Arnd, Johann - Wie ein Mensch durch's Gebet die Weisheit Gottes suchen soll - Capitel XII.

Arnd, Johann - Wie ein Mensch durch's Gebet die Weisheit Gottes suchen soll - Capitel XII.

Aus obgemeldeten Betrachtungen wird nicht allein das Herz zum wahren Gebet bereitet, sondern es folgen auch daraus andere schöne Lehren.

Jes. 65, 24.: Ehe sie rufen, will ich hören, und wenn sie noch reden, will ich antworten.

Wir lernen hieraus: 1) daß Gott nicht seinethalben das Beten gebiete, weil er Alles zuvor weiß; sondern daß wir, dadurch erweckt, erkennen, wie er zuvor Alles wisse. Darum, wenn wir nicht fleißig beten, dünket uns gleich, als wüßte es Gott nicht. Wenn wir uns aber im Gebet üben, so lernen wir bald, daß Gott Alles wisse, was uns anliege; daß auch unsere Haare des Haupts gezählet, ehe wir geboren waren. Das Alles bleibt den Verächtern des Gebets verborgen.

2) Daß Gott nicht bedürfe langer Erzählung, wie ein Mensch; sondern wir bedürfen täglicher Uebung, damit der inwendige Mensch einkehre in das Reich Gottes.

3) Daß Gott tausendmal begierlicher sei, wie Dr. Taulerus sagt, zu geben, als wir, zu nehmen, durch's Gebet und Hoffnung.

4) Daß Gott nicht bedürfe unsere Ceremonien, Wachen, Fasten, Schreien, damit er erwache, „der nimmermehr schläft“, Ps. 121, 4. und zuvor kommt, ehe wir beten, ja, ehe wir ihn kennen, Jer. 1, 6. sondern daß der faule, schlafende Mensch durch diese Dinge müsse geleitet, geführt, gereizt, ermuntert und erweckt werden, daß er inne werde, wie treulich der himmlische Vater für alle Menschen sorge.

5) Wir lernen die unermeßliche Güte, Treue und Barmherzigkeit Gottes gegen alle Menschen; dagegen des Menschen Blindheit, Unglauben, Faulheit und unsägliche Nachlässigkeit, indem er solche Treue nicht achtet, sondern vielmehr das Beten, Suchen und Anklopfen verachtet.

6) Daß Gott „gerecht bleibe in allen seinen Werken“, Ps. 145, 17. und keine Ursache sei unsers Mangels, Blindheit und Unwissenheit, sondern wir selber, die wir nicht nach seinem Befehl beten, suchen, anklopfen. Also rächt sich die Bosheit und Faulheit selbst. Ein jeder Sünder plagt sich selbst; der unparteiische Gott bleibt gerecht in seinen Werken.

7) Daß Gott weder an Zeit noch an Ort gebunden, sondern darüber erhaben sei; und wolle allewege, allezeit, allenthalben im Geist und Wahrheit angebetet werden, Joh. 4, 21. 23.

8. Diese Betrachtungen entledigen den Menschen von vielen Irrthümern, und thun ihm gleich die Augen auf, zu erkennen, das ihm sonst unbekannt bliebe. Denn solches nicht wissen, ist einem Christen eine große Schande. Wissen aber und nicht üben, ist noch größere Schande.

Gebetlein um Erweckung zum Reich Gottes.

O Gott! wecke uns auf, so wachen wir; ziehe uns nach dir, so laufen wir den rechten Weg durch Christum in's Reich Gottes. Amen.

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