an und für sich ihre Gültigkeit haben und nirgendsher brauchen bestätigt zu werden. Um seines Todes willen geben sie Ihm die Ehre; denn durch denselben hat Er uns den Zugang verschafft zum Vaterherzen Gottes. Ach, dass auch wir uns recht unter Ihn demütigen könnten! Um die demütigen Seelen baut der Herr eine Mauer, dass ihnen kein Feind etwas anhaben kann. Aber so bald sie sich erheben, lässt Er ein Loch in die Mauer brechen, und sie wissen nicht mehr, wer sie sind. Um des Hochmuts willen führt Gott seine Gerichte über den Erdboden. Er hat Mittel genug in der Hand, um den vermischten Haufen zu läutern. Auch jetzt, Herr, kommst Du mit Deinen Gerichten: baue Dein Reich um so gewaltiger, vor allem aber lass mich zu denen gehören, die dadurch näher zu Dir hingetrieben werden. Amen.
Offenbarung 10
Schon im fünften Kapitel kam ein starker Engel vor, der seine Stimme erschallen ließ, dass sie im Himmel, auf Erden und unter der Erde gehört wurde. Hier kommt ein anderer starker Engel auf die Erde herunter; er hatte den Menschen auf der Erde etwas zu sagen, und zwar allen Menschen, denn den rechten Fuß setzt er aufs Meer, den linken auf die Erde, zum Zeichen, dass seine Botschaft ganz Europa und Asien angeht. Sein Leib war mit einer dunkeln Wolke umhüllt: das deutet auf finstere Tage, die hereinbrechen werden zur Prüfung für die Bekenner Jesu, auf dunkle Zeiten, da das Licht des Evangelii abnimmt in der Christenheit. Seine Füße gleich Feuerpfeilern zeigen seine Macht an und verbreiten eine plötzliche Helle. Die Kinder Gottes sollen also noch helle Hoffnungsblicke erfahren, die ihren Glauben stärken; aber es geht schnell vorüber. Es erscheint noch in der Zeit des zweiten Wehes oder der sechsten Posaune oder im dritten Wehe ergehen werde. – Auch jetzt ist eine Zeit der Finsternis auf Erden: allgemeiner Unglaube, Unkirchlichkeit, Abfall von Gottes geoffenbartem Worte und Gottlosigkeit; aber in der Zeit des Antichrists wird erst vollends die Finsternis hereinbrechen. Dann geht eine Scheidung vor unter den Christen: diejenigen, welche zum Schlangensamen gehören, nehmen das Malzeichen an, mit dem sie vom Antichrist gezeichnet werden, die wahren Christen aber, welche zum Weibessamen gehören, werden nur näher zum Herrn getrieben. Wer es nicht von Herzen mit dem Heiland hält, wird wie die Spreu vom Winde verweht. Da wird es sich herausstellen, welches die Kernchristen waren, und welches nur Spreuchristen. Die Spreuer haben die gleiche Gestalt wie das Korn, aber sie sind nur die Form und der leere Schein des Korns, es ist kein Kern mehr darin. Herr, hilf, dass ich kein Mund-, sondern ein Grundchrist, kein Spreu-, sondern ein Kernchrist werde und bleibe. Amen.
Offenbarung 11,1-14
Was Kap. 10,11. dem Apostel aufgegeben war, nämlich zu weissagen, über Völker, Heiden und viele Könige, das beginnt nun hier gleich Johannes; zuerst in symbolischen Handlungen, indem er mit einer Messrute von Holz den neuen himmlischen Tempel misst und die Anstalten zur Wiederherstellung und Reinigung der Kirche Gottes auf Erden verbreitet, zum Zeichen, dass für dies Ende Alles nach göttlichem Maß und Ziel geordnet ist, und dann in Gesichten und Worten. Die beiden Zeugen, welche in der Zeit des Verfalls der römischen Kirche auftreten, sind (nach Luther) alle rechte, fromme Prediger, die das Wort rein erhalten, zum Trost der Christen, also die ganze Anzahl der Zeugen der Wahrheit während des antichristlichen Regiments, die in einer immer fortdauernden Reihe einander gleichsam eben so ablösen und niemals schweigen, wie wenn zwei Zeugen einer um den andern reden. Das Feuer aus ihrem Munde ist das wirksame, richtende Wort. Das Tier aus dem Abgrunde ist der Papst, der die Personen jener Zeugen vor der Reformation tötet, aber nicht ihre Lehre. Huß deutete, merkwürdig genug, ausdrücklich diese Weissagung vom Töten der zwei Zeugen und dem Wiederbelebtwerden derselben zum Schrecken der Feinde auf sich, auf sein Leiden und auf die Zeugen der Wahrheit, die nach seinem Hingange viel gewaltiger noch wider das Papsttum zeugen würden, und nicht würden können gebunden, gefesselt, überwunden und getötet werden wie er. Rom wird Sodom genannt, dem es an gräulichen Sünden, und Ägypten, dem es an Bedrängnis des Volkes Gottes und Verstockung gleicht. – Wunderbares Buch der Weissagung! Wir verstehen noch nicht viel von deinem geheimnisvollen Inhalt: aber was wir verstehen, ist so großartig und buchstäblich bereits erfüllt, dass wir auf die Gewissheit des noch nicht Erfüllten ebenfalls schließen müssen! Habe Dank, o Herr, für dieses Licht und Lehre und in demselben wandeln als die Kinder des Lichts. Amen.
