Arnd, Johann - Die Vollkommenheit und volle Genüge des Menschen ist seine Vereinigung mit Gott

Arnd, Johann - Die Vollkommenheit und volle Genüge des Menschen ist seine Vereinigung mit Gott

Des Menschen Vollkommenheit besteht in der Vereinigung mit Gott. Darum mußte Gott Mensch werden, auf daß die menschliche Natur wieder mit Gott vereinigt und wieder zu ihrer Vollkommenheit gebracht würde. Denn gleichwie die göttliche und menschliche Natur in Christo persönlich vereinigt ist: also müssen wir alle mit Christo, als dem höchsten, ewigen Gute, durch den Glauben aus Gnaden vereinigt werden.

Du kannst das Schifflein meines Herzens stille halten, befestigen und viel besser regieren als ich selbst; stehe auf, Herr, bedräue den Sturmwind und das unruhige Meer meines Herzens, daß es stille sei, in dir ruhe, dich ohne Hindernis anschaue, mit dir vereinigt bleibe. Führe mich in die geistliche Wüste, wo ich von der Welt nichts sehe noch höre, denn dich allein, daß du mit mir allein redest, ich dich freundlich küssen möge, und es niemand sehe und mich höhne.

Weil Christus in seinen Gläubigen wohnt und lebt und sich mit ihnen vereinigt hat, so leidet er in seinen Gliedern und wird in denselben verjagt und verfolgt.

Alle Gaben sind nicht dein, sondern Gottes und ohne Gottes Erleuchtung bleibst du ein toter unsauberer Erdklumpen. Und wenn Gott seine Gaben nicht in dich legt, so bleibst du ein leeres Gefäß. Gleichwie die Kleinode, die man in ein Kästlein legt, nicht dem elenden, bloßen Kästlein gehören, sondern dessen sind, der sie hineingelegt hat: also sind die Gaben nicht dein, du bist nur ein bloßes Kästlein dazu.

In einem jeden wahren Christen sind zweierlei Menschen, ein innerlicher und ein äußerlicher. Diese zwei sind wohl beieinander, aber wider einander, also daß das Leben des einen des ändern Tod ist. Lebet und herrschet der äußerliche Mensch, so stirbt der innerliche. Lebt der innere Mensch, so muß der äußerliche sterben. … Überwindet nun der Geist, so lebt der Mensch in Christo und in Gott, wird geistlich genannt und lebt in der neuen Geburt. Überwindet aber das Fleisch, so lebt der Mensch im Teufel, in der alten Geburt, gehört nicht ins Reich Gottes und wird fleischlich genannt.

Gleichwie unser natürliches Leben seine Stufen hat, seine Kindheit, Mannheit und Alter: also ist es auch mit unserm geistlichen und christlichen Leben beschaffen. Denn dasselbe hat seinen Anfang in der Buße, durch die der Mensch sich täglich bessert; darauf folgt eine größere Erleuchtung als das Mittelalter durch göttlicher Dinge Betrachtung, durch das Gebet und durch das Kreuz; durch welches alles die Gaben Gottes vermehrt werden. Zuletzt kommt das vollkommene Alter, welches besteht in der gänzlichen Vereinigung durch die Liebe.

Dieses Gnadenlicht berührt aber den innersten Grund der Seele nicht, weil die Kräfte der Seelen verstreuet sind in die äußerlichen Sinne, wo keine Ruhe ist. Denn da ist keine Ruhe, wo das Ohr alle Dinge hören, das Auge alle Dinge sehen, das Herz alle Dinge bedenken will. Dieses Licht aber sucht und begehrt einen stillen Sabbat des Herzens, auf daß der Mensch von innen erleuchtet werde, daß seine Sinne, Vernunft, Verstand, Stille und Gedächtnis von innen aus dem Grunde der Seele erleuchtet werden.

