Ahlfeld, Friedrich - Zeugnisse - In der Taufe hat uns Gott Jesum Christum als seinen Sohn beglaubigt.

Ahlfeld, Friedrich - Zeugnisse - In der Taufe hat uns Gott Jesum Christum als seinen Sohn beglaubigt.

(Am 1. Sonntage nach Epiphan. 1855.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Gestern haben wir, in dem Herrn geliebte Gemeinde, das Epiphanienfest, das Fest der Erscheinung unseres Herrn Jesu Christi, gefeiert. Der Stern war den Heiden aufgegangen und hatte vor ihnen gezeugt von dem neugebornen Könige der Juden. Die Weisen des Morgenlandes waren ihm nachgezogen bis gen Bethlehem, bis er stillstand über dem Hause, da das Kindlein war. Aber ein solcher Stern ist noch ein unklarer Bote. Er kann wohl reden von der Hoheit und Herrlichkeit des Neugebornen, er kann bezeugen, dass er hoch über das arme Menschengeschlecht hinausragt; aber er hat kein klares Wort über sein Wesen und seinen herrlichen Beruf. Er ist ein Wecker und ein Führer zu dem Kindlein, aber kein Ausleger seiner verborgenen Majestät. Am gestrigen Tage ist in unsern Kirchen gepredigt über den alten Simeon. Ihr wisst, wie ihm die Sonne in sein Abenddunkel geschienen hat. Ihr kennt seine Freude und seinen Lobgesang: Herr, nun lässt du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen, welchen du bereitet hast vor allen Völkern, ein Licht zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.“ Dies Wort redet schon mit viel deutlicherer Sprache als der Stern. Wir erfahren, dass das neugeborene Kindlein der Heiland ist, welchen Gott der Herr seit Jahrtausenden durch die Propheten den Völkern verheißen hat. Wir erfahren auch, dass er sich nicht allein des Volkes Israel, sondern auch aller Heiden annehmen soll. Es ist der, von welchem Jesaja weissagt: „Es ist ein Geringes, dass du mein Knecht bist, die Stämme Jacobs aufzurichten und das Verwahrloste in Israel wiederzubringen, sondern ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du mein Heil seist bis an der Welt Ende.“ Aber auch das Zeugnis des Menschen, des Greises, ist noch ein ungenügendes. Das Heil der ganzen Welt soll nicht auf ungewissem Boden stehen. Auch bei Simeons Worten könnte der Zweifel und Kleinglaube noch sagen: „Hat sich denn der Greis in seiner Heilssehnsucht nicht geirrt? Er redet auch nur von einem Lichte,“ zu erleuchten die Heiden. Da weiß ich doch noch nicht, ob er das Licht der Welt ist, ob nicht andere Lichter neben ihm auch noch Geltung haben. Dazu ist über Christi Wesen und Abstammung kein Wort gesagt. Das ganze Zeugnis handelt nur von seinem Berufe. Der Beruf steht und fällt aber mit seinem Wesen.“ Es ist richtig, wer den höchsten Beruf hat, bedarf auch der höchsten Beglaubigung. Wenn ein König einen seiner Diener mit einem neuen großen Auftrage aussendet, so beglaubigt er selbst seine Vollmacht mit seinem eigenen Siegel. Der Sohn Gottes hat den größten Beruf. Er kann von Niemand beglaubigt werden, als von seinem Vater im Himmel. Und diese Beglaubigung, diese volle Offenbarung, musste gegeben werden, ehe der Herr sein Amt antrat, damit der Glaube gleich von Anfang gewissen Grund hätte, auf den er seinen Fuß setzte. Gott hat sie gegeben. Er will nicht, dass die hungernden und dürstenden und suchenden Seelen angstvoll umherfragen: „Ist denn dieser Jesus nun auch wirklich der Heiland, auf welchen ich mich fest verlassen kann. Er ist doch nicht etwa auch ein, morscher Ast, welcher abbricht, wenn ich mich in meiner letzten Not an ihn anhängen will?“ Gott hat auch die armen Sünder noch viel zu lieb, als dass er sie in solcher Ungewissheit lassen sollte. Höret sein Zeugnis, welches allen Zweifel in den Staub tritt und eine Gewissheit in den Gläubigen aufbauet, die auch der Hölle Pforten nicht zu überwältigen vermögen. - Unser Text steht geschrieben:

