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- | ======Tholuck, | ||
- | Christliche Gemeinde, vernimm in Andacht den Text unserer heutigen Betrachtung aus dem Ev. Matthäi C. 27, | ||
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- | „**Auf das Fest aber hatte der Landpfleger die Gewohnheit, dem Volke einen Gefangenen los zu geben, welchen sie wollten. Er hatte aber zu derselbigen Zeit einen Gefangenen, einen sonderlichen vor andern, der hieß Barabbas. Und da sie versammelt waren, sprach er zu ihnen: Welchen wollt ihr, dass ich euch los gebe? Barabbam oder Jesum, von dem gesagt wird, er sei Christus? Denn er wusste wohl, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten. Und da er auf dem Richtstuhl saß, schickte sein Weib zu ihm, und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten; ich habe heute viel erlitten im Traum von seinetwegen. Aber die Hohenpriester und die Ältesten überredeten das Volk, dass sie um Barabbas bitten sollten, und Jesum umbrächten. Da antwortete nun der Landpfleger und sprach zu ihnen: Welchen wollt ihr unter diesen zween, den ich euch soll los geben? Sie sprachen: Barabbam! Pilatus sprach zu ihnen: Was soll ich denn machen mit Jesu, von dem gesagt wird, er sei Christus? Sie sprachen alle: Lass ihn kreuzigen! Der Landpfleger sagte: Was hat er denn Uebels getan? Sie schrien aber noch mehr und sprachen: Lass ihn kreuzigen! Da aber Pilatus sah, dass er nichts schaffte, sondern dass ein viel größer Getümmel ward, nahm er Wasser, und wusch die Hände vor dem Volk, und sprach: Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gerechten; sehet ihr zu! Da antwortete das ganze Volk und sprach: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Da gab er ihnen Barabbam los; aber Jesum ließ er geißeln und überantwortete ihn, dass er gekreuzigt würde.**“ | ||
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- | Der Gegenstand unserer heutigen Betrachtung sei der grauenvolle Tausch, und zwar | ||
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- | - der grauenvolle Tausch, den das ungläubige Israel macht, indem sie statt Jesus den Sohn Gottes, Jesus Barabbas erwählt; | ||
- | - der grauenvolle Tausch, den die ungläubige Welt macht, indem sie statt Jesus, den Sohn Gottes und der Menschen, Jesus das Menschenkind erwählt. | ||
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- | Unsere Geschichte führt uns auf einen von allen Leidenschaften bewegten Schauplatz. Früh beim ersten Morgenroth hatte die Mordlust, die an dem Heiligen Gottes sich kühlen wollte, die Schar der Obersten und Priester des Volks auf den Richtplatz vor den Palast des Landpflegers geführt, und schwellend war mit jeder Stunde der Volkshaufe angewachsen. Es ist jetzt die sechste Morgenstunde, | ||
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- | Da wird es still in der Menge - der unerwartete Vorschlag setzt in Erstaunen. Was in den Herzen der Anwesenden mag vorgegangen sein! Hier stand Einer, der hatte vor einigen Tagen, als der König Israels in Jerusalem seinen Einzug hielt, das Hosianna mitgerufen; da stand Einer, der war dabei gewesen, als in Bethaniens Gräbern der Ruf erscholl: „Lazare, komme heraus!“ „Kann auch Einer solche Taten tun, wie dieser tat, ohne dass Gott mit ihm sei?“, hörte man hie und da murmeln. Die Priester können nicht mit Sicherheit darauf rechnen, was der Ausgang der Wahl sein werde: der brüllende Löwe wird zur zischenden Schlange - sie eilen umher, um das Volk zu stimmen, nur ein dumpfes Gemurmel geht durch den Volkshaufen hindurch. - Was, sagt mir, mag er selbst empfunden haben, der Mann der Schmerzen, als er dort am Vorhof stand in dem zum Hohn ihm umgehängten Purpurmantel, | ||
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- | Pilatus harrt auf dem Richtstuhl. „ Du richtest unschuldig Blut!“ so schreit es unaufhörlich in seiner Seele - da kommt zu der inneren Stimme noch eine äußere hinzu. Ein Traumgesicht hat Procula, seine Gattin, gewarnt - sie ist erwacht - schon sitzt ihr Gatte auf dem Richtstuhl, wie sie vernimmt; ach, schon hängt drohend das Schwert über dem heiligen Haupte, welches verletzen zu lassen sie gewarnt worden. Eilend sendet sie einen Boten: „Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten, ich habe heut viel erlitten im Traum von seinetwegen.“ Ihr meint vielleicht, dem ungläubigen Weltmanne, dem das Land der Wahrheit selber ein eitles Traumbild geworden, wird die Traumesstimme nichts gegolten haben - o Freunde, es wäre nicht das erste Mal, dass, wer vor Gott nicht zittert, vor Träumen und Gespenstern zittert; gerade meldet uns die Geschichte jener Zeit, wie die römischen Weltleute, die keinen bekannten Gott hatten, an den sie glaubten, vor unbekannten Mächten zitterten, die sie ahnten. - Die Beratung ist geendet, der Landpfleger tritt abermals vor mit verdoppelter Beklommenheit des Herzens: „Welchen wollt ihr unter den Zweien, den ich euch soll los geben?“ Der Würfel ist gefallen. Sie riefen überlaut: „Barabbam!“ | ||
