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Ahlfeld, Friedrich - Andachten - Johannesevangelium
Joh. 1,15.
Johannes zeugt von ihm, ruft und spricht: dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist, denn er war eher denn ich.
Christi Geburt ist nach Johannes Geburt verkündigt worden, Christus ist nach Johannes geboren, er ist auch nach ihm mit seinem Werk hervorgetreten, und doch ist er vor ihm gewesen. In Allem was menschliches Leben und Tun heißt, ist er nach ihm gekommen, und doch ist er vor ihm gewesen. Um sich recht klar auszusprechen, fügt Johannes noch dazu: „Denn er war eher denn ich.“ Ja er ist eher gewesen, und zwar so viel eher, wie es nur ein „eher“ geben kann. Er ist nicht allein vor Johannes gewesen, sondern auch vor allen Menschen, vor aller Kreatur, vor aller Zeit. Wie der Vater von Ewigkeit ist, so ist es auch der Sohn. Als alle Dinge ihren Anfang nahmen, da war er bereits. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. O wenn wir doch für dies Wunder, für diese größte Tat der Gnade, nur einmal recht helle Augen bekämen! Wenn doch die Schuppen, die uns das Fleisch und der feine, wenn auch noch so verborgene und unbewusste Unglaube, über dieselben gezogen haben, nur einmal herunterfielen! Wir müssten das Wort, dass um unsere Sünde willen der ewige Sohn Gottes ein Menschenkind geworden ist, mit der größten Freude ergreifen.
Herr rücke uns recht hinein in die Erkenntnis unserer Sünde und unseres Elendes. Gib unserem Herzen Trauer, unserem Verstande die Erkenntnis der Strafe, die wir verdient haben, und unseren Augen Tränen der Buße. Mit diesem zerschlagenen Herzen und weinenden Auge lass uns dann zu dir aufblicken und fragen: „Herr, was tust du mit mir?“ Und antworte uns: „Ich habe mich deiner erbarmt und will mich deiner erbarmen. Ich will das glimmende Docht nicht auslöschen und das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen. Ich vergelte dir nicht nach deiner Missetat, ich töte dich nicht nach deinen Sünden, sondern ich gebe, ich gebe für dich in den Tod meinen eingeborenen Sohn, mein eigenes Herz.“ Ja Herr stärke unseren Glauben zur Erkenntnis solcher Liebe. Amen.
Joh. 1,16.
Und von seiner Fülle haben wir Alle genommen Gnade um Gnade.
Die Fülle Christi ist die Fülle Gottes. Alles was des Vaters ist, das ist sein. In ihr ist Herrlichkeit, Macht und Kraft, Liebe und Gnade, Weisheit und Verstand. Diese Fülle ist reich genug, dass der Herr ewig aus sich selbst und in sich selbst Leben und die volle Genüge hatte. Sie ist auch reich genug, dass er uns armen Sündern aus derselben schenken kann, was nur der Glaube in der Zeit, und was das Schauen in Ewigkeit zu fassen vermag. Und doch nimmt sie niemals ab, sie wird nimmer leer. Dieser Brunnen hat Wasser die Fülle. Je mehr geschöpft wird, um so mehr ist da. Von dieser seiner Fülle, sagt Johannes, haben wir genommen Gnade um Gnade. Gnade ist es, was wir empfangen, und Gnade ist der Beweggrund, aus dem es gegeben wird. Gnade ist der Labetrunk, und Gnade ist die Quelle, aus der er fließt. Wo man sonst etwas Wertes empfängt, muss man einen Kaufpreis dafür zahlen. Hier ist es die Gnade, welche uns die Gnadengüter erwirbt und zueignet. Gnade ist der Kaufpreis der Gnade. Wir haben weder dem Vater noch dem Sohne Etwas zuvor gegeben, dass es uns werde wiedervergolten. Das bedenke, und die lieben Christengüter werden dir desto teurer, und du wirst für sie um so dankbarer werden.