Ev. St. Matth. Kap. 3, V. 13-17.
Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm taufen ließe. Aber Johannes wehrte ihm, und sprach: Ich bedarf wohl, dass ich von dir getauft werde; und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass jetzt also sein: also gebührt es uns alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er es ihm zu. Und da Jesus getauft war, stieg er bald herauf aus dem Wasser, und siehe, da tat sich der Himmel auf über ihm. Und Johannes sah den Geist Gottes, gleich als eine Taube, herabfahren und über ihn kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.

Wir behalten uns aus diesem teuren Gottesworte für unsere weitere Andacht den Gedanken:

In der Taufe hat uns Gott Jesum Christum als seinen Sohn beglaubigt.

Wir beachten dabei folgende Punkte:

  1. Er ersieht dazu die rechte Zeit;
  2. Er tut es mit überwältigender Klarheit;
  3. Er deutet gleich an, was er uns in unserer Taufe schenkt.

Treuer, barmherziger Gott, lass heute den Morgenstern der Gnade über uns aufgehen. Fache das matte Licht unseres Glaubens mit dem hellen Glanze deines Zeugnisses an. Und so Einer hier unter uns ist, dessen Herz noch hin- und herschwankt in Zweifeln an seinem Heiland und seinem Heil, den nimm du mit an die Ufer des Jordans, den lass den Himmel offen sehen und deine Stimme hören: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Gieße ihm dabei in sein Herz den Geist der Demut, dass der sage: „Ich kann, ich will meinen Gott nicht zum Lügner machen. Sein Zeugnis muss wahr sein, und wenn alle Welt dagegen streiten wollte. Es soll auch an meinem Herzen wahr werden.“ So walte du in Gnaden über uns. Gehe aber auch aus mit deiner Barmherzigkeit zu den Heiden. Ihnen ist der Himmel noch nicht aufgetan. Schließe ihn ihnen auf durch das Wort im Glauben, dass auch sie bald rühmen mögen: „Die Herrlichkeit des Herrn ist über uns aufgegangen, wir haben auch das Fest der Erscheinung unseres Heilandes gefeiert.“ Herr, erhöre uns, segne uns durch dein Wort um deiner ewigen Gnade und Treue willen. Amen.

I. Gott ersieht sich zur Beglaubigung seines Sohnes die rechte Zeit.

Unsere ganze Andacht und Freude, in dem Herrn geliebte Gemeinde, hat sich in der Weihnachts- und Neujahrszeit mit dem Kindlein beschäftigt. Am Christfeste war es eben geboren, am Neujahrstage war es acht Tage alt, als es im Tempel dargestellt ward und Simeon seinen Lobgesang sang, war es dreiunddreißig Tage alt, und als die Weisen aus dem Morgenlande kamen, war es noch Etwas älter; wie alt es aber war, das gibt uns die Schrift nicht genau an. Nun werden wir plötzlich in unsern Andachten hinübergerückt in das dreißigste Jahr des Herrn. Als ein Mann steht er vor uns. Die ganze Jugend liegt, den einen Lichtpunkt im Tempel zu Jerusalem ausgenommen, verborgen und verschlossen dazwischen. Der neugierige Mensch möchte gern wissen, wie diese dreißig Jahre ausgefüllt worden sind, wie diese echte Lilie Sarons in der Stille erblüht ist. Die Schrift schweigt, und wir können dir nur sagen: „Mache dir keine zu wunderbaren Vorstellungen davon.“ Das Kind wuchs und nahm zu an Alter, an Weisheit und an Gnade bei Gott und den Menschen. Das Kind ist gewesen wie andere Kinder, es hat ein wahres Kindesleben geführt. Nur stand es allezeit vor den Augen seines Vaters im Himmel, und war seinen Eltern untertan in ganzem, herzlichen Gehorsam. Es hat gebetet wie ein Kind und Gottes Wort samt anderer Erkenntnis gelernt wie ein Kind. Doch war zwischen seinem Lernen und dem Lernen unserer Kinder ein Unterschied. In dem Herzen des durch die Sünde verderbten Kindes ist es finster. Alles wahre Licht, alle wahre Erkenntnis muss von außen in dasselbe gebracht werden. Sie seht sich an den Lebenspunkt an, welcher in der heiligen Taufe in ihm gegründet ist. Anders bei Jesu. Auch in dem Kinde Jesus wohnte die Fülle der Gottheit leibhaftig, die ganze Wahrheit lag in ihm verschlossen. Alles Lernen göttlichen Wortes diente bei ihm dazu, dass er sich selbst erkannte von einer Stufe zur andern, und dass sich das Bewusstsein seines göttlichen Wesens und seiner Herrlichkeit mit dem wachsenden Alter und der zunehmenden Weisheit heller aufschloss. Bei uns muss das Licht in die Finsternis scheinen und die Finsternis vertreiben; ihm machte das geoffenbarte Licht das eingeborne Licht klar. Daher glauben wir auch, dass zwar in der Jugendzeit das verborgene göttliche Wesen in manchem Wort aus der Tiefe herausgeleuchtet habe. Wir kennen ein solches Wort. Als zwölfjähriger Knabe sprach er zu seiner Mutter im Tempel zu Jerusalem: „Was ist das, dass ihr mich gesucht habt? Wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist?“ Aber zum vollen, klaren Bewusstsein seines göttlichen Wesens kommt er erst, als er auch menschlich die volle Mannesreife erlangt hatte.