Allzuvieler und öfterer weltlichen Gesellschaft mußt du dich entäußern und entziehen. Denn gleichwie dem menschlichen Leibe nicht besser ist, als wenn er in seinem Hause ist: also ist der Seele nicht besser, als wenn sie in ihrem eigenen Hause ist, das ist, in Gott ruhet, aus dem sie geflossen. Zu ihm muß sie wieder einfließen, soll ihr wohl sein … Es sagte einer: so oft ich unter den Menschen bin, komme ich minder denn ein Mensch wieder heim .. .Je mehr sich der Mensch zu Gott wendet, je gleicher wird er Gott… Bist du unter den Leuten und mußt die Welt gebrauchen: tue es mit Furcht und Demut, ohne Starrheit und sei wie ein junges Bäumlein an den Stab der Demut und Gottesfurcht gebunden, daß nicht ein Sturmwind aufstehe und dich zerbreche. Wie oft wird mancher betrogen, der allzu sicher die Welt gebraucht. Wie dem Meer nicht zu trauen ist, also ist der Welt auch nicht zu trauen … Und weil Gott ein verborgener Gott ist, so muß eben die Seele heimlich werden, mit welcher er reden soll.

Soviel nun die Seele in Gott ruhet, soviel ruhet Gott in ihr. Ruhet sie ganz in Gott, so ruhet auch Gott ganz in ihr. Brauchest du aber deinen eigenen Willen, deinen Verstand, Gedächtnis und Begierde nach deinem Gefallen: so kann sie Gott nicht brauchen, noch sein Werk in dir haben. Denn wenn zwei eins sollen werden, so muß das eine ruhen und leiden, das andere muß wirken. Nun ist aber Gott eine unendliche, stets wirkende Kraft und lauter Bewegung und ruhet nicht, sondern wirkt in dir, wofern er zu seinem Werk kommen kann, und du ihn nicht hinderst.

Ein ruhig Herz in Christo, das ist der rechte Sabbat und die Speise der Seelen. Sabbat ist Christus allein mit seinem Wort, sonst wirst du nirgend der Seelen Ruhe und Speise finden.

Unsere Seele ist wie ein Wachs; was man hineindrückt, dessen Bild behält es. Also soll man Gottes Bild in deiner Seele sehen wie in einem Spiegel. Wo man ihn hinwendet, das sieht man darin. Wendest du einen Spiegel gegen den Himmel, so siehst du den Himmel darin, wendest du ihn gegen die Erde, so siehst du die Erde darin. Also deine Seele, wohin du dieselbe wenden wirst, dessen Bild wird man darin sehen.

Du Geist des Glaubens, lehre uns, Jesum heilsam erkennen, erwecke in uns ein Verlangen nach seiner Gerechtigkeit und laß uns in ihm beständig erfunden werden, daß wir seine Gnadengüter gewinnen und seine Kraft zur täglichen Heiligung in uns erfahren. Amen.

Der Glaube ist eine herzliche Zuversicht und unbezweifeltes Vertrauen auf Gottes Gnade, in Christo verheißen, von Vergebung der Sünden und ewigem Leben, und durch das Wort Gottes und den Heiligen Geist angezündet. Durch diesen Glauben erlangen wir Vergebung der Sünden, ganz ohne weiteres Verdienst, aus lauter Gnade (Eph. 2,8), um des Verdienstes Christi willen, auf daß unser Glaube einen gewissen Grund habe und nicht wanke. Und diese Vergebung der Sünden ist unsere Gerechtigkeit, die wahrhaftig, beständig und ewig vor Gott ist.

Die Erkenntnis Gottes, die im Glauben besteht, ist nicht ein bloßes Wissen, sondern eine fröhliche, freudige, lebendige Zuversicht, wodurch ich Gottes Allmacht an mir kräftig und tröstlich empfinde, wie er mich hält und trägt, wie ich in ihm lebe, webe und bin, daß ich auch seine Liebe und Barmherzigkeit an mir fühle und empfinde. Siehe, das ist der Glaube, der in lebendiger, fröhlicher Zuversicht besteht, nicht im bloßen Schall und Wort. Und in dieser Erkenntnis Gottes müssen wir nun täglich als Kinder Gottes wachsen, daß wir immer völliger darin werden. Dieser Glaube ist eine geistliche, lebendige himmlische Gabe, ein Licht und eine Kraft Gottes.

Das ist die Art eines rechten Glaubens, wenn das Herz wider und über alle Vernunft sich gewiß und unverzagt auf Gott verläßt und nicht zweifelt.

Der Glaube macht gerecht, weil er Christum ergreift in seiner ganzen Person, ganzem Amt, Verdienst, Erlösung, Gerechtigkeit, sich denselben zu eigen macht, ihn anzieht als Kleid des Heils und einen Rock der Gerechtigkeit.