Offenbarung 11,15 - 12,6
Im 10, Kapitel war Johannes durch eine ihm wohlbekannte Stimme vom Himmel angewiesen worden, aus der Hand jenes starken Engels das geöffnete Büchlein zu nehmen, damit er es recht nach seinem ganzen Inhalt in sich aufnähme. Und da er es aß, war es in seinem Munde süß wie Honig, aber im Bauch grimmte es ihn. So geht es auch uns mit den Wahrheiten der h. Offenbarung und mit dem ganzen Worte Gottes: es ist gar lieblich anzuhören, aber wenn es in unser Wesen und Leben übergehen und recht in Ausübung kommen soll, dann verursacht es manches Grimmen. – Endlich ertönt nun die siebente Posaune und eröffnet die Darstellung alles dessen, was sich noch ereignen soll bis zum Weltgericht. Nach einem Einblick in den Himmel und seinen Lobgesang über die vollkommene Erfüllung aller göttlichen Ratschlüsse erscheint dem Apostel das geistliche Volk Israel oder die Gemeinde des Herrn, als Träger der Verheißung, wie ein Weib in Kindesnöten, bekleidet mit der Sonne der göttlichen Wahrheit, zu seinen Füßen die überwundene Nacht des Heidentums, auf dem Haupte eine königliche Krone mit zwölf Sternen (die zwölf Stämme). Der Feind des Volks Gottes ist der Satan, der mit List und Macht ein Drittel der Sterne, d.h. einen großen Teil der irdischen Herrscher, zu berücken weiß, und es darauf abgesehen hat, Christum selbst zu töten und zu vernichten. Der Sohn Gottes wird aber in den Himmel entrückt, aus dem Stande der Erniedrigung in den der Erhöhung und der Teilnahme an der Macht des Vaters; darauf greift der Satan um so heftiger das Volk Gottes an. Dieser Kampf Satans gegen die christliche Gemeinde ist das Innerste der Weltgeschichte, der Kern- und Mittelpunkt derselben. Angriffe auf die Gemeinde und wundervolle Führungen und Bewahrungen sind auf allen Blättern der Geschichte der Kirche zu lesen. Gottes Volk hat vor Satans Angriffen zwei Adlersflügel, den des Glaubens an Christi Sieg und den der Hoffnung auf seinen eignen zukünftigen Sieg. Auf solchen Flügeln getragen, sind wir doch ernährt, mögen wir auch in der Wüste sein, und haben es unendlich besser als die Welt, ob sie auf grünen Auen ginge. Hallelujah.
