Argula von Grumbach - Argula's Schreiben an die Universität zu Ingolstadt.
Der HErr sagt, Johannis am zwölften (V. 46]: Ich bin gekommen in die Welt, ein Licht, auf daß, wer an mich glaubet, nicht in Finsterniß bleibe. Ich wünsche herzlich, daß dieses Licht uns allen beiwohne, und erleuchte alle verstockte und verblendete Herzen. Amen.
Ich finde einen Spruch Matthäi am 10 [32], also lautend: Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor meinem himmlischen Vater. Und Luci am 9 [26]: Wer sich aber mein und meiner Worte schämet, deß wird sich des Menschen Sohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit, u. s. w. Solche Worte, von Gott selbst geredet, sind mir allezeit vor meinen Augen, denn es werden weder Frauen noch Männer darinnen ausgeschlossen. Aus diesem werde ich gedrungen euch zu schreiben; denn Ezechiel sagt am 33 [6. 8]: Siehest du sündigen deinen Bruder, so straf ihn, oder ich will sein Blut fordern von deinen Händen. Matth. am 12 (31) sagt der HErr: Alle Sünden werden vergeben, aber die Sünde wider den heiligen Geist wird nicht vergeben, weder hie noch dort. Und Johannis am 6 [63] sagt der HErr: Meine Worte sind Geist und Leben, u. s. w. Ach, Gott! wie werdet ihr bestehen mit eurer hohen Schule, daß ihr so thöricht und gewaltiglich handelt wider das Wort Gottes, und mit Gewalt zwinget: das heilige Evangelium in der Hand zu halten, das Selbige dazu zu verläugnen, als ihr denn mit Arsatio Seehofer gethan habt, und ihm einen solchen Eid und Verschreibung vorgehalten, mit Gefängniß und Androhung des Feuers dazu gezwungen, Christum und sein Wort zu verläugnen! Ja, wenn ich das so betrachte, so erzittert mein Herz und alle meine Glieder. Was lehret dich Luther und Melanchthon anders, denn das Wort Gottes? Ihr verdammet sie, ohne sie widerlegt zu haben. Hat euch das Christus gelehret, oder seine Apostel, Propheten oder Evangelisten? Zeiget mir, wo es stehet, ihr hohen Meister! Ich finde es an keinem Ort der Bibel, daß Christus, oder seine Apostel und Propheten, eingekerkert, gebrennet oder gemordet haben, oder das Land verboten. Wißt ihr nicht, daß der HErr gesagt hat Matth. 10 [28]: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen (können) tödten; fürchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle. Man weiß wohl, wie weit man der Obrigkeit gehorsam sein soll. Uber über das Wort Gottes haben sie nichts zu gebieten, weder Pabst, Kaiser noch Fürsten, als Apostelgesch. am 4 [19] und 5 (29) steht. Ich bekenne aber bei Gott und meiner Seelen Seligkeit, wo ich Luthers und Melanchthons Schriften verläugnete, daß ich Gott und sein Wort verläugnete, dafür Gott ewig sei, Amen! Habt ihr nie gelesen Jeremiä am 1 (11. 12), da der HErr saget zu ihm: Was siehest du? sagt er: Ich sehe einen wackern Stab. Sagt der HErr: Du hast recht gesehen, denn ich wache allezeit über mein Wort, daß ich es thue. Fragt er ihn zum andern [V. 13. 14]: Was siehest du aber mehr? „Ich sehe einen heißen siedenden Topf von Mitternacht her.