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- | ======Tholuck, | ||
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- | Es wird euch nicht unbekannt sein, meine Andächtigen, | ||
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- | Wir erwählen zum Text, an welchen wir diese unsere Betrachtung anknüpfen, den Ausruf Christi, Matth. 23,37: „**Jerusalem, | ||
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- | Lasst zuerst die Umstände, unter denen dieses Wort vom Munde der Wahrheit gesprochen wurde, uns vergegenwärtigen. Lasst zweitens uns erwägen, was diesem Wort entgegenzustehen scheint. Lasst drittens uns betrachten, was es bekräftiget, | ||
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- | Der Sohn Gottes und der Menschen ist zum letzten Mal im Tempel; vor seinem Auge ziehen die Scharen heiliger Propheten und Schriftgelehrten vorüber, welche unter Kampf, Verfolgung und Tod das Bundesvolk haben hinführen wollen zu ihrem Bundesgott; er schaut in die naheliegende finstere Stunde hinein, wo der größte aller Gesandten und der letzte von ihnen als ein Opfer fallen soll. Er sieht es, wie alles gerechte Blut, das vergossen worden seit Jahrhunderten, | ||
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- | Einem einzigen solcher Worte gegenüber, wie wir es in unserm Text lesen, sollte es freilich unmöglich scheinen, zu sagen: so Viele ihrer verloren gehen, die gehen durch Gottes Willen verloren. Und der Wahn, welcher anders meint, muss wohl starke Waffen haben, um einem solchen Wort zu begegnen; auch hat er sie. Seht, der Schrift eignes Wort führt er dir vor Augen, ihr Zeugnis, das sie von dem Gläubigen gibt und von dem Ungläubigen. Hat nicht das Wort der Wahrheit bezeugt, dass von dem ersten Anfang an das gesamte Werk des neuen Lebens im Menschen ein göttliches Werk ist? Dass es Gottes Geist ist, durch den alle gute Dinge geschehen, dass die wahrhaftig guten Werke nach der Schrift Früchte des Geistes sind, edle Pflanzen, auf des Geistes Boden gewachsen, dass der Heiland gerufen: ohne mich könnt ihr nichts tun, das ist noch nicht Alles - der Glaube selbst wird ein göttliches Werk genannt „aus Gnaden seid ihr selig worden durch den Glauben, und dasselbe nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“ Wiederum: „euch, die ihr aus Gottes Macht durch den Glauben bewahrt werdet zur Seligkeit.“ Kannst du mithin den Glauben nicht als dein eignes Werk in Anspruch nehmen, so denn vielleicht die Tränen deiner Buße? Aber wiederum schreibt Paulus: „Strafe die Widerspenstigen, | ||
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- | Und steht nicht auf der andern Seite geschrieben: | ||
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- | Wohlan denn, lasst uns nun auch für unser Thema Zeugen vernehmen, deren Wort nicht minder gewaltig ist. Als der erste Zeuge dafür trete auf das Gewissen. Es gibt ein Wort in aller Menschen Sprache, ein Wort, vor dem Alle erbleichen, Jüngling und Mädchen, Mann und Frau, Greis und Greisin, König und Bettler, der Weltweise, wenn er einsam über die Rätsel der Menschenbrust sinnt, und der fröhliche Schlemmer bei der Tafelrunde: das Wort heißt Schuld! Kannst du das Wort nicht wegwischen aus deinem Herzen, so steht als der Folgesatz dieses kleinen Wörtleins eben so unauslöschlich das Wort in deiner Brust: „So viele ihrer verloren gehen, die gehen nicht durch Gottes, sondern durch ihren eigenen Willen verloren.