Anselm von Canterbury - Homilien und Ermahnungen. Sechste Homilie.
Über das Evangelium nach Lukas: Und nachdem die Tage ihrer Reinigung nach dem Geseke Moses erfüllt waren, brachten sie ihn nach Jerusalem hinauf, um ihn dem Herrn darzustellen, sowie im Gesetze des Herrn geschrieben steht: Jedes Männliche, was aus der Mutter hervorgeht, wird dem Herrn heilig heißen. usw. (Luk. 2,22.)
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Bei der Festfeier dieses herrlichen Tages wünschen wir uns Glück über die dabei uns von Gott verliehenen Wohltaten. Denn weder die Jungfrau, die würdig gewesen, vom heiligen Geiste zu empfangen, noch der Sohn, den er auf diese Art gezeugt hat, bedurfte der Reinigung; sondern Gott bereitete und bildete mit ihrer Reinigung unsere Reinigung vor, da wir so sehr beschmutzt vielfacher Reinigung bedürfen. Was also vom Herrn nach geschichtlichem Verlaufe jetzt im evangelischen Leseabschnitt erzählt wird, das sollen wir geistiger Weise von uns verstehen: denn wenn wir seine Glieder oder sein Leib sind, so ist er in uns; und was an uns vorgeht, von dem sagt man mit Recht, dass es auch an ihm vorgehe. Denn auch der Leib Christi, und das ist die Kirche, heißt Christus, indem der Apostel sagt: Sowie der Leib Einer ist, und viele Glieder hat; alle Glieder des Leibes aber ein Körper sind, ob es gleich viele sind: so auch Christus (1. Kor. 12,12). Daraus erhellt, dass alle Gläubigen zumal mit ihrem Haupt Christus sind, was sich auch aus vielen anderen Stellen der Schriften beweisen lässt. Wenn wir also von der Reinigung Christi reden, so wollen wir sie auf jenen Teil beziehen, welcher der Reinigung bedarf, das heißt auf den Leib. Was man also jetzt geschichtlich vom Haupt liest, muss teils auf den Leib, teils auf jedes seiner Glieder geheimnisvoll bezogen werden: wie dass nachdem die Tage ihrer Reinigung nach dem Gesetz Moses erfüllt waren, sie ihn nach Jerusalem hinauf brachten, um ihn dem Herrn darzustellen. Denn die Tage der Reinigung des Volks der Gläubigen oder der Kirche, das heißt des Leibes Christi, werden zwar täglich erfüllt, indem ein Jeder derselben mehr und mehr sich säubern und reinigen zu lassen bestrebt ist; aber ganz werden sie nur am Ende der Welt erfüllt sein. Das Weltende ist aber für jeden seine Todesstunde, und wer gereinigt von allen Sünden bei seinem Tode erfunden wird, bei dem sind die Tage der Reinigung nach dem Gesetz des Moses erfüllt. Denn nach vierzig Tagen fand jene Reinigung nach dem Gesetz statt, und die Vierzigzahl bezeichnet teils den Zeitraum bis zum Weltende, teils bei Jedem seine Lebenszeit. Wenn nun ein solcher Vierziger erfüllt ist, sind die Tage der Reinigung, sei es der Kirche oder eines jeden der Gerechten erfüllt. Denn so spricht das Gesetz: Wenn die Frau empfangen und ein Knäblein geboren hat, so soll sie sieben Tage unrein sein gemäß den Tagender monatlichen Reinigung; und am achten Tage soll das Kind beschnitten werden. Sie selbst aber soll noch drei und dreißig Tage im Blute ihrer Reinigung bleiben. Nichts Heiliges soll sie berühren, noch ins Heiligtum eingehen, bis die Tage ihrer Reinigung voll sind (3. B. M. 12,2). Und wer anders ist diese Frau, als die Kirche der Auserwählten oder die Person derer, die Prediger sind? Diese empfängt nämlich den Samen des Worts Gottes und gebärt davon ein Knäblein, das heißt mittels der Predigt bringt sie geistiger Weise ein starkes und neues Volk von Auserwählten hervor. Legt man die vierzig Tage ihrer Reinigung, die sich in sieben und dreißig Tage teilen, einzeln aus, so können sie zweimal eben dasselbe zur Bestätigung bedeuten, was sie auf einmal zusammengenommen bedeuten. Denn diese Mutter ist mit ihrem Kinde sieben Tage unrein, weil die heilige Kirche, oder die Person der Prediger samt denen, die sie im Glauben hervorgebracht hat, nicht ohne allen Sündenschmutz während