“ Saget der HErr: Du hast recht gesehen, von Mitternacht wird das Unglück ausbrechen über alle, die im Lande wohnen. Der Topf brennet, ihr werdet ihn wahrlich mit eurer hohen Schule nicht verlöschen; des Pabsts Decretal1), noch Aristoteles2), der nie kein Christ worden ist, vermögen mitsammt euch nicht, das ihr vermeinet, Gott, seine Propheten und Apostel vom Himmel zu stoßen, und aus der Welt zu treiben; es geschieht nicht. Bitt' euch, meine liebe Herren, ihn länger bleiben zu lassen. Setzet keinen Zweifel darein, Gott werde sein heiliges, gebenedeites Wort wohl erhalten, als er denn bisher nach Anzeigung Alten und Neuen Testamentes gethan hat, noch thut, und hinfort thun wird. Gott wird euch begegnen, wie der Prophet Hosea am 13 [68] sagt: Ihr Herz erhebet sich, darum vergessen sie meiner. So will ich auch werden gegen sie wie ein Löwe, und wie ein Parder auf dem Wege will ich auf sie lauern. Ich will ihnen begegnen wie ein Bär, dem seine Jungen genommen sind. Und Hosea am 6 [5]: Ich tödte sie durch meines Mundes Rede. Wehe euch abtrünnigen Kindern, die ihr ohne mich rathschlaget! Jesaja am 30 (1), und Ezechielis am 13 [3. 6. 7. 19): Wehe den tollen Propheten, die ihrem eigenen Geist folgen, und haben doch nicht Gesichte! Ihr Gesicht ist nichts, und ihr Weissagen ist eitel Lügen. Sie sprechen: der HErr hat es gesagt; so ich es doch nicht gesagt, noch sie gesandt habe. Um einer Hand voll Gerste und Bissen Brods willen verurtheilen sie die Seelen zum Tode, die doch nicht sollten sterben, und urtheilen die zum Leben, die doch nicht leben sollten, durch ihre Lügen unter meinem Volk, das gerne Lügen höret, u. s. w. Was sagt Gott mehr Ezechielis am 33 (32. 33): Die Drohung Gottes muß ihr Liedlein sein, das sie gerne singen und spielen werden, bis die Strafe kommt, dann werden sie wissen, daß ein Prophet unter ihnen gewesen ist. Und Jer. am 48 [27]: Gott hat dein Gespött sein müssen, als wäre er unter den Dieben gefunden. Der Geiz hat euch besessen, ihr möchtet sonst Gottes Wort wohl leiden, wenn euch nichts anginge bei Unterdrückung des Decrets3), - Ich habe gesehen, daß mein Herr Vater selig 20 Gulden um vier Zeilen Rathschlags mußte geben, waren ihm nicht eines Pfennigs werth. Was saget aber David im 36. Psalmen [37, 25]: Ich bin jung gewesen, und, alt geworden, und habe noch nie gesehen die Kinder des Gerechten nach Brod gehen. - Ich bitt euch, vertrauet Gott, er wird uns nicht verlassen, denn er hat alle unsere Haare in acht und gezählet, als - Matth. 10 (30) steht. Ich habe längst gehöret, wie euer decretalischer Prediger {an der Kirche) zu unserer Frauen (Maria) hat geschrieen: Ketzer, Ketzer! wiewohl es schlecht Latein ist, könnte es selbst wohl, bin auf Keiner hohen Schule gewesen; aber zum Beweise bedarf es mehr. Ich hab' immer im Sinn gehabt, ihm zu schreiben, mir die ketzerischen Artikel anzuzeigen, die der getreue Arbeiter des Evangeliums, Martinus Luther, gelehret hat; jedoch habe ich den Vorsatz unterdrückt, und es mit Kummer unterlassen. Der Grund davon ist der, das Paulus sagt 1 Cor. 14 (34]: Die Weiber sollen schweigen, und nicht reden in der Kirche. Nun ich aber in dieser Sache keinen Mann sehe, der reden will noch es wagt, dringet mich der Spruch: Wer mich bekennet u. s. w., wie oben angezeigt ist; und nahm vor mich Jes. am 3. [4 und 12): Ich will ihnen Kinder zu Fürsten geben, und Weiber oder Weibische sollen über sie herrschen; und Jes. am 29 [24]: Die, so irrigen Geist haben, werden Verstand annehmen und die Schwachen werden sich lehren Lassen; und Ezech. 