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Ahlfeld, Friedrich - Andachten - Johannesevangelium
Johannes 1,15.
Johannes zeugt von ihm, ruft und spricht: dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist, denn er war eher denn ich.
Christi Geburt ist nach Johannes Geburt verkündigt worden, Christus ist nach Johannes geboren, er ist auch nach ihm mit seinem Werk hervorgetreten, und doch ist er vor ihm gewesen. In Allem was menschliches Leben und Tun heißt, ist er nach ihm gekommen, und doch ist er vor ihm gewesen. Um sich recht klar auszusprechen, fügt Johannes noch dazu: „Denn er war eher denn ich.“ Ja er ist eher gewesen, und zwar so viel eher, wie es nur ein „eher“ geben kann. Er ist nicht allein vor Johannes gewesen, sondern auch vor allen Menschen, vor aller Kreatur, vor aller Zeit. Wie der Vater von Ewigkeit ist, so ist es auch der Sohn. Als alle Dinge ihren Anfang nahmen, da war er bereits. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. O wenn wir doch für dies Wunder, für diese größte Tat der Gnade, nur einmal recht helle Augen bekämen! Wenn doch die Schuppen, die uns das Fleisch und der feine, wenn auch noch so verborgene und unbewusste Unglaube, über dieselben gezogen haben, nur einmal herunterfielen! Wir müssten das Wort, dass um unsere Sünde willen der ewige Sohn Gottes ein Menschenkind geworden ist, mit der größten Freude ergreifen.
Herr rücke uns recht hinein in die Erkenntnis unserer Sünde und unseres Elendes. Gib unserem Herzen Trauer, unserem Verstande die Erkenntnis der Strafe, die wir verdient haben, und unseren Augen Tränen der Buße. Mit diesem zerschlagenen Herzen und weinenden Auge lass uns dann zu dir aufblicken und fragen: „Herr, was tust du mit mir?“ Und antworte uns: „Ich habe mich deiner erbarmt und will mich deiner erbarmen. Ich will das glimmende Docht nicht auslöschen und das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen. Ich vergelte dir nicht nach deiner Missetat, ich töte dich nicht nach deinen Sünden, sondern ich gebe, ich gebe für dich in den Tod meinen eingeborenen Sohn, mein eigenes Herz.“ Ja Herr stärke unseren Glauben zur Erkenntnis solcher Liebe. Amen.
Johannes 1,16.
Und von seiner Fülle haben wir Alle genommen Gnade um Gnade.
Die Fülle Christi ist die Fülle Gottes. Alles was des Vaters ist, das ist sein. In ihr ist Herrlichkeit, Macht und Kraft, Liebe und Gnade, Weisheit und Verstand. Diese Fülle ist reich genug, dass der Herr ewig aus sich selbst und in sich selbst Leben und die volle Genüge hatte. Sie ist auch reich genug, dass er uns armen Sündern aus derselben schenken kann, was nur der Glaube in der Zeit, und was das Schauen in Ewigkeit zu fassen vermag. Und doch nimmt sie niemals ab, sie wird nimmer leer. Dieser Brunnen hat Wasser die Fülle. Je mehr geschöpft wird, um so mehr ist da. Von dieser seiner Fülle, sagt Johannes, haben wir genommen Gnade um Gnade. Gnade ist es, was wir empfangen, und Gnade ist der Beweggrund, aus dem es gegeben wird. Gnade ist der Labetrunk, und Gnade ist die Quelle, aus der er fließt. Wo man sonst etwas Wertes empfängt, muss man einen Kaufpreis dafür zahlen. Hier ist es die Gnade, welche uns die Gnadengüter erwirbt und zueignet. Gnade ist der Kaufpreis der Gnade. Wir haben weder dem Vater noch dem Sohne Etwas zuvor gegeben, dass es uns werde wiedervergolten. Das bedenke, und die lieben Christengüter werden dir desto teurer, und du wirst für sie um so dankbarer werden.