der ganzen Zeit des gegenwärtigen Lebens ist, welche sieben Tage beträgt. Denn sie sieht ein anderes Gesetz in ihren Gliedern, das im Widerspruche ist mit dem Gesetz ihres Geistes (Röm. 7,23). Und daher bleibt sie unrein, gemäß den Tagen ihrer monatlichen Reinigung: denn wie eine, die die monatliche Reinigung hat, getrennt ist vom Umgange mit Reinen in den Tagen ihrer Unreinigkeit, so ist auch sie vom Umgange mit den Engeln getrennt in den Tagen ihrer Sterblichkeit. Denn eine mit der monatlichen Reinigung Behaftete kommt mit keinem fremden Fleische in Berührung, sondern wird von ihrem unreinen Fluss besudelt; und das bezeichnet eine Seele, die nicht tatsächlich, sondern mit schmutzigen Gedanken sich heimlich verunreinigt. Aber auch die Kirche der Heiligen, oder die auserwählte Seele beschmutzt sich so, so lange sie im sündlichen Fleische lebt, vielmal durch sündhafte Gedanken, wenn auch nicht der Tat nach; und deshalb wird sie der Gesellschaft seliger Engel noch für unwürdig erachtet. Der achte Tag aber, an welchem das Knäblein beschnitten wird, ist der Tag der Taufe, an welchem jeder Neugeborene von der Seuche seiner Abstammung befreit wird, und indem er aus dem Bade heraussteigt, bekommt er Teil an der Auferstehung Christi, die am achten Tage die Welt erleuchtet hat. Denn deshalb bezogen wir den achten Tag, an welchem der Kleine beschnitten wird, nicht auf die Zeit der allgemeinen ewigen Auferstehung, sondern auf die Auferstehung Christi, das heißt auf die Taufe eines jeden von uns; denn der Kleine trat nach der Beschneidung nur in das Heiligtum nach dem Verlaufe von drei und dreißig Tagen; gleichwie auch ein jeder von uns, wenn gleich getauft, doch nicht in den Tempel himmlischer Seligkeit einzutreten vermag, bevor die Zeit des sterblichen Lebens abgelaufen, welche durch die drei und dreißig Tage bezeichnet wird. Denn diese ganze Zahl besteht aus Dreiern, und bedeutet die Zeit des Glaubens, Die Mutter bleibt also mit dem beschnittenen Sohne drei und dreißig Tage im Blute ihrer Reinigung. Denn die heilige Mutter, die Kirche, kann mit jedem auserwählten Getauften, so lange er im Glauben und nicht im Schauen wandelt, sich nicht gänzlich vom Blute ihrer Reinigung reinigen, das heißt von der Sünde, von der sie sich zu reinigen bestrebt ist, und bringt es nicht zur Vollkommenheit, so lange sie noch den sterblichen Leib trägt. Daher der Psalmist: Kein Lebender ist vor deinem Angesichte gerechtfertigt (Ps. 142,2). Und Salomon: Es gibt keinen gerechten Menschen auf Erden, dass er Gutes tut und nicht sündigt (Pr. 7,21). Und jener Jünger, den Jesus liebte: Sagen wir, wir haben keine Sünde, so betrügen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns (1. Joh. 1,8). Somit ist es bekannt, dass alle, die im sündlichen Fleische leben, den Sündenschmutz nicht ganz ablegen können. Daher wird auch bezüglich der Mutter, der Kirche, beigefügt: sie soll mit nichts Heiligem in Berührung kommen; nämlich mit jener vollkommensten Reinheit, welche die Engel besitzen und sie soll das Heiligtum nicht betreten, worunter das himmlische Vaterland verstanden wird, bis die Tage ihrer Reinigung erfüllt sind (3. B. Ms. 12,4), das heißt bis für sie die Zeit des sterblichen Lebens vorüber ist, in der sie sich beständig reinigt, aber vollkommene Reinigung erlangt sie nicht darin. So groß und andauernd ist nämlich die Verunreinigung, wie der unreine Geist sie durch Eva über das Menschengeschlecht aus. gegossen hat, dass sie nicht gänzlich sich reinigen kann, als bis zur Ankunft des Endes des sterblichen Lebens oder der Zeit. Aber wie durch Eva die Befleckung kam, so kommt durch Maria die Reinigung wieder. Dann wird aber vollständige Reinigung und Säuberung statt finden, wann die Gerechten bei der Auferstehung triumphierend sprechen: Tod, wo ist dein Kampf? Tod, wo ist dein Stachel? Denn der Stachel