Da steht denn der vollkommene Mensch und der vollkommene Gott in zwei Naturen, in doppeltem Geist, und doch in einem Geist, in doppeltem Willen, und doch in einem Willen, vor dem Geschlechte, das so lange geharrt hatte. Diese Zeit der vollen Mannesreife, wo er sich selbst ganz begriffen hat, erwählt Gott, um ihn vor der Welt als seinen Sohn zu beglaubigen. Dies war auch die Zeit, wo die Lehrer in Israel ihr Amt anzutreten pflegten. Und der Herr, der rechte Meister in Israel, der sich in allen Stücken an die Ordnung des Gesetzes band, tut es auch in diesem. Hast du nun noch eine Frage über seine Jugend, möchtest du etwa wissen, mit welcher äußern Beschäftigung er die dreißig Jahre ausgefüllt habe, so lass dir die Antwort von Luther geben, welcher meint, Jesus habe auch wohl seinem Pflegevater Joseph auf dem Handwerk geholfen und seiner Mutter in der Beschickung des Hauses gedient. Zur Zeit, wo er sein großes Gnadenwerk begann, scheint sein Pflegevater Joseph bereits verstorben gewesen zu sein, denn es wird seiner in der Schrift mit keinem Worte mehr gedacht.

Das Haus seiner Mutter hat Jesus um diese Zeit verlassen. Sein gewöhnlicher Wohnort war nun Kapernaum, welches er seine Stadt nennt. Frei ist er herausgetreten in den freien Dienst Gottes. Bei der Wahl dieser Zeit darfst du übrigens nicht an menschliche Planmacherei denken. Er hat nicht lange hin- und hergedacht: „Soll ich dieses Jahr oder das künftige mit meinem Werke beginnen? Soll ich es so oder so angreifen?“ Er lauschte auf den Willen seines Vaters im Himmel. Was er ihn tun sah, das tat er gleich also. Und der Wille des Vaters fiel so klar in das durch keine Sünde getrübte Herz des Sohnes, dass sich auch nie der geringste Zweifel darinnen regte. wenn wir doch auch zu solcher gottseligen Festigkeit und Klarheit gelangt wären! Es ist ein köstlich Ding, dass das Herz fest werde, welches geschieht durch Gnade. - Im engeren Sinne bestimmt Gott die Zeit, wo er sich deutlich und sichtlich zu seinem Sohne bekennen will, nach dem Auftreten des Johannes. Dieser sollte erst eine Zeitlang gepredigt haben. Der Boden sollte erst locker gemacht sein, ehe der gute Same hineingesät würde. Die Herzen sollten erst durch die Predigt der Buße zerschlagen sein, ehe das süße Evangelium verkündigt würde.

