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 +======Tholuck, August - "So viele ihrer verloren gehen, die gehen verloren in der Zeit und Ewigkeit nicht durch Gottes, sondern durch ihren eigenen Willen"======
  
 Es wird euch nicht unbekannt sein, meine Andächtigen, dass mehrere ernste Christen in neuester Zeit sich bewogen gefühlt haben, das Band, welches die reformirte evangelische Kirche so eben mit der lutherischen nach einer dreihundertjährigen Trennung vereinigt hatte, auf's Neue zu zerreißen. Jenes heilige Mahl, das der Herr in der Nacht, da er verraten ward, gestiftet hatte, damit es alle äußerlich zu Einem Leib vereinige, welche der Glaube, dass der heilige Leib für sie gebrochen und das heilige Blut für sie vergossen, innerlich vereinigt hat, dieses selbige Mahl der Liebe hat auf's Neue den Anstoß zur Trennung gegeben. Es ist hier nicht meine Absicht, zu prüfen, welche Irrtümer bei dieser erneuten Trennung statt finden; ist doch auch jene Vereinigung bei so Vielen nicht aus dem rechten Geist des Glaubens gekommen! Nur davon will ich sprechen: Es gibt einen andern Unterschied zwischen Christen des lutherischen und calvinischen Bekenntnisses, welcher um vieles tiefer und wesentlicher in das sittlich-religiöse Leben des Menschen eingreift, als jener Unterschied, der in Betreff der Ansicht über die Gegenwart des Heilandes bei dem heiligen Mahl statt findet. Ich meine den Glauben, zu welchem der große und tiefe Geist Calvins und die Kirche dieses Reformators sich bekannt hat, an ein ewiges Verwerfungsurteil Gottes über den größten Teil der Menschheit - den Glauben, dass der größte Teil der Menschheit dem ewigen Verderben entgegengeht, weil der allmächtige gerechte Gott sie zu einem Beispiel aufstellen will seiner Gerechtigkeit, gleichwie er die, welche selig werden, aufstellt als ein Beispiel des Reichtums seiner Gnade. Ob wir dies glauben, oder ob wir an eine ausgestreckte Gnadenhand glauben, welche jeden zieht, der sie anfasst, das fühlt ihr gewiss alle, das ist ein wesentlicher Unterschied, der da tief und eigentümlich in's religiöse Leben eingreift. Indem ich nun am heutigen Tag hierüber sprechen will, lasst mich voranschicken, dass wahrscheinlich, und zwar möchte ich fast sagen leider! kaum Einer unter uns dürfte gefunden werden, der jenen Glauben in allen Stücken teile, auch unter denen kaum Einer, welche ursprünglich der reformirten Kirche angehören. Ich sage leider - und warum leider, wenn ich gegen diesen Glauben ein Zeugnis ablegen will? Darum, weil ihm, wie wir ihn bei der Mehrzahl seiner Bekenner finden, ein großer und hoher Ernst, eine tief im Staub anbetende Verehrung der Allmacht, der Gerechtigkeit und der Weisheit Gottes eigen zu sein pflegt, wie sie unseren Zeitgenossen im Ganzen durchaus fremd ist. Es fehlt ihnen das volle Bewusstsein der Verwerflichkeit der Sünde und der Unbeschränktheit des göttlichen Willens, das Bewusstsein, dass alles, was der Mensch ist, er aus Gnade ist; darum können sie nicht nur jenen Glauben nicht teilen, sie können ihn auch nicht einmal begreifen. So ist denn auch die Absicht dieser meiner Rede zunächst nicht die, jenen Glauben an eine unbedingte Erwählung, in der Gestalt, wie die reformirte Kirche ihn gelehrt hat, zu bekämpfen. O dass unsere Gemeinden jene reiche Glaubensfrüchte bringen möchten, wie sie in Frankreich, Holland und in der Schweiz gerade Diejenigen gebracht haben, die jenem Lehrbegriff am eifrigsten zugetan waren. Nein, meine Predigt gilt einer schwächlicheren und zugleich schlimmeren Irrlehre, welche sich aber hier und da den Schein der Verwandtschaft leiht mit jener ernsten Lehre der reformirten Gemeinde. Es ist die Leugnung der menschlichen Freiheit, verbunden mit dem Wahn, dass das endliche Ziel Aller dennoch das Himmelreich ist - der Wahn, dass zum Seligwerden nur Gottes und nicht der eigne Wille gehöre. Seht da einen Wahn, an dem in seiner vollen Ausbildung zwar auch nur eine kleinere Anzahl Anteil haben mag, der aber in irgend einem Maß, in gewissen Richtungen und Beziehungen einer großen Anzahl Menschen in unserer Zeit eigen ist. „Seine eigne Seligkeit zu schaffen mit Furcht und Zittern“ - wozu der Apostel auffordert - ei, das ist ja ein lästiges Geschäft, das überlässt man gern einem Andern. - Die Trägheit und der Fleischessinn stützen sich darum auf jenen Irrwahn. In allen andern Beziehungen sind sie rastlos tätig, damit Hausstand und Gewerbe, damit Staatswohl gedeihe, aber was das Schaffen der Seelen Seligkeit betrifft bei sich und bei Andern, da lassen sie von den Umständen sich treiben, wie der Strom den Leichnam treibt. - Darum sei das Thema meiner heutigen Predigt: So viele ihrer verloren gehen, die gehen verloren in der Zeit und Ewigkeit nicht durch Gottes, sondern durch ihren eigenen Willen.  