des Todes ist die Sünde (1. Kor. 15,55.56). Auf diese Weise also erfüllen sich die Tage der Reinigung des Volkes Gottes nach dem Gesetz Moses. Wenn sich aber die Tage der Reinigung so erfüllt haben, so werden es die Engel ins himmlische Jerusalem bringen, um es dem Herrn darzustellen, wo es ewig vor ihm bleiben wird. Und das wird geschehen; es steht im Gesetz des Herrn geschrieben: alles Männliche, das durch den Mutterschoß bricht, soll dem Herrn geheiligt heißen. Denn wir wissen, dass das Gesetz geistig ist: und in der geistigen Sprache bedeutet es den geistigen Mutterschoß, und das geistige Männliche. Dieses Männliche ist nämlich das starke und neue Volk der auserwählten Christen, oder ein jeder derselben. Und weil die Kirche nach Isaias (Kap. 44) lange unfruchtbar gewesen war; so brach jenes aus ihr geistig stammende Volk durch ihren Schoß, das heißt durch ihre geheimen Geschlechtsteile; und daher kam Niemand zuvor so auf die Welt. Alles bezeichnet aber die Gesamtheit und wird hier gesetzt, wenn es heißt alles Männliche; weil dies das katholische Volk ist, und alle Auserwählte in sich enthält. Indem also dieses, wie gesagt durch den geistigen Schoß der Kirche bricht, soll es dem Herrn geheiligt heißen, das heißt die Benennung und den Preis der Heiligkeit im Reiche himmlischer Seligkeit erhalten, um in aller Heiligkeit den seligen Engeln gleich beständig vor dem Angesichte der Herrlichkeit des Schöpfers zu stehen. Und deshalb beobachtete Christus der Herr und seine heiligste Gebärerin die gesetzliche Reinigung, um Alle, von denen er wusste, dass sie seine Glieder werden werden, so zu reinigen, um sie würdig zu machen, zu dieser Herrlichkeit zu gelangen. Denn er selbst, wie bereits oben gesagt wurde, oder seine heilige jungfräuliche Mutter, bedurfte der Reinigung nicht, weil sie der heilige Geist schon von Anbeginn gereinigt hatte, und jener sich in ihrem Leibe ein so reines Fleisch erschaffen. hat, um durch sie das Fleisch der Seinigen engelsrein zu machen; aber er nahm dort auch eine so heilige Seele an, um durch sie in den Seelen aller der Seinigen jene Heiligkeit wieder herzustellen, wie sie stets bei den Engeln sich findet. Weil er selbst aber in den Seinigen ist, so sagt man, es gehe an ihm vor, wie bereits oben bemerkt worden, wenn an den Seinigen vorgeht, weil sie ja sein Leib sind. Über diesen Leib wird nämlich noch beigesetzt: Und um ein Opfer zu geben, gemäß der Vorschrift im Gesetz des Herrn, ein Paar Turteltauben, oder zwei junge Tauben. Denn sie brachten ihn hinauf nach Jerusalem, um ihn dem Herrn darzustellen, wovon wir bereits gesprochen; und um für ihn ein Opfer zu geben, gemäß der Vorschrift im Gesetze des Herrn, ein Paar Turteltauben, das heißt, Leib und Seele als ein reines Paar, oder zwei junge Tauben (3. B. Ms. 12,8), das heißt seine Geduld nach Fleisch und Herz. Die Turteltaube ist nämlich der keuscheste Vogel, indem er dem lebenden, wie dem toten Genossen unauflösliche Treue hält; die Taube. aber hat keine Galle und keine Bitterkeit. Daher bezeichnet ein Paar Turteltauben die Keuschheit des inneren und äußeren Menschen: und die zwei junge Tauben die äußerlich dargelegte und innerlich im Geiste bewahrte Geduld. Die Engel bringen also ein Opfer nach dem Gesetz dar, nämlich ein Paar Turteltauben, oder zwei junge Tauben für das Volk der Heiligen, oder für jeden Auserwählten, den sie Gott darstellen, wenn sie die Verdienste seiner Keuschheit, wie er sie nach dem Leibe und Herzen bewahrt hat, oder seiner Geduld, wie er sie äußerlich oder innerlich gewahrt hat, vor Gott bringen. Die Keuschheit scheint sich aber mehr auf die Bekenner, und die Geduld mehr auf die Marterer zu beziehen. Und weil es keinen Auserwählten gibt, der sich nicht in die Klasse der Bekenner oder in die Klasse der Märtyrer zählen ließe, deshalb reicht zum Opfer des Volks Gottes ein