Erasmus Alberus geistliche Lieder... - Biographie
Erasmus Alberus ist in der Wetterau geboren1). Ort und Zeit seiner Geburt sind noch nicht ermittelt. Dem Umstande, daß Alberus gern und oft in seinen Schriften seiner Person und seiner Erlebnisse gedenkt, verdanken wir einige Aufschlüsse über seine Erziehung. Er dedicierte 1536 Herrn Hermann von Riedesel zu. Eysenbach „Ein gut Büchlein von der Ehe, was die Ehe sei rc.“ Darin erzählt er: „Zu der Zeit, als ich in die Schule ging, habe ich oft gesehen, wie man so greulich mit den armen Kindern umgangen, da stieß man ihnen die Köpfe wider die Wände und zwar, man hat mirs auch nicht gespart. Ich war acht Jahr alt, da überkam ich einen Schulmeister zu Nidd (Nidda in Oberhessen). Wenn der voll Weins, ja voll Teufel war, da zog er mich schlafend vom Strohsack, darauf ich schlief, und nahm mich bei den Füßen, und zog mich umher auf und ab, als wäre ich ein Pflug, daß mir das Haupt auf der Erden hernachgeschleppt, viele Püffe leiden mußte. Danach fing er ein ander Spiel mit mir an. Da nahm er eine Stange und zwang mich, daß ich hinaufklettern mußte und mit mir zu Boden fallen; das solle gute ingenia machen. Zuletzt nahm er mich und stieß mich in einen Sack und hing mich zum Fenster hinaus. Wenn ich dann schrie, da hört mich ein Priester, freilich ein frommer Mann, der rief meinem tollen Schulmeister zu und sprach: Du Narr, was treibst du mit dem Sind? Nicht mehr will ich erzählen. Für solchen Schelmenstücken sollen sich die hüten, die mit Kindern umgehen. So fein ward ich unterwiesen, daß da ich 14 Jahr alt war, nicht ein Nomen konnte deklinieren.“
Diese Zuchtschule in Nidda verließ Alberus (mit dankbarer Gesinnung gegen den Fürsten von Hessen hat er jedoch später der Stadt und ihrer Bewohner gedacht) und ging nach Mainz. Von hier wanderte er nach Wittenberg. Wir treffen Alberus dort als Schüler Luthers und Melanchthons 15202) und 1521. Sein Aufenthalt kann bis 1525 gedauert haben. Gewiß war es von großem Einfluß auf Alberus, der eine ungemeine Zuneigung zu den Poeten hatte, daß er noch in Wittenberg die Geburtszeit des evangelischen Kirchenliedes und den Geburtstag desselben, den 1. Juli 1523, in Luthers Umgang und Nähe erlebte. Ja er hatte dort auf den ersten Gesangbüchern den ersten Liederjubel der evangelischen Kirche - deren erstes Lied ein Märtyrerlied ist - mit angestimmt. Die Vorliebe, die er für das Didaktische hatte, die Neigung zum Lehren aus guten weltlichen Historien und Fabeln, erhielt nun die rechte Stellung zur Predigt vom Glauben. Von diesem erfüllt und davon ausgehend wird der Grundton seiner Lieder:
Gott hat das Evangelium
Gegeben, daß wir werden fromm.
Er wird ein Sänger der evangelischen Kirche.