Und endlich bestimmte er den Zeitpunkt im engsten Sinne nach der Demut Jesu. Jesus lässt nicht den Johannes zu sich kommen, sondern er kommt zu ihm an den Jordan. Da will er sich taufen lassen. Johannes aber wehrte ihm und sprach: „Ich bedarf wohl, dass ich von dir getauft werde, und du kommst zu mir?“ Der Geringere sollte von dem Größeren, der Unreine von dem Reinen getauft werden. Johannes achtete sich nicht für würdig, Jesum zu taufen. Er wusste auch nicht, was in der Taufe von ihm abgewaschen werden sollte. Sie hat ja ihre zwei Seiten. Der Täufling wird in das Wasser eingetaucht. Dies Eintauchen bedeutet das Abtun des Unflats am Fleisch. An Christo war keine Unreinigkeit. Das Herausziehen bedeutet das Herauskommen des neuen Menschen. An dem neuen Menschen, dem neuen Adam, an Jesu Christo, konnte kein neuer Mensch herausgehen, dieweil nie ein alter in ihm gewesen war. Insofern hatte Johannes Recht. Er wollte auch nicht, dass das Volk den Herrn für einen Sünder hielte, von dem die Sünde abgewaschen werden müsste. Der die heuchlerischen Pharisäer, welche ihr unreines Herz behalten und die Taufe nur als einen neuen Mantel, ein neues Schafskleid darüber werfen wollten, um ihrer Verstocktheit willen von seiner Taufe wegwies, der wollte sie auch dem Reinen verwehren, damit er um derselben willen nicht unrein geachtet würde. Aber der Herr ließ sich nicht wehren. Er sprach zu dem Täufer: „Lass jetzt also sein. Also gebührt es uns alle Gerechtigkeit zu erfüllen.“ Er will getauft sein, damit er selbst wiederum ein Zeugnis für die Taufe des Johannes ablege. Das Gesetz und die Buße weisen auf die Gnade und das Evangelium hin, sie müssen sich zu ihm bekennen. Wiederum weist das Evangelium zurück auf die Buße. Buße und Reue ohne Evangelium stürzen in Verzweiflung; die Gnadenpredigt ohne Bußpredigt gibt Sicherheit in der Sünde und macht Christum zum Deckel der Bosheit. Nimmer und nirgends findet der Herr eine wahre Stätte, wo ihm nicht Johannes vorausgegangen ist. Der Herr erfüllt die Gerechtigkeit, indem er auch der Buße ihre Ehre gibt. Doch will er mit dem Worte auch noch etwas Anderes sagen.

Er ist ein Kind Israels, ein Glied des alten Bundes. Zur Gerechtigkeit gehörte in diesem Bunde Alles, was Gott durch das Gesetz und durch spätere Gebote verordnet hatte. So hat sich Christus auch der Beschneidung und der Darstellung im Tempel unterzogen, so isst er auch an seinem letzten Lebensabende noch mit seinen Jüngern das Osterlamm. Er soll und will eben der rechte Israelit sein. Darum verlangt er nach der Taufe. Wenn sie auch nicht im Gesetz geboten war, so hatte sie Gott doch dem Johannes befohlen und übertragen. Wenn Jesus auch wusste, dass diese Handlung für ihn keine Bedeutung habe, so hatte sie doch darum für ihn eine Bedeutung, dass sie eine heilige göttliche Ordnung war. Der Christ soll ja überhaupt bei göttlichen Ordnungen nicht fragen, ob sie für ihn oder gerade für diese Zeit zweckmäßig seien. Er soll sich der Zucht unterwerfen und das Übrige Gott überlassen. Er soll den Maßstab dessen, was sich ziemet, nicht in seinem Verstande noch in dem Urteil der Leute, sondern in dem göttlichen Willen suchen. Das ist Demut. Demut ist die köstlichste Perle im Brautkranze der Seele. Mit dieser Demut ist der Herr geschmückt. Er ist sanftmütig und von Herzen demütig. Wie ein Sünder steigt er hinunter in die Flut des Jordans. Steig du auch hinunter. Die Demutstunden werden die reichsten Stunden in deinem Leben. In die Tiefe und Armut gießt dein Gott seine überschwänglichen Gnaden. Wenn er uns demütigt, macht er uns groß. Gerade in der tiefsten Demut hat er sich zum Herrn am Herrlichsten bekannt, gerade da bekommt seine Taufe ihre höchste Bedeutung. Als ihm das Wasser über das Haupt geflossen war, da fließt das göttliche Zeugnis wie ein himmlischer Strom auf ihn herab.