Herr Jesu Christe. In dir ist die Fülle der Gottheit leibhaftig erschienen. Mit Freuden können wir Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen. Herr erbarme dich unser, dass wir recht schöpfen, und dabei recht in die Tiefe gehen. Lass uns daran denken, wenn das arme Herz aus dieser Fülle, aus diesem Born nicht erquickt wird, dann verdorrt es. Jeder Tag wo wir im Wort nicht an diesen Brunnen gegangen sind, ist ein dürrer Tag gewesen. Und was sollte das für ein Christfest werden, wo die Freude nicht aus deiner Fülle ausströmte? Die Freuden wären Blumen ohne Wurzel, seine Geschenke die letzten Trümmer von einem niedergerissenen Tempel und verjagte dürre Blätter von einem erstorbenen Baum. Dagegen sind alle uns von dir geschenkte Gnaden echt. Solche Gaben schenke uns aus Gnaden. Amen.
Johannes 1,18.
Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.
In Gottes heilige Tiefen und in sein Wesen kann kein Mensch hineinsehen. Können wir arme Kreaturen unser Herz schon verschließen, dass die rechte Wahrheit desselben schwer zu erforschen ist, wie sollte Gott das nicht verschließen können? Daher haben sich auch alle Propheten in ihrer Offenbarung mit dem begnügen müssen, was Gott sie aus Gnaden hat wollen schauen lassen. Und bei Allem, was Menschen aus eigener Kraft von Gott aussagen, müssen sie hinzufügen: „Ich meine, dass es sich so verhält.“ Eine Gewissheit ist nicht da. Wo ist Gewissheit des Heils? Hier in dem, der in des Vaters Schoß ist. Aus des Vaters Schoß kam er hernieder zur Erde. Und wieder bringt er uns auch jetzt aus dem heiligen Schoß der Wahrheit die volle Wahrheit, das Heil, welches er dir verkündigt, ist ein wahres Heil. Der Bote ist gewiss, und die Botschaft ist gewiss. Aus Gottes Schoß kann kein Lügner ausgehen. Die Evangelien lügen nicht, und das teure Evangelium, welches sie enthalten, ist auch Wahrheit. Du kannst keine größere Gewissheit empfangen, als die, welche dir dein Gott geschenkt hat.
Herr, himmlischer Vater. Jeder neue Morgen muss uns wieder danken lassen, dass du uns verkündigt bist als der Gott der Liebe und des Erbarmens durch Jesum Christum. In deiner Liebe haben wir diese Nacht geruht, in ihr lass uns auch den beginnenden Tag durchleben. Wer diese Liebe hat, der hat Alles was er braucht. Du lässt Niemand zu Schanden werden, der auf dich traut. Es gibt keine Not, in der du nicht helfen könntest. Gnade um Gnade schenkst du uns Tag für Tag. O lass auch diese Tage dazu dienen, dass wir dich sehen in deinem lieben Sohne. Doch auch als den Heiligen offenbarst du dich in ihm; so hilf uns bedenken, wie deine Liebe heilige Stätten sucht um sich offenbaren zu können. Richte darum auch heute unsern ganzen Wandel nach deinem heiligen Wort. Amen.
Johannes 1,19.
Und dies ist das Zeugnis Johannis da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du?
Der Herr war dem Johannes nahe, als diese Frage an ihn gerichtet wurde. Auch uns ist er nahe. Der Herr ist nahe. Er ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende. Sein Fest ist vor der Tür. Vor seinem Angesicht wird denn auch die Frage an uns gerichtet: „Wer bist du?“ Geht ihr nicht aus dem Weg! Sagt nicht in Bescheidenheit: „Da mögen Andere urteilen.“ Nein, du sollst selbst urteilen. Wenn du Andern das Urteil zuschiebst, liegt schon der verborgene Wunsch darinnen, dass du von ihnen gern auf eine hohe Stufe gestellt sein möchtest. Andere können über dich nicht urteilen, weil Keiner von ihnen dein innerstes Wesen kennt. Wer bist du? Hast du auch den Mut zur Demut des Johannes? Willst du auch so von Stufe zu Stufe heruntersteigen? Dass du nicht Christus, nicht Elias und kein Prophet bist, brauchen wir nicht zu erwähnen. Bei uns muss das Kleinwerden in einer andern Weise vor sich gehen. So stelle dem Herrn dein Herz vor. Mal es ihm nicht in Goldfarben. Es sind doch nur Farben der Abendröte, die bald der Nacht weichen müssen. Die Schafskleider zieht er den Pharisäern aus. Die schöne Tünche von den Totengräbern spült die Zeit ab. Schlangen und Ottern müssen alle Jahre ihre Haut abwerfen. Glaube ja nicht, dass du den Herrn damit lockst, dass du dich ihm selbst vorrühmst. Tritt ihm entgegen wie du bist.