Offenbarung 12,7-17
Dies Kapitel gibt uns eine ernste Kunde vom Teufel und seinem finstern Reich. Er war von Anfang ein Engel des Lichts und unter den vortrefflichsten Geschöpfen. Noch jetzt hat er sieben Häupter und sieben Kronen oder Königsbinden auf denselben; aber sein siebenfache Lichteskraft, die er vorher hatte, ist durch seinen Fall in eine siebenfache Kraft der Finsternis verkehrt. Aber noch trägt er Spuren seiner vorigen Macht und Herrlichkeit an sich, wie an einem verarmten Edelmann doch je und je herausblickt, was er gewesen ist. Er ist also kein schwaches Geschöpf und deswegen kann er so viel ausrichten, weil bis heutiges Tages sein Reich in sich selber so einig ist. Er hat einen großen Wirkungskreis und seinen Sitz in den Lufträumen, die zwischen Himmel und Erde sind (Eph. 6,12.). Lange Zeit hatte er noch seinen Zutritt in den Himmel, und mit großer Langmut hat ihn Gott getragen, da er immer wieder seine Heiligen ihm verklagte und verdächtig machen wollte. Aber im obigen Kapitel ist von dem Kampf erzählt und von dem Verworfenwerden dieses Klägers aus dem Himmel. Gott will den Teufel auch an seinen Gläubigen zu Schanden machen Schritt für Schritt, nachdem er bereits durch den Tod Christi überwunden und zu Schanden gemacht ist. Auch sie überwinden ihn durch des Lammes Blut und durch das Wort ihres Zeugnisses. Die christliche Kirche bleibt wohl erhalten unter allen Drangsalen; letztere dauern nur erst eine Zeit, dann zwei Zeiten, zuletzt eine halbe Zeit, also nur ihre bestimmte Zeit, der Erzengel Michael ist überdies der Beschützer des Volks Gottes und der Herr lässt es ihm an keinen Gütern fehlen. Darum erreicht der geschleuderte Wasserstrom (vermutlich ein Kriegsheer oder Verfolgungen) sie auch nicht, sondern verläuft sich in eine Öffnung der Erde; und der Drache kämpft nun mit den Übrigen, d.h. den Heidenchristen; die Gemeinde des Herrn bleibt unversehrt. Es ist etwas Großes und Herzerhebendes, ihr anzugehören! Mitten in der Nacht hat sie hellen Tag, mitten im Tode ewiges Leben. Heil Allen, die ihr angehören! Amen.
Offenbarung 13,1-10
Das Tier aus dem Meere, das ein Tier zu sein scheint, aber kein wirkliches Tier ist, weil es redet, lästert, mit sieben Häuptern, seine Klugheit und List anzudeuten, und zehn Hörnern, den Zeichen seiner großen Macht, ist die Macht des Christo feindlichen Weltsinns, das eine tödlich verwundete, aber wieder geheilte Horn ist das römische Papsttum, wie es seit dem elften Jahrhunderte in Europa aufgerichtet worden ist und die Gestalt eines weltlichen Reichs angenommen hat. Die Häupter dieses Reiches tragen Namen der Lästerung: ist es nicht Lästerung, wenn ein sündiger Mensch sich einen Namen beilegt, der Gott allein zukommt nach der Schrift, und sich den allerheiligsten Vater nennt? Es ist gleich einem Pardel: ist die List und Gewandtheit des Papsttums nicht sprichwörtlich geworden? Es hat Bärenfüße: erzählt die Geschichte nicht unzählige Fälle seines räuberischen Sinnes und Verfahrens? Sein Mund war wie eines Löwen Mund: wie stolz, anmaßend, furchtbar war oft die Sprache, die das römische Papsttum seit seiner Entstehung geführt hat! Manchmal schien es tot im Laufe der Zeiten, von der weltlichen macht bis auf den Tod verwundet; aber nicht lange, war es wieder lebendiger und wirksamer als je (V. 3.). Nach jeder Niederlage stieg es wieder neu in der Vergötterung der Menschen (V. 4.). Weltbekannt sind die großsprecherischen Worte, die die Päpste zu allen Zeiten geführt haben (V. 5.); buchstäblich eingetroffen ist die dreifache Lästerung (V. 6.) unseres Textes gegen Gott, dessen Name der Papst missbrauchte zu seinen unheiligen Befehlen, Anmaßungen und Bannsprüchen, gegen Gottes Hütte, den Himmel, indem der Papst sich die Gewalt zuschrieb, denselben für die Menschen zu öffnen oder zu verschließen, und gegen die im Himmel wohnen, indem der Papst viele wahre Heilige als Ketzer verdammte und zum Feuertode verurteilte, viele unheilige Menschen dagegen, die aber seine Macht vermehrten, unter die Heiligen zählte. Wie viel unschuldiges Blut hat im Laufe der Jahrhunderte die römische Kirche vergossen! (V. 7.) In Italien und Spanien allein wird die Zahl der durch die Inquisition gemordeten Wahrheitszeugen berechnet auf zwölf Millionen Menschen. Und wo nur Menschen auf dem Erdboden wohnten, (V. 7.) oder Zugang zu neuen Ländern und Nationen sich öffnete, da war das Papsttum gleich geschäftig, sein Ansehen auszubreiten und seine Satzungen einzuführen, die Evangelischen zu verdrängen und die neubekehrten Heiden ihnen wieder zu entreißen. Nie hat ein weltliches Reich eine solche Ausdehnung seiner Macht beansprucht und verlangt unter allen Sprachen, Geschlechtern und Heiden, als der römische Stuhl. Namentlich wurde durch die Jesuiten die päpstliche Macht immer weiter ausgebreitet oder erneuert. Freilich gab es auch in den dunkelsten Zeiten lebendige Glieder der unsichtbaren Kirche, deren Namen geschrieben sind im Buche des Lammes, welche die römische Kirche dann ins Gefängnis warf und tötete; aber - „wer Ohren hat zu hören, der höre!“ (V. 9.) d.h. dies verdient die größte Aufmerksamkeit! - mit weltlichen Waffen ist gegen sie nichts auszurichten (V. 10.), nicht die Macht des Schwertes führt in geistlichen Dingen zum Siege, sondern die Macht des Geistes allein. Die Waffe der Gläubigen ist Dulden und Glauben. Selig, wer zu dieser kleinen Herde der Duldenden und Gläubigen gehört! Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet. Amen.