II. Gott beglaubigt ihn als seinen Sohn mit überwältigender Klarheit.

Was Johannes, in dem Herrn geliebte Gemeinde, bei seiner Taufe gesprochen hat, welcher Formel er sich bedient hat, das wissen wir nicht. Die Schrift schweigt still davon. Wir möchten fragen: „Hat er bei der Taufe des Herrn in Demut und Ehrfurcht geschwiegen? oder hat er ihn getauft mit einem Halleluja und Preise Gottes?“ Wir erhalten auch da keine Antwort. Nun, es kommt hier auf die Worte des Täufers auch nicht an, sondern auf die Taten und Worte göttlicher Majestät. Das ist eine hochheilige Stelle, jene Stelle im Jordan. Dort ist die herrlichste Epiphanie, die herrlichste Offenbarung Jesu Christi geschehen. Dort offenbart sich die ganze heilige Dreieinigkeit. Der Sohn in der Erniedrigung tritt aus dem Wasser, der heilige Geist kommt auf ihn hernieder, und der Vater spricht. „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Jedes Wort ist hier ein güldenes Kleinod. Zuerst heißt es: „Siehe, da tat sich der Himmel auf.“ Wer will sich dies vorstellen? Wenn wir sagen: Eine heilige, leuchtende Kluft ward in das Dunkel da oben gerissen, so reden wir doch nur mit armen menschlichen Worten. Aber fest und klar können wir sagen: „Der Himmel ist offen geblieben.“ Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehen, und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren auf des Menschen Sohn. (Ev. Joh. 1, V. 51.) Er ist offen, denn der Sohn Gottes ist vom Himmel ausgegangen und gekommen in die Welt. Er steht mit seinem Vater in steter kindlicher Verbindung. Gottes Helden, Gottes Starke gehen den Weg auf und nieder. Er ist offen, denn in diesem Christus sind dem Vater Kinder geboren wie Tautropfen aus der Morgenröte. Und wie über dem erstgeborenen von vielen Brüdern, so ist er auch über diesen Brüdern offen. Auch dir ist er offen, wenn du ein Kind Gottes bist und Glauben hast. - Zum Andern steht in unserem Text: „Und Johannes sah den Geist Gottes gleich einer Taube herabfahren und über ihn kommen.“ Jetzt noch allein über ihn. Aber in ihm ist dem Geiste der Weg gebahnt, ja er ist der Weg des Geistes. Bald sollten die Tage kommen, wo er ausgegossen wurde über Alle, die an ihn glaubten. Warum aber erscheint der Geist dem Auge des gläubigen Täufers wie eine Taube?

Darin soll sein schnelles Kommen abgebildet werden, denn er ist an den Pforten des Menschenherzens, man weiß nicht wie. Kaum fängt der Geist der Welt an sich darin zu regen, so klopft auch der heilige Geist mit seinem Flügelschlage schon an die Türen und mahnt und ängstet und warnt, dass wir uns ja vom Geiste des Argen nicht fortreißen lassen. Wiederum erscheint er dem Auge des gläubigen Täufers wie eine Taube, damit darin die Sanftmut und Lauterkeit des heiligen Geistes im Gegensätze zum Geiste der Welt und des Fleisches abgebildet werde. Der Geist der Welt und des Fleisches schwingt sich auch schnell dahin. Aber wenn er einmal eine Gestalt gewönne vor unsern Augen, dann möchte er wohl wie Raben und Raubgeflügel dahinfahren. Endlich zum Dritten spricht eine Stimme vom Himmel herab: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Da hast du die volle Beglaubigung Gottes. Und wenn tausend Stimmen der Ungläubigen in der Welt sprechen und schreien: „Er ist ein Mensch gewesen wie wir,“ so überwiegt dieser eine Ruf Gottes solches Geschrei tausendfältig.