Daß Alberus ein warmer Freund und Verehrer Luthers war, ist aus seinem ganzen Leben und Wirken ersichtlich und braucht nicht erst aus einzelnen Aeußerungen von ihm bewiesen zu werden. Als treuer Freund theilte er auch Kampf und Streit gegen Carlstadt, Erasmus von Rotterdam u. s. f. - 1525 begegnen wir Alberus als Schulmeister in Ursel bei Frankfurt a. M., 1527 in Heldenbergen. Der Landgraf Philipp von Hessen führte nach der Homberger Synode 1526 in seinen Ländern die Reformation ein. Unter den Männern, welche dazu auserwählt waren, war auch Alberus. Der Landgraf schickte ihn nach Sprendlingen im Ländlein Dreieich, um daselbst zu reformieren. Er kam 1528 dahin und erzählt selbst in seiner Beschreibung der Wetterau, daß er 11 Jahre Pastor war „zu Sprendlingen bei dem Hirschsprung und zu Götzenhain, welches ich Gotteshain nenne, weil es von den unnützen Götzen zu dem rechten Gott bekehrt ist.“ Alberus hat es mit vielen seiner Zeitgenossen erfahren:
Die frommen Männer müssen wandern
und bringen nichts denn Spott davon.
Er hat aber das mit davon gebracht, daß er überall hin und her eine dankbare Gesinnung trug, und als exul Christi für alle, die ihm Gutes erwiesen, die Opfer des Gebetes aufsteigen ließ. -
In Diensten des Churfürsten Joachim II. von Brandenburg, in welche Alberus, von Philipp von Hessen empfohlen, übertrat, erbat er sich von Luther eine Regel über die Predigtweise. Luther gab die Antwort mit Anspielung auf den Namen Alber, „fein albern;“ die Predigten sollten also beschaffen sein, daß sie von Hoch und Niedrig begriffen werden könnten. Die Stellung eines Hofpredigers in Berlin war ihm, der auch ein aufrichtiger Cabinetsprediger war, nur kurze Zeit anvertraut; er vertauschte sie bald mit der Oberpfarrei in Brandenburg. „Was brachte ihn von Brandenburg wieder hinweg?“ - wird in einer Reformationshistorie von Brandenburg gefragt und geantwortet: „Ich werde den richtigsten Beweggrund getroffen haben, wenn ich sage: Alberus hatte hier gar zu sehr Ursach sein Lied zu singen: Ach Gott, thu dich erbarmen! sonderlich den 4. und 7. Vers. Der 4. Vers lautet:
Aerger ists nie gewesen
Von Anbeginn der Welt.
Ein jeder mags wohl lesen,
Was Christus hat gemeldt.
Kein Lieb noch Glaub auf Erden ist,
Ein jeder braucht sein Tück und List.
Der Reich den Armen zwinget
Und ihm sein Schweiß abdringet,
Daß nur sein Groschen klinget.
Vers 7:
Die Welt läßt nun nicht abe,
Das wild vielköpfig Thier.
Man werf sie denn ins Grabe;
Es wird geschehen schier.
Der Teufel hats dahin gebracht,
Daß man Gott und sein Wort veracht,
Fragt nichts nach seim Gebote,“
Treibet darauf den Spotte,
Sagt wohl: es ist kein Gotte,
Arnold hat in seiner Kirchen- und Ketzerhistorie den schlagendsten Grund beigebracht, um die vielen Ortsveränderungen des Alberus zu erklären: „Er ist siebenmal vertrieben um der Religion willen, weil er von der Wahrheit gezeuget.“ Der exul Christi, dem besonders die Theilnahme am interimistischen und adiaphoristischen Streit Verbannung zuzog, wußte sich darein zu schicken und sagte selbst: „Ein in Kreuz ungeübter Christ sei als eine ungesalzne Speise.“ Vor seine Bücher setzte er ein Lamm mit der Siegesfahne und dieser Umschrift: O. E. A. Vivo et vos vivetis. Johs. 14, 19.