Anm. In Frankreich wurde den Evangelischen die Zunge ausgerissen, und sie darauf verbrannt, auf dem Programme eines Hoffestes war als eine Festlichkeit zum Zuschauen genannt: „Verbrennung von vier Ketzern.“ Ist das nicht tierartig? Hat das Papsttum schon widerrufen?
Offenbarung 13,11-18.
Ein neues Gesicht tritt im Hintergrunde der Zeiten auf und dem heiligen Seher ins geöffnete Auge. Dies Tier von anderer Herkunft hat nur zwei Hörner und sieht äußerlich aus wie ein Lamm; seine Gestalt hat nichts Fürchterliches; es scheint nur Menschenliebe, Duldung, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit zu bringen; sein erster Eindruck ist ein ansprechender, und wer nicht feststeht und tiefer blickt, kann leicht getäuscht werden; dennoch ist es auch ein Diener des Teufels, wie das erste Tier, denn es redet wie der Drache, befördert das Reich der Lüge, des Unglaubens und der Sünde. Dieses Tier bedeutet eine innerlich geistige Macht, es wird später geradezu der falsche Prophet genannt; es ist also der verderbliche Zeitgeist, der Zeit der falschen Aufklärung und gottentfremdeten Bildung, der Rationalismus, die unchristliche Philosophie, die die Gott- und Christo feindliche Weisheit, die Wissenschaft in ihrer dem Evangelio feindlichen Stellung. Es tut alle Macht des ersten Tieres, maßt sich dieselbe Macht an, die falsche Weisheit macht sich groß und hat außerordentlichen Erfolg; die Menschen sind nun froh, dass sie Gründe finden für ihren Unglauben und ihre Sünde, Wissenschaft und Kunst bringt es weit, (V. 12), und entzündet ein ungeheures Feuer in der Welt, das alle bisher bestandenen Ordnungen zerstört (V. 13), verführt die Menschen zu einem Schattenbild des Papsttums, einer ihr ähnlichen selbstgeschaffenen Religion (Deutschkatholizismus? Freimaurerei?), und tötet alle, welche sich nicht zu ihrer Natur- und Vernunftreligion bekennen wollen. Die Freigeisterei führt nur so lange Menschenliebe und Duldung im Munde, als sie noch nicht die äußere Gewalt in Händen hat; so wie sie diese erhält, tritt die unduldsamste Tyrannei gegen alle Gläubigen ein. Noch mehr, sie bewirkt, dass die Menschen ohne Unterschied des Alters, Vermögens oder Standes sich ein Erkennungszeichen machen lassen, das sie an der Stirn, an ihren Hüten, und an ihrem rechten Arm tragen (V. 16). Der Sieg des falschen Propheten ist einmal allgemein. Entsetzliche Zeit! Die materiellen Handelsinteressen verschlingen dann Alles (V. 17), der Mammon ist der Gott der Mehrzahl, vom christlichen Glauben ist keine Rede mehr im öffentlichen Leben der Völker. Das Kapitel schließt: Hier ist Weisheit, d.h. der Schlüssel zur Eröffnung der prophetischen Zeitangaben dieses Buches. Wer Verstand hat, der überlege die Zahl des Tieres; denn es ist eines Menschen Zahl, und seine Zahl ist 666. Was denn nun? 666 Tage oder Monate, Jahre, Jahrhunderte? Tiefes Schweigen! Der Herr hat das Verständnis absichtlich verhüllt bis zum Tage seiner eigenen Enthüllung. Wie viel haben Menschen schon in diesen 1800 Jahren zur Enträtselung dieser Zahl gerechnet und geschrieben; alle Versuche sind bisher fehlgeschlagen und zu Schanden geworden. Rechne also nicht, aber prüfe dich: wie viel ist vom antichristlichen Geiste dieses Tieres in dir? Deine Väter haben dem Geiste des Papsttums widerstanden, wirst du dem Antichrist in der Gestalt des gegenwärtigen Unglaubens widerstehen können? Verlass dich nicht auf deinen Verstand, noch auf die Kraft deines Glaubens, noch auf dein treues Herz; verlass dich allein auf den Herrn und seinen Schutz, und bete zu Ihm um helle Augen, um Kraft aus der Höhe, um Zeugenmut, um Beharren bis ans Ende! Amen.