Herr Herr, alle Gerechtigkeit und Seligkeit, welche du uns schenken willst, hast du angeknüpft an die Demut. Selig sind, die geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Herr, du zeigst uns dies in deinem Wort, du zeigst uns dies in der Natur. Du machst alle ihre Herrlichkeit zu Staub, ehe dein Gnadentag, unser und auch ihr Verklärungstag kommt. Ach, lass uns doch das verstehen! lass uns in uns gehen! Wir nichts und du Alles! Wir in aller unserer Herrlichkeit so vergänglich wie die Blumen auf dem Felde; und du in deiner Niedrigkeit, in deiner Krippe doch ein König der Ehren! Lass uns vor dir unsere Sünde und Armut bekennen, auf dass du dich mit deiner Gnade und deinem Reichtum zu uns bekennen kommst. Amen.
Johannes 1,26.
Er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt.
Johannes, der Demütige, der sich selbst nur eine Stimme eines Predigers in der Wüste nennt, der sieht und erkennt Jesum, der weist auch das Volk zu ihm hin. Und wie damals, steht es auch heute. Tausende und Millionen sammeln sich vor der Christzeit und in der Christzeit um den Christ. Er ist mitten unter sie getreten; aber bei der großen Zahl können wir auch hinzufügen: „welchen ihr nicht kennt.“ Auch heute kennt ihn nur die Demut. Die Anderen stehen um ihn; es ist ihnen in dem Leben des Christfestes eine graue, unklare und verborgene Stelle, die sie sich auch nicht klar machen wollen. Das ist der Herr, der Held des Festes selbst. Sie sehen Alles, Gold und Silber, Geschenke und Früchte; nur ihn sehen sie nicht. - Wie kommt das? woher diese Kälte? Sie kommt daher, dass das verzehrende Feuer Gottes in ihnen nie gebrannt hat. Sie haben nie gefühlt, wie einem armen Sünder nach Verdienst und Recht zu Mute sein muss. Sie haben es nicht gefühlt, weil sie es nicht fühlen wollten. Und weil sie es nicht fühlten, haben sie auch nie mit Seufzen die große Frage getan: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen aus dem Leib dieses Todes?“ Und weil ihnen die Frage danach nie im Herzen gebrannt hat, haben sie den Herrn auch nie fest und scharf darauf angesehen, ob er dieser Erlöser sei. Und wer ihn nicht fest ansieht, wer bei ihm nicht bestimmt fragt, der bekommt auch keine Antwort, der lernt ihn nicht kennen.
Herr, unser Heiland, aus welcher Höhe kommst du hernieder? Das Wort, das bei Gott war, wird Fleisch. Wer kann's messen? Wer kann's denken? Nur deine heilige himmlische Liebe hat es gekonnt. Herr unser Heiland, in welche Tiefe kommst du hernieder. Kindesstand, elende Krippe, Schmach, Kreuz, Grab, das sind die Stufen deiner Leiter. Und den Gang gehst du aus Liebe zu uns. Mit unsern Sünden haben wir dich dazu gezwungen; unsere Not hat dich dazu gedrungen. Herr du kommst um uns mit hinaufzunehmen. Ach Herr, nun kannst du uns aber nicht mit hinaufnehmen, wenn wir nicht erst hinunter steigen in unsere Tiefe. So lass uns schauen unsere Finsternis und dein Licht, unsere Kälte und deine Liebe, unser Unheil und dein Heil. Lass uns dich sehen, den Grund und das Pfand und das Siegel der ewigen Erbarmung. Amen.
Johannes 2,1.2.
Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Kana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.