20 (23-25]: Ich hob meine Hand auf wider sie, daß ich sie zerstreuete, darum daß sie meine Gebote nicht gehalten und meine Rechte verachtet haben, und sahen nach den Götzen ihrer Väter. Darum übergab ich sie in die Lehre, so nicht gut ist, und in die Rechte, darinnen sie kein Leben konnten haben und Palm 8 [3]: Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet, um Deiner Feinde willen und Lucä am 10. [21]: Jesus freuete sich im Geist, und sprach: Ich preise dich, Vater, daß du solches verborgen hast den Weisen und Klugen, und hast es geoffenbaret den Unmündigen; Jer. 31 (33): Sie sollen Gott Alle kennen, beide, Klein und Groß: Johannis am 6 (45) und Jes. am 34 [13]: Sie werden alle von Gott gelehret sein; 1 Cor. 12 (3]: Niemand kann Jesum den Herren heißen, ohne durch den heiligen Geist; wie auch der HErr Matth. 16 (17) zu dem Bekenntniß Petri sagt: Fleisch und Blut hat dir das nicht geoffenbaret, sondern mein Vater im Himmel. Höret ihr, die uns Gott den Verstand, und kein Mensch, geben kann? Als auch Paulus 1 Cor. 2 [5] sagt: Euer Glaube soll nicht bestehen auf Menschen-Weisheit. Ihr werdet uns mit euren päbstlichen Gesetzen lange nicht dazu bringen. Wir haben genug Anzeigung der Schrift, daß sie [die Papisten) ohne Gottes Befehl nicht macht haben, Gesetze zu machen, als Jer. 23. steht. Wo es aber in der Bibel, welches Buch allen Befehl Gottes enthält, gegründet ist, wollen wir's gern und fröhlich annehmen; wo aber nicht, gibt es uns eben nichts, denn so viel, als ich daran meines schwachen, unverständigen Bruders schonen muß, So lange, bis er auch unterwiesen wird. Denn Gott sagt 5 More 4 (2): Ihr sollt nichts dazu thun, das ich euch gebiete, und sollt auch nichts davon thun; und Sprüchw. 30 [6]: Thue nichts zu Gottes Worten, daß er dich nicht strafe, und werdest lügenhaftig erfunden. Und gleich davor steht [V. 5): Das Wort Gottes ist ein Schild denen, die auf ihn trauen. Jesaja [z. B. 8, 20] und Jeremiä [z. B. 23, 16]: Das Wort, das ich euch sage, verkündet ihnen aus meinem Mund, u. s. w. u. s. w. Wie werden die Gesetzmacher und ihre Statthalter bestehen, die Gesetze aus ihren eigenen Köpfen, und nicht aus dem Rath und Wort Gottes gemacht haben? Ich meine, der HErr treffe sie Matth. 15 7. 6]: Ihr Heuchler, ihr habt Gottes Gebot zunicht gemacht, um euerer Aufsätze willen; und heißt es [V. 9] vergeblich geehret, wenn man ihn verehret mit Menschengeboten; und Lucä 11 (46): Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr beladet die Menschen mit unerträglichen Lasten, und ihr rühret sie nicht mit Einem Finger an! und hernach in demselben Kapitel [V. 52] : Wehe euch Schriftgelehrten, denn ihr den Schlüssel der Erkenntniß habt. Ihr kommt nicht hinein, und wehret denen, so hinein wollen in das Himmelreich, u. s. w. Höret den HErrn, Matth. 24 (48-51): So der böse Knecht wird anfangen seine Gesellen zu schlagen, wolle Er kommen zu der Stunde, die er nicht meinet, ihn zerscheitern, und ihm seinen Lohn geben mit den Heuchlern; da wird nichts sein, denn Heulen und Zähnklappen; davor uns Gott alle behüte!
Mich erbarmen unsere Fürsten, daß ihr sie so jämmerlich verführet und betrüget. Denn ich weiß wohl, daß sie der göttlichen Schrift nicht wohl berichtet sind. Hätten sie aber Zeit vor andern Geschäften, achte ich, sie würden auch die Wahrheit erfahren, daß niemand über das Wort zu gebieten, ja, kein Mensch, er sei wer er wolle, darinnen zu regieren hat. Aber das Wort Gottes, ohne welches nichts gemacht ist, das soll allein und muß regieren. Wenn man den Glauben gebieten könnte, warum hat man denn nicht allen Ungläubigen Mandat (Befehl] geschickt, zu glauben? Aber das macht's, das Wort Gottes muß lehren, nicht Fleisch und Blut.