Offenbarung 14,1-5.
Bisher hatte Johannes unsere Blicke gerichtet auf Begebenheiten, die sich auf der Erde zutragen würden; heute öffnet er uns wieder einmal einen Blick in den Himmel. Jene irdischen Blicke enthalten nur betrübende Fernsichten, der Himmelsblick zeigt uns wieder erfreuliche Gegenstände. Der Herr hat bei der großen Schaar derer, welche das Tier anbeteten, sich doch auch noch sein Heer erhalten, die dem Lamme nachgefolgt sind. Auch sind noch andere Scharen von Überwindern drüben nach Kap. 7, die diesen 144,000 vermutlich zuhören, wenn sie dem Lamme ihr herrliches Lied singen, das Niemand außer ihnen lernen kann. Ich will gern auch ihr Zuhörer sein auf dem Berge Zion, wenn mir’s der Herr vergönnt, weil ich mich für zu schwach halte, um unter sie zu kommen. Johannes sah im Gesicht schon die volle Zahl, vermutlich leben noch viele unter uns, die einst dazu kommen sollen. Das wird dann ein reiner Ton sein und keine so heiseren Stimmen mehr, wie wir sie so oft haben beim Loben und Danken. Da wird man keinem mehr es anspüren, wenn er etwa auf Erden keine Gaben hatte, eine Melodie mitzusingen; aber geistlicher Weise wird man ihnen doch hier schon etwas angespürt haben von dem reinen Ton im Lobe Gottes, der drüben aus ihrem Munde geht. „Diese sind es, die mit Weibern nicht befleckt sind, sonderlich sind Jungfrauen und Junggesellen, Leute von beiderlei Geschlecht, die sich rein bewahrt, ein ernstes, heiliges Gemüt besessen haben, und folgen dem Lamme nach, wo es hingeht, hier unter das Kreuz, dort in die Herrlichkeit: sie haben in Aufrichtigkeit und Wahrheit Gott gedient.“ Wohlan, es sei hier schon meine Lebensregel: „Deine Rechte sind mein Lied im Hause meiner Wallfahrt,“ und mein redlicher Entschluss:
Indessen sing’ ich unter Tränen
Gott und dem Lamm mein Pilgerlied;
Die Zeit kommt doch, nach meinem Sehnen,
Dass Gott zum neuen Lied mich zieht.
Hier heißt der Text: o wär’ ich da!
Dort sing ich mit: Hallelujah! Amen.