Du weißt nun, was du an ihm hast. Du kennst ihn nun ganz. Er ist uns geoffenbart nach seiner ewigen Abstammung. „Dies ist mein lieber Sohn.“ Er ist es nicht geworden, er ist vom Vater nicht als Kind angenommen, er ist es von Ewigkeit her gewesen. Du kennst ihn nach seinem Wesen: „Gott hat Wohlgefallen an ihm.“ Sein Tun und Lassen, sein Reden und Handeln, sein lindes und sein scharfes Wort, sein Leben, Leiden und Sterben steht Alles unter dem Wohlgefallen Gottes, ist Alles für ihn ein lieblicher Geruch. Da hast du das Zeugnis des wahrhaftigen Gottes über ihn. Noch einmal kurz vor seinem Leiden geschieht auf dem Verklärungsberge eine gleiche Stimme vom Himmel: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Wem gelten nun diese Zeugnisse? Allerdings gelten sie Christo Ihm ist das eine die Erklärung seines Vaters im Himmel, dass er nun sein Werk beginnen soll, und das andere die Erklärung, dass die Zeit gekommen ist, wo die Welt ihren eigenen Heiland wie einen Missetäter verfolgen und an das Kreuz schlagen wird. Aber ein Neues hat er damit nicht empfangen. Ihm war der Himmel auch vorher offen. Der Geist ist auf ihn nicht herniedergekommen, als ob er vorher nicht in ihm gewohnt hätte. Auf dem Reise aus der. Wurzel Jesse sollte von Anbeginn ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Dazu ist das Wort: „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe,“ nicht ausgesprochen, als ob der Vater erst von jetzt an sein Wohlgefallen an ihm gehabt hätte. Von Ewigkeit her hatte er mit seiner Liebe in ihm geruht. In der Hauptsache war diese große Offenbarung ein Zeugnis Gottes für das Menschengeschlecht. Wir sollten eine feste Urkunde haben. Dem wahrsten Manne jener Zeit, der auch vor den Königen und Mächtigen der Erde von der Wahrheit keinen Finger breit abwich, war das große Geheimnis anvertraut. Er sollte es ausbreiten unter dem Volke Israel. Er hat es auch getan, denn wir sehen bald von seinen eigenen Jüngern einen nach dem andern zu Jesu Christo kommen. Von ihm ist die Botschaft zu uns herübergelangt. Alle Menschen suchen Gewissheit über ihr Heil. Sie wollen erfahren, wie das Herz Gottes gegen sie steht.

Du willst wissen, wer dieser Jesus Christus sei, der nun bald von einem Ende der Erde bis zum andern gepredigt wird. Wer soll es dir sagen? Soll dir dein eigener Verstand antworten? Er ist nicht im Himmel gewesen, er kann auch nicht reden von himmlischen Dingen. Was von droben stammt, kann auch nur von droben bezeugt werden. Hier ist das Zeugnis. Der wahrhaftige Gott hat seinem Sohne selbst eine Beglaubigung mitgegeben. Was ist es, dass du ihm nicht glauben willst? Viele hindert gerade seine wunderbare Herablassung und Nähe am Glauben. Sie haben sich ihren Gott gestaltet nach ihres Herzens eigenen Gedanken. Er soll ihnen in allen Dingen fein ferne bleiben. Er soll in die Welt nur hereinreden durch die dienenden Kräfte. Wenn er es selber tut in seiner hochheiligen Person, dann soll er es nicht gewesen sein. O ihr Toren, die gnädige Herablassung Gottes, in der er sich niederbückt, um euch den Glauben recht nahe zu bringen und eure Seelen recht in der Nähe zu suchen, die wird auch ein Fallstrick zum Unglauben! Wenn ein menschlicher Herr selbst zu dir geredet hat, so ist es dir viel gewisser, als wenn es dir seine Diener verkündigt haben. Und wenn Gott selbst geredet hat, ist es dir zweifelhafter, als wenn seine Propheten gesprochen haben, oder wenn dein eigener blöder Verstand geurteilt hat. Kehret um! Verstocket eure Herzen nicht, wie sich aus Israel Viele verstockten. Ergreifet euer Heil im Glauben. Der Stern, die tote Kreatur hat von dem Herrn zeugen müssen; die Propheten, Simeon und Johannes zeugen von ihm, und endlich hat dir Gott selbst unter alle diese Zeugnisse das Siegel gedrückt. Darum freue dich und rühme, wie einst Philippus gegen Nathanael rühmte: „Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesum, Josephs Sohn, von Nazareth.“ In solchem Glauben findest du dein eigenes bestes Teil. In der Taufe Christi, in der Beglaubigung seiner Kindschaft