Ihr werdet eben keinen Ruhm an Arsatio Seehofer erlangen, mutzet ihn hoch auf in seinem vorgeschriebenen, abgenöthigten Eide, heißt ihn einer Magister der sieben freien Künste: aber Eins habt ihr vergessen, daß er ist bei achtzehn Jahren, und noch ein Kind. Andere werden's nicht vergessen; So mir das aus andern Städten ist zugeschickt in solcher kurzen Zeit, werdet ihr wahrlich der ganzen Welt wohlbekannt!
Wie haben doch unsere Fürsten das um euch verschuldet? Ist es dadurch geschehen, daß sie oft einen Armen reich gemacht haben unter euch? Und ihr zeihet sie dessen doch, daß ihr sie und diese von ihnen gestiftete löbliche Universität also zur Nachrede der ganzen Welt machet! Ach, der großen Untreue, die ihr ihnen für empfangene Wohlthat erzeiget, wofür ihr billig dankbar sein solltet! Was unterstehet ihr euch? Denn wahrlich, sie würden die Wahrheit und den bösen giftigen Neid von euch in der Kürze gewahr werden, Gott wird ihnen den rechten Verstand geben, darum bitte ich herzlich und ich bin auch schuldig, dieses zu thun, denn sie sind ja Herren meines Vaterlandes, auch bin ich bei ihren Herrn Vätern und Frauen Müttern, meinen gnädigen Herren und Frauen, erzogen, habe eine Zeit lang ihre Zucht und Gottesfurcht gelernet. Gott sei ihre Belohnung hier in der Zeit und dort in Ewigkeit! Mich erbarmen sie; daß sie niemand Getreues haben, die sie der Wahrheit berichten; und ich merke: wohl, daß ihre Pfennige, so man täglich von ihnen abreißt, viel mehr als sie geliebet werden. Ich bin willens, ihnen solches zu schreiben, denn sie können vor anderen Geschäften nicht über dem Lesen sitzen. Wiewohl ja das Wort Gottes das Nöthigste wäre, als der HErr Lucä am 10 [42] sagt, das sei das beste Theil, hören das Wort Gottes; und was sagt er: mehr Luca 9 [25]: Ob der Mensch gleich diese ganze Welt gewönne, und verlöre die Seele, womit wollte er dieselbe wieder einlösen? Aber sie verlassen sich auf euch, als die Schrift-Weisen, haben euch darum daher gesetzt, und ihr habt um solches nicht wenig Einkünfte von ihrer armen Leute Grund und Boden. Es ist diese Universität. So löblich von ihren Aeltern gestiftet, und bisher mit nicht wenig Kosten erhalten. Ich halte wahrlich und gänzlich, so sie der Wahrheit berichtet wären, sie würden nicht allzeit also nach eurem Begehren handeln; wie sie jetzt mit Seehofer gethan, und nicht gestattet haben, den zu ermorden; wie in seinem Eide angezeigt ist. Gott sei ewig ihre Belohnung!
Ich hoffe, es werde besser werden. Wer weiß, aus was Ursachen sie ihn haben verordnet? Ich setze keinen Zweifel darein, Gott habe den Arsatius oder werde ihn noch ansehn mit den Augen seiner Barmherzigkeit, als Petrum, der den HErrn zu dreien Malen verläugnet hat; denn der Gerechte fällt siebenmal im Tag, und stehet wieder auf. Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. Christus selbst fürchtete den Tod, und so sehr, daß er blutigen Schweiß schwitzte. Ich hoffe, daß, ob Gott will, noch viel Gutes aus diesem Jünglinge werde, wie Petrus auch danach viel Gutes gewirkt hat, als er den HErrn schon verläugnet hatte, da er noch frei war, und nicht so lange schon eingekerkert, noch mit Androhung des Feuers dazugedrungen, als dieser.