Offenbarung 14,6-20
Von vier großen Ereignissen ist in diesen Worten die Rede, welche der letzten Zeit der Welt unmittelbar vorhergehen. 1) von der Reformation und der Ausbreitung des Evangelii über die ganze Erde (V. 6. 7.). 2) vom Sturze des römischen Papsttums (V. 8.). 3) vom antichristlichen Geiste, der, in Rom begonnen, im falschen Propheten immer mehr Nahrung gefunden hatte, endlich bis zum höchsten Gipfel des Verderbens wächst (V. 9-13.). Hier gilt es, dass die Heiligen eine besonders treue Ausdauer beweisen und dem Verführer widerstehen bis aufs Blut im Kampf wider die Sünde; und das um so mehr, da der Herr für alle treuen Kämpfer die köstliche Verheißung hinzugefügt: dass die im Glauben an Christum sterben, vom Augenblick ihres Todes an zum Vollgenuss der Seligkeit und Herrlichkeit gelangen sollen. 4) von dem beginnenden Gericht über die Erde. Es ist dies noch nicht das letzte oder Weltgericht; vor dessen Eintritt kommt erst noch das tausendjährige Reich und der allerletzte Streit mit dem Satan und dessen vollständige und ewige Überwindung; aber es ist ein Vorbote des allgemeinen Weltgerichts, zunächst nur auf die Erde beschränkt. Die angedrohten Strafgerichte treffen die Gemeinde des Herrn nicht, das Volk Gottes bleibt, wie einst Israel in Gosen, davon verschont. Das Nähere von dem Allen enthüllt sich dem Apostel erst in den folgenden Kapiteln, ist aber natürlich im Einzelnen uns noch unklar, weil es noch zukünftig ist. So viel ist aber gewiss, jeder von uns ist ein Halm und eine Beere, und der Tod ist die Sichel, die einmal auf ihn angeschlagen wird. Keiner weiß, wie bald! Wenige sehen acht Tage vorher ihr Ende kommen; den Meisten kommt es unerwartet, wie ein Dieb in der Nacht. Darum richte dich ein, dass du dann nicht in die Kelter des Zornes Gottes geworfen werdest, sondern mit neuen Kleidern angetan und Palmen in den Händen, in die Friedensstadt einziehst! Wer sich eine Distel weiß, suche ein Weizenhalm zu werden. Amen.
Offenbarung 20,1-6
Was Johannes gedrängt im 14. Kapitel gesehen, entwickelte sich eines nach dem andern immer genauer vom 15. bis 19. Kapitel. Nachdem das Papsttum, der Antichrist und der falsche Prophet ihren Lohn bekommen haben, folgt das tausendjährige Reich, wie ein Ruhepunkt im rollenden Kreislauf der göttlichen Gerichte. Unser Text ist die einzige Stelle der Heiligen Schrift, in welcher von diesem Gegenstande die Rede ist; aber diese Stelle lehrt diese Wahrheit klar und gewiss. nach ihr beginnt das tausendjährige Reich erst mit der Wiederkunft Christi, nach der Besiegung des Antichrists und seiner Genossen. Es wird weder ein weltliches noch ein allgemeines Reich sein, sondern ein Gnadenreich, in welchem die Gläubigen die Oberhand haben, wenn gleich Ungläubige und Gottlose noch vorhanden sind. Die Macht des Satans ist noch nicht gebrochen, wohl aber gebunden. Der Gegensatz von Himmel und Erde besteht noch fort, der Kampf des Geistes mit dem Fleische dauert auch noch an, die Heiligen wandeln noch im Glauben, nicht im Schauen, es bleibt das Gesetz, das Evangelium, das Sakrament in vollem Gebrauch, bis dass Er kommt. Auch in der äußern Welt geht Alles seinen Gang wie früher, Geburt und Tod, obrigkeitlicher und Ehestand, und Arbeit im Schweiß des Angesichts. Dennoch ist ein Blütezustand des Reiches Gottes, eine irdische Vollendung der Gemeinde Christi, eine reiche Ausgießung des Heiligen Geistes, ein Überfluss von Gnadengaben, ein Lieben und Jauchzen, wie nie vorher, erschienen. Das Christentum durchdringt alle Verhältnisse und die Erde ist ein Schauplatz zur Verherrlichung Christi geworden. Leicht und siegreich ist der Kampf des Geistes mit dem Fleisch und der Kirche mit den Feinden des Heils. Das Gesetz Gottes ist die allgemeine Regel aller Völker, Empörungen und Kriege haben aufgehört, Pest und Seuche sind verschwunden, die Erde ist voll Erkenntnis der Ehre des Herrn, und die Menschheit sammelt allen Segen der vorangegangenen