Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 14.

Arndt, Johann - Erbauliche Psalter-Erklärung - Psalm 14.

Was der Mann Gottes, Moses, klagt (1 B. 6,5): Alles Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist nur böse von Jugend auf immerdar, eben das klagt und beschreibt auch dieser 14. Psalm, wes: halb ihn auch der Apostel Paulus (Röm. 3, 11) anführt, um alle Menschen zu überzeugen, dass sie Sünder seien und durch sich selbst nicht können gerecht werden, sondern müssen aus Gnaden gerecht werden durch Christum. Zunächst zeigt der Psalm das tiefe Verderben der menschlichen Natur.

V. 1. Die Toren sprechen in ihrem Herzen: es ist kein Gott. Sie taugen nichts und sind ein Gräuel mit ihrem Wesen; da ist keiner, der Gutes tue. Anfänglich war der Mensch, als zum Bild Gottes erschaffen, begabt mit vollkommener Weisheit, Verstand und Erkenntnis aller Dinge, besonders aber mit Erkenntnis seines Schöpfers, dass er sei das einige, höchste Gut und die höchste Liebe und Freundlichkeit. Solche Erkenntnis leuchtet als ein schönes Licht in der Seele, zieht alle Leibes- und Seelenkräfte zu Gott und vereinigt sie mit ihm. Denn je mehr ein Mensch Gott erkennet, desto mehr liebt er Gott, freut sich und ruht in Gott, desto mehr wird auch sein Wille bewegt, dass er mit Liebe und Freude Gott gehorsam ist. Daraus folgt denn Gottes Ruhm, Ehre, Lob und Preis. Diese Erkenntnis Gottes ist die höchste Weisheit und größte Seligkeit, wie der HErr Christus spricht (Joh. 17,3): das ist das ewige Leben, dass sie dich, dass du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, JEsum Christum erkennen.

Solch schönes Licht der Erkenntnis Gottes haben unsere ersten Eltern durch die Sünde verloren und haben auf uns nichts denn Torheit, Irrtum, Blindheit und Finsternis vererbt. Da Adam das Licht der göttlichen Erkenntnis aus seinem Verstand verlor, kam Finsternis an ihre Statt; da er die Liebe Gottes aus dem Herzen verlor, kam die Feindschaft Gottes; da er aus seinem Willen den Gehorsam verlor, kam Ungehorsam, und da er das Lob Gottes verlor, kam Gotteslästerung. Und dieser Gräuel ist nun auf uns, seine unseligen Kinder, durch die fleischliche Geburt fortgepflanzt; diesen Gräuel bezeichnet das Wort Torheit, und ist eben die Torheit, dadurch wir verdammt werden, gleichwie das die rechte Weisheit ist, durch die wir selig werden.

Von dieser Torheit kommt's nun der, dass ein Mensch in seinem Herzen spricht: es ist kein Gott. Ach, sprichst du, das wäre ja die größte Torheit; sieht man's ja doch an dem großen Gebäude des Himmels und der Erden, dass ein Gott sein muss, daraus auch die Heiden erkannt haben, dass ein Gott sei. Ja, lieber Mensch, man sieht's und greift's, dass ein Gott ist; Gottes Wort lehrt's und bezeugt's uns auch; aber die angeborene Blindheit des menschlichen Herzens, Unglaube und Zweifel ist eine so große und tiefe Finsternis, dass dies kleine Licht der Erkenntnis Gottes bald wieder unterdrückt wird. Denn die Sünde und Bosheit behält die Überhand wider dies kleine geistliche Licht, indem die böse Lust des Herzens allerlei Sünde tut wider Gott, ohne alle Furcht Gottes, gleich als wäre kein Gott. Alle gottlosen Menschen verleugnen Gott mit ihrem Leben; sie fragen nichts nach Gott und vollbringen ihren bösen Willen, es sei Gott lieb oder leid. Und so oft du, lieber Mensch, wider Gott und dein Gewissen sündigst, deinen eigenen Willen und Leidenschaften herrschen lässt, so oft bist du ein solcher Tor, der in seinem Herzen spricht: es ist kein Gott.

Daraus folgt nun, dass der Mensch nichts taugt. So gar verdorben ist der Mensch mit all seinen Leibes- und Seelenkräften, dass nichts Gesundes an ihm ist vom Haupt bis auf die Fußsohlen. Wie töricht tut ihr doch, wenn ihr so stolz seid, prangt, Hoffart treibt, euch selbst liebt, ehrt und hoch achtet. Du hörst ja hier, dass du nichts taugst vor Gott, und doch, wenn dich ja Gott zu etwas tüchtig macht oder dir eine geringe Gabe gibt, so bist du stolz darauf, schreibst es dir selbst zu und raubst Gott die Ehre, die ihm gebührt. Und daher kommt denn erst der rechte Gräuel. Denn was vor der Welt hoch ist, das ist vor Gott ein Gräuel (Luk. 16,15).

