Hiob - Kapitel 16
(Leander van Eß)
Kap. 16. 17. Hiob klagt bitter über die Lieblosigkeit seiner Freunde; schildert sein Unglück, betheuert seine Unschuld. Er sehnt sich nach Gott, der richten möge zwischen ihm, und seinen Freunden; und harret auf den Tod.
1 Und Hiob hob an und sprach:
2 Ich habe dergleichen Vieles gehört, lästige Tröster seyd ihr Alle.
3 Wird ein Ende den windigen Worten? Oder was bringt dich so auf, daß du widersprichst?
4 Auch ich könnte reden wie ihr; wäre euer Leben nur an der Stelle meines Lebens; ich könnte mich mit Worten wider euch verbünden; und schütteln wider euch mein Haupt.
5 Ich könnte euch Muth einsprechen mit meinem Munde; und meine aufgeregten Lippen zurückhalten.
6 Aber ich mag reden; mein Schmerz wird nicht gelindert; und höre ich auf, was weicht von mir?
7 Allein er hat mich bereits erschöpft; du hast mein ganzes Haus verwüstet;
8 du hast mich gefesselt. Zum Zeugniß dient: es tritt wider mich auf meine Magerkeit; sie zeuget mir in's Angesicht.
9 Sein Grimm zerfleischt, und verfolget mich; er knirscht gegen mich mit seinen Zähnen; als mein Feind schärft er seine Blicke gegen mich.
10 Sie sperren auf gegen mich ihren Mund; mit Hohn schlagen sie meine Wangen; sämmtlich rotten sie sich gegen mich.
11 Gott gibt mich preis dem Ungerechten; und stürzt mich in die Hände der Bösen.
12 Ruhig war ich, da schüttelte er mich; und faßte mich bei dem nacken; und schmetterte mich hin; und stellte mich zu seinem Ziele auf.
13 Es umringten mich seine Schützen; er spaltete meine Nieren schonungslos; er gießt auf die Erde meine Galle.
14 Er reißt mich um, Riß auf Riß; er stürmt auf mich, wie ein Held.
15 Ich nähete einen Trauersack um meine Haut; ich hüllte in Asche mein Horn;
16 mein Antlitz ist geröthet vom Weinen; und auf meinen Augenwimpern liegt der Todesschatten;
17 wiewohl kein Unrecht ist in meinen Händen; und rein ist mein Gebet.
18 Erde! bedecke nicht mein Blut; und kein Aufenthalt werde meinem Geschrei!
19 Auch jetzt noch, siehe! ist im Himmel mein Zeuge; und mein Augenzeuge in den Höhen.
20 Mögen sie meiner spotten, meine Freunde; zu Gott hinauf thräuet mein Auge;
21 daß er Recht schaffe dem Menschen vor Gott, und der Sohn des Menschen dem Andern.
22 Denn die wenigen Jahre eilen vorüber; und ich gehe den Weg, den ich nicht wiederkehre.