Jahrhunderte des Kampfes in einen Brennpunkt zusammen und lebt im vollen Vorgenuss der letzten, höchsten Vollendung. Es entspricht dies tausendjährige Reich demnach ganz dem allgemeinen Gesetz der menschlichen Entwickelung, dass jede wesentlich neue Gestaltung, ehe sie zur vollen und bleibenden Erscheinung gelangt, sich vorher in noch vorübergehenden Erscheinungen ankündigt, abspiegelt und Bahn bricht. So die Erscheinung Christi in den Vorbildern des Alten Testaments, so die Auferstehung und Himmelfahrt des Herrn in der Verklärung auf Thabor, die Ausgießung des Heiligen Geistes am Pfingstfest in der vorläufigen Mitteilung des Geistes an die Jünger (Joh. 20,22.). So bahnt sich auch hier das Zukünftige an, die allgemeine Auferstehung durch die erste Auferstehung, das Jüngste Gericht durch das Regiment Christi und seiner Heiligen, die ewige Seligkeit durch tausendjährigen Frieden, die Verklärung des Himmels und der Erde durch kräftigere Blüten des Naturlebens (Jes. 20,26. 11,6-9. 65,20). Glückselige Zeit! Entspricht sie nicht den tiefsten Wünschen aller, die den Herrn Jesum lieb haben unverrückt? Sollte denn wirklich nie auf Erde eine Zeit kommen, wo die Sache Christi als die einzig wahre und rechte von Gott glänzend vor aller Welt beglaubigt würde? Sollte nach der langen Zeit der Arbeit und Mühe ihr kein Vorsabbat in ungestörter Gemeinschaft mit dem Herrn und allen Heiligen aufgehen? Als Jesus gen Himmel fuhr, umgab Ihn ein kleiner Kreis Gläubiger; ein größerer wird’s sein, wenn Er mit seinen Heiligen eine Zeitlang die alsdann Lebenden regiert: wie wird das seine Sache an einem Tage mehr förderten als sonst in Jahren und Jahrhunderten! O möchte der Herr dies Reich bald aufrichten! Lasst uns denn danach trachten, dass wir dem Herrn ganz angehören, Ihn allein anbeten, und sein Malzeichen an Hand und Stirn, in Mund und Herz an uns tragen, damit sein Sabbat auch uns zu Teil werde ewiglich! Amen.
Offenbarung 20,11-15
Die höchste irdische Vollendung der Gemeinde des Herrn im tausendjährigen Reich ist noch nicht ihre volle himmlische Verklärung. Letztere ist erst möglich nach einem letzten und äußersten Kampf und Sieg. Gegen das Ende der tausend Jahre schleicht sich nämlich wieder eine Sicherheit, eine laodicäische Gesinnung ein, und Satans Macht bricht, wenn auch nur auf kurze Zeit, wieder hervor; wilde Völkerschaften (Gog und Magog) beginnen einen Vertilgungskrieg gegen die Stadt Gottes. Gott lässt diese letzte Anstrengung des Bösen zu, um den Gegensatz des Bösen und Guten recht scharf zu offenbaren und die vollkommene Scheidung beider vorzubereiten. Darauf vernichtet Er selbst die Feinde seines Reiches unmittelbar und vollzieht das letzte oder Jüngste Gericht. Die sichtbare Welt flieht vor dem Herrn und geht unter; die Toten stehen alle auf, die Bücher werden aufgetan, sowohl das Buch, in welchem die menschlichen Handlungen verzeichnet stehen, als das Begnadigungs- und Rettungsbuch der Erwählten. Ist das auch ein Bild, das Bild hat doch seine Bedeutung. Es bedeutet, dass Gott nichts vergisst, dass Er nach Ordnung und Gerechtigkeit richtet, dass Alles vollständig, gründlich, haarklein und unwidersprechlich an Tages Licht kommt, das Böse wie das Gute, der Unglaube wie der Glaube. Darauf werden Tod und Totenreich (Hölle) dem Reich der Verdammten zugewiesen, dem ewigen Sterben ohne Hoffnung der Seligkeit, und ohne Erlösung aus dem Flammenpfuhl. Die Uhr in der Ewigkeit ist einmal aufgezogen, und läuft nimmer wieder ab. Es gibt dann keine Mitte mehr: jeder ist entweder ewig selig und herrlich oder ewig verdammt, jeder ist bei dem, des Bild er getragen. Wessen Name hier im Himmel angeschrieben war, dessen Loos wird auch dort der Himmel sein. Wir wollen uns deshalb oft das Lebens- und Weltende vergegenwärtigen und oft beten: Hilf, Gott, dass jeder kommen mag, wo tausend Jahr ist wie ein Tag; vor dem Ort uns, o Gott, bewahr, wo ein Tag ist wie tausend Jahr. Amen.