Herr Jesu Christe. In dir ist die Fülle der Gottheit leibhaftig erschienen. Mit Freuden können wir Wasser schöpfen aus dem Heilsbrunnen. Herr erbarme dich unser, dass wir recht schöpfen, und dabei recht in die Tiefe gehen. Lass uns daran denken, wenn das arme Herz aus dieser Fülle, aus diesem Born nicht erquickt wird, dann verdorrt es. Jeder Tag wo wir im Wort nicht an diesen Brunnen gegangen sind, ist ein dürrer Tag gewesen. Und was sollte das für ein Christfest werden, wo die Freude nicht aus deiner Fülle ausströmte? Die Freuden wären Blumen ohne Wurzel, seine Geschenke die letzten Trümmer von einem niedergerissenen Tempel und verjagte dürre Blätter von einem erstorbenen Baum. Dagegen sind alle uns von dir geschenkte Gnaden echt. Solche Gaben schenke uns aus Gnaden. Amen.
Joh. 1,18.
Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.
In Gottes heilige Tiefen und in sein Wesen kann kein Mensch hineinsehen. Können wir arme Kreaturen unser Herz schon verschließen, dass die rechte Wahrheit desselben schwer zu erforschen ist, wie sollte Gott das nicht verschließen können? Daher haben sich auch alle Propheten in ihrer Offenbarung mit dem begnügen müssen, was Gott sie aus Gnaden hat wollen schauen lassen. Und bei Allem, was Menschen aus eigener Kraft von Gott aussagen, müssen sie hinzufügen: „Ich meine, dass es sich so verhält.“ Eine Gewissheit ist nicht da. Wo ist Gewissheit des Heils? Hier in dem, der in des Vaters Schoß ist. Aus des Vaters Schoß kam er hernieder zur Erde. Und wieder bringt er uns auch jetzt aus dem heiligen Schoß der Wahrheit die volle Wahrheit, das Heil, welches er dir verkündigt, ist ein wahres Heil. Der Bote ist gewiss, und die Botschaft ist gewiss. Aus Gottes Schoß kann kein Lügner ausgehen. Die Evangelien lügen nicht, und das teure Evangelium, welches sie enthalten, ist auch Wahrheit. Du kannst keine größere Gewissheit empfangen, als die, welche dir dein Gott geschenkt hat.
Herr, himmlischer Vater. Jeder neue Morgen muss uns wieder danken lassen, dass du uns verkündigt bist als der Gott der Liebe und des Erbarmens durch Jesum Christum. In deiner Liebe haben wir diese Nacht geruht, in ihr lass uns auch den beginnenden Tag durchleben. Wer diese Liebe hat, der hat Alles was er braucht. Du lässt Niemand zu Schanden werden, der auf dich traut. Es gibt keine Not, in der du nicht helfen könntest. Gnade um Gnade schenkst du uns Tag für Tag. O lass auch diese Tage dazu dienen, dass wir dich sehen in deinem lieben Sohne. Doch auch als den Heiligen offenbarst du dich in ihm; so hilf uns bedenken, wie deine Liebe heilige Stätten sucht um sich offenbaren zu können. Richte darum auch heute unsern ganzen Wandel nach deinem heiligen Wort. Amen.
Joh. 1,19.
Und dies ist das Zeugnis Johannis da die Juden sandten von Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du?
Der Herr war dem Johannes nahe, als diese Frage an ihn gerichtet wurde. Auch uns ist er nahe. Der Herr ist nahe. Er ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende. Sein Fest ist vor der Tür. Vor seinem Angesicht wird denn auch die Frage an uns gerichtet: „Wer bist du?“ Geht ihr nicht aus dem Weg! Sagt nicht in Bescheidenheit: „Da mögen Andere urteilen.“ Nein, du sollst selbst urteilen. Wenn du Andern das Urteil zuschiebst, liegt schon der verborgene Wunsch darinnen, dass du von ihnen gern auf eine hohe Stufe gestellt sein möchtest. Andere können über dich nicht urteilen, weil Keiner von ihnen dein innerstes Wesen kennt. Wer bist du? Hast du auch den Mut zur Demut des Johannes? Willst du auch so von Stufe zu Stufe heruntersteigen? Dass du nicht Christus, nicht Elias und kein Prophet bist, brauchen wir nicht zu erwähnen. Bei uns muss das Kleinwerden in einer andern Weise vor sich gehen. So stelle dem Herrn dein Herz vor. Mal es ihm nicht in Goldfarben. Es sind doch nur Farben der Abendröte, die bald der Nacht weichen müssen. Die Schafskleider zieht er den Pharisäern aus. Die schöne Tünche von den Totengräbern spült die Zeit ab. Schlangen und Ottern müssen alle Jahre ihre Haut abwerfen. Glaube ja nicht, dass du den Herrn damit lockst, dass du dich ihm selbst vorrühmst. Tritt ihm entgegen wie du bist.