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- | Grauenvoller Tausch! Da steht es, das unschuldige Lamm Gottes, welches keine Sünde getan hat, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden, welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht dräuete, da er litt, sondern Alles dem anheimstellte, | ||
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- | Ihr, die ihr statt Jesus, den Sohn Gottes und der Menschen, das Menschenkind erwählt, ihr habt statt eines heiligen und unbefleckten Lammes Gottes, das die christliche Kirche euch darbietet, in der ihr geboren, getauft und erzogen seid, einen Frevler und Verbrecher erwählt. Der Apostel spricht an einer Stelle von Vergehungen, | ||
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- | Ist dem nun also, so habt ihr denn auch keinen Erlöser, der um eurer Sünde willen an das Kreuz geschlagen wurde - O grässlich zu sagen! - um seiner eignen Sünde und Torheit willen ist er an's Kreuz geschlagen worden! - Ist der, welcher vor dem Hohenpriester mit dem Schwure bei dem lebendigen Gott bekräftigt, | ||
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- | Wer hat dich so zerschlagen, | ||
- | Mein Heil, und dich mit Plagen \\ | ||
- | So übel zugericht' | ||
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- | und mit lautem Klageschrei deines Herzens hast du geantwortet: | ||
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- | Ich, ich und meine Sünden, \\ | ||
- | Die sich wie Körnlein finden \\ | ||
- | Des Sandes an dem Meer. | ||
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- | Nun musst du ein neues Lied singen - grässlich zu sagen! -: | ||
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- | Du, du und deine Torheit, \\ | ||
- | Die gegen Gottes Wahrheit \\ | ||
- | Sich hat vergangen schwer. - | ||
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- | Staub vom Staube, du Kind der Erde! Bist du nichts Anderes gewesen, als deine schwachen, sündigen Brüder, wie hat deine Torheit es gewagt, im Hochmuth der Selbstverblendung in die Welt hineinzurufen: | ||
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- | Du, du und deine Sünden, \\ | ||
- | Die sich wie Körnlein finden \\ | ||
- | Des Sandes an dem Meer, \\ | ||
- | Die haben dir erreget \\ | ||
- | Das Elend, das dich schlaget, \\ | ||
- | Und das betrübte Marterheer. | ||
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- | O ihr Männer des Glaubens und der Tränen, die ihr von Stephanus an, der den Himmel offen sah, nach dem Zeichen des Kreuzes aufgeblickt habt als zu einem Stern, dem nur die Strahlen abgenommen sind, vor deren verklärtem Blicke das Kreuz auf Golgatha, worauf das heilige und unschuldige Lamm Gottes blutet, ein Thron der Majestät wurde - es ist vor eurem Blicke in ein Blutgerüst verwandelt, wo der Wahn eines hochmütigen Schwärmers seine Schuld abbüßt. Das war sein Gericht auf Erden, und was wird sein Gericht im Himmel sein? - | ||
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- | O ihr, die ihr statt Jesu, des Sohnes Gottes und der Menschen, das Menschenkind erwählt, ihr habt statt eines Fürsprechers beim Vater ein Kind der Verdammnis erwählt. „Ich, der Herr, das ist mein Name - spricht der Gott Israels bei dem Propheten Jesaia - gebe meine Ehre keinem Andern.