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Johannes - Kapitel 12

Johannes - Kapitel 12

(Leander van Eß)

Maria salbt Jesum. Sein Einzug in Jerusalem.

1 Jesus kam nun sechs Tage vor Ostern nach Bethanien, wo Lazarus, der Todtgewesene war, den er von den Todten auferweckt hatte.
2 Daselbst bereitete man ihm ein Abendmahl, wobei Martha aufwartete; Lazarus aber war einer seiner Tischgenossen.
3 Nun nahm Maria ein Pfund echtes kostbares Nardenöl, salbte damit die Füße Jesu, und trocknete sie mit ihren eigenen Haaren ab. Der Wohlgeruch des Oels verbreitete sich durch das ganze Haus.
4 Da sprach einer seiner Jünger, Judas Iskarioth, sein nachheriger Verräther:
5 Warum hat man diese Salbe nicht lieber um dreihundert Denare verkauft, und diese unter die Armen vertheilt?
6 Dieß sagte er aber nicht, weil ihm die Armen so sehr am Herzen lagen, sondern weil er ein Dieb war, den Beutel führte, und, was hineingelegt wurde, unterschlug.
7 Jesus sprach: Laß sie nur! sie hat dieses für meinen Begräbnißtag behalten.
8 Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habet ihr nicht allezeit.
9 Da nun sehr viele Juden vernahmen, daß er da sey, kamen sie dahin, nicht bloß wegen Jesus; sondern um auch Lazarus zu sehen, welchen er von den Todten auferweckt hatte.
10 Die Oberpriester aber faßten den Entschluß, auch Lazarus umbringen zu lassen;
11 denn seinetwegen gingen viele Juden hinaus, und glaubten an Jesum.
12 Als nun des Tages darauf sehr viele Leute, die zum Feste gekommen waren, hörten, daß Jesus nach Jerusalem komme, nahmen sie Palmzweige,
13 zogen ihm entgegen und riefen: Hosanna, hochgepriesen sey, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels!
14 Jesus hatte einen jungen Esel bekommen, und sich darauf gesetzt, wie es geschrieben steht:
15 Fürchte dich nicht, Tochter Sions! Siehe, dein König kommt, und reitet auf einem Eselsfüllen!
16 Dieß verstanden anfangs seine Jünger nicht; aber nachdem Jesus verherrlicht war, erinnerten sie sich, daß dieses von ihm geschrieben wäre, und sie ihm dieß gethan hätten.
17 Auch bezeugte das Volk, welches bei ihm war, daß er Lazarus aus der Gruft hervorgerufen, und ihn von den Todten erweckt.
18 Deßwegen zogen ihm auch so viele Menschen entgegen, weil sie gehört, daß er dieses Wunder gethan.
19 Die Pharisäer aber sprachen zu einander: Da sehet ihr nun, daß wir nichts ausrichten! Siehe! alle Welt läuft ihm nach.
20 Unter denen, die das Fest zu feiern gekommen waren, fanden sich auch einige Griechen ein.
21 Diese wandten sich an Philippus, der von Bethsaida aus Galiläa gebürtig war, und baten ihn, und sprachen: Herr, wir möchten gerne Jesum sehen!
22 Philippus kam und sagte dieß Andreas, und Andreas und Philippus meldeten es Jesu.
23 Jesus antwortete ihnen und sprach: Die Zeit ist da, daß der Sohn des Menschen verherrlicht werde.
24 Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Waizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, so bleibt es allein; erstirbt es aber, so trägt es viele Frucht.
25 Wer sein Leben liebt, der wird es verlieren; wer es aber in dieser Welt gering achtet, der wird es für das ewige Leben erhalten.
26 Wer mir dienen will, der folge mir nach! denn wo ich bin, da wird auch mein Diener seyn. Wer mir dienen wird, den wird mein Vater ehren.
27 Es liegt jetzt schon so schwer auf meinem Herzen! Was soll ich sagen! Vater, rette mich aus dieser Stunde! Aber eben darum komm' ich in diese Stunde.
28 Vater! verherrliche deinen Namen! Da kam eine Stimme vom Himmel: Ich habe ihn verherrlicht, und werde ihn ferner verherrlichen.
29 Das anwesende Volk, welches dieß hörte, sagte: Es donnert! Andere sprachen: Ein Engel hat mit ihm gesprochen.
30 Jesus antwortete und sprach: Meinetwegen kam diese Stimme nicht, sondern euretwegen.
31 Jetzt ergeht das Gericht über diese Welt. Jetzt wird der Fürst dieser Welt hinausgestoßen werden.
32 Und wenn ich über die Erde werde erhöhet seyn, werde ich Alle zu mir ziehen.
33 Mit diesen Worten deutete er auf die Art seines Todes.
34 Da sprach das Volk zu ihm: Wir haben aus dem Gesetze gehört, daß Christus ewig bleiben soll; wie kannst du also sagen: Der Sohn des Menschen müsse erhöhet werden? Wer ist doch dieser Sohn des Menschen?
35 Jesus sprach zu ihnen: Nur noch eine kurze Zeit habet ihr das Licht bei euch. Wandelt, so lange ihr noch das Licht habt, damit euch die Finsterniß nicht überfalle; denn wer im Finstern wandelt, weiß nicht, wohin er kommt.
36 Glaubet an das Licht, so lange ihr noch das Licht habet, damit ihr Kinder des Lichtes werdet. Nach diesen Reden ging Jesus weg, und entzog sich ihnen.
37 Wiewohl er nun solche große Wunder vor ihren Augen gethan, glaubten sie doch nicht an ihn;
38 so daß der Ausspruch des Propheten Jesaias erfüllt wurde, da er sagt: Herr! wer hat unserem Vortrage geglaubt? und wer hat die Macht des Herrn erkannt?
39 Darum konnten sie nicht glauben, wie Jesaias ferner sagt:
40 Er hat verblendet ihre Augen, verhärtet ihr Herz; so daß sie mit den Augen nicht sehen, mit dem Herzen nicht empfinden, daß sie sich bessern, und ich sie heile.
41 Dieß sagte Jesaias, da er seine Herrlichkeit sah; und von ihm redete er.
42 Doch glaubten auch Viele von den Vornehmsten an ihn; wiewohl sie wegen der Pharisäer sich nicht öffentlich für ihn erklärten, damit sie nicht aus der Synagoge gestoßen würden;
43 denn sie sahen mehr auf Ehre bei den Menschen, als auf Ehre bei Gott.
44 Jesus aber rief laut und sprach: Wer an mich glaubt, der glaubt nicht an mich, sondern an den, der mich gesandt hat.
45 Und wer mich sieht, der sieht den, der mich gesandt hat.
46 Ich bin, als das Licht, in die Welt gekommen, damit Keiner, der an mich glaubt, in der Finsterniß bleibe.
47 Wenn aber Jemand meine Lehre hört, und sie nicht glaubt, den verurtheile ich nicht; (denn ich bin nicht gekommen, daß ich die Welt richte, sondern, daß ich die Welt selig mache.)
48 Wer mich verwirft und meine Lehre nicht annimmt, der hat schon seinen Richter; die Lehre, die ich vorgetragen habe, die wird ihn am letzten Tage richten.
49 Denn ich habe nicht aus mir selbst geredet, sondern der Vater, der mich gesandt, der hat mir Vorschrift gegeben, was ich lehren und reden soll.
50 Und ich weiß, seine Vorschrift ist ewiges Leben. Was ich also lehre, das lehre ich so, wie es mir der Vater aufgetragen.

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