Es wird euch nicht unbekannt sein, meine Andächtigen, dass mehrere ernste Christen in neuester Zeit sich bewogen gefühlt haben, das Band, welches die reformirte evangelische Kirche so eben mit der lutherischen nach einer dreihundertjährigen Trennung vereinigt hatte, auf's Neue zu zerreißen. Jenes heilige Mahl, das der Herr in der Nacht, da er verraten ward, gestiftet hatte, damit es alle äußerlich zu Einem Leib vereinige, welche der Glaube, dass der heilige Leib für sie gebrochen und das heilige Blut für sie vergossen, innerlich vereinigt hat, dieses selbige Mahl der Liebe hat auf's Neue den Anstoß zur Trennung gegeben. Es ist hier nicht meine Absicht, zu prüfen, welche Irrtümer bei dieser erneuten Trennung statt finden; ist doch auch jene Vereinigung bei so Vielen nicht aus dem rechten Geist des Glaubens gekommen! Nur davon will ich sprechen: Es gibt einen andern Unterschied zwischen Christen des lutherischen und calvinischen Bekenntnisses, welcher um vieles tiefer und wesentlicher in das sittlich-religiöse Leben des Menschen eingreift, als jener Unterschied, der in Betreff der Ansicht über die Gegenwart des Heilandes bei dem heiligen Mahl statt findet. Ich meine den Glauben, zu welchem der große und tiefe Geist Calvins und die Kirche dieses Reformators sich bekannt hat, an ein ewiges Verwerfungsurteil Gottes über den größten Teil der Menschheit - den Glauben, dass der größte Teil der Menschheit dem ewigen Verderben entgegengeht, weil der allmächtige gerechte Gott sie zu einem Beispiel aufstellen will seiner Gerechtigkeit, gleichwie er die, welche selig werden, aufstellt als ein Beispiel des Reichtums seiner Gnade. Ob wir dies glauben, oder ob wir an eine ausgestreckte Gnadenhand glauben, welche jeden zieht, der sie anfasst, das fühlt ihr gewiss alle, das ist ein wesentlicher Unterschied, der da tief und eigentümlich in's religiöse Leben eingreift. Indem ich nun am heutigen Tag hierüber sprechen will, lasst mich voranschicken, dass wahrscheinlich, und zwar möchte ich fast sagen leider! kaum Einer unter uns dürfte gefunden werden, der jenen Glauben in allen Stücken teile, auch unter denen kaum Einer, welche ursprünglich der reformirten Kirche angehören. Ich sage leider - und warum leider, wenn ich gegen diesen Glauben ein Zeugnis ablegen will? Darum, weil ihm, wie wir ihn bei der Mehrzahl seiner Bekenner finden, ein großer und hoher Ernst, eine tief im Staub anbetende Verehrung der Allmacht, der Gerechtigkeit und der Weisheit Gottes eigen zu sein pflegt, wie sie unseren Zeitgenossen im Ganzen durchaus fremd ist. Es fehlt ihnen das volle Bewusstsein der Verwerflichkeit der Sünde und der Unbeschränktheit des göttlichen Willens, das Bewusstsein, dass alles, was der Mensch ist, er aus Gnade ist; darum können sie nicht nur jenen Glauben nicht teilen, sie können ihn auch nicht einmal begreifen. So ist denn auch die Absicht dieser meiner Rede zunächst nicht die, jenen Glauben an eine unbedingte Erwählung, in der Gestalt, wie die reformirte Kirche ihn gelehrt hat, zu bekämpfen. O dass unsere Gemeinden jene reiche Glaubensfrüchte bringen möchten, wie sie in Frankreich, Holland und in der Schweiz gerade Diejenigen gebracht haben, die jenem Lehrbegriff am eifrigsten zugetan waren. Nein, meine Predigt gilt einer schwächlicheren und zugleich schlimmeren Irrlehre, welche sich aber hier und da den Schein der Verwandtschaft leiht mit jener ernsten Lehre der reformirten Gemeinde. Es ist die Leugnung der menschlichen Freiheit, verbunden mit dem Wahn, dass das endliche Ziel Aller dennoch das Himmelreich ist - der Wahn, dass zum Seligwerden nur Gottes und nicht der eigne Wille gehöre. Seht da einen Wahn, an dem in seiner vollen Ausbildung zwar auch nur eine kleinere Anzahl Anteil haben mag, der aber in irgend einem Maß, in gewissen Richtungen und Beziehungen einer großen Anzahl Menschen in unserer Zeit eigen ist. „Seine eigne Seligkeit zu schaffen mit Furcht und Zittern“ - wozu der Apostel auffordert - ei, das ist ja ein lästiges Geschäft, das überlässt man gern einem Andern. - Die Trägheit und der Fleischessinn stützen sich darum auf jenen Irrwahn. In allen andern Beziehungen sind sie rastlos tätig, damit Hausstand und Gewerbe, damit Staatswohl gedeihe, aber was das Schaffen der Seelen Seligkeit betrifft bei sich und bei Andern, da lassen sie von den Umständen sich treiben, wie der Strom den Leichnam treibt. - Darum sei das Thema meiner heutigen Predigt: So viele ihrer verloren gehen, die gehen verloren in der Zeit und Ewigkeit nicht durch Gottes, sondern durch ihren eigenen Willen.