III. Deutet Gott gleich an, was er uns in unserer Taufe schenkt.

Wir sind bisher am Jordan gewesen, wo der Herr getauft ward, und wo sich der Vater und der heilige Geist in der Taufe zu ihm bezeugten. Wir gehen herüber zu deiner Taufe. Dass die deine eine andere Bedeutung hat, denn die Taufe Christi, das weißt du. deine ist ein Bad der Wiedergeburt und der Erneuerung im heiligen Geist. Du wirst von Neuem geboren aus dem Wasser und aus dem Geist. Du ziehst den alten Menschen aus, der durch Lüste im Irrtum sich verdirbt, und ziehst den neuen an, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich leben soll. Ob wir nun aber auch arme sündige Kreaturen sind, so geht doch über uns an dem Tauftage dieselbe Herrlichkeit Gottes auf wie über Christo an seinem Tauftage. Ja über Christo ist sie besonders darum aufgegangen, damit du gleich erfahren sollst, was dir in der heiligen Taufe geschenkt wird. Auch in unserer Taufe ist der dreieinige Gott gegenwärtig. Darum geschieht sie im Namen des Vaters, und des Sohnes, und des heiligen Geistes. In der Taufe macht Christus Wohnung in uns, denn so Viele unserer getauft sind, die haben Christum angezogen. In der Taufe schloss sich auch dir der Himmel auf, denn du bist Gottes Kind geworden. Er bleibt auch offen. Und ob du auch nicht wandelst wie ein Kind, und ob du dich auch um den heiligen Zugang zu deinem Vater lange nicht kümmerst und nicht fragst nach der Straße, da seine Barmherzigkeit zu dir herniedergekommen ist: sie ist dir doch noch offen. Wenn du wiederkommst als ein armer verlorener Sohn, wenn du den Vater suchest als ein armes reuiges Kind, dann ist dir der Himmel doch noch offen. Er bleibt auch den Gläubigen offen bis in ihr Sterbestündlein. Auch auf dich ist in der heiligen Taufe der Geist herniedergekommen. Nun könnte wohl Einer hier sein, der da spräche: „Es ist nicht wahr. Ich spüre Nichts von dem heiligen Geiste in mir. Ich wandele in meinen Sündenwegen dahin.“ Oder ehe dies Jemand von sich selbst spricht, fällt er wohl über den Andern das Urteil: „In dem oder dem soll der heilige Geist auch noch wohnen? Ich sehe keine Spur desselben an ihm. Seine Werke sind Werke der Gottlosigkeit und Finsternis, sein Mund geht über von Toben, Lügen, Lästern und Fluchen. Aus dem Allem schließe ich, dass es in seinem Herzen, in der verborgenen Werkstatt seines Lebens aussehen muss wie finstere Nacht.“ Ja wie finstere Nacht voll Angst und Schrecken. Wenn der heilige Geist kein Geist des Friedens und der Freudigkeit mehr sein kann, dann wird er ein Geist der Angst. Es ist mit ihm wie mit dem Worte und mit allen Gnaden Gottes. Den Gläubigen sind sie zum Leben, den Ungläubigen zum Gericht. Die Seelenangst, welche im Herzen des groben und frechen Übertreters unter seinen ersten Untaten arbeitet wie die Erdbeben unter der Erde, ist auch ein Werk des heiligen Geistes. Das leise Klopfen des Gewissens in der Seele des durch lange Gewohnheit verstockten Sünders ist auch ein Werk des heiligen Geistes. Die Unbehaglichkeit, die Ungenüge, welche sich mitten in der Sicherheit des bequemen unbußfertigen Gerechten zuweilen geltend macht, die unklaren Seufzer, welche oft wissen die Leute selbst nicht warum in einsamen Stunden aus der Seele emporsteigen, sind auch vom heiligen Geiste ausgepresst. Ja selbst in der Angst und Furcht vor dem Tode kann man den Flügelschlag der Friedenstaube noch spüren. Der heilige Geist möchte nicht eher weichen, bis er die Seele als eine gerettete mit vor den Herrn bringen könnte. Endlich hat auch der Vater in der heiligen Taufe über dir das Wort ausgesprochen: „Dies ist mein lieber Sohn, meine liebe Tochter, an welchem oder an welcher ich Wohlgefallen habe.“ Er hat dich sich angenehm gemacht in dem Geliebten. Christi Bild ist dir aufgeprägt. Und diese väterliche Liebe stirbt auch nicht, wenn du eine Weile in Sünden hinwandelst. Du bist doch sein liebes Kind, wenn auch sein untreues und ungehorsames Kind. Er hört nicht auf bis an deinen Tod dir seine Boten nachzusenden, ob er dich durch dieselben zurückrufen möchte zum treuen Kindesdienste.