Es ist leicht disputirt, so man nicht Schrift, sondern Gewalt braucht; in solcher Disputation sehe ich nichts anders, als daß der gezüchtigte der Gelehrteste ist. Wohl hat der Teufel aber so eine seine Fastnacht damit angerichtet! Gott wird's nicht lange von euch leiden! Paulus 2 Cor. 11 (14. 15) sagt, der Teufel verstellet sich in einen Engel des Lichts, darum sei es nicht Wunder, daß sich die Falschen in Apostel Christi verwandeln; und Matth. 10 [34 36): Es muß Zwietracht sein, der Sohn wider den Vater, die Tochter wider die Mutter, Braut wider Schwieger, und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein; und Joh. 16 [2, 3]: Es kommt die Zeit, daß, wer euch tödtet, wird meinen, er thue Gott einen Dienst daran; denn sie kennen weder den Vater noch mich; und Paulus 1 Cor. 11 (19): Es müssen Rotten unter euch sein, auf daß die, so rechtschaffen sind, offenbar unter euch werden; auch 2 Cor. 4. [3]: Ist nun unser Evangelium verdeckt, so ist es in denen, die verloren werden, u. s. w. u. s. w.
Wie haltet ihr das Kaiserliche Mandat so fein, das jetzund ausgegangen ist, den sechsten Tag des März, darin so klar angezeigt ist, daß man die Evangelia predigen soll, wie sie Gott geboten bat, und die Lehrer, so von der christlichen Kirche approbiret (gebilligt) sind. Da steht nichts von der Römischen Kirche. Von dieser Römischen Kirche finde ich auch kein Wort in der Bibel. Ich wollte gern, daß ihr mir zeigtet, was Gott von der Römischen Kirche gesagt hat. Ich habe in den Historien der Heiligen gelesen, daß sie am meisten von derselbigen Versammlung sind gemartert worden, finde wenig Gutes davon; Gott wolle es bessern!
Schämet ihr euch nicht, daß er (Seehofer) alle Schriften Martini (Luthers] hat verläugnen müssen? Nun hat er doch das Neue Testament einfach nach dem Texte verdeutscht, derhalben ist damit das heilige Evangelium, und die Episteln, und die Geschichte der Apostel u. s. w. bei euch Ketzerei gescholten. Also ist nicht mit euch zu disputiren. Auch die fünf Bücher Mosis, die im Druck sind; gilt das nichts? So ist mit einem Juden besser und eher zu disputiren. - Ich höre nicht, daß ihm mit Schrift [sprüchen) von einem unter euch irgend ein Artikel sei umgestoßen worden. Das höre ich wohl, daß ein gelehrter Jurist zu ihm getreten sei und gesagt habe: warum er weine? ob er noch ein Ketzer sei? Aber Juristerei nützet hierzu gar nichts.
Ich hätte gemeinet, ihr hättet nach Laut des Kaiserlichen Mandats euer Schulgezänk besser ruhen lassen bis auf berufenes, zukünftiges Concilium (Kirchenversammlung], welches allhier [zu Dietfurt] öffentlich auf der Kanzel ist verlesen worden; aus welcher Ursache, weiß ich nicht, denn wir sind allhier nicht sehr mit Luthern angefochten. Unsere Geistlichen fragen wenig danach; könnten etliche davon den Psalter lesen, das wäre wohl gut. Ich kann nicht erfahren, daß es [das Mandat] noch sonst an einem andern Orte oder in anderen Landen sei (öffentlich) verkündet worden; darum sollen sich billig die zu Dietfurt erfreuen, daß sie für die Trefflichsten in dieser großen Sache, die den Glauben und ewiges Heil betrifft, angesehen werden. Ich hätte fast gemeint, es (das Mandat) wäre von den hohen Schulen verkündigt worden, sonderlich von durch in diesem Bisthum und Land. Ihr müßt freilich denken, eure Schule wäre zu hoch, daß sie kein Christ erschreien könnte!