Offenbarung 21
Johannes schildert uns hier das himmlische Jerusalem. War der erste Himmel schön, wie viel herrlicher wird der neue Himmel und die neue Erde sein! Dort ist ja Alles entfernt, was uns hier unselig macht oder doch den vollkommenen Genuss der Seligkeit beeinträchtigt, Tod, Leid, Geschrei und Schmerzen, die Folgen der Sünde, und Alles wieder hergestellt und verklärt, was die Sünde entstellt und zerstört hat: neuer Himmel, neue Erde, neue Herzen, neue verklärte Leiber. Für die auferstandenen Leiber gehört aber auch eine leibliche Wohnung, und je geistiger und verklärter jene sind, desto geistiger und verklärter wird auch diese sein. Wie groß ist das himmlische Jerusalem: darum heißt sie eine Stadt; wie eng und vertraulich leben ihre Bewohner unter einander: darum heißt sie das Haus Gottes! Wie hell, wie sicher, wie bequem ihr Eingang! Wie unermesslich ihre Höhe, Breite und Länge! Welcher Glanz, gleich dem Golde, welche Durchsichtigkeit gleich dem Glase! Welche Mannichfaltigkeit und welche Einheit! Und die ganze Stadt – ein Tempel; jeder Einzelne seiner Bewohner ein Heiligtum des Herrn! Es gibt dort noch Völker und noch Könige; nur von Kirchenparteien, Sekten und Konfessionen ist keine Rede mehr. Wie einst David im irdischen Jerusalem alles Wahre, Schöne und Gute vereinigte, so wird im himmlischen Jerusalem ein herrlicher Chorgesang der mannichfachsten Gaben, Kräfte, Zungen und Volkstümlichkeiten Statt finden, zusammenstimmend im Preise Gottes. Wallfahrtete das alte Israel so gern nach seinem Jerusalem zu seinen großen Festen: wehe, wenn wir nicht Pilger sein wollten alle Tage nach der himmlischen Gottesstadt! wenn es bei uns nicht auch hieße: „Vergesse ich Dein, Jerusalem, so werde meiner Rechten vergessen!“ Was uns auch auf Erden schwindet und stirbt: dies Jerusalem bleibt. Herr, gib uns Sehnsucht, glühende Augen und brennende Herzen nach der Stadt der Liebe und des Friedens! Wir haben hier keine bleibende Statt, stärke uns, um so mehr die zukünftige zu suchen! Amen.
Offenbarung 22
Köstlicher Schluss der heiligen Offenbarung und der ganzen Heiligen Schrift! Mit der Schöpfung der sichtbaren Welt hatte sie begonnen, mit der Schöpfung der unsichtbaren Welt schließt sie ihre Enthüllungen. – Köstlicher Schlusswunsch: „die Gnade unseres Herrn Jesu Christi sei mit euch Allen!“ Ja, Deine freie, reiche, ewige Gnade, Herr Jesu, sei mit mir, mit jedem, der dies liest und hört, ja, mit Allen, die sie bedürfen und verlangen; besonders wenn Du wieder kommst! Diese Gnade züchtige uns, zu warten auf Deine große und majestätische Erscheinung! Diese allgemeine Gnade, dieser allumfassende Erlösungsrat und Heilsplan Gottes in Christo ist der Hauptinhalt der ganzen, Ein Ganzes bildenden Heiligen Schrift vom Anfange bis zum Ende. – Köstliche Schlussverheißung aus dem Munde des Herrn Jesu: „Ja, ich komme bald. Amen!“ Nichts als Liebe, Trost und Freude enthält sie, nichts als bräutliches Verlangen und immer heißere Sehnsucht will sie wecken. Sprächen wir doch immer mit dem Liede: „Dort oben im Himmel da haben wir’s gut; wer’s glaubt und beherzigt, dem wächst der Mut,“ und mit der Braut, der gläubigen und gerechten Gemeinde. „Ja komm, Herr Jesu,“ wir glauben Dein Wort und Deine darin verheißene Zukunft nicht nur, wir sehen ihr auch wachend und verlangend entgegen. Hat aber der Herr Jesus schon zu Johannes gesagt: ich komme bald, so darf ich heute mit dem größten Recht dafür halten, Er werde bald erscheinen. Und habe ich Gnade und den heiligen Geist empfangen, bin ich los vom bösen Gewissen, ist seine Liebe in meinem Herzen ausgegossen, stehe ich in der gewissen Hoffnung des himmlischen Erbes: dann darf und soll ich ihm entgegenrufen: komm! Ja komm, Herr Jesu, und mache dem Leid und Streit, der Gefahr und der Not ein Ende. Komm und erfülle Deine Verheißungen und lass das Warten derer, die Dich lieben, zur Freude werden. Ja komm, Herr Jesu. Deine Gnade sei mit uns Allen. Amen.