Paar Turteltauben, oder zwei junge Tauben hin. Denn mit den jungen Tauben wird hier mehr als mit Tauben die Geduld bezeichnet, weil die, die Geduld so wahren, wie es sein muss, bei sich klein und niedrig sind, und dadurch fortwachsen, dass sie die Größeren nachahmen. Das ganze Volk der Auserwählten nun werden die. Engel nach der allgemeinen Auferstehung in das himmlische Jerusalem bringen samt den Opfern der guten Werke, um es dem Herrn darzustellen; und seit der Himmelfahrt des Erlösers hörten sie nicht auf, einen nach dem andern, nach seiner Pilgerschaft dahin zu bringen, sobald eines jeden Tage der Reinigung erfüllt sind.
Und siehe es war ein Mensch in Jerusalem, Namens Simeon, und dieser Mann war gerecht und gottesfürchtig, indem er auf den Trost Israels wartete; und der heilige Geist war in ihm. Und vom Heiligen Geiste hatte er eine Weisung erhalten, er werde den Tod nicht sehen, bevor er den Gesalbten des Herrn sehen würde. Und er kam im Geiste in den Tempel. Dieser Mensch bezeichnet das heilige Volk der israelitischen Nation, das schon längere Zeit die Ankunft des Erlösers erwartete und von ihm Erlösung vom Elende dieser Verbannung hoffte. Daher heißt er auch Simeon, was so viel ist als einer, der Traurigkeit vernimmt; weil jenes gläubige Volk von der Traurigkeit seiner Vertreibung aus dem Paradiese und des Verlustes ewiger Güter aus den Schriften zu hören gewohnt war; und deshalb dabei auf den künftigen göttlichen Trost wartete. Sonst wird Simeon auch in der Bedeutung „Erhörung“ gebraucht, weil das Volk der Ebräer auf Gott und sein Gebot zu hören pflegte, damit Gott auf es und sein Gebet hören möchte; denn jetzt ist nur die Rede von seinem auserwählten Teile. Daher heißt es auch: ein Mensch, weil er bei der Erkenntnis des Göttlichen und dem Nachdenken darüber, wie diesem Elend zu entrinnen sei, sich der Vernunft zu bedienen. wusste. Und dieser war in Jerusalem, das heißt in der Stadt des großen Königs, bei der wir nicht schwören sollen; in der Stadt Gottes, welches die Kirche ist. Denn Jerusalem bedeutet, wie wir oben gesagt haben, sowohl das Reich der himmlischen Seligkeit, als auch die Kirche der noch auf Erden wandernden Gerechten. In diesem Jerusalem also, das heißt in der Zahl der Gläubigen war bereits das Volk der Ebräer, als der Knabe in den Tempel getragen wurde; das heißt beim Beginne der apostolischen Predigt, als durch Christus der Eingang in die Himmel geöffnet war und das neue Christenvolk in den Seinigen, die aus dieser Welt wanderten, bereits durch die Engel dahin gebracht wurde. Denn jenes auserwählte Volk der Ebräer dauerte so lange, bis mit der gnadenvollen Predigt des neuen Testaments durch neue Lehrer überall der Anfang gemacht wurde, und viele aus den Gläubigen in das Vaterland ewiger Seligkeit glücklich hinübergingen. Und dieser Mensch, unter dem man geheimnisvoll jenes heilige Volk versteht, war gerecht; weil eben dieses Volk Gott diente und Gott gab, was ihm gehörte. Denn die Gerechtigkeit gibt Jedem das Seinige; und Gott gehört die menschliche Natur, dass sie seinem Willen diene; und darum handelt jeder Mensch gerecht, der Gott gehorcht. Und gottesfürchtig war das Volk selbst, weil es entweder aus Furcht vor dem Gesetze, oder aus Furcht der Liebe Gott fürchtete. Aber auch auf den Trost Israels wartete es, weil es unter dem Drucke dieser Verbannung bekümmert darauf wartete, bis der Herr sein Volk durch seine Ankunft gnädig trösten würde. Denn auch der heilige Geist war in ihm, weil es durch das Gesetz keine Rechtfertigung zu erlangen vermocht hätte, wenn nicht die verborgene Gnade des heiligen Geistes durch den Glauben an Christus es gerechtfertigt hätte. Und er hatte vom heiligen Geiste eine Weisung erhalten, er werde den Tod nicht sehen, wenn er nicht zuvor den Gesalbten des Herrn sehen würde; weil seiner Sehnsucht und seinen Gebeten