Ich bitte euch um Gottes willen; und ermahne euch durch das Gericht und bei der Gerechtigkeit Gottes, ihr wollet mir schriftlich anzeigen die Artikel, so ihr ketzerisch heißet, die Martinus oder Melanchthon geschrieben haben. Ich finde ja keinen im Deutschen, der mir ketzerisch ist, soviel ich davon verstehe; und es ist doch wahrlich viel in deutscher Zunge herausgegeben, hab's gelesen. Mir hat sie Spalatinus alle im Titel verzeichnet geschickt, habe mich in der Wahrheit erkunden wollen; wiewohl ich sie jetzt lange nicht gelesen habe, brauche mich der Bibel, wie ja auch all' seine (Luthers) Arbeit gewesen ist, daß man die soll lesen, welche mir mein lieber Herr Vater so hoch befohlen zu lesen, und gab mir dieselbige, da ich zehn Jahr alt war; ich hab' ihm aber leider nicht gefolget, aus Verführung der sogenannten Geistlichen, welche, sonderlich die Observanzer, sagten, ich würde mich verführen damit. Ach, wie fein lehret und giebt aber der Geist Gottes den Verstand, und spaziret von einem in das andere. Gott sei Lob, daß ich das rechte und wahre Licht scheinen sehe. Ich will mein einiges Pfund nicht vergraben, der HErr verleihe mir Gnade! Das Evangelium, sagt Christus Lucä 7 (22. 23), wird den Armen gepredigt, und selig ist, der sich nicht ärgert an mir. Wie Paulus sagt 1 Cor. 9 (18): Ich predige das Evangelium frei umsonst, auf daß ich nicht meiner Freiheit mißbrauche am Evangelio. Ich sage euch, wahrlich, das Licht leuchtet jetzt wieder in der Welt. Psalm 118 [119, 130]: Wenn dein Wort offenbar wird, so erfreuet es, und macht klug die Einfältigen; Psalm 36 (10): Bei Dir ist die lebendige Quelle, und in Deinem Lichte sehen wir das Licht; Joh. 2 [25]: Gott wollte kein Zeugniß vom Menschen, denn er wußte, was im Menschen war; Joh. 16 (14]: Der Geist wird mich verklären; Joh. 14 [6]: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater, denn durch mich. Und Joh. 9 [39-41] sagt der HErr: Ich bin zum Gericht auf diese Welt gekommen, auf daß, die da nicht sehen, sehend werden, und die da sehen, blind werden. Da sagten die Pharisäer: Sind wir denn auch blind? Antwortet ihnen der HErr: Wäret ihr blind, so hättet ihr keine Sünde; nun ihr aber sprechet: Wir sind sehend, bleibet eure Sünde.„ - Und Joh. 8 (31]: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger ; und im selben Kapitel (V. 47]: Wer von Gott ist, der höret Gottes Wort; - darum höret ihr nicht, denn ihr seid nicht von Gott, u. s. w. u. s. w. Und Joh. 10 (27. 4 und 5): Meine Schäflein kennen meine Stimme, aber eines Fremden kennen sie nicht, folgen ihm auch nicht nach. Matth. 24 (35]; Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen ; und Jes. 40 [8]: Das Wort Gottes, bleibet ewiglich. Aber solche Busse finde ich nicht von Menschen- oder Pabst: Gesetzen oder Worten. 2 Cor. 1 [20]. Das Wort Gottes in seiner Verheißung ist Ja ohne alles Nein. Durch dieses Wort ist Himmel und Erde, und Alles, was darinnen ist gemacht, und ohne dasselbige ist nichts gemacht, Joh. 1 [3]. und Gott war das Wort, durch dasselbe sind die Todten erquicket, die Sünder bekehret, Blinde sehend, Lahme gerade, Stumme redend geworden u. s. w. Das ist eine Schatzkammer des Heils, aber nicht eine Pfenniggrube, wie das Decretal. Durch das ist uns verheißen das Leben, Matth. 4. [4] und Joh. 6 [63]. Ich rufe mit dem Propheten Jeremias am 22 [29]: Land, Land, Land, höre des Herrn Wort! Ich bitte euch und begehre Antwort, ob ihr vermeinet, daß ich irre, das ich doch nicht wüßte. Denn Hieronymus (ein Kirchenvater), hat sich nicht geschämt, und an Weiber geschrieben gar viel, als an Plosilla, Paula, Eustachia u. s. w. u. s. w. Ja, Christus selbst hat sich nicht geschämt, sondern gepredigt Marii Magdalenä, dem Fräulein bei dem Brunnen, welcher allein unser aller Meister ist.