Gleichwie aber unser gnädiger, lieber, himmlischer Vater den Grund unserer Seligkeit und Gerechtigkeit in den tiefen Abgrund seiner Barmherzigkeit gelegt hat, in seine ewige Liebe, in seinen lieben Sohn, in sein allfreundliches Vaterherz: also hat er auch denselben in die Tiefe unseres Herzens in den innersten Grund unserer Seele gelegt; auf daß durch das neue göttliche Licht und die Kraft des Glaubens, den er in uns durch den Heiligen Geist wirket, allein Christi Gerechtigkeit ergriffen und uns aus Gnaden, allein durch den Glauben zugerechnet und geschenkt werde ohne alle unsere vorhergehenden und nachfolgenden Werke.

Sobald ein wenig, ja das allergeringste Vertrauen auf Menschenwerk oder eigene Ehre, eigene fleischliche Liebe, Würdigkeit, Heiligkeit, Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Geschicklichkeit mit eingemischet wird, so ist der Glaube nicht rein, lauter und unbefleckt, ja es ist ein falscher Glaube, ja der Glaube höret auf, denn sobald der Glaube an etwas anders haftet, als an der lautern Gnade Gottes in Christo, so ist er kein rechter Glaube und ist von der Gnade abgerissen, ja die Gnade ist verworfen, so ist denn auch keine Vergebung der Sünden aus Gnaden da, so ist denn auch kein beständiger Trost da, so ist auch keine rechte, reine, lautere Liebe Gottes da, sondern eigene Liebe, so ist auch keine rechte Hoffnung da, denn der Hoffnung Art und Eigenschaft ist, daß sie alles um Christi willen erwartet, nicht um eigener Würdigkeit willen, so ist auch keine rechte Ehre Gottes da, denn so gibt der Mensch Gott nicht allein die Ehre, sondern ihm selbst, so ist auch keine rechte Liebe des Nächsten da, welcher Art ist, daß sie alles lauter, umsonst, ohne Ansehung der Belohnung tut, sondern alles aus reiner Liebe Gottes, aus demütiger Dankbarkeit für die große Gnade Gottes.

Erläßt durch sein Wort und seinen Geist in unsern Herzen den Glauben wirken und anzünden, auf daß wir durch denselbigen dieses unaussprechlichen Schatzes der Gerechtigkeit Christi teilhaftig werden können.

So ist der schwache Glaube auch ein Glaube. Denn es stehet unsere Seligkeit nicht auf der Würdigkeit unseres Glaubens, wie stark oder schwach derselbe sei, sondern auf Christo, welchen der Glaube faßt und ergreift.

Wenn man über den schwachen Glauben klagt, so merkt man, daß ein kämpfender Glaube da ist, und das ist eben der rechte Glaube. Denn es ist ein steter Kampf des Glaubens und Unglaubens im Menschen. Der Glaube muß hier stehen unter vielen Schwertern der Anfechtung.

Ja, sprichst du: ich fühle fast keinen Glauben in mir. So frage ich dich, ob du auch gerne wolltest glauben? Wenn du das fühlst, das ist ein Glaube, denn Gott muß auch das Wollen in uns wirken. Wenn du mithin gerne wolltest glauben, so fühlst du Gottes Wirkung in dir, und hast die tröstliche Hoffnung, daß, der das Wollen in dir wirket, der werde auch das Vollbringen wirken.

Ein anderes ist Christus in seiner Person für uns. Ein anderes ist Christus in unserer Person in uns. Was nun Christus ist für uns in seiner Person, in seiner Menschwerdung, Leiden, Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt, das ist er ihm nicht selbst, sondern uns zu gut, zu nutz und ewigen Seligkeit und eben dies allein ist vollkommen und unsere einige Gerechtigkeit, darinnen der Glaube lebet. Was aber Christus ist in uns, in unserer Person, durch seine Einwohnung, Wirkung, Geist und Gnade, das ist alles unvollkommen, Stückwerk und Flickwerk wegen unserer sündigen Natur, die kein Mensch in diesem Leben ablegen kann.

Darum müssen wir im Verdienste Christi allein ruhen und uns allezeit für große Sünder in Adam und für große Heilige in Christo achten, alsdann sind wir ohne all unser Zutun selige Menschen durch Christi Verdienst und gnadenreiche Menschen durch Christi Einwohnung, Wirkung, Geist und Gnade in uns.

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