die himmlische Eingebung das geoffenbart hatte, dass er im Glauben leben und dem Tode des Unglaubens nicht verfallen würde, bis er im Fleische den gegenwärtigen Gott von Gott vor seinen Teilhabern gesalbt sehen würde, die die Teilnahme selbst auch mit dem Namen ausdrücken, wie die Christen nach Christus sich nennen sollten. Und er kam im Geiste in den Tempel, denn wohin alle Gerechten nach der Auferstehung in ihren Leibern kommen werden, dahin kam er häufig im Geiste durch Betrachtung und prophetisches Schauen, indem er eintrat, nämlich in das Heiligtum Gottes und mit der Einsicht in die letzten Dinge. Und als die Eltern das Kind Jesus hinein brachten, um für dasselbe nach dem Herkommen des Gesetzes zu tun, nahm auch er es in seine Arme und pries Gott und sprach: Jetzt entlässt du, Herr, deinen Diener im Frieden nach deinem Worte. Denn meine Augen haben dein Heil gesehen. Und dieses hast du bereitet vor dem Angesichte aller Völker. Ein Licht zur Offenbarung an die Völker und eine Herrlichkeit deines Volkes Israel. Unter dem Knaben Jesus müssen wir nach dem, was weiter oben verhandelt worden ist, das neue Volk der Gläubigen verstehen, weil die Kirche sein Leib ist, und alle Heiligen seine Glieder und deshalb vom Leibe oder den Gliedern jetzt verstanden werden soll, was vom Haupt erzählt wird. Darauf deutet auch das hin, was er selbst sagen wird: Was ihr einem von meinen Geringsten getan habt; habt ihr mir getan (Mat. 25,40). Daher muss man Knabe Jesus jetzt so nehmen, als sollte es heißen: das neue Christenvolk. Aber wer anders sind seine Eltern, als die Engel? Denn auch sie zeigen, dass sie eine Art geistige Blutsverwandtschaft mit uns haben, da sie uns in der Offenbarung ihre Brüder nennen, indem es heißt: Niedergeworfen ist der Ankläger unsrer Brüder, der sie vor dem Angesichte unseres Gottes verklagte (Offb. 12,10). Diese Eltern also führen, wie auch schon oben erklärt worden ist, unsern Knaben in den Tempel des himmlischen Heiligtums ein, teils beim Tode jedes Einzelnen teils bei der allgemeinen Auferstehung. Und zwar um für ihn zu handeln nach dem Herkommen des Gesetzes; weil sie nach dem Brauche des Gesetzes ihn nach geschehener Reinigung dem Herrn samt der Hingabe aller guten Verdienste vorstellen. Oder kann man unter diesen Eltern die Heiligen Prediger verstehen, die, weil sie im heiligen Petrus die Schlüssel des Himmelreichs bekommen haben, es dem neuen Volke der Gläubigen öffnen: und sie führen es in den Tempel eben dieses himmlischen Reiches, indem sie es hier lossprechen und segnen und um seine dortige Aufnahme bitten, wenn es von hier wandert. Und das tun sie um den Gesetzesbrauch zu erfüllen, weil sie es so durch ihre Gebete in jenes Heiligtum der Seligkeit führen, um wie es das Gesetz bestimmt hatte, nach gänzlicher Vollendung der Tage der Reinigung es dem Herrn darzustellen mit der Darbringung seiner Verdienste. Der Knabe, der in den Tempel gebracht wird, kann auch jene bedeuten, die nach dem Glauben leben und daher in die Kirche eingeführt werden. Denn auch diese Einführung betätigen die heiligen Väter so, dass sie das Herkommen des Gesetzes beobachten; denn nach geschehener Reinigung in der Taufe führen sie sie zum heiligen Altare, um sie zu einem Opfer der göttlichen Eucharistie zu weihen. Indem also das neue Volk der Gläubigen von seinen Eltern, das heißt von den Engeln oder von den Verkündigern des in der Zeit leuchtenden Evangeliums, wie ein Kind in seinen aus diesem Leben scheidenden Gliedern, wie gesagt, in den Tempel himmlischer Heiligkeit und Seligkeit eingeführt, oder in denen, die zum Glauben gelangten, in die Kirche gebracht zu werden begann: nahm es auch Simeon selbst in seine Arme, d. h. auch das gottesfürchtige Volk der Ebräer selbst umfasste es wie seinen größten Liebling mit den Armen der Liebe. Umarmung bedeutet nämlich Liebe, und die