Herr Herr, alle Gerechtigkeit und Seligkeit, welche du uns schenken willst, hast du angeknüpft an die Demut. Selig sind, die geistlich arm sind, denn das Himmelreich ist ihr. Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden. Selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden. Herr, du zeigst uns dies in deinem Wort, du zeigst uns dies in der Natur. Du machst alle ihre Herrlichkeit zu Staub, ehe dein Gnadentag, unser und auch ihr Verklärungstag kommt. Ach, lass uns doch das verstehen! lass uns in uns gehen! Wir nichts und du Alles! Wir in aller unserer Herrlichkeit so vergänglich wie die Blumen auf dem Felde; und du in deiner Niedrigkeit, in deiner Krippe doch ein König der Ehren! Lass uns vor dir unsere Sünde und Armut bekennen, auf dass du dich mit deiner Gnade und deinem Reichtum zu uns bekennen kommst. Amen.
Joh. 1,26.
Er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt.
Johannes, der Demütige, der sich selbst nur eine Stimme eines Predigers in der Wüste nennt, der sieht und erkennt Jesum, der weist auch das Volk zu ihm hin. Und wie damals, steht es auch heute. Tausende und Millionen sammeln sich vor der Christzeit und in der Christzeit um den Christ. Er ist mitten unter sie getreten; aber bei der großen Zahl können wir auch hinzufügen: „welchen ihr nicht kennt.“ Auch heute kennt ihn nur die Demut. Die Anderen stehen um ihn; es ist ihnen in dem Leben des Christfestes eine graue, unklare und verborgene Stelle, die sie sich auch nicht klar machen wollen. Das ist der Herr, der Held des Festes selbst. Sie sehen Alles, Gold und Silber, Geschenke und Früchte; nur ihn sehen sie nicht. - Wie kommt das? woher diese Kälte? Sie kommt daher, dass das verzehrende Feuer Gottes in ihnen nie gebrannt hat. Sie haben nie gefühlt, wie einem armen Sünder nach Verdienst und Recht zu Mute sein muss. Sie haben es nicht gefühlt, weil sie es nicht fühlen wollten. Und weil sie es nicht fühlten, haben sie auch nie mit Seufzen die große Frage getan: „Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen aus dem Leib dieses Todes?“ Und weil ihnen die Frage danach nie im Herzen gebrannt hat, haben sie den Herrn auch nie fest und scharf darauf angesehen, ob er dieser Erlöser sei. Und wer ihn nicht fest ansieht, wer bei ihm nicht bestimmt fragt, der bekommt auch keine Antwort, der lernt ihn nicht kennen.
Herr, unser Heiland, aus welcher Höhe kommst du hernieder? Das Wort, das bei Gott war, wird Fleisch. Wer kann's messen? Wer kann's denken? Nur deine heilige himmlische Liebe hat es gekonnt. Herr unser Heiland, in welche Tiefe kommst du hernieder. Kindesstand, elende Krippe, Schmach, Kreuz, Grab, das sind die Stufen deiner Leiter. Und den Gang gehst du aus Liebe zu uns. Mit unsern Sünden haben wir dich dazu gezwungen; unsere Not hat dich dazu gedrungen. Herr du kommst um uns mit hinaufzunehmen. Ach Herr, nun kannst du uns aber nicht mit hinaufnehmen, wenn wir nicht erst hinunter steigen in unsere Tiefe. So lass uns schauen unsere Finsternis und dein Licht, unsere Kälte und deine Liebe, unser Unheil und dein Heil. Lass uns dich sehen, den Grund und das Pfand und das Siegel der ewigen Erbarmung. Amen.
Joh. 15,1.
Ich bin der rechte Weinstock und mein Vater der Weingärtner.