Jesus beginnt sein großes Werk, er tritt mit seiner kleinen Schar in das weite Leben herein. Und wo beginnt er sein Werk? Im Hause. Schon seit 14 bis 15 Jahrhunderten geht der Wahn durch die Kirche, dass es die höchste und reinste Stufe des Christentums sei, wenn man dem Herrn in der Einsamkeit oder klösterlicher Beschaulichkeit diene. Der Herr widerspricht dem gleich mit dem ersten Schritte ins weitere Leben. Er geht nicht hin zu den Essenern, die am Ufer des toten Meeres und an den anderen Stätten des jüdischen Landes in strenger Absonderung und Fasten ein beschauliches Leben führten. Er tritt zuerst in das Haus. Und wie er da zuerst hinkommt, sollen wir ihn auch da zuerst hinhaben wollen. Kein Haus kann gebaut werden, ohne dass der Herr drinnen wohnt. Ihn brauchen wir in guten und bösen Tagen. Er ist das wahre Glück im Glücke, er ist der helle Morgenstern in der Trübsal. Darum gibt es so viele elende, friedelose Familien, weil er nicht bei ihnen wohnt.
Herr Jesu Christe, gib Gnade und Glauben, dass wir dich auch heute nicht nur als Gast, sondern als täglichen und steten Genossen in unser Haus bitten. Kehre ein in jedes Haus. Wo du kommst, wird die Ehe ein heiliger Stand. Wo du kommst, zieht der Friede Gottes ein, der höher ist, denn alle Vernunft. Wo du kommst, lernen wir auch das Kreuz in Demut und Geduld zur Ehre Gottes tragen. Wo du wohnst, da offenbarst du auch deine Herrlichkeit, und ziehst mit jeder Gnadentat die kleine Hausgemeinde inniger und enger an dein Herz. Ja, lieber Herr, lass uns alles Kreuz und alle Erlösung von demselben dazu dienen, dass wir deine treue Sorge, die sich um das Kleine wie um das Große bekümmert, recht erkennen, und dass wir Alle, Eltern und Kinder, Groß und Klein, uns desto inniger mit dir, dem Bräutigam unserer Seelen, vertrauen. Amen.
Johannes 2,2.
Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen.
Der Hochzeitstag ist ein großer Ehren- und Freudentag im christlichen Hause. Unser Herr hat ihn selbst geehrt, indem er teils seine innigste Verbindung mit der Gemeinde am Tage der Heilsvollendung mit der Hochzeit vergleicht, teils auch selbst auf die Einladung in Kana zur Hochzeit gekommen ist, und gerade hier mit seinen Heilswundern begonnen hat. Auch unser deutsches Wort Hochzeit zeugt von seiner Ehre. Fürwahr der Trauungstag ist die rechte hohe Zeit. Die Sonne der Gnade steht hoch am Himmel, Gottes Freundlichkeit scheint hell hernieder. Es ist ein großer Tag, an welchem zwei ehrbare Christenkinder einander Herz und Hand geben, den Pilgerweg des Lebens bis an die Pforten der Ewigkeit mit einander zu wandeln. Da sollen neben den Eltern auch die Freunde und Freundinnen mitfeiern, sie sollen mitbeten und sich mitfreuen. Es ist lieblich, wenn der Kranz der bisherigen Freundinnen in den Brautjungfrauen um die Braut her vor dem Altar steht. Aber obenan denken wir immer wieder an die Mahnung, welche Valerius Herbergers Mutter diesem ihrem Sohne vor der Hochzeit gab. Sie traf ihn gerade, als er die Gäste aufschrieb, welche geladen werden sollten. Da ermahnte sie ihn: Valeri, schreib mir ja den Herrn Christum obenan!
Barmherziger Herr, dein Apostel ermahnt uns: Lasst uns rechtschaffen sein in der Liebe und wachsen in allen Stücken an dem, der das Haupt ist, Christus. Bereite du uns, dass wir in dir herrschen und in dir dienen lernen. Dann drückt das Herrschen nicht, dann wird das Dienen nicht sauer. Schenke uns Herr von deiner Treue. Um deine arme Braut, um deine arme Kirche, hast du gedient in Niedrigkeit bis in den Tod, und im Sterben hast du sie frei gemacht, hast du ihr den Brautring an den Finger gesteckt, da du sprachst: Es ist vollbracht. O Herr, gib, dass alle Eheleute von dir um die Seelen des andern Teiles werben lernen, werben bis in den Tod. Amen.
Johannes 2,3.4.