“ Wie nun, wenn der, welcher von sich selbst bezeuget hat: „Der“ Vater richtet Niemand, sondern hat alles Gericht dem Sohne übergeben, auf dass sie Alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren“, und von welchem sein Apostel - wie ihr meint - in gleicher Verblendung zeuget: „Darum hat ihn auch Gott erhöhet, und hat ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen die Kniee aller derer, die im Himmel, auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters“ - wenn er selbst erscheinen wird vor dem Throne des Gottes, der seine Ehre keinem Andern gibt - könnet ihr sie ahnen, die Strafe, welche der Gott, der seine Ehre keinem Andern gibt, verhängen wird über den Wurm aus Staub und Asche, welcher der Majestät des Königs aller Könige nach der Krone griff, - wenn er wird Rechenschaft ablegen sollen von dem Ehrenraube, dass Millionen Kniee seit achtzehn Jahrhunderten in Leid und Noth und Tod vor Seinem Namen sich gebeugt haben, wie vor dem Namen des Vaters! Und wenn sie sich dann alle um ihn her versammeln werden, die Blutzeugen, die um seines Namens willen ihr Leben in den Tod gegeben, und von Stephanus an in seine Hände ihre Seele befohlen, und werden ihn anklagen, dass er sie betrogen habe! - Er hatte einen von seinen zwölf Jüngern das verlorene Kind genannt, das Kind der Verdammnis - wehe, wehe dir, du verlorenes Menschenkind, | ||
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- | O Haupt voll Blut und Wunden, \\ | ||
- | Voll Spott und voller Hohn - \\ | ||
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- | nein! du bist nicht das Haupt eines Frevlers, du bist ein heiliges Haupt, auf dem keine eigne Schuld gelastet, sondern die Schuld der sündigen Welt! | ||
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- | Christen! wollt ihr den Gottes- und der Menschen Sohn oder den Frevler und Verbrecher? - eine andere Wahl ist euch nicht gestattet! O es kann nicht fehlen, auch in dieser Versammlung, | ||
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- | O du zur Rechten des Vaters Erhöhter, gib du selbst von deiner Höhe herab das Zeugnis von deiner göttlichen Majestät in die Herzen derer, welche auf deinen Namen die heilige Taufe empfangen haben; gib es vor Allem in die Herzen derer, die da einst Diener deines Evangeliums werden, und kraft ihres Amtes ihre Hände betend zu dir aufheben müssen, damit ihr Herz sie nicht anklage in den heiligsten Stunden ihres Lebens, dass sie zu einem sündigen Menschenkinde beten! | ||
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- | =====Anhang - Auf die XI. Predigt sich beziehend.===== | ||
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- | Wenige oder Keinen wird es unter denen, die Christum für einen ihres Gleichen halten, geben, welche der Gedanke: „Christus ein hochmütiger Frevler“ nicht empörte. Es ist eine schöne Inkonsequenz von uns Deutschen - in England, Italien und Frankreich war und ist es bei den Deisten anders. Und eben weil dem deutschen Deisten für seine Person der Gedanke durchaus fremd ist, so erstaunt er auch, wenn man diese Konsequenz seinem System zuschreibt. Es wäre aber nicht der erste Fall, dass in einem System notwendige Folgerungen liegen, welche die Personen nie ausdenken. Man lasse den Geist, der jetzt von Frankreich her den Süden unseres Vaterlandes angesteckt hat, nur noch zwei Jahrzehnte in der Volksmasse fortwirken, und man wird aus Prämissen, auf die jetzt Unzählige wie auf ein Evangelium schwören, zu seinem Schrecken sich Folgerungen entwickeln sehen, an die Keiner dachte! | ||
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- | Es ist hier nicht der Ort zu einer theologischen Abhandlung. Ich kann aber doch nicht umhin, mit einigen Worten die Umwege zu berühren, auf denen der deutsche Deist den furchtbaren Konsequenzen, | ||
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- | Doch es wird noch ein vierter Ausweg uns eröffnet. Vielleicht hat Christus alle Aussprüche dieser Art gar nicht selbst getan, sondern sie sind ihm nur von seinen Jüngern in den Mund gelegt worden. Vielleicht - vielleicht auch nicht? - Dieser Ausweg ist allerdings kühn, kühn wie der jenes Helden, welcher den Knoten, den er nicht lösen konnte - zerhieb. Also nur diejenigen Aussprüche soll Christus getan haben, welche jeder weise und tugendhafte Mann auch sonst, ohne Überspannung und Hochmut, von sich zu tun im Stande wäre - was irgend wie ein Strahl von oben her um das Haupt des Erlösers schimmert, soll abgestreift werden. Wohl, man mache einmal den Versuch, und streiche in seinen Evangelien alle Worte aus Christi Munde, in denen ein Schimmer übermenschlicher Größe, Reinheit, Macht leuchtet, alle Aussprüche, | ||
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- | Natürlich ist hier bei Weitem nicht Alles gesagt, was zu sagen wäre, nur Winke sollten gegeben werden. Denn was der biblischen Wahrheit und auch der Wahrheit der biblischen Geschichte jene Überzeugungskraft mitteilt, welche den Menschengeist überwindet, | ||
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