1542 ist Alberus Pfarrer in Staden in der Wetterau, wohin ihn der Graf zu Isenburg in Büdingen berufen hatte. Hier wurde er von der Universität Wittenberg unter Luthers Vorsitz zum Doctor der Theologie ernannt. 1544 erging eine Aufforderung an ihn nach Rotenburg an der Tauber und zu gleicher Zeit ersah ihn Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg zum Reformator in Babenhausen aus. 1545 trat er sein Amt in Babenhausen an. „Er führte das heilige Abendmahl unter beiderlei Gestalt ein, katechisierte fleißig und nahm sich der Kranken mit vieler Sorgfalt und Treue an. (Hanauer Magazin 1779 und 1780.) Er suchte die Schulanstalten zu verbessern und sorgte besonders für die Armen.“ Die Bettelzeichen, welche damals die Armen tragen mußten, schaffte er ab, wollte aber die Faulen zur Arbeit zwingen oder fortjagen. Schon im Oktober 1545 erhielt er seinen Abschied. In einem Schreiben an den Grafen sagt Alberus mit Beziehung darauf: „Euer Gnaden habe ich zugesagt ein fein Kirchenregiment und Schul anzurichten, das wollt der Satan gern hindern. So viel mir möglich, gedenk ich von Ew. Gnaden Zusage nicht abzulassen, Noth, spricht man, bricht Eisen. Ich bin elend und schändlich betrogen. Jenes Predigtamt habe ich aufgesagt. Dieses wird mir abgesagt und Treu und Glaube vergessen. Wer Ew. Gnaden solchen Rath geben hat, der hat wahrlich Ew. Gnaden übel gerathen und ist Ew. Gnaden ärgster Feind.“
An dem Streite gegen das Interim, welches die Papisten mit den Evangelischen versöhnen sollte, aber keiner Partei das Rechte zu treffen schien, nahm Alberus eifrigen Antheil. Sowohl gegen das Interim selbst, als gegen dessen Mitverfasser und Vertheidiger Agricola sind seine heftigsten Streitlieder und Tractate gerichtet. Der Sammelplatz der Gegner gegen das Interim war Magdeburg. Das Lied: „Gott hat das Evangelium gegeben“ ist 1548 gedichtet und wahrscheinlich in Magdeburg. Unter seinen Streitschriften war eine mit solcher Bitterkeit geschrieben, daß sie Niemand in Druck nehmen wollte.
Während der Belagerung der Stadt vom 16. Sept. 1550 bis zum 9. Nov. 1551 zog der Churfürst von Brandenburg das Erbtheil ein, das Alberus von seinen Schwiegereltern in Brandenburg zugefallen war. Bei Uebergabe Magdeburg wurde um seine Begnadigung bei Churfürst Moritz angehalten; er hatte in Wort, Reimen und Bildern aufs heftigste gegen Moritz von Sachsen angekämpft. Moritz antwortete: er begehre nicht sein Blut, man solle ihn aber hinwegschaffen, hätte es zu grob gemacht, daß es billig kein Bauer leiden sollte. Ueber Flacius Illyricus sprach sich Moritz gnädiger aus, doch fand auch er bald für gut, die Stadt zu verlassen.
Von Magdeburg begab sich Alberus nach Hamburg, wo ihm die Väter der Stadt eine Zuflucht gewährten. Im Jahre 1552 schrieb er zum neuen seligen Jahre ein Gebet für die Kinder, die Jesum lieb haben. Vielleicht ist Einiges darin mit Beziehung auf den Streit gegen Osiander in Königsberg zu erklären. Darauf begegnen wir ihm in Lübeck. 