Und da es an Wein gebrach, sprach die Mutter Jesu zu ihm: „Sie haben nicht Wein.“ Jesus spricht zu ihr: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
Wer wäre denn wohl, der nicht in seinen Hausstand Friede und Freude, ja man könnte wohl sagen, ein Stückchen Paradies hineinmalen möchte? Die Zukunft ist ja ein weißes Blatt, es leidet noch alle Farben. Aber die dunklen Farben mischen sich oft auch schon in den Hochzeitstag hinein; und dies geschah dort in Kana in ganz eigener Weise: es gebrach an Wein. Es gibt schwerere Wolken, die über einem jungen Paare aufsteigen können, als solche Verlegenheit. Und was dort der Herr tat, das hat gewiss auch seine Bedeutung für alle Sorgen, die mit nach der Kirche gehen und vor den Altar treten, oder die im Hause sich regen. Er der dort die Not kannte, die über dem jungen Paar schwebte, der kennt und fühlt auch deine Not. Mag sie einen jungen oder alten Hausstand drücken, mag sie heißen wie sie wolle, er hat sie eher gefühlt als wir. Und der die Wasserkrüge zu Wunderquellen verwandelte, hat überall seine Gefäße stehen, durch welche und aus welchen auch dir zu seiner Stunde Hilfe zufließen muss. Beachte es wohl, zu seiner Stunde, nicht zu deiner. Da lässt er sich nicht hineinreden. Durfte es seine Mutter nicht tun, wie viel weniger du.
Herr Jesu Christe, du weißt auch für uns die rechte Zeit und Stunde der Hilfe; und wir wissen, dass du die Stunde besser kennst als wir. So hilf uns doch, dass wir dir still vertrauen, auch wenn die Hilfe lange ausbleibt. Gib uns Demut und Geduld zu warten. Wir wollen so oft den Zeiger deiner Uhr vorwärts schieben mit ungeduldiger Hand, und dir vorschreiben, wann und wie du helfen sollst. Willst du uns doch mit dem Warten nur immer sehnsüchtiger und bedürftiger machen nach dir und deinem Heil, dass unser Herz sich unverrückt an dich als den einigen Helfer wende. Dann wirst du es auch so führen, dass es bei uns wahr werde: harre nur auf Gott; du wirst ihm noch danken, dass er deines Angesichts Hilfe und dein Gott ist. Amen.
Johannes 2,5.
Seine Mutter spricht zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut.“
„Was er euch sagt, das tut,“ sprach Maria zu den Dienern. Und er sagt diesen Dienern etwas gar Sonderbares. Es standen da sechs große, steinerne Wasserkrüge, nach der Weise der jüdischen Reinigung, und gingen in jeden zwei oder drei Maß. Da befiehlt nun der Herr, diese sechs Krüge mit Wasser zu füllen. Was soll das Wasser zur Hochzeit? Es konnte kaum etwas nach menschlichem Verstande Unpassenderes befohlen werden. Die Diener hatten an dem Tage wohl mehr zu tun, als Wasser zu schöpfen. Aber sein Wort ist ihnen Befehl. Sie gehen und schöpfen und füllen die Krüge bis oben an. Nun kommt der zweite Befehl, welcher noch absonderlicher war, als der erste. Sie sollen aus diesen Krügen dem Speisemeister bringen, dass er koste, ob es gut wäre. Was war da zu kosten? Wozu sollten sie das, was nach ihrer Meinung Wasser war, dahin tragen? Aber sie haben wieder keinen eigenen Willen. Er hat es befohlen, sie tun es; Keiner von ihnen erhebt den leisesten Widerspruch. Sie gehorchen ohne Verzug. Das heißt, so recht den Verstand gefangen geben in den Gehorsam des Glaubens, Dies: „Was er euch sagt, das tut“, soll auch unsere Hausordnung sein.
Herr Jesu Christe, lass uns nie vergessen beim Beginn eines Tages uns zu fragen, was du uns sagst, dass wir tun sollen. Wir überlegen ja wohl was wir von früh bis Abend zu tun haben im Hause und Geschäft und Amt. Aber was du zu tun befiehlst, vergessen wir oft. Du willst, dass wir eins seien in rechter Liebe; o so lass uns in solcher immer herzlicher werden, dass kein Streit, keine Selbstsucht diesen Tag beflecke. Du willst, dass wir fest stehen in rechter Treue; o so mache uns treu im äußeren wie im inneren Beruf, dass wir auch heute nach allen Seiten hin unsere Pflicht tun. Du willst, dass wir uns auf dich verlassen im rechten Glauben, und deine Befehle ausführen, auch wo sie den Anschauungen der Welt oder unseres natürlichen Menschen entgegenlaufen. Wenn dann der Tag Trübsal und Sorgen bringt, dann wirst du uns nicht verlassen, sondern zur rechten Zeit als Helfer eintreten. Amen.