Arme stärke Werke: und deshalb das in die Arme Nehmen, und mit starken Liebeswerken Umfassen. So also nahm er es auf seine Ellenbogen, das heißt in seine Arme, indem er es mit starken Werken großer Liebe trug: und er pries Gott, der ihm das Volk der neuen Gnade vergegenwärtigt und gezeigt hatte, wie es sofort in die Wohnung des himmlischen Reichs eingeht, und sprach: Nun, das heißt nach verliehener Gnade, entlässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden, das heißt machst mich frei vom Arbeitshause meiner gegenwärtigen Verbannung, der unter dem Drucke, unter der Knechtschaft des Gesetzes drängte, nun im Frieden in das Vaterland der himmlischen Wohnung überzugehen, nachdem der Fürst des Todes durch Christi Sieg gebunden worden war, nach dem Worte, das du mir über die Ankunft der Gnade gesagt hattest. Denn bereits sahen meine Augen teils an sich, teils in den Seinigen, Herr, dein Heil, das heißt deinen Jesus, der Heil oder Heiland bedeutet und der von dir gesandt worden ist, die Welt zu beseligen. Dieses Heil nämlich hast du vor dem Angesichte aller Völker bereitet, um zu machen, dass alle Völker der Welt mit ihren Glaubensaugen den Weltheiland sehen. Bereitet hast du, sage ich, ihn als ein Licht zur Offenbarung an die Völker, damit durch seine glanzvolle Klarheit die Finsternis vertrieben werde, in welche die Herzen der Heiden eingehüllt waren, dass kein göttlicher Gedanke sie erleuchtete: und zum Preise deines Volks Israel, damit er ein Preis des gläubigen Volks Israel sein möchte, das immer dir gehörte, denn es gereicht den gläubigen Ebräern zum großen Preise, dass der Herr aus ihrem Geschlechte Fleisch angenommen hat, der auch die Völker durch feinen Glauben erleuchtete, indem er sprach: Ich bin als ein Licht in die Welt gekommen, damit Jeder, der an mich glaubt, nicht in Finsternis bleibt (Joh. 12,46). Daher ist es ein alter schöner Brauch der Kirche, dass die Gläubigen bei dieser Feier Wachskerzen, das heißt Lichter mitbringen. Denn weil Christus heute im Tempel aufgeopfert worden ist, so stellen sie durch ihr geheimnisvolles Opfer eben dieses dar, indem sie im Laufe der einzelnen Jahre zum Hause Gottes Wachskerzen an diesem Tage tragen. Denn die Wachskerze oder das Licht bedeutet Christum. Und weil Jeder, wenn er andächtig dieses Fest begeht, Christus als wahres Licht im Herzen mitbringt, deshalb bietet er passend eine Wachskerze beim Opfer. In der Wachskerze erscheinen nämlich die drei Dinge: Wachs, Docht, Flamme; Wachs, welches die jungfräuliche Biene bereitet hat, bezeichnet Christum dem Fleische nach, den Maria die Jungfrau aus sich hervorgebracht hat; der Docht im Innern die Seele; die Flamme oben aber die Gottheit. Und es lässt sich in der Schöpfung nichts finden, womit Christus passender bezeichnet würde. Aber das erhöht auch die Zier dieses Festes, dass, wie es passend war, auf dasselbe jener große herrliche Umzug fällt, den die Römer in diesem Monate, welcher Februar, das heißt der Reiniger, heißt, alle fünf Jahre zu halten pflegten bei der Reinigung der Stadt, das heißt beim Umzug um dieselbe; und wenn sie, wie sie meinten, sich von den Sünden reinigten, die sie während jener fünf Jahre begangen hatten. Denn Umgang halten bedeutet auch reinigen. Und dieses unser Fest ist das Fest der Reinigung, und deshalb ist der Reinigungsumzug schicklich auf dasselbe übertragen worden, so ganz verschieden er auch von uns begangen wird, als wie ihn die Heiden begingen. Daher deuten sowohl der evangelische Leseabschnitt, als auch das Fest und seine Zeit auf Reinigung hin, damit durch das Alles wir, die wir der Reinigung bedürfen, Reinigung uns verdienen mit dem Beistande der Gnade Christi, welchem mit dem Vater und heiligen Geiste alle Ehre und Herrlichkeit sei, sowohl vor aller Welt, als auch jetzt, und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.