Kann es aber aller dieser Liebe nicht gelingen, so bleibt endlich Nichts übrig, als die Offenbarung seiner Macht und Majestät in dem schrecklichen Gericht. Dahin lass es nicht kommen. Halte an auf deinem Sündenwege. Lass dein Leben ein Nachbild des Lebens Christi werden. Zuerst hat der Vater den Sohn verklärt; dann hat der Sohn den Namen des Vaters auf Erden verklärt, und zuletzt hat der Vater im Sterben, Auferstehen und in der Himmelfahrt ihn wiederum als seinen Sohn beglaubigt und verklärt. Dich hat Gott in der heiligen Taufe in sein Kind verklärt. Nun verkläre du den Namen deines Vaters in deinem Leben. Er hat zu dir gesprochen. „Dies ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Antworte du ihm: „Dies ist mein lieber Vater, an welchem ich Wohlgefallen habe.“ Er soll nicht allein dein Vater sein, wenn du von ihm haben willst, wenn du mit deinen Bitten vor ihn kommst. Er ist immer dein lieber Vater. Du sollst nicht allein Wohlgefallen an ihm haben, wenn er dich durch die fetten Auen seiner Güte führt, sondern auch wenn er dich durch die Wüste und Einöde leitet. Du sollst dich seiner nicht allein freuen, wenn er dein Leben nach deinem Wunsche leitet, sondern auch, wenn es gegen deinen Verstand und Wunsch geht. Dein Wohlgefallen an ihm soll sich ausprägen in einem Wandel nach dem Liede:

Wie's Gott gefällt, gefällt's mir auch,
Ich lass mich gar nicht irren!
Ob mich zu Zeiten beißt der Rauch,
Und wenn sich schon verwirren
All Sachen gar, weiß ich für wahr,
Gott wird's zuletzt wohl richten.
Wie er's will han, so muss's bestan:
Soll's sein, so sei's ohn' Dichten.

Dann hat sich Gott dir als dein Vater, und du dich ihm als sein Kind beglaubigt. Die Gnade hat vom Himmel auf die Erde geschienen, der Glaube und das kindliche Herz scheinen wieder hinauf. Das Feuer von oben hat gezündet, und das in der Liebe Christi brennende Herz ist der Wiederschein der Liebe, mit der dich Gott zuerst geliebt hat. Ist der Gnade Gottes dies Werk an dir gelungen, dann kannst du auch gewiss sein, dass sie sich dir noch einmal in deinem letzten Stündlein offenbart und zu dir spricht: „Sei stille, ängste dich nicht, du bist mein liebes Kind, an dem ich Wohlgefallen habe. Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich, ich helfe dir auch, ich erhalte dich durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.“ Ja Herr, dann wollest du noch einmal deine Herrlichkeit in Gnaden über uns offenbaren. Amen.

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