Sie sind ein Gräuel in ihrem Wesen. Es wäre Verderbens genug, dass der natürliche Mensch Gottes Erkenntnis, Liebe und Gehorsam verloren hätte, wenn er auch nicht über dies noch Gottes Feind und Verächter geworden wäre. Aber der Mensch hat nicht allein das Gute verloren, sondern ist auch noch dazu mit aller Bosheit erfüllt; er hat nicht allein das Bild Gottes verloren, sondern hat auch teuflische Hoffart ins Herz bekommen, dadurch er Gott seine Ehre raubt und Gottes Feind und Verächter wird. Seht alle natürlichen Menschen an, die noch nicht gelernt haben, Christo in Demut nachfolgen, ob sie nicht gerne hoch, ja Alles sein wollten, d. i. sie wollten gerne Gott sein; denn Gott allein ist Alles. Und wenn der natürliche Mensch in seinem ganzen Wesen ein Gräuel ist, wie kann er dann Gutes tun?

Darum spricht der Psalm: da ist Keiner, der Gutes tue. Gutes tun heißt Gottes Willen tun, denn dieser ist allein gut. Böses tun heißt seinen eigenen Willen tun, denn dieser ist grundböse, weil er von Gott abgekehrt ist und Gott widerstrebt, und Alles, was Gott widerstrebt, ist böse. Ist nun Keiner unter den Menschenkindern, der von Natur Gutes tun kann, so muss ja folgen, dass alle Menschen von Natur des Satans Willen tun, der Gott im höchsten Grad widerstrebt.

V. 2. Der HErr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage. Wenn die große Bosheit des menschlichen Herzens vor Gott könnte verborgen bleiben, dass sie nicht gestraft würde, und man sich vor Gott verkriechen könnte, wie Adam meinte, so wäre es noch etwa eine Klugheit. Aber nein! Der HErr schaut vom Himmel auf der Menschen Kinder. Gleichwie der Himmel die Erde allenthalben umgibt, also dass nichts geschehen kann, es muss unter dem Himmel geschehen, so kann nichts geschehen, gedacht oder vollbracht werden, das Gott nicht sähe als gegenwärtig; du seiest, wo du wollest, der Himmel hat dich umschlossen, also Gott auch. Und wonach sieht Gott, der HErr, vom Himmel? Ob jemand klug sei. Was heißt aber, klug sein? Nach Gott fragen, Gott suchen, Gott erkennen, Gott fürchten. Gott prüft eines jeden Menschen Herz, erkennt und sieht es, und das Herz stehet ganz bloß und offen vor Gott; wie meinst du nun den Augen Gottes zu gefallen, wenn er gar so wenig Gottesfurcht in deinem Herzen sieht?

Die rechte Weisheit und Klugheit ist aber die, nach Gott fragen, Gott wieder suchen, den wir durch die Sünde verloren haben. Ach wo finde ich meinen Gott und Schöpfer? In Christo JEsu; da findest du Alles wieder, was durch die Sünde verloren ist; darum ist Christus uns von Gott zur Weisheit gemacht, zu einer Weisheit, die uns selig macht.

Hat denn Gott unter allen Menschenkindern Einen gefunden, in dem von Natur solche Klugheit und Weisheit wäre? Nein.

V. 3. Sie sind Alle abgewichen und allesamt untüchtig; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht Einer. Was ist das für ein großes Elend, von Gott abgewichen sein! Gleichwie mit Gott vereinigt zu sein, die höchste Seligkeit ist, so ist von Gott abweichen die höchste Unseligkeit; denn die Sünden scheiden uns und unseren Gott von einander. Und so sind Alle untüchtig; wer will einen Reinen finden bei denen, da Keiner rein ist?

Weiter klagt aber unser Psalm über den Missbrauch des Lehramts und führt einige Kennzeichen der falschen Kirche und ihrer Heuchellehre an:

V. 4. Will denn der Übeltäter keiner das merken, die mein Volk fressen, dass sie sich nähren, aber den HErrn rufen sie nicht an? d. i. es ist zu verwundern, dass die, so über das Volk gesetzt sind, das nicht bedenken, ihre Sorge und ihren Fleiß dahin zu richten, dass sie das Volk mögen bekehren von seinem gottlosen Leben, sondern sehen nur, wie sie die armen Schafe unterdrücken und sich von ihnen nähren, aber nicht fleißig für sie beten.