Johannes 2,10.
Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken worden sind, alsdann den geringeren. Du hast den guten Wein bisher behalten.
Auch der Speisemeister, der mit diesen Worten zu dem Bräutigam dort in Kana tritt, muss mit seinem Tadel helfen, des Herrn Lob zu verkünden. Der Mann redet in seiner Weise ganz klüglich. Er stellt uns aber auch sonnenklar den Unterschied zwischen der Ordnung Gottes und dem Lauf der Welt vor die Augen. Jedermann! Das ist das Schlagwort der Welt. Damit will sie imponieren. Die es anders machen, werden nicht mitgezählt. Jedermann gibt zuerst den guten Wein. Die Welt gibt ihn, indem sie den Menschen losbindet vom Glauben und von der Zucht. Solche Freiheit und Zügellosigkeit mundet zuerst wie süßer Wein. Sie gibt ihn, wenn alte Ordnungen, an die man sich hier und da gestoßen, niedergerissen werden. Man sieht das Wegräumen solcher Schranken mit Befriedigung an. Aber hat man sich hineingegeben, schmeckt man den sauren Wein und die Hefen. So ist's mit aller Freude der Welt: Zuerst berauscht sie, nachher liegt man elend da. Ganz anders ist es im Regiment des Herrn. Überall geht bei ihm das Schwere und Bittere voran. Zuerst heißt es: geistlich arm sein, dann folgt das Himmelreich! zuerst: Leid tragen, dann folgt der Trost; zuerst: hungern und dürsten, dann satt werden; erst das Kreuz, dann die Krone. Er hat zuletzt einen edlen Wein, der uns auch im Tod und die ganze Ewigkeit hindurch erquickt, und der uns alles Leid vergessen lässt, das wir in der kurzen Pilgerzeit getragen haben.
Herr Jesu, lass deine Herrlichkeit auch aufgehen in unseren Häusern, wie du es in Kana getan hast. Bezeuge uns, dass es keinen besseren und reicheren Hausgenossen geben kann, als dich. Du bringst die Schätze des ewigen Lebens, du verklärst die Trübsal in eine heilige und selige Zucht Gottes, dass wir rühmen lernen: „Ich danke dir, Herr, dass du mich gezüchtigt hast, und dass du mich lehrst die Rechte deiner Gerechtigkeit.“ In dir ist das Haus auf den Fels gegründet. Herr, Herr, ziehe uns mit deiner Herrlichkeit und mit deiner reichen Barmherzigkeit, dass das alte Gelübde des Josua wieder recht viele Stätten finde: „Ich und mein Haus wir wollen dem Herrn dienen.“ Amen.
Johannes 3,19.
Das ist aber das Gericht, dass das Licht in die Welt gekommen ist; und die Menschen liebten die Finsternis mehr, denn das Licht.
Was wird auf Erden doch Alles Licht genannt! Jedes neue Fündlein, ja jede kecke Behauptung des Menschenverstandes soll Licht sein. Wenn ein Mensch die Stirn hat, die ganze Offenbarung Gottes für Wahn und Aberglaube zu erklären, und seines Kopfes arme und schwankende Gedanken an deren Stelle zu sehen, so nennt man dies Licht. Wenn Einer es ausspricht, dass es keinen Gott gebe, dass alles Geistesleben und geistige Tätigkeit nur Tätigkeit der feineren Stoffe im menschlichen Körper sei, dann soll das auch Licht sein. Darf man sich wundern, dass die Hunderttausende, welche in Habgier oder Schwarmgeisterei alle sittliche Ordnungen umstürzen und sich aus ihren Trümmern ein Paradies bauen wollen, ihre Anschauungen von Mein und Dein auch ein Licht nennen? O spiele Niemand mit dem Licht! Es gibt nur ein wahrhaftiges Licht, und dieses ist Gott. In ihm ist Alles, was zum wahren Licht gehört: Klarheit, Wahrheit, Heiligkeit, Stärke und Wärme. In Christo ist dieses Licht in die Welt gekommen, sein Glanz hat in die Finsternis geschienen. Erst was er durchleuchtet, wird wahrhaft hell. Alle leuchtenden, glänzenden Gedanken und Werke, die Nichts von ihm haben, werden in Nacht vergehen. Aber der Mensch will gern selbst leuchten, darum liebt er dieses Licht nicht, sondern die Finsternis. O suche das Licht, dass es die Finsternis vertreibe und dich zu einem Kind des Lichtes mache.