1553 wurde Alberus Generalsuperintendent des Landes Stargard, und Prediger in Neubrandenburg. Er starb am 5. Mai 1553 und hinterließ eine Witwe mit 4 Kindern. In Neubrandenburg, wo er in großer Armuth lebte, hatte er sehr ärgerliche Streitigkeiten mit dem Stadtrathe über die Besoldung und die Einführung von Schulmeistern. Ueber sein Lebensende entnehmen wir aus dem am 7. Mai 1553 abgefaßten Berichte des Richters Behm das Nachstehende: „Als nun alles des Doctors christlich Wohlmeinen von Etlichen zum Aergsten ausgelegt, und die Handlung (Verhandlung) auf die Entrichtung der 60 fl. abgeschlagen: da ist der gute theure Gottesdiener in Sorgen gestanden und nach Mittage den 4. Mai ist der Doctor betrübt und vor Sorgen und anderer Verfolgung und Verachtung ist er in Angst und Zittern gefallen; jedoch auf den Abend eine ziemlich gute Mahlzeit gegessen und zeitig zu Bette gegangen; zwischen ein und zwei auf die Nacht ist der Doctor aufgestanden, in den Garten gegangen und unter dem Himmel mit gefalteten Händen auf seinen Knieen bei einer Stunde so heftig den lieben Gott gebeten, daß er ihn aus dieser Verfolgung und Verachtung erlösen wolle, und so bitterlich geweinet, als ein Kind, das man mit Ruthen stäubt. Da ist seine liebe Hausfrau zwei, dreimal aufgestanden, ihn zuletzt erbeten, daß er mit ihr wieder zu Bette gegangen. Als es um zwei Uhr gewesen, hat er zu seiner Hausfrau gesagt: „mein liebes Weib, ich werde sehr schwach, stehe auf und zünde ein Licht an.“ Als es um 4 Uhr gewesen, hat er den neuen Schulmeister fordern lassen und zu ihm gesagt: „O lieber Herr Casselius, der liebe Gott will mich aus diesem Trübnis erlösen; ich habe speciem apoplexiae und fällt mir hinten im Sals, der Hals wird mir zuschwellen, ich werde sterben müssen.“ Mittlerzeit kommt eilends sein Diener gelaufen, sprechend: o kommt eilends, der Doctor will von hinnen. Alsbald sind wir in der Eile mit großer Erschrecknis gelaufen, ihnen von unsrer Erlösung durch Gottes Sohn, von göttlichen Zusagen viel Sprüche gewechselt, auch alle menschliche Hülfe, so viel an uns gewesen, zu versuchen nicht unterlassen, aber nichts desto weniger, ohne Verachtung unseres Trostes, hat ohne Unterlaß bis daß er verscheiden wollt, alle Zeit den Psalter vor sich gehabt, und den 94. Psalm etliche Mal mit großem Seufzen und Ernst überlesen, und allewege seine Augen und Hände gen Himmel erhoben, darnach den 81. Psalm vor sich genommen, und sonderlich den 7. Vers mit den 5 oder 6 folgenden Versen über die hundert Mal fast bei anderthalb Stunden ohn Unterlaß vor seinen Augen gehabt, die Hände und Augen alle Zeit gen Himmel gehoben, danach zu mir gesprochen: „ich kann nicht mehr reden,“ und mit der rechten Hand mir den Himmel und seine liebe Frau und Kinder gezeigt, daß ich nicht anders vermerken konnte, denn daß er sie Gott und mir zu Schutz befehlen wollte. Danach ist er von der Bank aufgestanden und auf einen Stuhl gesessen, denn er keinmal auf dem Bette gelegen, seit er um 2 Uhr vom Bette aufgestanden, sondern alle Zeit gegangen oder gesessen und denselben 81. Psalm je länger je heftiger übersehen und zu Gott geseufzet. Als es nun nahe bei neun Schlägen war, hat er das Psalmbuch in seine Hand gehalten, und vom Stuhl auf die Erde gefallen auf seine Kniee nieder, seine Hände und Augen gen Himmel erhoben, mit hellen Seufzern seinen Geist dem himmlischen Vater in seine Hände befohlen, und wie man ihn also von der Erde wieder auf den Stuhl gehoben, hat er alle Umstehende, sein Weib und Kindlein zum letzten valete so lieblich und barmherzig angesehen und damit den 5. Mai um 9 Uhr seliglich in Gott entschlafen; des Seele der Allmächtige gnädig und barmherzig sein wolle. Amen. Also hat der liebe und fromme Mann Gottes sein Leben unter seinen Feinden in großer Sorge und Armuth seliglich beschlossen.“