Es gibt keine größere Plage und Strafe, denn wenn ein Volk mit falschen Lehrern, Heuchelpredigern und Bauchdienern geplagt wird. Solche nennt der Psalm hier Übeltäter; denn wenn der rechte, lebendige, seligmachende Glaube nicht da ist, so ist es Alles Sünde, Ungerechtigkeit und Bosheit, was ein solcher Mensch redet, denkt und tut; denn was nicht aus dem Glauben geht, das ist Sünde (Röm. 14,23). Und was nicht aus dem heiligen Geist geht, das lässt keine Frucht des Geistes hinter sich, und dann geht alles Dichten und Trachten, Wort und Werke aus dem Fleisch, und das ist eitel Übeltat.

Ferner nennt unser Psalm solche Leute Fresser des Volkes Gottes, dass sie sich nähren. Denn bei aller falschen Lehre ist ein Mordgeist vorhanden, der die armen Seelen, welche seine Abgötterei und Irrtum nicht anbeten wollen, mit Gewalt unterdrückt; darum vergleicht sie der HErr einem Wolf, der die Schafe erhascht und zerreißt. Ebenso ist aber auch unersättlicher Geiz vorhanden, da Alles, auch aller Gottesdienst, Geld tragen muss. In der zweiten Epistel Petri und der Epistel Judä ist der Geiz derer beschrieben, die die Schafe fressen und sich nähren, welchen der Bauch ihr Gott ist und deren Ehre zu Schanden wird. Darum ruft auch der HErr: wehe euch Schriftgelehrten und Pharisäern, ihr Heuchler, die ihr der Witwen Häuser fresset und wendet lange Gebete vor (Matth. 23,14)!

Und weil sie abgöttisch sind, so haben sie auch keinen wahren Gottesdienst, der da steht in Geist und Wahrheit und Gott gefällt: den HErrn rufen sie nicht an; was können solche beten? Ein Seelsorger muss durchs Gebet kämpfen und streiten für das Volk wider den leidigen Satan, der die Welt verführt, verblendet und vom Glauben abwendet, und ist mit vielem Predigen allein noch nichts ausgerichtet. Denn es ist nicht genug den Samen auszusäen, man muss das Feld auch vor Verwüstung bewahren; und ist nicht genug eine Stadt zu bauen, man muss sie auch wider die Feinde schützen.

V. 5. Daselbst fürchten sie sich; aber Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten. Die falschen Lehren haben keinen gewissen beständigen Trost; denn wenn wahrer beständiger Trost da sein soll, so muss er allein aus Gottes ewigem, wahrhaftigen Worte kommen, von dem Gott des Trostes, und muss sich allein auf Christum gründen. Gottes Wort allein macht das Herz gewiss, der wahre Glaube allein stillt das böse Gewissen, das unruhige Herz, und macht es frei von aller Furcht. Ach es liegt eine große Freude und Trost in den Worten: Gott ist bei dem Geschlecht der Gerechten, d. i. bei denen, die aus Gott und Christo geboren sind durch den Glauben und den heiligen Geist, in welchen der heilige Geist wohnt, sie täglich erneuert, erleuchtet und regiert. Ein Solcher fürchtet sich nicht, wenn eine Plage kommen will, sein Herz hofft unverzagt auf den HErrn; dagegen der Gottlose hat keinen Frieden.

V. 6. Ihr schändet des Armen Rat; aber Gott ist seine Zuversicht. Der widerchristliche Haufen führt einen großen Schein vor der Welt, große Ehre, Reichtum, Pracht und Herrlichkeit; damit bestätigen sie ihr Reich und ihre Lehre. Dagegen das Reich Gottes steht nicht in äußerem Gepränge, sondern es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist. Dieses Reich Gottes wird, weil es kein äußerliches Ansehen hat, von den stolzen Geistern verachtet, verschmäht und geschändet, aber bei Gott ist es herrlich. Selig seid ihr, so ihr geschmäht werdet um Christi willen, der Geist der Herrlichkeit ruht auf euch, bei der Welt ist er verlästert, aber bei Gott ist er herrlich (1 Pet. 4,14). Ob nun wohl der Gottesfürchtige geschmäht wird, so ist doch Gott seine Zuversicht. Des Gottlosen und der falschen Kirche Zuversicht ist diese Welt, fleischlicher Arm und äußerliche Gewalt, aber daran hängt der Fluch und das ewige Verderben. Aber gesegnet ist der Mann, der sich auf den HErrn verlässt, und dessen Zuversicht der HErr ist. Der ist wie ein Baum am Wasser gepflanzt und am Bach gewurzelt. Denn wenn eine Hitze kommt, fürchtet er sich nicht, seine Blätter bleiben immer grün (Jer. 17,7.8).