Herr Jesus Christus, du bist das Licht, welches alle Menschen erleuchten soll, die in diese Welt geboren werden. Du bist die Sonne des Heils, und nur unter deinen Gnadenstrahlen geht uns das Heil auf. O segne uns, dass es sich in uns scheide zwischen Licht und Finsternis. Hilf uns, dass das Zwielicht, welches in uns noch ist, keine Abenddämmerung werde, auf welche dann die Nacht folgt. Lass es eine Morgendämmerung sein, auf die ein heller Tag im Glauben und neuem Gehorsam folge. Gib uns keine Ruhe, bis wir zur sicheren Entscheidung gekommen sind. Und weil wir nicht wissen, ob der heutige Tag der letzte ist, an welchem wir unsere Herzen dem Licht erschließen können, so verleihe uns heilige Liebe zu dir und heiliges Streben nach deinem Licht, damit wir nicht umkommen in Finsternis. Amen.
Johannes 4,37.
Hier ist der Spruch wahr: Dieser sät, der Andere schneidet.
Unter dem, der da sät, können wir keinen Anderen verstehen als den Herrn. Und Alles, was er aussät, ist Barmherzigkeit. Übersehen wir das Feld des vergangenen Jahres, so ist es voll unaussprechlicher Barmherzigkeit. Wenn es auch im Augenblick oft ganz anders erschien, es war doch Barmherzigkeit. Denn wer müsste denn beim Rückblick auf sich und sein Haus nicht bekennen: „Herr, was sind wir, dass du uns bis hierher gebracht hast? Was ist der Mensch, dass du sein gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Und wozu sät der Herr Barmherzigkeit aus? Dazu, dass in dir himmlisches Leben und namentlich auch Dank erwachse. Darum dankt dem Herrn, denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewiglich. Hochmut freilich schreibt allen Segen der eignen Kraft zu; Hochmut wirkt Undank. Undank aber ist der nichtsnutzigste Pförtner des neuen Jahres. Undank ist ein dürrer Wind, der die Quellen des göttlichen Segens austrocknet. Ein dankbares Herz aber ist ein Gefäß, das Gott mit vielem Segen füllt. Wer Gott für die Barmherzigkeit, mit der er ihn wieder ein ganzes Jahr in seiner Sünde und Schwachheit getragen, erhalten und begnadigt hat, nicht von Herzensgrund preisen kann, der hat fürwahr wenig Hoffnung auf ein gnädiges Jahr. Darum: Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht was er dir Gutes getan hat.
Herr, himmlischer Vater! Du hast bisher uns eingeschlossen in die Arme deiner Barmherzigkeit, du hast uns geführt und erhalten, warst unser Erretter und Versorger. Der Glaube an dich war unser einziger Halt, auf den wir uns verlassen konnten. Wir aber haben nur zu oft deiner vergessen und nur unsere Ehre gesucht und uns unseres Verdienstes gerühmt. Aber deine Aussaat allein ist es, von der wir ernten. O hilf uns weiter, segne unsere Arbeit und unseren Beruf, segne uns im Hause und draußen im Leben, segne die Unsern, Verwandte und Freunde! Segne uns vor allem aber am inneren Menschen. Säe weiter aus den Samen deines lieben Wortes in unsere Herzen, dass es reiche Früchte bringe. Erquicke uns mit deinem Trost, treibe uns weiter, fortzuschreiten auf dem Weg des Heils und gib uns rechten Eifer, deine Gnadenaussaat zu ernten. Amen.
Johannes 15,1.
Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
Wir rüsten uns auf das Weihnachtsfest, das ist der Tag, an welchem der Vater, der liebe treue Weingärtner, den Weinstock auf die Erde pflanzte. Jesus Christus ist ja der Weinstock. Warum doch ein Weinstock? Einmal seiner Niedrigkeit und Unscheinbarkeit wegen. Der Weinstock geht ja nicht hoch in die Höhe. Da sind Zedern, Tannen, Fichten und Eichen ganz andere Bäume. Der Herr, unser Weinstock, ist der Allerverachtetste und Unwerteste gewesen. Wiederum ist er der Weinstock um der edlen Kraft und Labung willen, um des Gnadenweines willen, den er gibt. Der Wein erfreut des Menschen Herz, er stärkt die wankenden Knie und die laxen Hände. Wo ist Schatten, wo ist Erquickung, wenn nicht in Christo? Die Vergebung der Sünden fließt in die durstige Seele als der süßeste Wein, den es geben kann. Die Kindschaft und der Friede Gottes machen fröhlicher als aller Wein der Welt. Wenn die Seele sich gläubig versenkt hat in das stille Meer der Erbarmung: wo ist dann Freude, die dieser Freude gliche? Der Wein labt, wenn keiner mehr schmeckt, er stärkt, wenn alle leidigen Tröster ohnmächtig geworden und gewichen sind. Dieser Wein lässt den Toten nicht sterben. Er stärkt ihn zum Leben im Sterben.
Herr, du hast uns zu Reben gemacht an dir, dem Weinstock. Groß ist die Gnade, die du uns hast widerfahren lassen; denn wir sind eingesenkt in einen köstlichen Stamm und genießen dazu auch deine ewigen Lebensfrüchte. So hilf denn, dass wir uns nicht von dir scheiden und als tote Zweige liegen bleiben; hilf auch dass wir nicht den wilden Reben gleichen, die wohl Blätter treiben und auch einmal blühen, bei denen es aber nicht zur Frucht kommt. Aus dem bloßen Jasagen, dem Anerkennen Deiner Gnade, den flüchtigen Wünschen nach der Seligkeit führe uns zur innigen Hingabe an dich. Fördere uns im Glauben und in der Heiligung, dass wir, aus dir allein unsere Lebenskraft ziehend, auch Früchte des Lebens bringen. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Johannes 15,5.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
In Christo müssen wir sein. Zuerst sind wir wohl an ihm. Wir sind Christen aus Herkommen oder aus verständiger Anerkennung der Herrlichkeit unseres Glaubens. Aus dem an ihm wird erst durch die Arbeit des Heiligen Geistes ein „in ihm“. Wir fangen an, durch den Glauben in ihm zu wurzeln und fest zu stehen. Ist das der Fall, dann zieht er das Band immer fester, dann muss auch alles Andere weiter an ihn binden. O der liebe Weingärtner versteht sein Amt gar gut! Er kann aus allerlei Stoff Fäden machen. Was uns in schwachem und schwankenden Glaubensstand von dem Herrn trennt, Not, Krankheit, Armut, Feindschaft, Anfechtung, das treibt uns dann zu ihm hin und knüpft uns enger mit ihm zusammen. Solche Reben tragen dann natürlich auch ihre Frucht. Es hangen an ihnen die Früchte des Glaubens: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Es wachsen aus solchen Reben auch neue. Wer still im Leben hingeht und zur rechten Stunde von seinem Heiland zeugt, wird schwerlich über die Erde gehen, ohne dass durch sein Zeugnis eine Seele von den Toten aufgeweckt würde. Ohne ihn dagegen können wir Nichts tun. Wenn wir auch noch so viel tun, das Beste bleibt doch ungetan. Ohne ihn sind wir verloren, und auch nicht im Stande, eine andere Seele aus dem Tode zum Leben zu rufen.
Herr Jesu Christe, wir möchten auch gern gute Reben in dir sein und bleiben. Doch wir bedürfen dazu deiner Hilfe, deiner Reinigung. Täglich bricht die Sünde wieder aus uns hervor. O schneide sie hinweg mit dem Kraftworte der heiligen Schrift. Lass uns selbst mit demütigem Schuldbekenntnis mit einschneiden in die wilden Ranken, die an uns wachsen. Binde uns aber auch immer fester an dich, dass wir an dir und in dir bleiben und nicht allerlei Wind sein Spiel mit uns treibe. Binde uns fest mit dem Wort deiner Gnade, das du gerade in dieser heiligen Adventszeit so laut erschallen lässt. Dazu segne auch diesen Tag, den du uns mit deiner Hilfe beginnen. lässt, aus Gnaden. Amen. (Fr. Ahlfeld)