Ich freue mich: nicht, vor euch zu kommen, euch zu hören, auch mit euch zu reden, denn ich kann auch Deutsch fragen, Antwort hören und lesen; durch Gottes Gnade. So hat man wohl Bibeln, die deutsch sind, die Martinus nicht verdeutscht hat; ich habe deren selbst eine, die vor ein und vierzig Jahren [also 1482] gedruckt ist, da doch Luthers noch nicht ist gedacht worden. Hätte mir es Gott nicht also verordnet, o könnte ich euch, wie etliche thun, geschrieben haben und sagen, er verkehret es, Gott hat es nicht geteilt; wiewohl ich keine nie gelesen habe, die der gleicht, wie er sie verdeutscht hat. Der HErr sei sein Lohn hier in der Zeit und dort in Ewigkeit, der solches in ihm wirket!
Und ob es gleich dazu käme, davor Gott sei! daß Luther widerriefe; So soll es mir doch nichts zu schaffen machen. - Ich baue nicht auf seinen, meinen oder irgend eines Menschen Verstand, sondern auf den wahren Felsen Christum selbst, welchen die Baumeister verworfen haben, aber er ist gemacht zu einem Eckstein und Grundstein, wie Paulus 1 Cor. 3 (11 sagt]: Einen andern Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, das ist Christus, Wollte Gotte, ich sollte in Gegenwart unser drei Fürsten und der ganzen Gemeine reden! Ich begehre von jedermann gelehrt zu werden Philosophie, die soll nichts, als Paulus Col. 2 (8) sagt: Sehet zu, daß euch niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre. Aber was sagt er mehr 1 Cor. 1 (20]? Gott hat die Weisheit dieser Welt zur Thorheit gemacht. 1 Cor. 3 [19]: Alle Weisheit der Welt ist Thorheit bei Gott. Juristerei schadet mir nicht, denn sie gar nicht daher dienet; göttliche Theologie spüre ich nicht. Darum fürchte ich mich nicht, so ihr anders schriftlich, und nicht gewaltiglich mit Gefängniß oder dem Feuer unterwerfen wollt.
Joelis am 2 (12. 13]: Kehret wieder, kehret wieder zu dem HErrn, denn er ist gütig und barmherzig! Der HErr beklagt sich durch Jer. 2 [13]:, Mich, die lebendige Quelle, haben sie verlassen, und machen sich hier und da ausgehauene Brunnen, die doch löchricht sind und kein Wasser geben. Ich spreche mit Paulo 1 Cor. 2. (Röm. 1, 16): Ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht, denn es ist eine Kraft Gottes, die da selig macht alle, die daran glauben. Der HErr sagt Matth. 10 [19. 20): So ihr werdet vorgefordert, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet. Ich kann kein Latein, aber ihr könnt Deutsch, seid in dieser Zunge geboren und erzogen. Ich habe euch nicht arabische Dinge geschrieben, sondern das Wort Gottes, als ein Glied der christlichen Kirche, vor welcher die Pforten der Hölle nicht bestehen mögen; aber vor der römischen bestehen sie wohl. Besehet mir dieselbige Kirche, wie sie vor den Pforten der Hölle bestehen werde.
Gott gebe uns seine Gnade, daß wir alle selig werden, und regiere es nach seinem Gefallen. Nun walte seine Gnade! Amen.
Datum Dietfurt, Sonntags nach Erhebung des heiligen Kreuzes, Anno 1523.
Meine Handschrift. Argula von Grünbach, eine geborene von Stauffen.