V. 7. Ach dass die Hilfe aus Zion über Israel käme und der HErr sein gefangen Volk erlöste! So würde Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen. D. i. ach dass uns Gott nach seiner Verheißung das ewige Heil sendete, den Heiland der Welt, dessen Wort von Zion ausgehen soll. Diesen herrlichen Wunsch nach dem Messias und nach dem heiligen Evangelium war der heiligen Väter, Propheten und Könige des alten Testaments einiges Verlangen und höchste Freude; denn durch ihn allein sollte weggenommen werden Sünde, Tod, Teufel und Hölle, und sollte wiedergebracht werden das ewige Heil, Leben und Seligkeit. Das ist die rechte Hilfe aus Zion, wie sie keine Kreatur hätte leisten können. Und wie die erste Zukunft des Messias jener heiligen Väter, so soll seine zweite Zukunft unser einiges Verlangen und Wunsch sein um all der Herrlichkeit willen, die er an uns wird offenbaren. Denn durch Christum ist und wird dieser Spruch erfüllt: ach dass die Hilfe aus Zion käme, und der HErr sein gefangenes Volk erlöset! Die Hilfe aus Zion ist zu uns gekommen durch die heilbringende Menschwerdung Christi und durch sein Verdienst, dadurch wir arme Gefangene erlöst sind von allen unseren Sünden. Und wenn auch die Welt solches für eine geringe Wohltat achtet und selten recht bedenkt, so sollen doch wir billig unsere einige und höchste Freude an der Erlösung Christi haben. Diese geistliche Erlösung hindert nun den Widerchrist, dass sie den armen gefangenen Gewissen nicht geoffenbart und verkündigt werde, sondern hält sie gefangen mit Menschensatzungen und Menschenwerk, daran er die Seligkeit bindet, die doch allein in Christo steht und allein durch Christum erworben ist. Die nun noch jetzt unter dem Joch des Widerchrists sitzen, die seufzen und sagen: ach der HErr sein gefangenes Volk erlöste und uns das lautere Evangelium predigen ließe, damit doch unsere gefangenen Gewissen möchten frei werden und einen lebendigen Trost empfinden.

Aber auch diese Welt mit ihrem Jammer und Elend, Unruhe, Not und Tod ist ein Gefängnis der Kinder Gottes. Auch davon hat uns der HErr erlöst als der rechte Erlöser; denn es ist bereits die Welt und der Fürst dieser Welt überwunden, und die endliche Erlösung der Kinder Gottes wird gewisslich erfolgen am jüngsten Tage. Das ist unsere selige, gewisse und feste Hoffnung.

So wird Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen. Des Glaubens geistliche Freude haben wir in Christo, in seinem Verdienst, in Gottes Huld und Gnade, in der Vergebung der Sünden, im Frieden mit Gott. Diese Freude ist freilich noch unvollkommen, mit viel Schwachheit, Kreuz, Leiden und Traurigkeit umgeben; dennoch erhält sie der heilige Geist in unseren Herzen, denn sie ist ein herrliches Stück des Gnadenreiches Christi und Gottes in uns. Aber die rechte, ewige, unwandelbare Freude wird angehen in der schließlichen Erlösung des ewigen Lebens. Da wird Jakob fröhlich sein und Israel sich freuen d. h. alle Kinder Gottes, und diese ewige, unendliche und vollkommene Freude wird Gott selbst sein in allen Auserwählten; denn Gott wird Alles in Allem sein (1 Kor. 15,28). Amen.

Gebet.

Allmächtiger, gerechter, gütiger Gott, du erkennest, wie arme Sünder wir sind, dass wir dein Gesetz und Willen nicht erfüllen, noch verstehen, was rechter Gottesdienst sei, wenn du nicht selbst durch dein Wort und Geist uns lehrst und regierst. Wir bitten dich, du wollest uns allezeit so leiten und unterweisen, dass wir unsere arme Natur, Unwissenheit, Blindheit und Schwachheit stetig erkennen und bekennen, und also allem Stolz und aller Sicherheit entsagen, in deiner Furcht leben, deinen Sohn, JEsum Christum, recht erkennen, annehmen und ehren, alle falsche Lehre meiden und in rechtem einfältigem Glauben auf die freudenreiche letzte Zukunft deines Sohnes beständiglich warten, da wir uns ewig in dir freuen und dich, loben und preisen von nun an bis in alle Ewigkeit! Amen.

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