“ Zwar jene unserer Brüder, welche im Lehrbegriff der reformirten Kirche stehen, trifft solche Rede nicht. Wenn sie gleich sagen: es ist die Unwiderstehlichkeit göttlicher Gnade allein, die den Sünder herumbringt vom Verderben, so bekennen sie dennoch, dass dieses Verderben ein selbstverschuldetes sei, und bekennen sich mit uns zu dem Glauben, dass ohne menschliche Schuld es keinen göttlichen Beschluss der Verwerfung geben könne. Aber euch, euch gilt diese Rede, die ihr aus keinem andern Grund Gottes Allmacht und Allwissenheit so groß macht, als damit ihr die Trägheit eures eignen Fleisches zum Gebet und zum Glauben entschuldigen mögt, und die kühle Gleichgültigkeit rechtfertigen mögt, mit der ihr am Markt steht, die Hände in den Schoß gelegt, während tausende von menschlichen Seelen, wie ihr auch nach eurem eignen Glauben bekennen müsst, wenigstens für diese Weltzeit und für noch manche zukünftige dem Verderben entgegen gehen. - Ihr alle, die ihr hier versammelt seid, keiner von euch kann es leugnen, es ist eine schreckliche Wahrheit für euch, das Wort Schuld. Kann einer von euch nicht mit der Gemeinde der gläubigen Christen an den Ort hintreten, wo der Christ, wenn irgend sonst, seine Schuld empfindet, vor das Kreuz Christi, und rufen: | ||
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- | Wer hat dich so zerschlagen | ||
- | Mein Heil, und dich mit Plagen | ||
- | So übel zugericht'? | ||
- | Ich, ich und meine Sünden, | ||
- | Die sich wie Körnlein finden | ||
- | Des Sandes an dem Meer. | ||
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- | Nun dann, mit der Stimme, die nicht im Namen der christlichen Kirche redet, wird er wenigstens bekennen: | ||
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- | Das Leben ist der Güter höchstes nicht, | ||
- | Der Übel größtes aber ist die Schuld. | ||
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- | Ihr Zeugen, die ihr bekanntet, nie vernommen zu haben die Stimme des Vaters, und ihr, die ihr bekanntet, Alles, was ihr seid, aus Gottes Gnade geworden zu sein, tretet noch einmal als Zeugen auf: Hast du nie in deinem Leben solche Stunden gekannt, wo dich zugleich die Stimme von unten rief und zugleich die Stimme von oben, wo du gewiss warst, und mit klarster Überzeugung wusstest: jetzt steht es bei mir, welcher von beiden Gewalten ich folgen will, wo du nach unten sankst und - kaum warst du gesunken, da brach das Flammenmeer des Gewissens über deinem Haupt zusammen, und verzweiflungsvoll schlug die Hand die eigne Brust. Wer, wer von euch ist der Frevler gewesen, der in dem Augenblick, wo er aus dem Paradies der Unschuld fiel, statt gegen seine eigene Brust, gegen den Himmel die Hand erhoben hätte, und doch - ist's dort oben unter den Sternen unwiderruflich verzeichnet gewesen, dass du in dieser Stunde fallen musstest, dort gegen die Sterne hin musst du verzweiflungsvoll die Hand erheben, und nicht gegen die eigne Brust. Zählst du aber auch nur einen einzigen Augenblick in deinem Leben, wo das Wort Schuld für dich eine Wahrheit war, nun so gibt es eine Schuld, so gibt es ein gerechtes Gericht Gottes, und es ist wahr: „So viele ihrer verloren gehen, nicht durch Gottes, sondern durch ihren eignen Willen gehen sie verloren.“ | ||
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- | Und was dir deine innere Stimme bezeugt, tönt nicht dasselbige auch aus dem geoffenbarten Wort Gottes dir entgegen? Hört, hört den Jammerruf eines klagenden Erlösers: „Jerusalem, | ||
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- | Gesetzt nun, Mitbruder in Christo, du fändest keinen Weg, auf dem du diese zwei verschiedenen Gattungen von Stellen der Heiligen Schrift könntest zusammenbringen, | ||
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- | Eben so, meine Andächtigen, | ||
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- | Wozu sie auffordert, diese Wahrheit, das soll ich euch noch verkünden? O, ginge das zu Jedermanns Herzen von euch, die ihr hier versammelt seid - wenige Jahre, und ihr würdet allzumal reich gesegnete Bäume im Garten Gottes sein, voll von jeglicher Frucht des Glaubens, der Gerechtigkeit, | ||
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- | Doch noch vielmehr als denen, die draußen stehen, möchte ich euch an's Herz legen, die ihr bereits drinnen zu stehen angefangen habt, wozu jene Wahrheit auffordert. Dass es die Schuld des eignen Willens sei, welche von dem Glauben und dem Reich Christi überhaupt ausschließt, | ||
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