Wir rüsten uns auf das Weihnachtsfest, das ist der Tag, an welchem der Vater, der liebe treue Weingärtner, den Weinstock auf die Erde pflanzte. Jesus Christus ist ja der Weinstock. Warum doch ein Weinstock? Einmal seiner Niedrigkeit und Unscheinbarkeit wegen. Der Weinstock geht ja nicht hoch in die Höhe. Da sind Zedern, Tannen, Fichten und Eichen ganz andere Bäume. Der Herr, unser Weinstock, ist der Allerverachtetste und Unwerteste gewesen. Wiederum ist er der Weinstock um der edlen Kraft und Labung willen, um des Gnadenweines willen, den er gibt. Der Wein erfreut des Menschen Herz, er stärkt die wankenden Knie und die laxen Hände. Wo ist Schatten, wo ist Erquickung, wenn nicht in Christo? Die Vergebung der Sünden fließt in die durstige Seele als der süßeste Wein, den es geben kann. Die Kindschaft und der Friede Gottes machen fröhlicher als aller Wein der Welt. Wenn die Seele sich gläubig versenkt hat in das stille Meer der Erbarmung: wo ist dann Freude, die dieser Freude gliche? Der Wein labt, wenn keiner mehr schmeckt, er stärkt, wenn alle leidigen Tröster ohnmächtig geworden und gewichen sind. Dieser Wein lässt den Toten nicht sterben. Er stärkt ihn zum Leben im Sterben.
Herr, du hast uns zu Reben gemacht an dir, dem Weinstock. Groß ist die Gnade, die du uns hast widerfahren lassen; denn wir sind eingesenkt in einen köstlichen Stamm und genießen dazu auch deine ewigen Lebensfrüchte. So hilf denn, dass wir uns nicht von dir scheiden und als tote Zweige liegen bleiben; hilf auch dass wir nicht den wilden Reben gleichen, die wohl Blätter treiben und auch einmal blühen, bei denen es aber nicht zur Frucht kommt. Aus dem bloßen Jasagen, dem Anerkennen Deiner Gnade, den flüchtigen Wünschen nach der Seligkeit führe uns zur innigen Hingabe an dich. Fördere uns im Glauben und in der Heiligung, dass wir, aus dir allein unsere Lebenskraft ziehend, auch Früchte des Lebens bringen. Amen. (Fr. Ahlfeld)
Joh. 15,5.
Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viele Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
In Christo müssen wir sein. Zuerst sind wir wohl an ihm. Wir sind Christen aus Herkommen oder aus verständiger Anerkennung der Herrlichkeit unseres Glaubens. Aus dem an ihm wird erst durch die Arbeit des Heiligen Geistes ein „in ihm“. Wir fangen an, durch den Glauben in ihm zu wurzeln und fest zu stehen. Ist das der Fall, dann zieht er das Band immer fester, dann muss auch alles Andere weiter an ihn binden. O der liebe Weingärtner versteht sein Amt gar gut! Er kann aus allerlei Stoff Fäden machen. Was uns in schwachem und schwankenden Glaubensstand von dem Herrn trennt, Not, Krankheit, Armut, Feindschaft, Anfechtung, das treibt uns dann zu ihm hin und knüpft uns enger mit ihm zusammen. Solche Reben tragen dann natürlich auch ihre Frucht. Es hangen an ihnen die Früchte des Glaubens: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit. Es wachsen aus solchen Reben auch neue. Wer still im Leben hingeht und zur rechten Stunde von seinem Heiland zeugt, wird schwerlich über die Erde gehen, ohne dass durch sein Zeugnis eine Seele von den Toten aufgeweckt würde. Ohne ihn dagegen können wir Nichts tun. Wenn wir auch noch so viel tun, das Beste bleibt doch ungetan. Ohne ihn sind wir verloren, und auch nicht im Stande, eine andere Seele aus dem Tode zum Leben zu rufen.
Herr Jesu Christe, wir möchten auch gern gute Reben in dir sein und bleiben. Doch wir bedürfen dazu deiner Hilfe, deiner Reinigung. Täglich bricht die Sünde wieder aus uns hervor. O schneide sie hinweg mit dem Kraftworte der heiligen Schrift. Lass uns selbst mit demütigem Schuldbekenntnis mit einschneiden in die wilden Ranken, die an uns wachsen. Binde uns aber auch immer fester an dich, dass wir an dir und in dir bleiben und nicht allerlei Wind sein Spiel mit uns treibe. Binde uns fest mit dem Wort deiner Gnade, das du gerade in dieser heiligen Adventszeit so laut erschallen lässt. Dazu segne auch diesen Tag, den du uns mit deiner Hilfe beginnen. lässt, aus Gnaden. Amen. (Fr. Ahlfeld)